BGer 4A_152/2021 vom 20. Dezember 2022
Kauf- und Werkvertrag; Abtretung von Mängelrechten; Parteiwechsel; Art. 18, 172, 368 ss und 467 Abs. 2 OR; 83 ZPO
Parteiwechsel (Art. 83 ZPO) – Bei einer Veräußerung des Streitgegenstands im Laufe des Verfahrens können nach Art. 83 Abs. 1 ZPO derjenige, der die Legitimation erworben hat, und der Prozessführer, der sie verloren hat (veräussernden Partei), durch ihren gemeinsamen Willen erreichen, dass der Erstere den Letzteren im Prozess ersetzt, wobei die Zustimmung der Gegenpartei in diesem Zusammenhang irrelevant ist. Der Streitgegenstand ist weit zu verstehen; es kann sich dabei sowohl um ein Rechtsverhältnis als auch um eine Sache handeln. Die Veräußerung muss eine Änderung der Legitimation für einen der beiden Kläger zur Folge haben; sie umfasst jede Änderung der Rechtslage, die auf besondere Weise vorgenommen wird und sich auf das Eigentum an einer Sache oder auf die Inhaberschaft der einen oder anderen Seite des streitigen Rechtsverhältnisses bezieht, wie z. B. eine Forderungsabtretung.
Im vorliegenden Fall stellt das Bundesgericht fest, dass der Streitgegenstand nicht das Eigentum an der Stockwerkeinheit ist, die im Laufe des Verfahrens verkauft wurde, sondern die Inhaberschaft der Gewährleistungsrechte aus dem Kaufvertrag zwischen dem Bauunternehmer und den ursprünglichen Käufern. Der Parteiwechsel setzte somit eine Forderungsabtretung voraus, die von den Parteien im Laufe des Verfahrens nicht behauptet und nachgewiesen wurde (E. 3.2).
Mängelgewährleistung (Art. 368 ff. OR) – Sofern nicht anders vereinbart, unterliegt die Mängelgewährleistung bei gemischten Verträgen, die Elemente des Kauf- und des Werkvertrags kombinieren, den Regeln des Werkvertrags (Art. 368 ff. OR), jedenfalls bei Mängeln, die die gemeinschaftlichen Teile betreffen. Seit BGE 145 III 8 (Änderung der Rechtsprechung) steht das Recht auf Instandsetzung eines gemeinschaftlichen Teils jedem Stockwerkeigentümer unteilbar und vollumfänglich zu. Angesichts des unteilbaren Charakters des Rechts auf Instandsetzung von Gemeinschaftsteilen ist davon auszugehen, dass auch die Geldforderungen, die aus der Ausübung des Rechts auf Instandsetzung abgeleitet werden, unteilbar sind. Stockwerkeigentümer können als freiwillige Streitgenossen klagen (E. 4.1).
Wenn Stockwerkeigentümer auf Zahlung eines Betrags klagen, der den Kosten für die Beseitigung von Mängeln entspricht, die alle gemeinschaftlichen Teile betrafen, klagen sie auf Erfüllung des (unteilbaren) Rechts auf Instandsetzung aller gemeinschaftlichen Teile und nicht auf Preisminderung (E. 4.2).
Vertragsauslegung (Art. 18 OR) – Erinnerung an die Grundsätze (E. 5.2.1).
Abtretung von Gewährleistungsansprüchen (Art. 172 und 467 Abs. 2 OR) – Im vorliegenden Fall enthielten alle Immobilienkaufverträge Klauseln zur Abtretung von Gewährleistungsansprüchen. Die meisten Verträge enthielten im Übrigen eine Klausel zum Ausschluss der Gewährleistung der Verkäuferin, weshalb die kantonalen Instanzen die Klage der Käufer gegen die Verkäuferin abwiesen ; die Klage der beiden Miteigentümer, deren Vertrag keine solche Klausel enthielt, wurde jedoch gutgeheissen.
Bei der Analyse der strittigen Klauseln hält das Bundesgericht fest, dass mangels einer Vertragsklausel, welche die eigene Gewährleistungspflicht der Verkäuferin einschränkt, der klare Wortlaut der Abtretung nach dem Vertrauensprinzip nur so zu verstehen ist, dass den Käufern die Möglichkeit eingeräumt wird, die Gewährleistungsansprüche des Bauherrn direkt gegen die Bauunternehmer geltend zu machen, die somit zu ihren Gewährleistungsansprüchen gegenüber der Verkäuferin hinzukommen (E. 5.2.3). Das Bundesgericht weist darauf hin, dass im Zusammenhang mit der Abtretung von Gewährleistungsansprüchen weitgehend anerkannt ist, dass das Recht auf Mängelbeseitigung abtretbar ist, unabhängig davon, ob es sich um den Anspruch auf Beseitigung des Mangels selbst oder um die Geldforderung, die sich daraus ergeben kann, handelt (E. 5.3).
Die Abtretung des Rechts auf Mängelbeseitigung erfolgt jedoch zum Zwecke der Erfüllung (Art. 172 OR). In diesem Fall ist der Zessionar (der Käufer) in analoger Anwendung von Art. 467 Abs. 2 OR verpflichtet, zuerst das abgetretene Recht geltend zu machen, da die vom Zedenten geschuldete Leistung in der Zwischenzeit aussteht. Der Zessionar muss dieser Pflicht jedoch nur nachkommen, wenn er über ausreichende Informationen verfügt, um gegen die betreffenden Unternehmer vorzugehen. Im Übrigen muss er nur die Anstrengungen unternehmen, die vernünftigerweise von ihm verlangt werden können. Insbesondere muss er nicht den Rechtsweg beschreiten. Da nur das Recht auf Nachbesserung abgetreten werden kann, hindert nichts den Käufer daran, gegenüber dem Verkäufer das Recht auf Preisminderung oder Vertragsauflösung geltend zu machen, wenn die Voraussetzungen dafür erfüllt sind, ohne vorher das abgetretene Recht auf Nachbesserung geltend machen zu müssen (E. 6.1).
Im vorliegenden Fall haben die Käufer ihr Recht auf Nachbesserung gegenüber den Unternehmen, die an den mit Mängeln behafteten gemeinschaftlichen Teilen des Gebäudes gearbeitet hatten, nicht ausgeübt. Außerdem waren die versprochenen Informationen zur Ausübung der Gewährleistungsrechte den Käufern frühzeitig ausgehändigt worden, und es wurde nicht nachgewiesen, dass die Verkäuferin die Kläger bei der Ausübung ihrer Gewährleistungsrechte behindert hätte. Die Beschwerde der Verkäuferin wurde gutgeheissen und die Klage abgewiesen (E. 6.2).