BGer 1C_600/2023 vom 26. April 2024
Eigentumsgarantie; Einschränkungen der Eigentumsgarantie; rechtliche Grundlagen und Regulierungsdichte; schwerwiegende Einschränkung; öffentliches Interesse; Verhältnismässigkeit; Art. 26 und 36 BV
Einschränkung der Eigentumsgarantie (Art. 26 und 36 BV) – Wiederholung der Grundsätze (E. 5.1). Rechtliche Grundlagen und Regulierungsdichte – Wiederholung der Grundsätze (E. 5.1). Schwerwiegende Einschränkung – In der Rechtsprechung wurde die Verpflichtung der Eigentümer einer 20 Jahre alten oder älteren Wärmeerzeugungsanlage, den Brenner oder eine andere Zusatzkomponente der Anlage auszutauschen, nicht als schwerwiegende Einschränkung des Eigentums eingestuft. Darüber hinaus liess das BGer die Frage offen, ob die Verpflichtung zur Entfernung von Elektroheizungen und die Androhung strafrechtlicher Sanktionen, mit denen sie verbunden sein kann, als schwerwiegend einzustufen ist (E. 5.1).
Im vorliegenden Fall wird durch eine Änderung des Waadtländer Gesetzes die Pflicht zur Sanierung von dezentralen Elektroheizungen eingeführt. Keine der zur Verfügung stehenden Sanierungslösungen verhindert den Erwerb einer Liegenschaft, deren Erhaltung, Nutzung oder Veräusserung oder macht die Ausübung des Eigentums unmöglich oder wesentlich schwieriger. Die Massnahme wird zudem von Subventionen für die Eigentümer sowie von Steuerabzügen begleitet. Folglich handelt es sich nicht um einen schwerwiegenden Eingriff, und erfordert keine formell-gesetzliche Grundlage (E. 5.2).
Öffentliches Interesse – Öffentliche Interessen am Umweltschutz (Art. 74 BV), an einer nachhaltigen Entwicklung (Art. 73 BV) oder an einer umweltfreundlichen Energieversorgung und einem sparsamen und rationellen Energiepolitik (Art. 89 Abs. 1 BV) können insbesondere Eingriffe in die Eigentumsgarantie legitimieren. Das BGer hat bereits entschieden, dass die im Kanton Zürich vorgesehene Pflicht zur Entfernung von Elektroheizungen ein ausreichendes öffentliches Interesse darstellt. Es hat auch eine Gemeindeinitiative für gültig erklärt, die sicherstellen wollte, dass bis 2030 alle Heizungen mit erneuerbaren Energien betrieben werden. Auch der Bundesgesetzgeber hat in jüngster Zeit zahlreiche Initiativen zu diesen Anliegen ergriffen, die darauf abzielen, den Ersatz insbesondere von stationären elektrischen Heizgeräten durch eine Wärmeerzeugung auf der Grundlage erneuerbarer Energien zu fördern (E. 6.1).
Verhältnismässigkeit – Wiederholung der Grundsätze (E. 7.1). Im Zusammenhang mit der Regel der Notwendigkeit ist zu berücksichtigen, dass die strittige Verpflichtung nicht plötzlich und unvorhersehbar erlassen wurde, sondern das Ergebnis eines langen Prozesses ist, der in den 1990er Jahren begann und darauf abzielte, stationäre elektrische Widerstandsheizgeräte zu begrenzen. Eine Verpflichtung zur Sanierung von stationären elektrischen Widerstandsheizungen kann daher von den Eigentümern nicht als unerwartet angesehen werden (E. 7.2.2). In Bezug auf den Grundsatz der Verhältnismässigkeit im engeren Sinne hält das BGer fest, dass die angefochtenen Normen keine absolute Pflicht zum Rückbau dezentraler Elektroheizungen nach sich ziehen (Ausnahmen von der Sanierungspflicht ; Sanierung durch Isolation ; Fristverlängerung ; etc.), so dass keine Verletzung des Verhältnismässigkeitsprinzips ersichtlich ist (E. 7.2.3).
Analyse von Samuel Brückner
Obligation d’assainissement des chauffages électriques – Conformité au droit supérieur du décret sur l’assainissement des chauffages et chauffe-eaux électriques du 20 décembre 2022