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BGer 4A_275/2023 vom 07. August 2023

Werkvertrag; Ungefährer Kostenvoranschlag und SIA Norm 118; Art. 375 OR; 56 SIA Norm 118

Ungefährer Kostenvoranschlag (Art. 375 OR) und SIA-Norm 118 – Die Regeln des ungefähren Kostenvoranschlags in Art. 375 OR sind der SIA-Norm 118 nicht fremd, da sich Art. 56 der Norm mit dieser Frage befasst. Es ist daher möglich, die Regeln des Art. 375 OR neben der SIA-Norm 118 anzuwenden (E. 6.3).

Werkvertrag

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SIA Normen

SIA Normen

BGer 1C_392/2022 et 1C_391/2022 vom 25. Juli 2023

Eigentumsgarantie; Politische Rechte und Rechtmässigkeit einer Volksinitiative; Eigentumsgarantie; Art. 26, 36, 74 ff. BV

Politische Rechte und Rechtmäßigkeit einer Volksinitiative – Wiederholung der Grundsätze.

Eigentumsgarantie (Art. 26 BV) – Die Eigentumsgarantie (Art. 26 BV) gewährleistet das Eigentum nur in den Schranken, die ihm im öffentlichen Interesse durch die Rechtsordnung gezogen sind. Nach ständiger Rechtsprechung sind namentlich die Anforderungen des Gewässerschutzes (Art. 76 BV), des Umweltschutzes (Art. 74 BV) und der Raumplanung (Art. 75 BV) zu beachten; diese gewichtigen öffentlichen Interessen sind der Gewährleistung des Eigentums grundsätzlich gleichgestellt. Eine Eigentumsbeschränkung, die einer Enteignung gleichkommt und damit eine Entschädigungspflicht wegen materieller Enteignung auslöst, liegt nur ausnahmsweise vor, wenn der Eingriff besonders schwer wiegt oder den Einzelnen ein unzumutbares Sonderopfer abverlangt wird Einzig die sogenannten « wohlerworbenen Rechte » weisen eine erhöhte Rechtsbeständigkeit auch gegenüber nachträglichen Gesetzesänderungen auf.

Im vorliegenden Fall zielen zwei durch kommunale Volksinitiativen vorgeschlagene Regelungen auf die Reduktion von CO2-Emissionen ab. Die wichtigsten Massnahmen sind zum einen die obligatorische Verwendung von Heizungen, die ab 2030 ausschliesslich mit erneuerbaren Energien betrieben werden (Urteil 1C_391/2022), und zum anderen die Verpflichtung, in Wohngebäuden der Gemeinde Kabelschächte zu installieren, die den einfachen Anschluss einer Ladestation für Elektrofahrzeuge ermöglichen (Urteil 1C_392/2022). Nachdem das Bundesgericht eine kommunale Kompetenz zur Gesetzgebung zu diesen Themen anerkannt hatte, prüfte es die Vereinbarkeit der Massnahmen mit der verfassungsmässigen Eigentumsgarantie. Da unbestritten eine gesetzliche Grundlage und ein erhebliches öffentliches Interesse am Erlass dieser Regelungen bestehen, stellt sich lediglich die Frage nach ihrer Verhältnismässigkeit. Gemäss BGer sind diese Massnahmen nicht nur geeignet, um das angestrebte Ziel zu erreichen, sondern beeinträchtigt darüber hinaus nur die finanziellen Interessen der Eigentümer, die relativiert werden müssen, da kantonale Förderbeiträge zur Verfügung stehen. Der zeitliche Spielraum, der den Eigentümern zur Verfügung stünde, um die Änderungen vorzunehmen, erscheint ausreichend, was die Verhältnismässigkeit der Massnahmen stärkt. Somit sind die vorgeschlagenen Regelungen verhältnismässig und somit mit der Verfassung vereinbar : Sie können der Volksabstimmung unterbreitet werden.

NB : Die beiden Urteile sind in der angehängten Datei wiedergegeben (TF 1C_391/2022, dann TF 1C_392/2022).

Analyse von Samuel Brückner

Portée de la garantie de la propriété lors de l’adoption de règles constructives destinées à limiter les émissions de CO2

Eigentum/Besitz

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BGer 5A_626/2022 vom 17. Juli 2023

Bäuerliches Bodenrecht; Vorkaufsrecht des Nachkommen; üblicher Betriebsradius; Art. 42 Abs. 2 BGBB

Vorkaufsrecht des Nachkommen des Eigentümers eines landwirtschaftlichen Grundstücks (Art. 42 Abs. 2 BGBB) – Erinnerung an die Grundsätze. Eine der Voraussetzungen für das Bestehen des Vorkaufsrechts des Nachkommen ist, dass das verkaufte Grundstück im ortsüblichen Bewirtschaftungsradius des eigenen Betriebes liegt. Die Forderung nach einem solchen Radius entspricht ökologischen Bedenken und der Aufrechterhaltung einer produktiven und rentablen Landwirtschaft. Dieser unbestimmte Rechtsbegriff findet sich mehrfach im BGBB und muss einheitlich angewendet werden (E. 3.1). Bestimmung des üblichen Bewirtschaftungsradius – Erinnerung an die Grundsätze und Berechnungsmethode (E. 3.2).

Im vorliegenden Fall ist die Bedingung des üblichen Betriebsradius nicht erfüllt, da die Strecke 5,9 km lang ist und erhebliche Höhenunterschiede aufweist, während der ortsübliche Radius 1,36 km beträgt. Die alternativen Strecken weisen einen nicht garantierten Winterdienst auf, sind für landwirtschaftliche Fahrzeuge als schwer befahrbar einzustufen oder weisen eine Distanz von weit über 8 km auf (E. 4 und 5).

Bäuerliches Bodenrecht

Bäuerliches Bodenrecht

Eigentum/Besitz

Eigentum/Besitz

BGer 5A_96/2023 vom 14. Juli 2023

Dienstbarkeit; Status einer katholischen Pfarrei und einer kirchlichen Stiftung; Baurecht für ein Grundstück, das der Stiftung gehört; clausula rebus sic standibus, Art. 779 ff. ZGB

Status einer katholischen Pfarrkirchenstiftung – Im Kanton Zürich sind katholische Pfarreien öffentlich-rechtliche Körperschaften, denen das Eigentumsrecht am Kirchenvermögen fehlt, das von privatrechtlichen kirchlichen Stiftungen verwaltet wird (E. 2).

Baurecht für ein Grundstück, das einer Kirchengemeinde gehört – Die Frage, ob eine kirchliche Stiftung beim Abschluss eines Baurechtsvertrags die öffentlich-rechtlichen Grundsätze wie Verhältnismäßigkeit, Willkürverbot und Äquivalenz beachten muss, kann in diesem Fall offen bleiben (E. 3). Denn selbst wenn sie diesen unterworfen wäre, muss man zugeben, dass diese Grundsätze im vorliegenden Fall nicht verletzt wurden. Die Parteien konnten den Erbbaurechtsvertrag frei aushandeln und den Erbbauzins einvernehmlich vereinbaren, einschließlich der Indexierung des Erbbauzinses an den mietrechtlichen Referenzzinssatz und der Festlegung eines Mindestbetrags, unter den der Erbbauzins nicht sinken durfte (E. 4).

Clausula rebus sic stantibus und Baurecht – Erinnerung an die Grundsätze (E. 5.2). Auch die clausula rebus sic standibus findet keine Anwendung, da der Superpächter nicht beweisen kann, dass die Senkung des Referenzzinssatzes von 3,25 auf 1,5 über den relevanten Zeitraum eine außergewöhnliche Zinsentwicklung darstellt, die außerhalb dessen liegt, was sich die Parteien zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses vorstellen konnten (E. 5).

Dienstbarkeit

Dienstbarkeit

BGer 2C_147/2023 vom 14. Juli 2023

Bäuerliches Bodenrecht, Berechtigung zum Erwerb, ohne selbst Landwirt zu sein; Art. 64, 66 BGBB

Bewilligung zum Erwerb eines landwirtschaftlichen Gewerbes ohne persönliche Bewirtschaftung (Art. 64 und 66 BGBB) – Das BGBB sieht Ausnahmen vom Grundsatz der persönlichen Bewirtschaftung vor, die in Art. 64 BGBB aufgeführt sind, darunter die Ausnahme, dass die Bewilligung dem nicht persönlich bewirtschaftenden Erwerber erteilt wird, wenn er nachweist, dass trotz eines öffentlichen Angebots zu einem nicht überhöhten Preis kein Antrag von einem persönlich bewirtschaftenden Landwirt gestellt wurde (E. 4.1.1).

Im vorliegenden Fall erfolgte das öffentliche Angebot zu einem Preis, der mehr als das Doppelte des Durchschnittspreises der letzten fünf Jahre für vergleichbare Grundstücke in der Region betrug, so dass er als überhöht im Sinne des BGBB zu betrachten ist. Die Tatsache, dass die Parzelle im Waadtländer Recht in der Zwischenzone kolloziert war, hat keinen Einfluss auf den Preis, da diese Zone aus dem kantonalen Recht gestrichen wurde und die Parzelle nun als Parzelle in der Landwirtschaftszone betrachtet wird. Auch die Tatsache, dass die Parzelle in ein Quartierplanprojekt mit Zeithorizont 2030 einbezogen werden könnte, dessen Ausgang ungewiss ist, hat keinen Einfluss auf den Preis (E. 4.2 bis 4.4).

Bäuerliches Bodenrecht

Bäuerliches Bodenrecht

BGer 6B_64/2023 vom 14. Juli 2023

Strafrecht; Fahrlässige Tötung; Verjährung; Art. 97-98, 127 StGB; 4 SVG und 80 SSV

Strafrechtliche Verjährung – Erinnerung an die Grundsätze (E. 1.1.1). Unterlassungs- und Begehungsdelikte – Erinnerung an die Grundsätze. Die Lieferung eines Bauwerks mit Mängeln, die auf eine Verletzung der Regeln der Baukunst durch den Urheber zurückzuführen sind, ist kein Unterlassungsdelikt, sondern ein Begehungsdelikt. Die Verjährungsfrist beginnt mit der Fertigstellung des Bauwerks zu laufen (E. 1.1.2). Der Tag, an dem Absperrungen vom Typ "Vauban" auf einer Fahrbahn ohne jegliche Beschilderung im Vorfeld aufgestellt werden und so eine gefährliche Situation entsteht, stellt den dies a quo der Verjährung dar (E. 1.4).

Fahrlässige Tötung

(Art. 127 StGB) – Erinnerung an die Grundsätze (E. 3.1.1). Im vorliegenden Fall hatte der Gesamtleiter des Projekts die Aufgabe, die Arbeiten so zu organisieren, dass Dritte keinen Schaden erlitten. Indem er sich darauf beschränkte, für die vorübergehende Sperrung von Strassen und Wegen die Aufstellung von Metallbarrieren vorzusehen, selbst wenn diese mit Warnplakaten im Format A3 oder A4 versehen waren, ergriff der Bauleiter Massnahmen, die nicht den Anforderungen von Art. 4 Abs. 1 SVG und Art. 80 Abs. 1 und 3 SSV entsprachen, die in der Norm SN 640 886 des Schweizerischen Verbands der Strassen- und Verkehrsfachleute sowie in den von der ZSRK herausgegebenen Richtlinien für die Signalisation von Baustellen präzisiert wurden. Für das Bundesgericht musste sich die Notwendigkeit, auf ein Hindernis hinzuweisen, dass die Fahrbahn vollständig versperrt und jedem Autofahrer bekannt ist, aufgrund seiner Offensichtlichkeit in das Bewusstsein des Gesamtleiter drängen (E. 3.4).

Strafrecht

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BGer 4A_10/2023 vom 14. Juli 2023

Werkvertrag; vertretung; Handwerkliche arbeiten Verjährung; Art. 32 ff.,127-128 OR

Zivilrechtliche Vertretung (Art. 32 ff. OR) – Erinnerung an die Grundsätze (E. 3.1).
Verjährung bei handwerklichen Tätigkeiten (Art. 127 und 128 OR) – Die Ansprüche von Handwerkern für ihre Arbeit verjähren nach Art. 128 Ziff. 3 OR nach fünf Jahren. Im Gegensatz zu dem, was der Wortlaut von Art. 128 Ziff. 3 OR in seiner französischen Fassung suggerieren könnte, ist für die Anwendung dieser Bestimmung tatsächlich die Art der Arbeit und nicht die Eigenschaft desjenigen, der sie ausführt (kleiner Handwerker oder großer Unternehmer), ausschlaggebend. Die Arbeit des Handwerkers ist eine manuelle Arbeit, die mit oder ohne Werkzeuge ausgeführt wird und bei der das manuelle Element eine größere (oder mindestens gleiche) Bedeutung hat als bei anderen Leistungen, die insbesondere den Einsatz von Maschinen, organisatorische Arbeiten und Verwaltungsaufgaben erfordern. Sie zeichnet sich dadurch aus, dass das Handwerk, die Technik und die Handarbeit gegenüber der Massenproduktion, dem intellektuellen oder wissenschaftlichen Element, dem Organisationsgeist und den Verwaltungsaufgaben vorherrschen. Diese Bedeutung ist Arbeiten vorbehalten, die keine Planungsmaßnahmen (in Bezug auf Personal oder Fristen) und keine Koordination mit anderen Gewerken erfordern und die daher ohne besondere administrative Mittel ausgeführt werden können (E. 4.1.2).

Kasuistik – Als handwerkliche Tätigkeiten gelten die vollständige Installation der Elektrizität in einer grossen Villa, Gipser – oder Malerarbeiten, das Anfertigen von Rahmen mit vorgefertigten, auf die erforderliche Länge zugeschnittenen Leisten, das Anfertigen von Tierbatterien, das Anbringen von Sanitäranlagen, Spenglerarbeiten, Umbau – und Lüftungsarbeiten an WCs, die Montage einer Gemeinschaftsantenne sowie Reinigungs – oder Gartenarbeiten. Je nach den Umständen sind dieselben Tätigkeiten jedoch ausgeschlossen, wenn sie eine planende und koordinierende Tätigkeit mit administrativem Charakter erfordern. Ausgeschlossen sind insbesondere Arbeiten wie die Lieferung und Installation von Aufzügen, die mit einem industriellen mechanischen Verfahren hergestellt werden, der Bau eines ganzen Hauses, so bescheiden er auch sein mag, da eine solche Tätigkeit einen erheblichen intellektuellen, organisatorischen und administrativen Beitrag erforderte, oder die Einrichtung eines Innenraums, bei der nicht nur Möbel hergestellt und montiert werden, sondern auch Pläne erstellt und erhebliche organisatorische und planerische Massnahmen ergriffen werden müssen (E. 4.1.3). Im vorliegenden Fall stellt die Restaurierung von rund 40 antiken Möbeln eine handwerkliche Tätigkeit dar (E. 4.2-4.3).

Werkvertrag

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BGer 1C_332/2022 vom 13. Juli 2023

Materielle Enteignung, Nichteinzonung; Baugebiet von kommunalem Interesse; Art. 26 BV; 5 RPG

Materielle Enteignung (Art. 26 BV ; 5 RPG) – Wiederholung der Grundsätze (E. 3.2) ; massgebliches Datum (E. 3.4). Bauzone von kommunalem Interesse – Darstellung des Tessiner Rechts und der Rechtsprechung (E. 3.5).

Nichteinzonung – Erinnerung an die Grundsätze (E. 3.3.1). Die Nichteinzonung einer Parzelle zu einer Bauzone liegt auch dann vor, wenn eine Parzelle im Rahmen einer ersten, dem RPG entsprechenden Planung in eine Zone für öffentliche Bauten und Anlagen eingeteilt wird, d.h. in eine Zone, die nicht für den Bau von privaten Gebäuden reserviert ist, sondern für öffentliche Bauten bestimmt ist. Da der Eigentümer sein Grundstück nicht bebauen kann, das von der öffentlichen Hand erworben werden soll, ähnelt die Einschränkung einer Einteilung in die Landwirtschaftszone, auch wenn das Grundstück formell in der Bauzone verbleibt (E. 3.3.2).

Im vorliegenden Fall ist unbestritten, dass der der Planungsmassnahme vorausgehende Plan aus dem Jahr 1977 nicht den Grundsätzen des RPG entsprach (E. 3.6.2). Folglich entsprach die Massnahme einer Verweigerung der Einstufung und nicht einer Auszonung im Sinne der bundesgerichtlichen Rechtsprechung (E. 3.6.3). Das kantonale Gericht erkannte fälschlicherweise einen Enteignungsfall, ohne im Detail zu prüfen, ob die Voraussetzungen für eine Entschädigung bei Nichteinstufung erfüllt waren, und glaubte, sich auf die Besonderheit einer Einstufung in eine Zone von öffentlichem Interesse stützen zu können. Das BGer weist den Fall zur erneuten Prüfung dieser Bedingungen, insbesondere der konkreten Bebaubarkeit der betroffenen Parzellen, zurück (E. 4).

Eigentum/Besitz

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BGer 5A_303/2023 vom 04. Juli 2023

Dienstbarkeit; Baurecht; Heimfallentschädigung; interne Schiedsgerichtsbarkeit, Art. 779c und 779d ZGB; 393 ZPO

Gründe für eine Beschwerde gegen einen internen Schiedsspruch (Art. 393 ZPO) – Erinnerung an die Grundsätze (E. 2.1). Für die Beurteilung der objektiven Tragweite der Schiedsvereinbarung gilt die Rüge von Art. 393 lit. b ZPO, die sich auf die Zuständigkeit des Schiedsgerichts bezieht (E. 3.1). Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör oder der Gleichbehandlung nach Art. 393 lit. d ZPO (E. 4.3 und 4.4). Willkür des Schiedsspruchs, der auf offensichtlich tatsachenwidrigen Feststellungen oder einer offensichtlichen Verletzung des Rechts oder der Billigkeit gemäss Art. 393 lit. e ZPO beruht (E. 5.1).

Auslegung der Schiedsvereinbarung – Erinnerung an die Grundsätze (E. 3.3). Nach einer objektiven Auslegung der Vereinbarung ergibt sich im vorliegenden Fall, dass die Zuständigkeit des Schiedsgerichts nur für die Festlegung der Höhe der Rückkehrentschädigung vorgesehen war. Nicht nur der Wortlaut der Vereinbarung geht in diese Richtung, sondern auch die Umstände führen dazu, dass die Parteien bei der Unterzeichnung des Vertrags von vornherein zugestanden hatten, dass eine Entschädigung fällig werden würde; der Streit konnte daher nur über die Frage der Höhe entstehen. Im Übrigen sollten die Schiedsrichter Experten für Immobilienbewertung sein, was darauf hindeutet, dass ihnen nur die Frage der Höhe der Entschädigung vorgelegt werden würde (E. 3.5).

Erlöschen eines Baurechts und angemessene Entschädigung (Art. 779c und 779d ZGB) – Erinnerung an die Grundsätze. Art. 779d ZGB, der die Heimfallentschädigung regelt, ist dispositiver Natur. Die Parteien des Baurechtsvertrags können nicht nur den Betrag oder die Berechnungsmethode im Baurechtsvertrag regeln, sondern auch die Entschädigungspflicht aufheben (E. 5.3). Da das Schiedsgericht im vorliegenden Fall die geeignete Methode aus dem von den Parteien unterzeichneten Vertrag ableitete, sind die Argumente, dass die Entschädigung im Rahmen von Art. 779d ZGB nach dem Verkehrswert berechnet wird, irrelevant. Darüber hinaus reicht es nicht aus, die Berechnungsmethode anzufechten, sondern die zugesprochene Entschädigung muss in ihrem Ergebnis tatsächlich willkürlich sein (E. 5.5).

Dienstbarkeit

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Interne Schiedsgerichtsbarkeit

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Verfahren

Verfahren

BGer 4A_145/2023 vom 03. Juli 2023

Vorkaufsrecht; Beschwerde gegen eine Zwischenverfügung; unbezifferte Zahlungsklage; Schaden; Abtretung von vertraglichen; Vorkaufsrechten; Vorkaufsfall; Art. 85 und 237 ZPO; 216b OR

Beschwerde gegen einen Zwischenentscheid (Art. 237 Abs. 2 ZPO) – Erlässt das Gericht einen Zwischenentscheid, der die Gültigkeit der Übertragung eines Vorkaufsrechts sowie dessen Ausübung betrifft, obliegt es der Partei, die sich dagegen wehrt, eine eigenständige Beschwerde beim übergeordneten Gericht einzureichen ; eine spätere Anfechtung zusammen mit dem Endentscheid ist nicht mehr möglich (E. 1.3).

Unbezifferte Zahlungsklage (Art. 85 ZPO) – Unbestritten ist, dass die Bezifferung dieses Begehrens zu Beginn des Verfahrens noch nicht möglich beziehungsweise noch nicht zumutbar – da von einem Gutachten über den Verkehrswert des Grundstücks abhängig – und insofern die Voraussetzung von Art. 85 Abs. 1 ZPO gegeben war. Strittig ist, ob es im Sinne von Art. 85 Abs. 2 ZPO zulässig ist, die Rechtsbegehren erst in den Schlussplädoyers zu beziffern. Das Bundesgericht erkennt, dass die Bezifferung im vorliegenden Fall ohne Verzögerung erfolgte, da das Gutachten 2020 abgegeben wurde, aber auch danach noch Gegenstand von Kritik war und zwei Ergänzungen des Gutachtens wurden mit Datum vom 2. Dezember 2020 und 25. August 2021 vorgelegt. Schliesslich forderte das Gericht die Parteien in einer Entscheidung vom 9. November 2021 zu schriftlichen Plädoyers auf, in denen es sich erneut zur Zulässigkeit zahlreicher Beweismittel äusserte. Daraus folgt, dass in diesem Fall nur der Abschluss der Beweisaufnahme eine Bezifferung der Forderung ermöglichte, sodass die in den schriftlichen Plädoyers vom 28. Februar 2022 erfolgte Bezifferung nicht verspätet ist.

Abtretung vertraglicher Vorkaufsrechte – Die Übertragbarkeit vertraglicher Vorkaufsrechte an Grundstücken ist derzeit in Art. 216b OR geregelt. Nach Abs. 1 dieser Bestimmung sind solche Vorkaufsrechte nicht übertragbar, es sei denn, es wurde etwas anderes vereinbart (E. 5.1). Im vorliegenden Fall bestand diese Bestimmung, die am 1. Januar 1994 in Kraft trat, bei Vertragsabschluss nicht und es gab keine andere Bestimmung, die sich mit dieser Frage befasste. In der Rechtsprechung und Lehre wurde damals festgehalten, dass das Vorkaufsrecht generell nicht übertragbar sei, dass sich die Übertragbarkeit aber « aus dem Willen der Parteien oder aus den besonderen Umständen des Einzelfalls » ergeben könne. Dies ist hier der Fall, da die Parteien bei Vertragsabschluss ein hohes Alter hatten und eine subjektive Auslegung ihres Willens ergibt, dass sie eine Übertragung wie im vorliegenden Fall, d. h. unter Lebenden, aber an die gesetzlichen Erben, auf Rechnung eines künftigen Nachlasses, für möglich gehalten hätten (E. 5.2-5.4).

Schaden – Der Schaden aus der Verletzung des Vertrags, der das Vorkaufsrecht gewährt, entspricht im vorliegenden Fall der Differenz zwischen dem Verkehrswert des Grundstücks zum Zeitpunkt der Vertragsverletzung und dem vom Käufer gezahlten Kaufpreis, zu dem die Vorkaufsberechtigten das Grundstück somit hätten erwerben können (E. 6).

Vorkaufsfall – Wenn eine Eigentumsübertragung im Hinblick auf eine zukünftige Erbschaft erfolgt, löst sie weder nach neuem noch nach altem Recht einen Vorkaufsfall aus. In der Regel liegt nämlich kein Vorkaufsfall vor, wenn ein Geschäft unter besonderer Berücksichtigung persönlicher Beziehungen abgeschlossen wird, wie dies insbesondere bei einem Erbvorbezug der Fall ist, bzw. wenn ein Grundstück unter Berücksichtigung des künftigen Erbrechts auf einen gesetzlichen Erben übertragen wird. Der Verkauf stellt sich dann als eine vorzeitige Regelung des Nachlasses dar (E. 7).

Analyse von François Bohnet , Simon Varin

Le moment du chiffrage des conclusions / le sort du droit de préemption en cas de transfert aux héritiers en raison de leur futur droit de succession

Eigentum/Besitz

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Kaufvertrag

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Schaden

Schaden

Verfahren

Verfahren

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BGer 2D_35/2022 vom 22. Juni 2023

öffentliche Beschaffungswesen; Wettbewerb; Beschwerdebefugnis der WEKO; Art. 83 und 115 BGG; 9 Abs. 2bis BGBM

Beschwerdelegitimation der WEKO – Das Bundesgericht hatte bereits erkannt, dass das Beschwerderecht der WEKO nach dem Willen des Gesetzgebers auf Entscheide, die Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung aufwerfen, und auf Beschaffungen, die den massgeblichen Schwellenwert erreichen, beschränkt ist. Im vorliegenden Fall verneint es, dass Art. 9 Abs. 2bis BGBM eine spezialgesetzliche Grundlage darstellt, die es legitimieren würde, in Abweichung vom BGG eine subsidiäre Verfassungsbeschwerde gegen kommunale Vergabeentscheide für Bauarbeiten einzureichen.

Öffentliche Beschaffungswesen

Öffentliche Beschaffungswesen

Verfahren

Verfahren

BGer 5A_212/2023 vom 19. Juni 2023

Dienstbarkeit; Publizitätsprinzip; Gutgläubiger Erwerber; Eintragsängerung; Art. 738, 973 und 975 ZGB

Publizitätsprinzip des Grundbuchs und gutgläubiger Erwerber – Gemäss Art. 975 ZGB kann derjenige, dessen dingliche Rechte durch eine vorgenommene Eintragung oder durch ohne rechtlichen Grund geänderte oder gelöschte Eintragungen beeinträchtigt worden sind, deren Löschung oder Änderung verlangen (Abs. 1). Vorbehalten bleiben gemäss Art. 973 Abs. 1 ZGB die Rechte, die Dritte in gutem Glauben durch die Eintragung erworben haben (Abs. 2) (E. 3.1.1). Geschützt werden muss beim Erwerb, wer sich in gutem Glauben auf einen Grundbucheintrag verlassen hat – wobei zu beachten ist, dass der Dienstbarkeitsvertrag als Beleg beim Grundbuchamt aufbewahrt wird und auch Bestandteil des Grundbuchs ist – und in der Folge das Eigentum oder andere dingliche Rechte erworben hat. Auch ein an sich gutgläubiger Erwerber muss sich daher genauer informieren, wenn besondere Umstände ihn an der Richtigkeit des Eintrags zweifeln lassen. Insbesondere der tatsächliche und äusserlich sichtbare physische Zustand eines Grundstücks kann den guten Glauben des Dritterwerbers an den Eintrag im Grundbuch vereiteln (E. 3.1.3).

Im vorliegenden Fall konnte der Erwerber des herrschenden Grundstücks nicht in gutem Glauben davon ausgehen, dass die Dienstbarkeit ein Bauverbot auf dem gesamten dienenden Grundstück mit Ausnahme des bereits bebauten Volumens beinhaltete, obwohl sie als « Baubeschränkung » eingetragen war und das Blatt den Leser darauf verwies, beim Grundbuchamt nachzufragen, mit dem Hinweis, dass die Ausübung des Rechts « gemäss Grundbuch » erfolgen müsse. Der Käufer musste sich zudem weiter informieren, als er feststellte, dass die in der Dienstbarkeit vorgesehene Höhenbeschränkung auf vier Meter derzeit von zwei bereits errichteten Gebäuden offensichtlich nicht eingehalten wurde (E. 3.4).

Dienstbarkeit

Dienstbarkeit

BGer 2C_901/2022 vom 31. Mai 2023

Haftpflicht; Abgrenzung zum öffentlichen Recht; Werkeigentümerhaftung; Art. 41 ff. OR

Abgrenzung zum öffentlichen Recht – Die Haftung der kantonalen und kommunalen öffentlichen Körperschaften richtet sich grundsätzlich nach Art. 41 ff. OR, vorbehaltlich der Annahme von Bestimmungen des kantonalen öffentlichen Rechts durch die Kantone (Art. 59 und 61 OR). Gibt es eine bundesrechtliche Haftungsnorm in einem Spezialgesetz (z.B. Art. 58 SVG) oder unter den Spezialbestimmungen des OR (z.B. Art. 56 und 58 OR ; Art. 679 ZGB), die auch für öffentliche Körperschaften gilt, so geht nach ständiger Rechtsprechung die bundesrechtliche Norm vor und die Kantone können nicht davon abweichen (E. 4.2).

Werkeigentümerhaftung (Art. 58 OR) – Wiederholung der Grundsätze (E. 5.1 und 5.2). Im vorliegenden Fall soll die Errichtung einer Erdaufschüttung unterhalb einer Gemeindestrasse das Chalet des benachbarten Eigentümers beschädigt haben, der daraufhin eine Klage nach der kantonalen Staatshaftung des öffentlichen Rechts einreichte. Nun bestätigt das Bundesgericht, dass eine solche Aufschüttung ein Werk im Sinne von Art. 58 OR darstellt, was keinen Raum für die Anwendung des kantonalen öffentlichen Rechts lässt (E. 5.3). Selbst wenn sich die Aufschüttung auf dem Grundstück eines Dritten befindet, ist es die Gemeinde als Eigentümerin der Straße, die im Sinne von Art. 58 OR dafür verantwortlich ist. Nach der Rechtsprechung ist es nämlich unerheblich, ob die beiden Sachen verschiedenen Eigentümern gehören, wenn zwei rechtlich unabhängige Sachen in funktioneller Hinsicht ein einziges Werk bilden und der Mangel an der weniger wichtigen Sache sich als Mangel an der anderen Sache darstellt. Die Werkeigentümerhaftung des Art. 58 OR trifft dann den Eigentümer des wichtigeren Teils, der das Werk in der Regel als Ganzes errichtet hat, es nutzt, tatsächlich darüber verfügt und daher für seinen Unterhalt sorgen muss (E. 5.4). Folglich bestätigt das Bundesgericht den Unzulässigkeitsentscheid der Vorinstanz.

Haftpflicht

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Verfahren

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BGer 4A_302/2022 vom 30. Mai 2023

Werkvertrag; Verletzung des Kontrahierungsversprechen; Art. 22, 97 und 377 OR

Verletzung des Versprechens, einen Werkvertrag abzuschliessen (Art. 22 und 97 i.V.m. 377 OR) – Tritt der Versprechende vom Vorvertrag zurück, ist der zu ersetzende Schaden derjenige, den sein Vertragspartner durch die Nichterfüllung des Hauptvertrags selbst, also des Werkvertrags, erleidet. Es gelten die Regeln von Art. 97 in Verbindung mit Art. 377 OR (E. 5)

Da die Bauherren im vorliegenden Fall unter einem reinen Vorwand vom Vertrag zurückgetreten sind, ist der positive Schadenersatz in vollem Umfang geschuldet (E. 5.1). Sie können auf der Grundlage der zuvor eingereichten Kostenvoranschläge bzw. des Entwurfs des Werkvertrags, der letztlich nicht unterzeichnet wurde, ermittelt werden (E. 5.3).

Werkvertrag

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BGer 5A_955/2022 vom 26. Mai 2023

Dienstbarkeit; Auslegung einer Dienstbarkeit; Näherbaurecht und öffentliches Recht; Art. 738 ZGB

Auslegung einer Dienstbarkeit (Art. 738 ZGB) – Erinnerung an die Grundsätze (E. 3.3.1-3.3.3).

Näherbaurecht – Der Grundbucheintrag « Näherbaurecht » umfasst das Recht, in einem geringeren als dem gesetzlichen Abstand an die Grenze des Nachbargrundstücks zu bauen, d.h. auf oder unter der Bodenfläche ein Bauwerk zu errichten oder beizubehalten. So muss der Eigentümer des belasteten Grundstücks dulden, dass der Eigentümer des herrschenden Grundstücks auf seinem Grundstück in einem Abstand baut, der geringer ist als der gesetzliche Mindestabstand zur Grenze. Bei einem gegenseitigen Näherbaurecht verpflichten sich die beteiligten Grundeigentümer gegenseitig, ein Gebäude oder einen Gebäudeteil des anderen im Abstandsbereich zu dulden (E. 3.5).

Zusammenhang mit dem öffentlichen Recht – Näherungsbaurechte müssen sich von Anfang an im Rahmen des öffentlich-rechtlich Zulässigen bewegen : Es ist nicht möglich, mit diesem Instrument von den öffentlich-rechtlichen Abstandsregeln abzuweichen (E. 3.6). Für den Fall, dass das öffentliche Recht den beiden benachbarten Eigentümern nicht erlaubt, von der gegenseitigen Dienstbarkeit zu profitieren, vertritt das Bundesgericht, der Lehre zum Thema folgend, die Ansicht, dass der erste Bauherr vom Abstandsprivileg profitiert, während der zweite Bauherr weiter von der Grenze entfernt sein muss, um den Konflikt zwischen dem Recht auf nahes Bauen und den öffentlich-rechtlichen Vorschriften über den Gebäudeabstand zu lösen. Diese Lösung muss in jedem Fall Vorrang haben, wenn weder aus dem Dienstbarkeitsvertrag noch aus den sonstigen Umständen hervorgeht, dass die Vertragsparteien eine Verpflichtung haben, sich im gleichen Verhältnis von der Grenze zu entfernen (E. 3.6.3).

Dienstbarkeit

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BGer 4A_51/2023 vom 23. Mai 2023

Werkvertrag; Materialien, die auf dem Grundstück eines anderen verwendet werden; Formvorbehalt; absichtliche Täuschung; Art. 671 ff. ZGB; 16 und 28 OR

Materialien, die auf fremdem Grund und Boden verwendet werden (Art. 671 ff. ZGB) – Wiederholung der Grundsätze. Diese Bestimmungen gelten nicht, wenn der Einbau des Materials auf der Grundlage eines Vertrags zwischen dem Eigentümer des Materials und dem Grundeigentümer erfolgte, ebenso wenig wie wenn die Verbindung des Materials mit dem Grundstück von jemandem vorgenommen wurde, der weder Eigentümer des Materials noch Eigentümer des Grundstücks ist (E. 4.2). Ohne Behauptung und Beweis des Unternehmers, dass sein eigenes Material auf fremdem Grund und Boden verwendet wurde und der Eigentümer des Grund und Bodens bereichert wurde, ist die Entschädigung nach Art. 672 ZGB nicht geschuldet (E. 4.4).

Formvorbehalt (Art. 16 OR) – Hatten sich die Parteien für jede Vertragsänderung eine bestimmte Form vorbehalten, nämlich die Schriftform mit der « rechtsgültigen Unterschrift beider Parteien », so ist dieser Formvorbehalt umfassend und gilt gleichermaßen für alle Auftragsänderungen, unabhängig von ihrem Titel. Es wird (widerlegbar) vermutet, dass die Parteien eine Bestellungsänderung nicht vereinbaren wollten, wenn diese Form nicht eingehalten wurde (E. 5.2). Es obliegt der Partei, die diese Vermutung widerlegen will, zu behaupten und zu beweisen, dass die Änderung stillschweigend erfolgte (E. 5.3.2).

Absichtliche Täuschung

(Art. 28 OR) – Wiederholung der Grundsätze (E. 8.2).

Werkvertrag

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Eigentum/Besitz

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BGer 5A_757/2022 vom 17. Mai 2023

Dienstbarkeit; Notwendiges Wegerecht; ausreichender Zugang im öffentlichen Recht; Verhältnis zwischen Privatrecht und öffentlichem Recht; Art. 694 ZGB; 19 und 22 RPG

Notwendiges Wegerecht (Art. 694 ZGB) – Wiederholung der Grundsätze. In ständiger Rechtsprechung macht das Bundesgericht die Gewährung eines notwendigen Durchgangsrechts von sehr strengen Voraussetzungen abhängig. Das Durchgangsrecht kann nur im Falle einer echten Notwendigkeit geltend gemacht werden. Eine Notwendigkeit liegt nur dann vor, wenn eine bestimmungsgemässe Nutzung oder Bewirtschaftung des Grundstücks einen Zugang zur öffentlichen Strasse erfordert und dieser gänzlich fehlt oder stark beeinträchtigt ist (E. 4).

Ausreichender Zugang im öffentlichen Recht (Art. 19 Abs. 1 und 22 Abs. 2 RPG) – Eine Baubewilligung wird nur unter der Voraussetzung erteilt, dass das Grundstück erschlossen ist. Ein Grundstück gilt als erschlossen, wenn es in einer der geplanten Nutzung angemessenen Weise durch Zufahrtswege erschlossen ist. Für die ausreichende Zufahrt sind in erster Linie die Mittel der Planung massgebend ; sie kann auch durch eine private Vereinbarung zwischen den betroffenen Eigentümern eingerichtet werden. Der Zugang ist ausreichend, wenn er nicht nur für diejenigen, die von dem Bau profitieren, sondern auch für Fahrzeuge der öffentlichen Dienste gewährleistet, sicher und angemessen ist. Der Umfang der Anlagen und die Bestimmung der ausreichenden Zugänglichkeit fallen unter das kantonale Recht. Aus Sicht des Bundesrechts reicht es aus, wenn die Zufahrtsstrasse ausreichend nahe an den Bauten und Anlagen liegt. Es ist nicht erforderlich, dass die Strasse bis zum Baugrundstück oder sogar bis zu jedem Gebäude befahrbar ist ; es genügt, wenn die Benutzer oder Besucher mit einem Motorfahrzeug (oder einem öffentlichen Verkehrsmittel) in ausreichender Nähe zu den Gebäuden oder Anlagen gelangen können, um diese über einen Weg zu erreichen (E. 4.2.2).

Verhältnis zwischen Privatrecht und öffentlichem Recht – Die Frage, ob ein Grundstück, auch wenn es in der Bauzone liegt, über einen für die bestimmungsgemässe Nutzung oder Bewirtschaftung ausreichenden Zugang verfügt, ist in erster Linie eine Frage des öffentlichen Rechts. Die Einteilung in Zonen sollte nämlich dazu führen, dass Grundstücke in der Bauzone planmässig erschlossen werden, wodurch die erforderlichen Grunddienstbarkeiten überflüssig werden. Die Realität auf dem Grundstück sieht jedoch manchmal anders aus. In diesem Fall muss der Grundstückseigentümer in erster Linie auf die Institutionen des öffentlichen Rechts zurückgreifen, wenn diese ihm eine angemessene Erschliessung ermöglichen. Insofern muss der Eigentümer, der einen notwendigen Durchgang beantragen will, nachweisen, dass er – zuvor und vergeblich – alles Mögliche getan hat, um mit den Mitteln des öffentlichen Rechts einen Zugang zu seinem Grundstück zu erhalten (E. 4.2.1).

Wird der Zivilrichter mit einem Streit um das Recht auf einen notwendigen Durchgang befasst, kann er sich grundsätzlich auf die rechtskräftige Baubewilligung stützen, da – unter Vorbehalt von Ausnahmen – der ausreichende Zugang des öffentlichen Rechts strengere Anforderungen voraussetzt als der privatrechtlich garantierte notwendige Durchgang (E. 4.4). Im vorliegenden Fall bestätigt das BGer, dass die fragliche Parzelle in der Bauzone liegt, ohne jedoch über einen aus öffentlich-rechtlicher Sicht ausreichenden Zugang zu verfügen, und dass die Einrichtung eines solchen Zugangs derzeit weder von den Behörden vorgesehen ist noch vom Eigentümer bei den Behörden eingefordert werden kann (E. 5). Zudem ist unbestritten, dass der Zugang im Sinne von Art. 694 ZGB ungenügend ist : Das Gebäude dient als Hauptwohnsitz ; der Fussgängerzugang ist gefährlich und entspricht nicht den aktuellen Kriterien (Länge und Steigung) ; es ist kein motorisierter Zugang für aussergewöhnliche Transporte oder öffentliche Dienste gewährleistet ; für aussergewöhnliche Postlieferungen über die bestehende Strasse gibt es keine Bewilligung (E. 6).

Dienstbarkeit

Dienstbarkeit

BGer 2C_752/2022 vom 16. Mai 2023

Bäuerliches Bodenrecht; Widerruf einer Bewilligung zum Erwerb eines landwirtschaftlichen Unternehmens; Beschwerdelegitimation; Art. 61 ff. und 83 BGBB

Bewilligung zum Erwerb eines landwirtschaftlichen Gewerbes (Art. 61 ff. BGBB) – Wiederholung der Grundsätze (E. 5.2.1). Beschwerdelegitimation – Art. 83 Abs. 3 BGBB sieht einerseits vor, dass die Vertragsparteien gegen die Verweigerung der Bewilligung bei der kantonalen Rekursinstanz Beschwerde einlegen können, und andererseits, dass die kantonale Aufsichtsbehörde, der Pächter und die Inhaber des Kaufsrechts, des Vorkaufsrechts oder des Zuteilungsrechts gegen die Erteilung der Bewilligung Beschwerde einlegen können. Obwohl diese Bestimmung nicht abschliessend ist, handelt es sich um eine lex specialis zu Art. 89 BGG, die den Kreis der Personen, die gegen eine Bewilligung Beschwerde einlegen können, einschränken soll (E. 5.2.2). Diese Bestimmung gilt auch für die Beschwerdebefugnis gegen den Widerruf einer Erwerbsbewilligung (E. 5.3 und 5.4). In Anwendung von Art. 83 Abs. 3 BGBB ist der Veräusserer des landwirtschaftlichen Gewerbes nicht zur Beschwerde gegen einen Entscheid berechtigt, der den Widerruf der Bewilligung ablehnt (E. 5.4.2 und 5.5).

NB : das Urteil des BGer 2C_926/2022 vom 13. Juni 2023 befasst sich mit derselben Problematik und übernimmt die Lösung des hier zusammengefassten Urteils

Bäuerliches Bodenrecht

Bäuerliches Bodenrecht

Verfahren

Verfahren

BGer 2C_967/2020 vom 03. Mai 2023

Gesamtarbeitsverträgen; Allgemeinverbindlicher-klärung eines GAV; Art. 1 ff. AVEG

Allgemeinverbindlicherklärung eines GAV (Art. 1 ff. AVEG) – Wiederholung der Grundsätze (E. 4.1 ff.).

Im vorliegenden Fall bestätigte das Bundesgericht die Gültigkeit der von der Tessiner Exekutive beschlossenen Ausweitung des Geltungsbereichs des Gesamtarbeitsvertrags für Ingenieure, Architekten und verwandte Berufe auf kantonaler Ebene

Gesamtarbeitsvertrag (GAV)

Gesamtarbeits-vertrag (GAV)

BGer 4A_361/2022 vom 25. April 2023

Werkvertrag; Mangel; Verrechnung; Art. 367 ff. OR; 166 ff. SIA-NOrm

Mangel – Definition und Wiederholung der Grundsätze. Das Werk hat grundsätzlich den technischen Anforderungen und dem Zweck zu entsprechen, zu welchem es der Besteller bestimmt hat. Sofern dieser das Werk einem anderen Zweck widmen will als dies üblich ist, muss er den Unternehmer darauf hinweisen. Diese Pflicht besteht jedoch nicht, wenn der vorgesehene Verwendungszweck üblich ist; in diesem Fall muss das Werk mindestens den anerkannten Regeln der Technik oder einem gleichwertigen Standard entsprechen (E. 4).

Im vorliegenden Fall schloss ein Landwirt einen Werkvertrag über eine Biogasanlage ab. Der für den oberen Ring des Fermenters gewählte Stahl hätte zehn Jahre lang stabil bleiben sollen, litt jedoch nur drei Jahre nach der Inbetriebnahme unter Korrosion. Obwohl dies ein Indiz für das Vorliegen eines Mangels ist, reicht es nicht aus, um die Willkür des vorangehenden Gerichts anzuerkennen, das feststellte, dass es wahrscheinlicher war, dass eine falsche Einstellung des in die Anlage eingeblasenen Sauerstoffs die Ursache für die vorzeitige Korrosion war. Das Bundesgericht betont, dass der Bauunternehmer sicherlich einen anderen, widerstandsfähigeren Stahl hätte vorschlagen müssen, der Besteller jedoch im Verfahren nichts diesbezüglich behauptet hatte (E. 5).

Werkvertrag

Werkvertrag

Mängel/Garantie

Mängel/Garantie

SIA Normen

SIA Normen

BGer 5A_998/2022 vom 18. April 2023

Dienstbarkeit; Vorsorgliche Massnahmen, nicht wieder gutzumachenden Nachteil; Art. 731 ff. ZGB; 261 ff. ZPO; 93 BGG

Nicht wieder gutzumachenden Nachteil (Art. 93 BGG) – Wenn die Bauarbeiten durch vorsorgliche Massnahmen auf der Grundlage einer strittigen Dienstbarkeit gestoppt wurden, besteht die Gefahr eines nicht wieder gutzumachenden Nachteil im Sinne von Art. 93 BGG. Denn es kann nicht nur ein erhebliches Risiko statischer und witterungsbedingter Schäden an dem im Bau befindlichen Bauwerk bestehen, sondern die Bauherrin und die Käuferin sind während des gesamten Verfahrens auch der Nutzung ihres Eigentums beraubt (E. 1.2).

Vorsorgliche Massnahmen (Art. 261 ff. ZPO) – Wiederholung der Grundsätze (E. 3.1).

Im vorliegenden Fall bestätigt das Bundesgericht im Stadium der Glaubhaftmachung die Gültigkeit einer Dienstbarkeit, die ein Grenzbaurecht für ein Einfamilienhaus mit Flachdach gewährt, und die Nichtkonformität des laufenden Projekts mit dieser Dienstbarkeit; auch die Voraussetzungen der Gefahr einer Beeinträchtigung und der Gefahr eines schwer wiedergutzumachenden Schadens aus dieser Beeinträchtigung sind für den Erlass vorsorglicher Massnahmen erfüllt (E. 3.5).

Dienstbarkeit

Dienstbarkeit

Verfahren

Verfahren

BGer 5A_62/2023 vom 17. April 2023

Dienstbarkeit; Leitungsdienstbarkleit; Klageinteresse und Legitimation; Art. 691 ZGB; 24c RPG

Klageinteresse und Aktivlegitimation (Art. 59 ZPO) – Das Baubewilligungsverfahren und das Verfahren zur Eintragung einer Dienstbarkeit sind zwei voneinander getrennte Verfahren, die sich gegenseitig nicht präjudizieren und für die das Gesetz auch keine bestimmte Reihenfolge vorschreibt. Es ist für das Klageinteresse unerheblich, dass kein Baugesuch eingereicht wurde (E. 4.1). Zudem ist der benachbarte Eigentümer aktiv legitimiert, und zwar auch dann, wenn der Bauherr formell die kantonale Wasserbehörde ist, die auf Antrag der antragstellenden Eigentümer handelt (E. 4.2).

Leitungsdienstbarkeit (Art. 691 ZGB) – Wiederholung der Grundsätze (Erw. 3). Im vorliegenden Fall verfügt das betroffene Gebäude nicht über eine ausreichende Versorgung mit Trinkwasser, unabhängig davon, ob es als ständiger Wohnsitz oder zu Ferienzwecken genutzt wird (E. 6.1.1). Zudem ist der Bau einer alternativen Leitung nicht möglich, da das (zukünftige) dienende Grundstück die betroffene Parzelle auf allen Seiten umgibt; die Nachteile der Leitung für die Eigentümer des dienenden Grundstücks werden als gering eingestuft, wobei allfällige Nutzungsausfälle zu entschädigen sind (E. 6.1.2). Die Frage, ob das strittige Gebäude bestimmungsgemäss im Sinne von Art. 24c RPG genutzt werden kann, ist in einem allfälligen Baubewilligungsverfahren zu entscheiden und betrifft nicht das Servitutsverfahren (E. 6.2). Folglich wird der Anspruch auf Eintragung einer Leitungsdienstbarkeit vom Bundesgericht bestätigt.

Dienstbarkeit

Dienstbarkeit

Verfahren

Verfahren

BGer 2C_971/2021 vom 14. April 2023

Versicherungsvertrag; Elementarschaden; Kombinierter Schaden; LAIEN/VD

Elementarschaden – Sintflutartige Regenfälle können als von der Versicherung gedecktes Naturelement angesehen werden, auch wenn das Waadtländer Gesetz sie nicht ausdrücklich erwähnt; es ist nicht willkürlich, sie der Kategorie der Überschwemmungen zuzuordnen (E. 5).

Kombinierter Schaden – Gemäß dem Abkommen über Abgrenzung und Regressansprüche, das am 20. Juni 2015 zwischen der Vereinigung Kantonaler Feuerversicherungen und dem Schweizerischen Versicherungsverband geschlossen wurde (derzeit ersetzt durch ein überarbeitetes Abkommen vom 1. September 2019), werden Schäden, die durch das gemeinsame Eindringen von Oberflächenwasser (von unten) und Wasser aus dem Erdinneren (Grundwasser, Rückstau aus Kanalisationen) während eines Ereignisses mit derselben meteorologischen Ursache entstehen (kombinierte Schäden), ausschließlich von den kantonalen Versicherungsanstalten übernommen (E. 6).

Versicherungsvertrag

Versicherungsvertrag

BGer 5A_452/2022 vom 11. April 2023

Dienstbarkeit; Begründung der Berufung; Leitungsdienstbarkeit und Überbaurecht; Art. 674 und 691 ZGB; 311 ZPO

Begründung der Berufung (Art. 311 ZPO) – Wiederholung der Grundsätze (E. 4.2.1).

Überbaurecht – Wenn ein Bauwerk auf das Grundstück eines anderen eingreift und der Geschädigte, obwohl er dies erkannt hat, nicht rechtzeitig Einspruch erhebt, kann dem gutgläubigen Eigentümer, wenn die Umstände es rechtfertigen, gegen eine angemessene Entschädigung eine Eingriffsdienstbarkeit oder das Eigentum am Boden eingeräumt werden (Art. 674 Abs. 3 ZGB). Diese Bestimmung ist analog anwendbar, wenn bei der Errichtung des Bauwerks über zwei Grundstücke hinweg beide Grundstücke demselben Eigentümer gehörten und erst später in verschiedene Hände übergingen (E. 5.1).

Im vorliegenden Fall wurde eine Jauchegrube durch Teilung eines Grundstückes von einem Eselstall getrennt, an den sie angrenzte. Die Eigentümer des Stalls versuchen, ein dingliches Recht an der Jauchegrube zu erlangen. Ein Gutachten verneinte jedoch den Nutzen der Jauchegrube für die Eselhaltung. Außerdem sollte das Interesse der derzeitigen Eigentümer der Grube überwiegen, die Grube zu verfüllen, um ihr Grundstück zu sichern und die Gefahr einer Verschmutzung des Geländes und des Grundwassers zu vermeiden. Folglich wurde das Recht auf Erhalt einer Grunddienstbarkeit verneint (E. 5.2.3).

Dienstbarkeit

Dienstbarkeit

Eigentum/Besitz

Eigentum/Besitz

Verfahren

Verfahren

BGer 5A_689/2022 vom 06. April 2023

Bauhandwerkerpfandrecht; Arbeiten die zur Eintragung eines gesetzliches Grundpfandrechts berechtigen; Art. 837 ff. ZGB

Arbeiten, die zur Eintragung eines gesetzlichen Grundpfandrecht berechtigen (Art. 837 ZGB) – Wiederholung der Grundsätze (E. 5.1 und 5.2.5). Im Jahr 2012 wurde das gesetzliche Grundpfandrecht auf Forderungen ausgeweitet, wo Handwerker oder Unternehmer zu Abbrucharbeiten, zum Gerüstbau, zur Baugrubensicherung oder dergleichen Material und Arbeit oder Arbeit allein geliefert haben, oder andere ähnliche Arbeiten.

Vor dieser Revision wies die Rechtsprechung daran, dass das gesetzliche Grundpfandrecht auf der Idee beruhte, dass die Wertsteigerung eines Grundstücks durch Bauarbeiten die Forderungen der Handwerker und Unternehmer sichern sollte, die durch ihre Leistungen zur Wertsteigerung beigetragen hatten. Daraus ergab sich, dass die Arbeit am Grundstück oder an einem Werk, das Teil des Grundstücks wurde, durch die Hypothek geschützt war, im Gegensatz zu vertretbaren Sachen, bei denen es möglich war, die Lieferung zu verweigern und die Ware anderweitig zu verwenden (E. 5.2.1).

Der Mehrheitslehre folgend (vgl. E. 5.2.3) hält das Bundesgericht fest, dass die Revision den Umfang bzw. die Art der Leistungen, die ein gesetzliches Pfandrecht begründen können, nicht grundlegend verändert hat. Die Lieferung von Baumaterialien geniesst nur dann ein gesetzliches Grundpfandrecht, wenn diese Materialien speziell für das betreffende Gebäude hergestellt und besonders bestimmt wurden, was den blossen Transport von Materialien ausschliesst. Leistungen wie der Abtransport und die Entsorgung von Erdaushub oder Bauschutt berechtigen grundsätzlich nicht zur Eintragung eines gesetzlichen Pfandrechts, es sei denn, sie bilden eine funktionale Einheit mit den Arbeiten, die von demselben Unternehmen für die Errichtung eines Bauwerks ausgeführt werden (E. 5.2.6).

Funktionale Einheit zwischen verschiedenen Leistungen – Eine Einheit zwischen verschiedenen Leistungen ist anzunehmen, wenn diese so miteinander verbunden sind, dass sie ein Ganzes bilden. Die rechtliche Qualifikation, die Anzahl der Verträge oder die Tatsache, dass die Leistungen mehrere Bauwerke oder Teile des Gebäudes zum Gegenstand haben, sind allein nicht ausschlaggebend. Nach der Rechtsprechung bilden insbesondere aufeinanderfolgende Bestellungen von Frischbeton für ein und dieselbe Baustelle oder Erdarbeiten, die gleichzeitig mit der Herstellung einer Schlitzwand durchgeführt werden müssen, eine Einheit. Das Vorliegen einer Einheit ist hingegen zu verneinen, wenn einem Unternehmer im Nachhinein weitere Arbeiten unterschiedlicher Art zugewiesen werden (E. 6.2.2).

Im vorliegenden Fall verneint das Bundesgericht die funktionelle Einheit zwischen einer während der Bauphase vereinbarten Grab- und Aufschüttungsarbeit und der Arbeit des Transports von Material und Aushub. Ebenso bildeten die Arbeiten an der Zufahrtsrampe, die sich auf einen bestimmten Teil des Gebäudes bezogen und zu einer separaten Vereinbarung mit einem besonderen Tarif führten, materiell und wirtschaftlich keine Einheit mit den Tätigkeiten des Transports von Material und Aushub, die der Unternehmer während der gesamten Dauer der Baustelle ausführte (E. 6.2.3).

Analyse von Christine Magnin

Etendue des travaux couverts par l’hypothèque légale des artisans et entrepreneurs

Bauhandwerkerpfandrecht

Bauhand-werkerpfandrecht

Zur Publikation vorgesehen

Zur Publikation vorgesehen

BGer 4A_539/2022 vom 05. April 2023

Werkvertrag; Leistungsverweigerungsrecht; Abtretung von Gewährleistungsansprüchen; Rückbehaltungs und Sicherheitsleistungsrecht bei Übergabe des Werkes; Pauschalpreis; Verhandlungsmaxime und Behauptungsprinzip; Art. 82, 164 ff. OR; 149 ff., 181 SIA-Norm; 55 ZPO

Leistungsverweigerungsrecht (Art. 82 OR) – Widerholung der Grundsätze. Ist die erhobene Einrede berechtigt, schützt der Richter die Klage in dem Sinne, dass er den Schuldner zur Leistung « Zug um Zug » verurteilt, d.h. zu einer Verpflichtung unter einer aufschiebenden Bedingung. Das Recht, eine Leistung zu verweigern, setzt jedoch voraus, dass die gegenseitigen Leistungen in einem Austauschverhältnis zueinander stehen. Ein solches Verhältnis besteht in der Regel nur zwischen Hauptleistungspflichten, nicht aber in Bezug auf Nebenleistungspflichten. Ausnahmsweise ist die Anwendung von Art. 82 OR jedoch auch in Bezug auf Nebenleistungspflichten denkbar, nämlich dann, wenn die Hauptleistung bei Nichterfüllung der Nebenleistungspflicht praktisch wertlos wäre. In erster Linie müssen die Parteien entscheiden, ob die Nebenleistung so wichtig ist, dass sie in einem Austauschverhältnis mit der Hauptleistung steht (E. 2.2).

Im vorliegenden Fall gelingt dem Bauherrn den Beweis nicht, dass die Übertragung der Sicherheiten eine Hauptpflicht wäre, die in einem synallagmatischen Austauschverhältnis mit der Zahlung des Baupreises stehen müsste (E. 2.3.3). Zudem wurden die Gewährleistungsrechte gemäss Ausführungsvertrag rechtsgültig abgetreten, sobald das Werk abgenommen wurde. Bei einer Forderungsabtretung werden die Vorzugs – und Nebenrechte mit der Forderung übertragen, mit Ausnahme derjenigen, die untrennbar mit der Person des Zedenten verbunden sind (Art. 170 Abs 1 OR). Lediglich ein selbständiges Garantieversprechen an den Zedenten nach Art. 111 OR wird nicht ohne weiteres von der Wirkung der Abtretung erfasst (E. 2.3.3.2).

Rückbehaltunsgrecht und Sicherheitsleistung nach Übergabe des Werkes (Art.149ff. und 181 SIA-Norm 118) – Gemäss Art. 181 Abs. 1 SIA-Norm 118 bestehtdie vor der Auszahlung des Rückbehalts zu leistende Sicherheit generell für Mängel, die bei der gemeinsamen Kontrolle oder während der Rügefrist gerügt werden, unabhängig davon, ob der Unternehmer seine Leistungen selbst oder durch Subunternehmer erbracht hat. Letztere sind Erfüllungsgehilfen, für deren mangelhafte Arbeit der Hauptunternehmer haftet.

Im vorliegenden Fall haben die Parteien jedoch eine Abtretung der Gewährleistungsrechte zum vereinbarten Zeitpunkt sowie eine vollständige Befreiung des Unternehmers von allen Verpflichtungen gegenüber dem Bauherrn für die Erbringung von Leistungen im Zusammenhang mit dem Projekt vorgesehen. Folglich besteht kein Garantieanspruch mehr und ein Rückbehalt ist nicht gerechtfertigt (E. 2.3.4.2).

Pauschalpreis – Im vorliegenden Fall änderten die Parteien den ursprünglichen Vertrag und legten in einer neuen Vereinbarung, fast ein Jahr nach der Übergabe des Werkes, einen Pauschalpreis fest. In diesem Zusammenhang ist mangels Gegenbeweises davon auszugehen, dass der Pauschalpreis die Preisminderungen beinhaltete, die aufgrund der mangelhaften Innenausstattung einiger Wohnungen geschuldet waren. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Pauschalpreisvereinbarung gerade darauf abzielte, eine komplizierte Abrechnung zu vermeiden (E. 3.3).

Werkvertrag

Werkvertrag

Werkpreis

Werkpreis

SIA Normen

SIA Normen

Verfahren

Verfahren

BGer 2C_636/2022, 2C_637/2022 vom 05. April 2023

öffentliche Beschaffungswesen; Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung; Anpassung des Vertrags nach Zuschlag; Unterbrechung des Vergabeverfahrens; Art. 83 BGG

Rechtliche Grundsatzfrage (Art. 83 Bst. f BGG) – Erinnerung an die Grundsätze (E. 2.2). Die Frage, inwieweit der Vertragsentwurf nach dem Zuschlag noch in einzelnen Punkten angepasst werden kann, stellt keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung dar: In BGE 134 II 297 hielt das Bundesgericht fest, dass zum Zeitpunkt des Zuschlags bereits alle wesentlichen Elemente des künftigen Vertrags geregelt sein müssen, die Vertragsverhandlungen zwischen Vergabebehörde und Zuschlagsempfänger aber erst nach Abschluss des Vergabeverfahrens beginnen und die Vertragspartner sich über Nebenpunkte noch frei verständigen können (E. 3.1.1). Im vorliegenden Fall waren alle wesentlichen Elemente des künftigen Vertrags zum Zeitpunkt des Zuschlags bereits festgelegt (E. 3.1.2 und 3.1.3).

Die Frage der Unterbrechung des Vergabeverfahrens war ebenfalls Gegenstand der bundesgerichtlichen Rechtsprechung. Eine Unterbrechung ist nur ausnahmsweise möglich, sofern ein wichtiger Grund vorliegt, wobei die Vergabebehörde in dieser Hinsicht über einen erheblichen Ermessensspielraum verfügt (E. 3.2.1). Zwar hat sich das Bundesgericht noch nicht zu der spezifischen Frage geäussert, ob « wesentliche Mängel » in der Leistungsbeschreibung einen Abbruch des Verfahrens erfordern, doch stellt das Obergericht fest, dass im vorliegenden Fall die Existenz solcher Unregelmässigkeiten nicht bewiesen war, so dass die Frage für die Lösung des vorliegenden Rechtsstreits nicht relevant ist (E. 3.2.2 bis 3.3).

Öffentliche Beschaffungswesen

Öffentliche Beschaffungswesen

Verfahren

Verfahren

BGer 5A_665/2022 vom 04. April 2023

Nachbarrecht; Grundstückgrenze; Ortsüblichkeit; Art. 5, 670, 686, 741 ZGB

Abgrenzungen auf der Grenze – Nach Art. 670 ZGB wird vermutet, dass Vorrichtungen, die der Abgrenzung zweier Grundstücke dienen, wie Mauern, Hecken, Zäune, die sich auf der Grenze befinden, den beiden Nachbarn als Miteigentum gehören. Wiederholung der Grundsätze (E. 3 bis 3.2). Diese Bestimmung stellt eine Vermutung auf, die durch ein Rechtsgeschäft zwischen den Nachbarn oder einen entgegenstehenden Ortsgebrauch im Sinne von Art. 5 Abs. 2 ZGB widerlegt werden kann (E. 3.3.2).

Ortsüblichkeit – Wiederholung der Grundsätze (E. 3.3.4). Die kantonale Gesetzgebung kann festlegen, welche Abstände die Eigentümer bei Ausgrabungen oder Bauten einhalten müssen. Das kantonale Recht kann weitere Regeln für Bauten aufstellen, auch im Zusammenhang mit Grenzmarkierungen im Sinne von Art. 670 ZGB (Art. 686 ZGB) (E. 3.4). Der Kanton Bern hat Art. 79i EG ZGB verabschiedet, der vorsieht, dass eine auf der Grenze platzierte Stützmauer als integraler Bestandteil des Grundstücks des Eigentümers gilt, der sie errichtet hat. Kann dies nicht festgestellt werden, gilt die Mauer als Miteigentum der beiden Nachbarn. Laut Bundesgericht konnte diese Bestimmung aufgrund von Art. 686 ZGB erlassen werden und steht nicht im Widerspruch zum Bundesrecht (E. 3.5).

Wer ein Grundstück kauft, auf dem sein Rechtsvorgänger auf der Grenze eine Palisade errichtet hatte, wird nach bernischem Recht auch Eigentümer der Palisade (E. 4) ; er trägt daher die alleinige Unterhaltspflicht. Art. 741 Abs. 2 ZGB über den Unterhalt von Bauwerken, die zur Ausübung einer Dienstbarkeit notwendig sind, ist nicht analog anwendbar (E. 5).

Eigentum/Besitz

Eigentum/Besitz

Belästigungen

Belästigungen

Zur Publikation vorgesehen

Zur Publikation vorgesehen

BGer 6B_1201/2022 vom 03. April 2023

Strafrecht; Fahrlässige Körperverletzung; Verletzung der Regeln der Baukunde; Art. 11, 12, 125 Abs. 1 und 229 StGB ; 328 OR; 82-83 UVG; VUV; BauAV

Fahrlässige Körperverletzung (Art. 11, 12 Abs. 3 und 125 Abs. 2 StGB) – Wiederholung der Grundsätze (E. 2.1.1).

Verletzung der Regeln der Baukunde (Art. 229 StGB) – Wiederholung der Grundsätze (E. 2.1.2). Die mit der Leitung und Ausführung eines Bauwerks betrauten Personen sind dafür verantwortlich, dass in ihrem Bereich die Regeln der Baukunde eingehalten werden. Sie können aber nicht für sämtliche Missachtungen von Vorschriften auf einer Baustelle strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden, sondern es ist in jedem Einzelfall abzuklären, wie weit der Aufgabenkreis und somit der Verantwortungsbereich der Beteiligten reichen. Dies bestimmt sich aufgrund gesetzlicher Vorschriften, vertraglicher Abmachungen oder der ausgeübten Funktionen sowie nach den jeweiligen konkreten Umständen. Die Pflichten zum Schutz der Arbeitnehmer am Arbeitsplatz bzw. zur Unfallverhütung ergeben sich unter anderem aus Art. 328 Abs. 2 OR, Art. 82 UVG sowie der VUV. Darüber hinaus sind die gestützt auf Art. 83 UVG erlassenen Ausführungsvorschriften des Bundesrates und die übrigen Richtlinien zu beachten, welche die Pflicht des Arbeitgebers konkretisieren und für einzelne Arbeitsbereiche mit erhöhtem Gefahrenpotenzial zum Teil besonders umschreiben. Wird gegen eine solche Vorschrift verstossen, liegt darin zugleich ein Indiz für die Missachtung der Sorgfaltspflicht im Sinne von Art. 12 Abs. 3 StGB (BGE 114 IV 173, E. 2a).

Im vorliegenden Fall trat ein Arbeiter bei Hilfsarbeiten für den Bau eines Gerüsts in ein Loch in der Deckenschalung ; er stürzte eine Etage tiefer. Der Sicherheitsbeauftragte instruierte zwar die zuständigen Vorgesetzten, insbesondere den Chef-Gerüstbauer, darüber, welche Teile des Gebäudes betreten werden durften. Nach der Rechtsprechung ist jedoch ein Fehlverhalten von Arbeitnehmern und insbesondere von Hilfsarbeitern zu erwarten, bei denen keine besondere Ausbildung oder Fachkenntnisse vorausgesetzt werden können. Folglich hätte der Sicherheitschef der Baustelle die Unfallstelle gegen Absturz sichern lassen müssen, zumal nicht ersichtlich ist, dass dies nicht oder nur mit unvertretbarem Aufwand möglich gewesen wäre. Öffnungen im Boden, auch wenn sie nur provisorisch sind, müssen gesichert bzw. zumindest mit einem rot-weißen Band gekennzeichnet werden. Die Tatsache, dass der Bereich visuell durch Armierungseisen abgegrenzt war, erweist sich als unzureichend (E. 2.3.1). Die Tatbestandsmerkmale der einfachen fahrlässigen Körperverletzung sowie der Verletzung der Regeln der Baukunde sind erfüllt (E. 2.3.2).

Strafrecht

Strafrecht

BGer 1C_118/2023 vom 30. März 2023

Eigentumsgarantie; Zugang zu privaten Parzellen durch kommunale Behörden; Art. 26 und 36 BV

Einschränkung der Grundrechte (Art. 36 BV) – Wiederholung der Grundsätze (E. 3.2).

Die Entscheidung, dass Gemeindebeamte private Grundstücke besuchen dürfen, um private Anschlüsse an den kommunalen Abwasserkanal (Abwasserkanal/Brunnen) zu kontrollieren, stellt eine zulässige Einschränkung der Eigentumsgarantie dar. Dies geschah, nachdem ein Beamter der Gemeindepolizei auf das Vorhandensein unangenehmer Gerüche hingewiesen hatte, die vermutlich aus dem Kanalisationsnetz stammten. Der Besuch beruhte auf einer Bestimmung der Gemeindeordnung, war durch ein öffentliches Interesse an der Überprüfung der Funktionalität eines Bauwerks, von dem auch andere Bürger betroffen sind, gerechtfertigt und verhältnismäßig, da er keine nachteiligen Auswirkungen auf die betroffenen Parzellen oder deren Eigentümer hatte (E. 3.3‑3.6).

Eigentum/Besitz

Eigentum/Besitz

BGer 4A_378/2022 vom 30. März 2023

Leihvertrag; Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland; Dispositionsgrundsatz; Aberkennungsklage; ungerechtfertigte Bereicherung; Art. 2 ff BewG; 62 ff OR; 83 SchKG; 58 ZPO

Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland (Art. 2 ff. BewG) – Wiederholung der Grundsätze. Rechtsgeschäfte über den Erwerb eines Grundstücks sind nichtig, wenn der Erwerber das Rechtsgeschäft ausführt, ohne eine Genehmigung einzuholen (Art. 26 Abs. 2 Bst. a BewG). Die Nichtigkeit ist von Amtes wegen zu beachten; sie hat zur Folge, dass die Leistungen innerhalb eines Jahres ab dem Zeitpunkt zurückgefordert werden können, in dem der Antragsteller von seinem Rückforderungsanspruch Kenntnis erlangt hat (E. 3.1).

Dispositionsgrundsatz (Art. 58 ZPO) – Wiederholung der Grundsätze (E. 4.2 und 4.3) Aberkennungsklage (Art. 83 Abs. 2 SchKG) – Wiederholung der Grundsätze (E. 4.3.1 und 4.3.2). Der Streitgegenstand im Aberkennungsverfahren ist insofern begrenzt, als zwischen der vom Gläubiger im Betreibungsverfahren geltend gemachten Forderung und der vom Gericht im Aberkennungssverfahren anerkannten Forderung Identität bestehen muss (E. 4.3.2). Im Betreibungsverfahren wird der Streitgegenstand durch den Zahlungsbefehl festgelegt; der Forderungsgrund muss zusammen mit dem übrigen Inhalt des Zahlungsbefehls die betriebene Person über den Grund der Betreibung informieren (E. 4.3.3). Die alleinige Angabe des Rechtsgrundes im Betreibungsbegehren oder Zahlungsbefehl lässt daher jedoch nicht den Schluss zu, dass sich die Betreibung auf diesen Rechtsgrund beschränkt. Diese Angabe dient in der Regel nur dazu, den Sachverhalt, aus dem die Forderung abgeleitet wird, vereinfacht zu beschreiben. Selbst wenn der Zahlungsbefehl einen vertraglichen Anspruch erwähnt, schliesst er folglich nicht Ansprüche aus, die sich auf das Recht der ungerechtfertigten Bereicherung, das vertragsähnliche Recht oder das Deliktsrecht stützen können (E. 4.3.4).

Im vorliegenden Fall forderte der Zahlungsbefehl die Rückzahlung eines Darlehens, das nichtig war, da es auf den Erwerb einer Immobilie in der Schweiz durch eine Gesellschaft abzielte, die einer ausländischen Person gehörte. Das Bundesgericht erkennt an, dass der Rückzahlungsanspruch aus dem Darlehensvertrag und der Rückerstattungsanspruch auf der Grundlage von Art. 26 Abs. 4 Bst. b BewG aus demselben Sachverhalt herrühren, der der Gewährung der Darlehenssumme auf der Grundlage des Darlehensvertrags zugrunde liegt. Ob dies auf der Grundlage eines gültigen Darlehensvertrags oder auf der Grundlage des Rechts der ungerechtfertigten Bereicherung geschieht, spielt für die Identität der Forderung keine Rolle. Folglich konnte das vorherige Gericht, das das Recht von Amts wegen anwendet (Art. 57 ZPO), die Aberkennungsklage abweisen, indem es die Existenz des Rückzahlungsanspruchs auf der Grundlage von Art. 26 Abs. 4 BewG anerkannte (E. 4.3.6).

Ungerechtfertigte Bereicherung (Art. 62 ff. OR) – Die Rückerstattung von Geldleistungen gemäss Art. 26 Abs. 4 lit. b BewG erfolgt nach den Bestimmungen über die ungerechtfertigte Bereicherung gemäss Art. 62 ff. Im vorliegenden Fall war der Darlehensvertrag nichtig und somit von Anfang an unwirksam (ex tunc). Die Feststellung der Nichtigkeit bedurfte keiner gesonderten gerichtlichen Feststellung, sondern erfolgte von Rechts wegen. Folglich bestand, wie die Vorinstanz richtig erkannte, bereits mit der Auszahlung der Darlehenssumme an die Beschwerdeführerin ein fälliger Rückforderungsanspruch im Sinne von Art. 26 Abs. 4 lit. b BewG. Der Verzugszins läuft ab der Zustellung des Zahlungsbefehls (E. 5.1.2). Mangels Naturalrückzahlung und Gutgläubigkeit des Bereicherten, der die Nichtigkeit des Darlehensvertrags kannte, sind die Art. 64 und 65 OR im vorliegenden Fall nicht anwendbar (E. 5.1.3).

Rechtliches Gehör – Eine Partei kann sich nicht auf eine Verletzung des rechtlichen Gehörs und insbesondere nicht auf eine überraschende Anwendung einer Rechtsnorm berufen, wenn das Gericht die Rückzahlungsregel von Art. 26 Abs. 2 lit. b BewG anwandte und die Gegenpartei die Nichtigkeit des Darlehensvertrags auf der Grundlage von Art. 26 Abs. 2 lit. a BewG geltend gemacht hatte, wobei die erste eine Folge der zweiten war (E. 7.3).

Leihvertrag

Leihvertrag

Eigentum/Besitz

Eigentum/Besitz

SchKG (Schuldbetreibung)

SchKG (Schuldbetreibung)

Verfahren

Verfahren

BGer 5A_647/2022 vom 27. März 2023

Stockwerkeigentum; Anspruch auf rechtliches Gehör; Art. 5 und 29 BV; 52, 53 ZPO und 2 ZGB

Recht auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV und Art. 53 ZPO) – Erinnerung an die Grundsätze (E. 3.3.1). Grundsatz des guten Glaubens (Art. 5 Abs. 3 BV ; Art. 2 ZGB und Art. 52 ZPO) – Erinnerung an die Grundsätze (E. 3.3.2). Das Recht der Parteien, sich zu den relevanten Elementen zu äussern, bezieht sich in erster Linie auf Tatsachenfragen, während es bei Rechtsfragen nur eingeschränkt anerkannt wird, vorbehaltlich der Fälle, in denen die betreffende Behörde beabsichtigt, ihre Entscheidung auf eine Norm oder einen Rechtsgrund zu stützen, der im vorherigen Verfahren nicht erwähnt wurde und dessen Relevanz keine der beteiligten Parteien geltend gemacht hat und vernünftigerweise annehmen konnte (E. 3.3.1).

Im vorliegenden Fall beschränkte die erstinstanzliche Richterin das Verfahren auf die beiläufige Frage der Vertretungsbefugnis des Verwalters der Eigentumswohnung, indem sie die Parteien zu einer Verhandlung über diese Frage vorlud; anschließend entschied sie in einem schriftlichen Beschluss, dass die Klage mangels Klagebefugnis des Verwalters unzulässig sei. Nach Ansicht des Bundesgerichts wurde der Anspruch des Verwalters auf rechtliches Gehör nicht verletzt, da die Gegenpartei mehrfach beantragt hatte, das Verfahren auf die Zulässigkeit und insbesondere auf die Frage der Klagebefugnis des Verwalters zu beschränken. In der Tat hätte er nach dem Grundsatz von Treu und Glauben reagieren müssen, indem er auf die Argumente der Gegenpartei antwortete und die Erhebung von Beweismitteln beantragte, die er für nützlich hielt; zumindest hätte er die Richterin auf die Beschränkung des Verfahrens und die Möglichkeit ansprechen müssen, seine Verfahrensrechte in Bezug auf die Frage der Klagebefugnis später auszuüben, was er nicht getan haben will (E. 3.4.1).

Verfahren

Verfahren

Stockwerkeigentum

Stockwerk-eigentum

BGer 2C_296/2022 vom 22. März 2023

öffentliche Beschaffungswesen; Frage von grundsätzlicher Bedeutung; Unveränderbarkeit der Offerten; Art. 83 BGG; BPUK

Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung (Art. 83 lit. f BGG) – Wiederholung der Grundsätze (E. 1.3). Das Bundesgericht erklärt die Beschwerden für unzulässig, indem es das Vorliegen einer rechtlichen Grundsatzfrage im Sinne von Art. 83 Bst. f BGG verneint. Es erinnert an gewisse Grundsätze des öffentlichen Beschaffungsrechts, die im vorliegenden Fall angewendet wurden.

Unveränderbarkeit der Offerten – Es gilt der Grundsatz, dass die Offerten nach ihrer Einreichung bei der Vergabebehörde unveränderbar sind und Berichtigungen nur bei offensichtlichen Fehlern vorgenommen werden dürfen. Das Vorliegen eines solchen offensichtlichen Fehlers darf jedoch wegen der Gefahr des Missbrauchs nicht auf die leichte Schulter genommen werden. Rechen- und Schreibfehler sind nur dann offenkundig, wenn aus einer bestimmten mathematischen oder sprachlichen Textpassage objektiv und zweifelsfrei hervorgeht, dass der Bieter nicht das ausdrücken wollte, was er geschrieben hat, sondern etwas anderes ausdrücken wollte. Offensichtlich sind Rechnungs- und Schreibfehler nur dann, wenn von einer bestimmten mathematischen oder sprachlichen Textpassage objektiv und zweifelsfrei feststeht, dass der Bieter nicht das erklären wollte, was er geschrieben hat, sondern mit Gewissheit, dass er irgendetwas anderes erklären wollte. Der Fehler ist nur dann offensichtlich, wenn er sich als solcher aus dem Angebot selber schon ergibt, ohne dass es eines Hinweises oder sonstiger Erläuterungen des Bieters bedürfte, wenn also der Fehler bei Lektüre der Offerte ins Auge springt (E. 1.4.1).

Der wirkliche Wille eines Anbieters kann sowohl aus dem Angebot und den Umständen als auch aus der Einholung von Erläuterungen beim Anbieter resultieren. Ist der Irrtum nicht offenkundig oder kann der wirkliche Wille nicht objektiv ermittelt werden, muss das Angebot nach Treu und Glauben ausgelegt werden. Grundsätzlich verbleibt es im Verfahren; das Ergebnis der Auslegung kann jedoch ergeben, dass das Angebot ausgeschlossen werden muss, weil es bestimmte vergaberechtliche Anforderungen nicht erfüllt oder weil der Irrtum zu einer erheblichen Lücke oder Unklarheit geführt hat (E. 1.4.3).

Öffentliche Beschaffungswesen

Öffentliche Beschaffungswesen

Verfahren

Verfahren

BGer 4A_48/2023 vom 22. März 2023

Leihvertrag; Vertragsauslegung; Art. 18 OR

Vertragsauslegung (Art. 18 OR) – Wiederholung der Grundsätze (E. 5.1). Im vorliegenden Fall erkennt das Bundesgericht an, dass es nicht willkürlich ist, festzuhalten, dass die tatsächliche Absicht der Parteien darin bestand, einen Vertrag über Beträge zu unterzeichnen, die vor der Unterzeichnung des Vertrags vorgestreckt worden waren. Tatsächlich spiegelte der Darlehensvertrag den tatsächlichen und übereinstimmenden Willen der Parteien wider, da die Darlehensnehmerin darin anerkannte, dem Darlehensgeber den Betrag von CHF 200'000 zu schulden und sich verpflichtete, diesen Betrag spätestens bei der Schlüsselübergabe ihrer Villa an den Darlehensgeber zurückzuzahlen. Darüber hinaus enthielt die Vereinbarung keine Klausel, dass die Darlehenssumme in den Händen des Notars oder auf irgendein Bankkonto zugunsten der Darlehensnehmerin zu zahlen sei, was eher dafür sprach, dass die Summe der Darlehensnehmerin bereits in Form von Vorschüssen zur Verfügung gestellt worden war. Der Kontext führt zum selben Schluss: Der Grund für diese Verpflichtung war, dass der Kreditgeber/Bauträger die Nebenkosten der Immobilienentwicklung (Architektenhonorare, Maklerprovision, Erschließungskosten usw.) decken sollte, die er zunächst im Namen der Kreditnehmerin für den Bau ihrer Villa zu übernehmen bereit war. Auch die Notarin hatte diese Auslegung bestätigt (siehe E. 5.2 und 5.3).

Leihvertrag

Leihvertrag

BGer 6B_47/2021 vom 22. März 2023

Strafrecht; Fahrlässige Tötung; Art. 12 und 117 StGB; 328 OR; 82 UVG

Fahrlässige Körperverletzung (Art. 11, 12 Abs. 3 und 125 Abs. 2 StGB) – Wiederholung der Grundsätze (E. 2.1.1).

Verletzung der Regeln der Baukunde (Art. 229 StGB) – Wiederholung der Grundsätze (E. 2.1.2). Die mit der Leitung und Ausführung eines Bauwerks betrauten Personen sind dafür verantwortlich, dass in ihrem Bereich die Regeln der Baukunde eingehalten werden. Sie können aber nicht für sämtliche Missachtungen von Vorschriften auf einer Baustelle strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden, sondern es ist in jedem Einzelfall abzuklären, wie weit der Aufgabenkreis und somit der Verantwortungsbereich der Beteiligten reichen. Dies bestimmt sich aufgrund gesetzlicher Vorschriften, vertraglicher Abmachungen oder der ausgeübten Funktionen sowie nach den jeweiligen konkreten Umständen. Die Pflichten zum Schutz der Arbeitnehmer am Arbeitsplatz bzw. zur Unfallverhütung ergeben sich unter anderem aus Art. 328 Abs. 2 OR, Art. 82 UVG sowie der VUV. Darüber hinaus sind die gestützt auf Art. 83 UVG erlassenen Ausführungsvorschriften des Bundesrates und die übrigen Richtlinien zu beachten, welche die Pflicht des Arbeitgebers konkretisieren und für einzelne Arbeitsbereiche mit erhöhtem Gefahrenpotenzial zum Teil besonders umschreiben. Wird gegen eine solche Vorschrift verstossen, liegt darin zugleich ein Indiz für die Missachtung der Sorgfaltspflicht im Sinne von Art. 12 Abs. 3 StGB (BGE 114 IV 173, E. 2a).

Im vorliegenden Fall trat ein Arbeiter bei Hilfsarbeiten für den Bau eines Gerüsts in ein Loch in der Deckenschalung ; er stürzte eine Etage tiefer. Der Sicherheitsbeauftragte instruierte zwar die zuständigen Vorgesetzten, insbesondere den Chef-Gerüstbauer, darüber, welche Teile des Gebäudes betreten werden durften. Nach der Rechtsprechung ist jedoch ein Fehlverhalten von Arbeitnehmern und insbesondere von Hilfsarbeitern zu erwarten, bei denen keine besondere Ausbildung oder Fachkenntnisse vorausgesetzt werden können. Folglich hätte der Sicherheitschef der Baustelle die Unfallstelle gegen Absturz sichern lassen müssen, zumal nicht ersichtlich ist, dass dies nicht oder nur mit unvertretbarem Aufwand möglich gewesen wäre. Öffnungen im Boden, auch wenn sie nur provisorisch sind, müssen gesichert bzw. zumindest mit einem rot-weißen Band gekennzeichnet werden. Die Tatsache, dass der Bereich visuell durch Armierungseisen abgegrenzt war, erweist sich als unzureichend (E. 2.3.1). Die Tatbestandsmerkmale der einfachen fahrlässigen Körperverletzung sowie der Verletzung der Regeln der Baukunde sind erfüllt (E. 2.3.2).

Strafrecht

Strafrecht

BGer 4A_189/2021 vom 21. März 2023

Kaufvertrag; Mangel; wandelungsklage; Art. 197, 205 und 208 OR

Mangel und Wandelungsklage (Art. 197, 205 und 208 OR) – Wiederholung der Grundsätze (E. 4.3).

Im vorliegenden Fall wurde die Möglichkeit, die Immobilie zu vermieten, von der Verkäuferin im Kaufvertrag garantiert. Diese Möglichkeit wurde durch eine Entscheidung der Gemeindebehörde, die von der Kantonsregierung unterstützt wurde, in Frage gestellt. Der relevante Zeitpunkt ist der Zeitpunkt der Lieferung des Bauwerks. Auch wenn die Richtigkeit des Gemeindebeschlusses Gegenstand eines hängigen Verfahrens ist, liegt ein Mangel bei der Lieferung vor, da es der Käuferin nicht zugemutet werden konnte, jahrelang auf den Ausgang eines Verwaltungsverfahrens zu warten (E. 4.3). Die Notarkosten im Zusammenhang mit dem Verkauf müssen ebenfalls erstattet werden, da sie einen direkten Schaden im Sinne von Art. 208 Abs. 2 OR darstellen. Zinsen auf den Betrag für den Verkauf und die Notarkosten sind ebenfalls geschuldet (E. 5.2).

NB : Das Urteil des BGer 4A_191/2021 betrifft die gleiche Problematik zwischen verschiedenen Parteien ; die Lösung ist identisch.

Kaufvertrag

Kaufvertrag

BGer 4A_452/2022 vom 16. März 2023

Werkvertrag; Abzüge und Pauschalpreis; Mängelrüge; Verrechnung; Art. 367 ff OR; 163 SIA NOrm

Vertragsauslegung – Wiederholung der Grundsätze (E. 4.4.1).

Abzüge und Pauschalpreis – Es ist nicht willkürlich, den in einem Werkvertrag enthaltenen Pauschalpreis als die tatsächlich geschuldete Pauschalsumme unter Berücksichtigung allfälliger bereits erfolgter Abzüge zu betrachten, wenn diese Abzüge in der Rubrik « Abrechnung » der Allgemeinen Baubedingungen vorgesehen waren, deren Präambel zudem den folgenden Satz enthält : «[s]ofern und soweit nicht Pauschalen vereinbart » (E. 4.4.2).

Mängelrüge – Festgestellte, aber nicht gerügte Mängel gelten gemäß Art. 163 der SIA-Norm 118 als genehmigt. Die SIA-Norm 118 enthält keine Bestimmungen über den Inhalt der Mängelrüge, weshalb diesbezüglich Art. 367 OR anwendbar ist (E. 6.2). Die Mängelrüge muss angemessen begründet sein, mindestens die Mängel, gegebenenfalls deren Ort sowie deren Ausmass angeben und zum Ausdruck bringen, dass der Auftraggeber das Werk nicht als vertragsgemäss akzeptiert und den Unternehmer haftbar machen will. Umgekehrt ist es nicht erforderlich, dass der Besteller die Ursachen des Mangels angibt (E. 6.3).

Im vorliegenden Fall ist eine Mängelrüge, aus der nicht klar hervorgeht, ob der Unternehmer oder ein anderer Handwerker haftbar gemacht wird, nicht ausreichend (E. 6.4.1 und 6.4.2). Ebenso ist es nicht ausreichend, einen Teil des Bauwerks einfach als mangelhaft oder reparaturbedürftig zu bezeichnen (E. 6.4.3).

Verrechnung – Im vorliegenden Fall wurden die Gegenforderungen nicht ausreichend behauptet und bewiesen (E. 7).

Werkvertrag

Werkvertrag

Werkpreis

Werkpreis

Mängel/Garantie

Mängel/Garantie

SIA Normen

SIA Normen

BGer 5A_822/2022 vom 14. März 2023

Bauhandwerkerpfandrecht; Berichtigung von Formfehlern; Klagerückzug; unbedingtes Replikrecht; Verhandlungsmaxime; Behauptungslast und Verweis auf ein Schriftstück; Art. 837 und 961 ZGB; 55, 65, 132, 221 ff ZPO

Berichtigung von Formfehlern (Art. 132 ZPO) – Wiederholung der Grundsätze (E. 3.3.1).

Klagerückzug (Art. 65 ZPO) – Wiederholung der Grundsätze (E. 3.3.2). Wer eine Klage vor dem zuständigen Gericht zurückzieht, kann keine zweite Klage gegen dieselbe Partei über denselben Streitgegenstand einreichen, wenn das Gericht die Klage dem Beklagten bereits zugestellt hat und dieser der Rücknahme nicht zustimmt.

Unbedingtes Replikrecht – Bei der Ausübung des Replikrechts geht es im Prinzip nur darum, zu den in die Verfahrensakte aufgenommenen Schriftstücken Stellung nehmen zu können. Inhaltliche Ergänzungen des Sachverhalts sind, wenn überhaupt, nur unter den Voraussetzungen des Novenrechts zulässig (Art. 229 und 317 ZPO).

Anträge auf Anmerkung der provisorischen Eintragung eines Bauhandwerkerpfandrechts nach Art. 961 Abs. 1 Ziff. 1 ZGB sind im summarischen Verfahren zu stellen, in dem nur ein Schriftenwechsel stattfindet, vorbehaltlich eines abweichenden Richterentscheids und des unbedingten Replikrechts. Es besteht also kein Recht der Parteien, sich zweimal zum Fall zu äussern. In der Regel wird die Akte nach einer einzigen Stellungnahme geschlossen. Ordnet das Gericht ausnahmsweise einen zweiten Schriftenwechsel an, sind Noven uneingeschränkt zulässig; in diesem Fall erfolgt der Aktenschluss erst mit dem zweiten Schriftenwechsel (E. 3.3.6.1). Für die Partei, die die vorsorgliche Vormerkung eines gesetzlichen Bauhandwerkerpfandrechts beantragt, erfolgt der Aktenschluss somit grundsätzlich mit der Einreichung ihres Gesuchs (E. 3.3.6.2).

Bauhandwerkerpfandrecht (Art. 837 ZGB) – Erinnerung an die Grundsätze und Fristen (E. 4.1). Verhandlungsmaxime (Art. 55 ZPO) – Hinweis auf die Grundsätze (E. 4.3 und 4.4). Behauptungslast und Verweis auf ein Schriftstück (Art. 221 ff. ZPO) – Erinnerung an die Grundsätze (E. 6.3.2.2). Verlangt ein Unternehmer nach Abschluss der Arbeiten die Vormerkung einer provisorischen Eintragung eines Bauhandwerkerpfandrechts, so obliegt es ihm, die Tatsachen zu beweisen, welche die Rechtsgrundlage der pfandberechtigten Forderung bilden, d.h. insbesondere den Vertragsabschluss und die ausgeführten Arbeiten. Diese Tatsachen sind diejenigen, die den Umfang der Forderung bestimmen und aus denen sich das Eigentum an der verpfändeten Forderung ergibt. Er muss nachweisen, dass die Bauarbeiten ihrer Natur nach einen Anspruch auf das Pfandrecht begründen und das Datum der Fertigstellung der Arbeiten beweisen. Darüber hinaus muss er das Grundstück, zu dessen Gunsten die Bauarbeiten durchgeführt wurden, sowie das Eigentum des Beklagten an dem Grundstück nachweisen. Im summarischen Verfahren reicht es nicht aus, in der Klageschrift die relevanten Fakten in groben Zügen zu erwähnen und dann abzuwarten, welche der behaupteten Fakten von der Gegenpartei bestritten werden. Vielmehr muss die Gesuchstellerin in Erwartung der Bestreitungen durch die Gegenpartei ihre Sachverhaltsdarstellung bereits im ersten Gesuch hinreichend substantiieren (E. 4.4).

Im vorliegenden Fall erfüllt der Unternehmer, der nicht angibt, bis wann die von den Werkverträgen erfassten Arbeiten ausgeführt wurden, die Anforderungen an die Behauptung nicht. Wenn er sich auf einen Regiebericht über zusätzliche Arbeiten stützt, muss er behaupten, dass die Arbeiten so miteinander verbunden sind, dass sie ein Ganzes bilden, weshalb die « zusätzlichen Arbeiten » die Frist auslösen (E. 5.3). Die Regieberichte wurden nicht in den Rang einer Tatsachenbehauptung erhoben, da die darin enthaltenen relevanten Informationen nicht erläutert wurden (E. 6.3).

Bauhandwerkerpfandrecht

Bauhand-werkerpfandrecht

Verfahren

Verfahren

BGer 4A_483/2022 vom 08. März 2023

Kaufvertrag; Vertraulichkeit des Schlichtungsverfahrens; Art. 205 ZPO

Vertraulichkeit des Schlichtungsverfahrens – Gemäss Art. 205 Abs. 1 ZPO dürfen die Aussagen der Parteien weder im Schlichtungsprotokoll erscheinen noch später, während des Hauptverfahrens, berücksichtigt werden (E. 3.1). Das Bundesgericht lässt die Frage offen, ob eine Behauptung aus einem Schlichtungsgesuch bei der Feststellung berücksichtigt werden kann, ob zwischen den Parteien eine Einigung über das zum Zeitpunkt des Verkaufs vom Verkäufer zurückgelassene Heizöl und verschiedene Reparatur- und Reinigungsarbeiten erzielt wurde. Es ist nämlich bereits möglich, die Existenz einer solchen Vereinbarung aufgrund der gesamten Aktenlage zu verneinen (E. 3.2).

Verfahren

Verfahren

Kaufvertrag

Kaufvertrag

BGer 4A_260/2022 vom 07. März 2023

Schuldbetreibung und Konkurs; Rückforderungsklage; Grundpfandrecht; Begründung der Beschwerde; Art. 86 SchKG; 818 ZGB; 42 BGG

Rückforderungsklage (Art. 86 SchKG) – Wiederholung der Grundsätze (E. 1.1).

Begründung der Beschwerde (Art. 42 BGG) – Wiederholung der Grundsätze. Die Anträge müssen nicht nur beziffert, sondern in der Beschwerdebegründung auch begründet werden. Es ist unerlässlich, dass das Bundesgericht bei der Lektüre der Eingabe des Beschwerdeführers klar versteht, was dieser will, und dass es bei Gutheissung der Beschwerde in der Lage ist, zu entscheiden und dem Beschwerdeführer die von ihm gestellten Anträge oder sogar einen geringeren Betrag zuzusprechen (E. 1.2).

Im vorliegenden Fall haben die Beschwerdeführer bezifferte Anträge gestellt und die Verzugszinsen im Bereich des Grundpfandrechts im Sinne von Art. 818 Abs. 1 Ziff. 2 ZGB angefochten, da das Betreibungsamt den vertraglichen Zinssatz von 12% anstelle des gesetzlichen Zinssatzes von 5% angesetzt hatte. Sie haben jedoch in keiner Weise erklärt, wie sie auf den geforderten Betrag gekommen sind, wobei darauf hingewiesen wird, dass der Betrag, der bei einem Zinssatz von 5% geschuldet gewesen wäre, nicht ihren Anträgen entspricht. Die Klage wird daher mangels ausreichender Begründung als unzulässig abgewiesen (E. 1.3).

Verfahren

Verfahren

SchKG (Schuldbetreibung)

SchKG (Schuldbetreibung)

Eigentum/Besitz

Eigentum/Besitz

BGer 1C_254/2021 vom 02. März 2023

Enteignung; Enteignungsentschädigung; Art. 26 Abs. 2 BV

Enteignungsentschädigung – Erinnerung an den Grundsatz. Gemäss Art. 26 Abs. 2 BV kann eine Enteignung nur gegen volle Entschädigung erfolgen (E. 3.1).

Von Naturgefahren bedrohte Grundstücke – Eine langjährige Rechtsprechung geht davon aus, dass Grundstücke, die von Naturgefahren bedroht sind, aus enteignungsrechtlicher Sicht a priori nicht den Charakter von Bauland haben können. Dies gilt selbst dann, wenn das Grundstück bereits bebaut ist und die bestehende Nutzung aufgrund des Eintritts von Gefahren untersagt werden muss. Ebenso verneint die frühere Rechtsprechung jegliches Recht aus einer materiellen Enteignung, wenn das von Naturgefahren bedrohte Grundstück nicht formell enteignet wird, sondern einem Nutzungsverbot unterliegt. Diese Rechtsprechung wurde jedoch in einem kürzlich ergangenen Urteil nuanciert, in dem anerkannt wurde, dass gegebenenfalls der Umstand zu berücksichtigen ist, dass die Enteignung der Errichtung eines Bauwerks dient, mit dem andere Grundstücke und öffentliche Infrastrukturen geschützt werden sollen. Wenn dies der Fall ist und anstelle des betroffenen Grundstücks ein anderes Grundstück hätte enteignet werden können, ist der Verlust der Nutzbarkeit des Gebäudes letztlich nicht nur auf die Naturgefahr, sondern auch auf das Bauwerk zurückzuführen. Es wäre daher gerechtfertigt, die Enteignung eines solchen Grundstücks zum Baulandpreis zu entschädigen (E. 3.2).

Im vorliegenden Fall waren die enteigneten Parzellen, die sich in der Bauzone befanden, aber nicht erschlossen waren, aufgrund des anhaltenden Risikos von Stein- und Blockschlag, das durch die Permafrostproblematik noch verschärft wurde, nicht bebaubar. Die Enteignungsmaßnahme betraf alle Eigentümer von Immobilien, die sich in dem von Erdrutschen bedrohten Gebiet befanden, gleichermaßen. Die Enteignungsentschädigung wurde daher zu Recht nicht nach dem Verkehrswert in der Bauzone, sondern nach dessen Wert nach der Gefahreneinschätzung berechnet und auf 10 Franken/m2 festgelegt (E. 3.4).

Eigentum/Besitz

Eigentum/Besitz

BGer 5A_784/2021, 5A_793/2021, 5A_794/2021 vom 27. Februar 2023

Miteigentum; Aufhebung von Miteigentum; Zwangsversteigerung; Art. 650 ff ZGB; 229 OR; VZG

Aufhebung von Miteigentum (Art. 650 ff. ZGB ; Art. 229 ff. OR) – Jeder Miteigentümer hat das Recht, die Aufhebung des Miteigentums zu verlangen (vorbehaltlich der im Gesetz genannten Ausschlussgründe). Können sich die Miteigentümer nicht über die Art und Weise der Aufhebung einigen, ordnet das Gericht die körperliche Teilung der Sache an oder, wenn dies nicht ohne erhebliche Wertminderung möglich ist, den Verkauf der Sache in einer öffentlichen Versteigerung oder unter den Miteigentümern. Das Gericht muss nach den konkreten Umständen des Einzelfalls entscheiden. Kaufverträge, die im Wege der Versteigerung geschlossen werden, sind in den Art. 229-236 OR geregelt : Gegenstand sind in erster Linie freiwillige öffentliche Versteigerungen (Art. 229 Abs. 2 OR) sowie Zwangsversteigerungen (Art. 229 Abs. 1 OR), die jedoch ausschließlich dem SchKG unterliegen.

Regeln für die öffentliche Versteigerung nach Art. 651 Abs. 2 ZGB – Strittig ist, ob die vom Teilungsgericht festgelegten Regeln für die öffentliche Versteigerung, einschließlich der Schätzung der Immobilie durch einen vom Gericht bestellten Sachverständigen, bindend sind oder ob die öffentliche Versteigerung der Zwangsversteigerung von Immobilien nach dem SchKG unterliegt, das das Recht auf eine neue Schätzung regelt (Art. 9 Abs. 2, Art. 99 Abs. 2 VZG).

Das Bundesgericht stellt fest, dass es diese Frage noch nie zu entscheiden hatte (E. 3.4.1) und dass die kantonale Praxis die vom Teilungsgericht festgelegten Versteigerungsbedingungen sowie Art. 229 ff. OR in Verbindung mit den kantonalrechtlichen Bestimmungen über die öffentliche Versteigerung als massgebend erachtet (E. 3.4.2). In der Lehre wird auch darauf hingewiesen, dass die öffentliche Versteigerung im Sinne von Art. 651 Abs. 2 ZGB nicht als Zwangsversteigerung im Sinne des SchKG oder der RiVASt gilt und es vielmehr Aufgabe des Teilungsgerichts ist, die Bedingungen der Versteigerung, sofern sich die Parteien nicht über die Einzelheiten einigen können, unter Berücksichtigung der kantonalen Versteigerungsverordnungen festzulegen. Als « freiwillige Verkäufe » gelten nicht nur Veräusserungen, die auf freiem Willen beruhen, sondern auch Versteigerungen, die das Gesetz in zahlreichen Bestimmungen vorsieht, wie etwa in Art. 651 Abs. 2 ZGB (E. 3.4.3). Das Bundesgericht ist der Ansicht, dass selbst wenn der « freiwillige » Charakter des Verkaufs verneint werden sollte, dies nicht zur Anwendung der Regeln des SchKG und des ZVG führen würde, sondern nur zur Anwendung der kantonalen Regeln, da die Beteiligung eines Amtes am Prozess nicht entscheidend ist (E. 3.5.2). Folglich sind die vom Teilungsgericht angeordneten Teilungsmodalitäten bindend, insbesondere die Ernennung eines bestimmten Experten für die Schätzung des Vermögens; das Betreibungsamt muss keine Neuschätzung im Sinne von Art. 9 Abs. 2 VZG vornehmen, sofern die Parteien nichts anderes vereinbaren (E. 3.5.5).

Analyse von Pierre Rüttimann

Fin de la copropriété : droit applicable à la vente aux enchères publiques

Miteigentum

Miteigentum

SchKG (Schuldbetreibung)

SchKG (Schuldbetreibung)

Kaufvertrag

Kaufvertrag

Zur Publikation vorgesehen

Zur Publikation vorgesehen

BGer 5A_826/2022 vom 24. Februar 2023

Besitzesschutzklage; Vorsorgliche Massnahmen; Art. 927 ZGB; 98 BGG

Vorsorgliche Massnahmen : Überprüfungsbefugnis des Bundesgerichts (Art. 98 BGG) – Wiederholung der Grundsätze (E. 2.1).

Vorsorgliche Massnahmen bei einer Besitzesschutzklage – Die Möglichkeit, vorsorgliche Massnahmen im Rahmen der Besitzesschutzklage zu verlangen, ist noch nicht vom Bundesgericht entschieden worden, das die Frage mangels diesbezüglicher Rügen offen lässt (E. 3.1). Jedenfalls unterliegt diese Massnahme den Voraussetzungen von Art. 261 ff. ZPO (E. 3.1.2).

Besitzesentziehung (Art. 927 ZGB) – Die Besitzesentziehung ist eine Besitzesschutzklage, deren Zweck darin besteht, den Missbrauch des Besitzes zu verhindern und damit den öffentlichen Frieden zu schützen. Sie dient der Besitzeswahrung als solche und bezweckt die rasche Wiederherstellung des früheren Zustandes. Sie führt nicht zu einem Urteil über die Rechtmässigkeit dieser Sachlage. Sie gewährt dem Antragsteller nur vorläufigen Schutz. Das Gericht hat die Frage des Rechtes am Besitz der Sache erst zu prüfen, wenn es mit der Eigentumsklage befasst ist. Der Kläger der Klage aus Besitzentziehung muss nachweisen, dass zwei Voraussetzungen erfüllt sind: erstens, dass er den Besitz an der Sache hatte, und zweitens, dass er den Besitz an der Sache infolge einer widerrechtlichen Aneignung verloren hat (E. 3.1.1).

Im vorliegenden Fall stellt das Bundesgericht fest, dass sich sowohl die Parteien als auch die Vorinstanzen auf das Besitzesrecht am streitigen Korridor, der eine Wohnung bedient, konzentriert haben. Entscheidend ist nun die Frage, ob die klagende Partei früher davon Gebrauch gemacht hat und ob die Behinderung dieses Zugangs eine einschlägige widerrechtliche Aneignung darstellt. Das Bundesgericht bejaht diese Frage und bestätigt den vorinstanzlichen Entscheid mit der Begründung, die Partei, welche den Zugang behindert hat, habe kein besseres Recht (E. 3.4).

Eigentum/Besitz

Eigentum/Besitz

Verfahren

Verfahren

BGer 5A_677/2022 vom 20. Februar 2023

Eigentumsklage; Kaufvertrag; Rücktritt vom Vertrag; Geschäftsführung ohne Auftrag; Gerichts- und Parteikosten; Art. 60, 109 Abs. 2, 419 ff OR; 106 ZPO

Schaden aus Rücktritt vom Vertrag (Art. 109 Abs. 2 OR) – Nach Art. 109 Abs. 2 OR hat die Person, die vom Vertrag zurücktritt, Anspruch auf Ersatz des aus Dahinfallen des Vertrages erwachsenen Schadens, sofern der Schuldner nicht nachweist, dass ihm keinerlei Verschulden zur Last fällt. Geschuldet ist der Ersatz des negativen Vertragsinteresses. Zur Ermittlung des Schadens ist der tatsächliche Vermögensstand mit dem Vermögensstand zu vergleichen, der bestünde, wenn der Vertrag nicht geschlossen worden wäre (E. 3.1).

Geschäftsführung ohne Auftrag (Art. 419 ff. OR) – Wer anstelle des rechtmässigen Eigentümers Mietzinse vereinnahmt, hat diese unter den Voraussetzungen der Geschäftsführung ohne Auftrag herauszugeben (E. 4.1). Unerheblich ist, dass die Wohneinheit nicht spezifiziert wurde (E. 4.2). Es kann nach allgemeiner Lebenserfahrung nicht davon ausgegangen werden, dass eine Entschädigung von CHF 4’500.- für drei Monate Kost und Logis nur kostendeckend ist und keinen Gewinn ermöglicht (E. 4.3). Ansprüche des Geschäftsherrn aus Geschäftsführung ohne Auftrag verjähren ihrer deliktischen Natur nach gemäss Art. 60 Abs. 1 OR (E. 4.4.1). Es obliegt der Geschäftsführerin, die Tatsachen zu behaupten und zu beweisen, die es erlauben, den Beginn der Verjährungsfrist festzustellen, auf die sie sich beruft, was sie im vorliegenden Fall nicht getan hat (E. 4.4.4).

Verteilung der Gerichtskosten (Art. 106 ZPO) – Grundsätze (E. 5.1).

Eigentum/Besitz

Eigentum/Besitz

Kaufvertrag

Kaufvertrag

Verfahren

Verfahren

BGer 5D_119/2022, 5D_120/2022 vom 20. Februar 2023

Dienstbarkeit; Auslegung einer Dienstbarkeit; Ausübung einer Dienstbarkeit; Art. 737 Abs. 3, 738, 942 und 948 ZGB

Auslegung einer Dienstbarkeit (Art. 738 i.V.m. 942, 948 ZGB) – Wiederholung der Grundsätze. Im vorliegenden Fall erlaubt die Eintragung im Grundbuch es nicht, abschliessend zu bestimmen, auf welcher Fläche die Eigentümer des berechtigten Grundstücks ein Mitbenutzungsrecht am belasteten Grundstück haben. Deshalb hat sich die Vorinstanz zu Recht auf das der Dienstbarkeit zugrunde liegende Parzellierungsbegehren und den dabei erstellten Grundrissplan gestützt (E. 3.3).

Ausübung der Dienstbarkeit – Gemäss Art. 737 Abs. 3 ZGB darf die Eigentümerin einer mit einer Dienstbarkeit belasteten Parzelle nichts tun, was die Ausübung der Dienstbarkeit verhindert oder erschwert. Umgekehrt kann der Dienstbarkeitsberechtigte von der Dienstbarkeitsbelasteten verlangen, dass sie Vorrichtungen entfernt, die ihn an der Ausübung der Dienstbarkeit hindern oder deren Ausübung erschweren. Demnach ist es nicht willkürlich, von der belasteten Eigentümerin die Entfernung eines Holzgatters zu verlangen, das zwar nicht geschlossen ist, aber geschlossen werden könnte, um die Ausübung der Dienstbarkeit zu gewährleisten (E. 4.3).

Dienstbarkeit

Dienstbarkeit

BGer 1C_662/2021 vom 17. Februar 2023

Enteignung; Entschädigung; Art. 26 Abs. 2 BV; 16 ff EntG

Enteignungsentschädigung – Gemäss Art. 16 EntG und Art. 26 Abs. 2 BV kann die Enteignung nur gegen volle Entschädigung erfolgen. Gemäss Art. 19 EntG sind bei der Festsetzung der Entschädigung alle Nachteile zu berücksichtigen, die dem Enteigneten aus der Entziehung oder Beschränkung seiner Rechte entstanden sind. Folglich umfasst die Entschädigung: (a) den vollen Verkehrswert des enteigneten Rechts ; (b) bei teilweiser Enteignung eines oder mehrerer wirtschaftlich zusammenhängender Grundstücke den Betrag, um den der Verkehrswert des verbleibenden Teils vermindert wird ; (c) den Betrag aller weiteren dem Enteigneten verursachten Nachteile, die sich nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge als Folge der Enteignung voraussehen lassen. Gemäss Art. 20 EntG ist bei der Ermittlung des Verkehrswerts auch die Möglichkeit einer besseren Verwendung der Liegenschaft angemessen zu berücksichtigen (E. 3.2).

Im vorliegenden Fall ist die Methode zur Bewertung des Wertes eines in der Bahnzone gelegenen Grundstücks auf Grundlage des Mietspiegels unter Berücksichtigung des Ertrags der Parzelle, die bis zur Enteignung als Parkhaus genutzt wurde, auch dann nicht zu beanstanden, wenn das Parkhaus aufgrund seiner Lage auf der Zugstrecke nur auf Zusehen hin (prekaristisch) bewilligt worden wäre (E. 3.3). Das Bundesgericht hält auch fest, dass ein durchschnittlicher Minderwert von 15%, d.h. 20% wegen Unmöglichkeit im Untergeschoss zu bauen und 15% wegen einer Baubeschränkung auf einem Stockwerk kein Bundesrecht verletzt (E. 4.2).

Eigentum/Besitz

Eigentum/Besitz

BGer 5A_355/2021 vom 16. Februar 2023

Bauhandwerkerpfandrecht; Frist für die Einreichung des Gesuchs um definitive Eintragung; Art. 839 Abs. 2, 961 ZGB; 76 GBV; 263 ZPO

Frist für die Eintragung eines Bauhandwerkerpfandrechts (Art. 839 Abs. 2 ZGB, Art. 961 Abs. 1 Ziff. 1 ZGB und Art. 76 Abs. 3 GBV) – Zusammenfassung der Grundsätze (E. 2).

Frist für die Einreichung des Gesuchs um definitive Eintragung – Die Dauer der provisorischen Eintragung kann auf zwei Arten bestimmt werden : Das Gericht kann entweder eine bestimmte Gültigkeitsdauer festlegen oder dem Handwerker/Unternehmer eine Frist zur Einreichung einer definitiven Eintragungsklage einräumen und damit die Gültigkeit der provisorischen Eintragung bis zum Endentscheid verlängern (E. 2). Im vorliegenden Fall verzichtet das Bundesgericht darauf, sich zur Frage zu äussern, ob eine solche Frist mit der Zustellung des Berufungsurteils oder, wie der Unternehmer behauptet, mit dem Ablauf der Frist zur Beschwerde an das Bundesgericht zu laufen beginnt, eine Frist, die im vorliegenden Fall aufgrund eines Verlängerungsgesuchs noch gehemmt worden wäre. Das Bundesgericht stellt fest, dass die Klage jedenfalls lange nach Ablauf dieser Fristen eingereicht wurde und somit verspätet ist (E. 3.3).

Mahnung des Gerichts betreffend die verspätete Einreichung – Das Bundesgericht ruft BGE 143 III 554 E. 2.5.1 in Erinnerung, worin bestätigt wurde, dass die Frist zur Einreichung einer Klage auf Prosequierung einer vorläufigen Eintragung eines Bauhandwerkerpfandrechts eine Verwirkungsfrist des materiellen Rechts ist, die in Art. 961 Abs. 3 ZGB und nicht in Art. 263 ZPO geregelt ist. Art. 961 Abs. 3 ZGB verlangt nicht, dass das Gericht in seinem Entscheid auf die Folgen einer allfälligen Nichtbeachtung der von ihm festgesetzten Frist hinweist. Da Art. 263 ZPO nicht anwendbar ist, verzichtet das Bundesgericht auf die Prüfung der Folgen einer verspäteten Einreichung ohne richterliche Androhung (E. 4).

Bauhandwerkerpfandrecht

Bauhand-werkerpfandrecht

Verfahren

Verfahren

BGer 2C_255/2022 vom 07. Februar 2023

Bäuerliches Bodenrecht; Anwendungsbereich des BGBB; Kiesgrubengebiet; Art. 2 BGBB; 15 und 18 RPG

Räumlicher und sachlicher Geltungsbereich des BGBB (Art. 2 ff. BGBB) – Das BGBB gilt für freistehende landwirtschaftliche Grundstücke oder für landwirtschaftliche Grundstücke, die Teil eines landwirtschaftlichen Gewerbes sind, das ausserhalb einer Bauzone im Sinne von Art. 15 RPG liegt (E. 4.1). Ein landwirtschaftliches Grundstück ist ein solches, das für eine landwirtschaftliche oder gartenbauliche Nutzung geeignet ist, d. h. ein solches, das aufgrund seiner Lage und Zusammensetzung in dieser Form genutzt werden kann (E. 4.2). Zonen nach Art. 18 RPG, die für spezifische Bedürfnisse ausserhalb der Bauzonen bestimmt sind, wie z.B. Abbauzonen, werden grundsätzlich durch ihre Zweckbestimmung an dem im Nutzungsplan vorgesehenen Ort vorgeschrieben; sie liegen eindeutig ausserhalb der Bauzonen nach Art. 15 RPG und gehorchen, unter Vorbehalt ihrer spezifischen Zweckbestimmung, dem Regime der Nichtbauzone. Eine solche Zone gilt nur dann als Bauzone im Sinne von Art. 15 RPG, wenn das Abbaugebiet später für Siedlungszwecke genutzt werden soll (E. 4.4.3).

Im vorliegenden Fall stellt der Abbauplan einen Sondernutzungsplan im Sinne von Art. 18 RPG dar, und das von ihm betroffene Gebiet kann nicht als Bauzone im Sinne von Art. 15 RPG betrachtet werden, da die abgebauten Parzellen nach der Instandsetzung wieder der Landwirtschaft zugeführt werden sollen (E. 4.6). Folglich haben die Inkraftsetzung des Abbauplans und die Nutzungsänderung keinen Einfluss auf die Erfüllung der Voraussetzungen von Art. 2 Abs. 1 BGBB (E. 4.8). Vielmehr führt erst die Erteilung einer Betriebsbewilligung oder gar die Aufnahme des Betriebs der Kiesgrube zum Ende der Unterstellung unter das BGBB, weil das Grundstück aus dem sachlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes herausfällt und nicht mehr als landwirtschaftlich betrachtet werden kann (E. 5). Für das Bundesgericht wäre es stossend, davon auszugehen, dass das Inkrafttreten eines Nutzungsplans automatisch ein landwirtschaftliches Grundstück (gemäss Primärplan), das für die Landwirtschaft nützlich ist und nach Abschluss des Abbaus wieder an die Landwirtschaft zurückfallen wird, dem BGBB entziehen könnte, während die Abbauarbeiten erst rund 30 Jahre später möglich sein werden (E. 7).

Bäuerliches Bodenrecht

Bäuerliches Bodenrecht

Zur Publikation vorgesehen

Zur Publikation vorgesehen

BGer 2C_130/2022 vom 07. Februar 2023

Bäuerliches Bodenrecht; Beschwerdelegitimation im BGBB; Art. 2 BGBB; 15 und 18 RPG

Beschwerdelegitimation bei Entscheiden nach Art. 61 ff. BGBB – Nach Art. 83 Abs. 3 BGBB können die Vertragsparteien gegen die Verweigerung der Bewilligung bei der kantonalen Beschwerdeinstanz (Art. 88) Beschwerde einlegen, während die kantonale Aufsichtsbehörde, der Pächter und die Inhaber des Kaufrechts, des Vorkaufsrechts oder des Zuteilungsrechts gegen die Erteilung der Bewilligung ein Beschwerderecht haben. Als lex specialis hat diese Bestimmung Vorrang vor der allgemeinen Legitimationsbestimmung des Art. 89 Abs. 1 BGG. Eine über den Wortlaut von Art. 83 Abs. 3 BGBB hinausgehende Legitimation ist nur zulässig, wenn ein im Lichte der Ziele des BGBB schutzwürdiges Interesse an der Erhaltung des Eigentums an der betroffenen Liegenschaft besteht und dieses Interesse nicht mit anderen Mitteln geltend gemacht werden kann (E. 3.2).

Im vorliegenden Fall ist unbestritten, dass die Beschwerdeführer kein Kauf- oder Vorkaufsrecht hatten, und das Bundesgericht stellt fest, dass es nicht willkürlich war, dass die Vorinstanz das Bestehen eines Mietverhältnisses verneinte (E. 3.3 und 3.4). Schliesslich bestätigt das Obergericht, dass die Beschwerdelegitimation über den Wortlaut von Art. 83 Abs. 3 BGBB hinaus auch nicht auf der Eigenschaft der Beschwerdeführer als Parteien eines Kaufvertrags beruht. Zwar wurde zwischen der Verkäuferin und einem der Beschwerdeführer ein Kaufvertrag abgeschlossen, doch ist die Verkäuferin verstorben, ihr Nachlass wurde ausgeschlagen und nach den Regeln des Konkurses liquidiert. Die Konkursverwaltung beschloss jedoch, den Vertrag nicht zu erfüllen, woraufhin die Gemeinde von ihrem Vorkaufsrecht Gebrauch machte. Im Gegensatz zur öffentlichen Ausschreibung nach Art. 64 Abs. 1 lit. f BGBB gibt der freihändige Verkauf nach Betreibungsrecht nicht jedem Selbstbewirtschafter die Gelegenheit, ein Angebot einzureichen, sondern nur denjenigen, die Massegläubiger sind, was bei den Beschwerdeführern nicht der Fall ist. Die Vorinstanz hat ihnen daher zu Recht die Beschwerdelegitimation gemäss Art. 83 Abs. 3 BGBB abgesprochen (E. 4).

Bäuerliches Bodenrecht

Bäuerliches Bodenrecht

Verfahren

Verfahren

BGer 2C_130/2022 vom 07. Februar 2023

Bäuerliches Bodenrecht; Beschwerdelegitimation im BGBB; Art. 2 BGBB; 15 und 18 RPG

Beschwerdelegitimation bei Entscheiden nach Art. 61 ff. BGBB – Nach Art. 83 Abs. 3 BGBB können die Vertragsparteien gegen die Verweigerung der Bewilligung bei der kantonalen Beschwerdeinstanz (Art. 88) Beschwerde einlegen, während die kantonale Aufsichtsbehörde, der Pächter und die Inhaber des Kaufrechts, des Vorkaufsrechts oder des Zuteilungsrechts gegen die Erteilung der Bewilligung ein Beschwerderecht haben. Als lex specialis hat diese Bestimmung Vorrang vor der allgemeinen Legitimationsbestimmung des Art. 89 Abs. 1 BGG. Eine über den Wortlaut von Art. 83 Abs. 3 BGBB hinausgehende Legitimation ist nur zulässig, wenn ein im Lichte der Ziele des BGBB schutzwürdiges Interesse an der Erhaltung des Eigentums an der betroffenen Liegenschaft besteht und dieses Interesse nicht mit anderen Mitteln geltend gemacht werden kann (E. 3.2).

Im vorliegenden Fall ist unbestritten, dass die Beschwerdeführer kein Kauf- oder Vorkaufsrecht hatten, und das Bundesgericht stellt fest, dass es nicht willkürlich war, dass die Vorinstanz das Bestehen eines Mietverhältnisses verneinte (E. 3.3 und 3.4). Schliesslich bestätigt das Obergericht, dass die Beschwerdelegitimation über den Wortlaut von Art. 83 Abs. 3 BGBB hinaus auch nicht auf der Eigenschaft der Beschwerdeführer als Parteien eines Kaufvertrags beruht. Zwar wurde zwischen der Verkäuferin und einem der Beschwerdeführer ein Kaufvertrag abgeschlossen, doch ist die Verkäuferin verstorben, ihr Nachlass wurde ausgeschlagen und nach den Regeln des Konkurses liquidiert. Die Konkursverwaltung beschloss jedoch, den Vertrag nicht zu erfüllen, woraufhin die Gemeinde von ihrem Vorkaufsrecht Gebrauch machte. Im Gegensatz zur öffentlichen Ausschreibung nach Art. 64 Abs. 1 lit. f BGBB gibt der freihändige Verkauf nach Betreibungsrecht nicht jedem Selbstbewirtschafter die Gelegenheit, ein Angebot einzureichen, sondern nur denjenigen, die Massegläubiger sind, was bei den Beschwerdeführern nicht der Fall ist. Die Vorinstanz hat ihnen daher zu Recht die Beschwerdelegitimation gemäss Art. 83 Abs. 3 BGBB abgesprochen (E. 4).

Bäuerliches Bodenrecht

Bäuerliches Bodenrecht

Verfahren

Verfahren

BGer 5A_117/2022 vom 06. Februar 2023

Schuldbetreibung und Konkurs; Anfechtung des Lastenverzeichnisses; Art. 140, 156 SchKG

Anfechtung des Lastenverzeichnisses (Art. 140 i.V.m. Art. 156 SchKG) – Wiederholung der Grundsätze (E. 2). Im Rahmen eines Verfahrens zur Verwertung von Grundpfandrechten bestreitet die Beschuldigte insbesondere die Höhe einer Forderung, die Zinsen umfasst, die nach den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Bank berechnet werden, die in die Immobilienkredite einbezogen wurden.

Einbeziehung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen in den Vertrag – Wiederholung der Grundsätze (E. 3.2.1).

Im vorliegenden Fall hält das Bundesgericht auf subjektiver Ebene fest, dass ein in der Baubranche tätiges und erfahrenes Unternehmen über ausreichende Kenntnisse verfügt, um den Inhalt der unterzeichneten Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu verstehen, so dass diese nicht ungewöhnlich sind. Es verzichtet daher darauf, in objektiver Hinsicht zu prüfen, ob die Allgemeinen Geschäftsbedingungen ungewöhnlich waren, weil sie unter anderem keine Verpflichtung der Bank zur Konsolidierung der Immobilienkredite vorsahen oder weil sie vorsahen, dass die Bank den Zinssatz einseitig zwischen 5 und 10 % ändern kann (E. 3.2.4.1).

SchKG (Schuldbetreibung)

SchKG (Schuldbetreibung)

BGer 4A_553/2021 vom 01. Februar 2023

Werkvertrag; Anrechnung von Zahlungen bei mehreren Schulden; Teilklage; Art. 86-87 OR; 86 und 150 ZPO

Anrechnung von Zahlungen bei mehreren Schulden (Art. 86 und 87 OR) – Ausführliche Wiederholung der geltenden Regeln (E. 3.1-3.1.4.3). Aus dieser Regelung ergibt sich, dass der Schuldner zwar beweisen muss, dass er die Zahlung geleistet hat, und dass er diesbezüglich die Beweislast für die Tilgung trägt. Die Beweislast für die Forderung, der die Zahlung zuzurechnen ist, trägt er hingegen nur insoweit, als er sich auf eine von Art. 87 OR abweichende Anrechnung beruft. Bestreitet der Gläubiger weder den Erhalt der Zahlungen noch die Tatsache, dass diese zur Deckung aller Schulden ausreichen, muss er nachweisen, dass der Schuldner die gezahlten Beträge bei der Auszahlung anderen als den gerichtlich verfolgten Forderungen zugerechnet hat (Art. 86 Abs. 1 OR) (E. 3-2 bis 3.7).

Teilklage – Das oben Gesagte gilt auch bei einer unechten Teilklage. Auch in deren Rahmen ist nicht nur über die eingeklagten Forderungen selbst, sondern über alle rechtserheblichen umstrittenen Tatsachen Beweis zu führen (Art. 150 ZPO). Soweit der Beschwerdegegner keine Zuordnung seiner unbestrittenen Zahlungen entweder an die eingeklagten Forderungen (in dem Fall wäre die Klage abzuweisen) oder klar an andere als die eingeklagten Forderungen (dann wäre die Anrechnung auf die eingeklagten Ansprüche – soweit keine Verrechnung erklärt wird – unabhängig vom Bestand der weiteren Forderungen ausgeschlossen) vorgenommen hat, wird die Frage, welche Forderungen den Beschwerdeführerinnen gegen den Beschwerdegegner neben den eingeklagten noch zustehen, rechtserheblich. Davon hängt nämlich ab, ob und wenn ja in welchem Ausmass die unstreitig erfolgten Zahlungen, mit denen der Beschwerdegegner die Tilgung der Forderungen behauptet, nach Art. 86 f. OR auf die eingeklagten Forderungen anzurechnen sind. (E. 3.3.4)

Werkvertrag

Werkvertrag

Verfahren

Verfahren

BGer 4A_603/2021 vom 31. Januar 2023

Kauf- und Werkvertrag; Schiedsgutachten; Mängelgewährleistung; Überprüfung; Mängelanzeige; Verjährung

Mängelgewährleistung (Art. 367 ff. OR) – Sofern keine abweichende Vereinbarung getroffen wurde, unterliegt die Gewährleistung für Mängel bei gemischten Verträgen, die Elemente des Kaufvertrags und des Werkvertrags kombinieren, den Regeln des Werkvertrags (Art. 368 ff. OR), jedenfalls für Mängel, die die Gemeinschaftsteile betreffen (E. 3.2).

Prüfung des Werks und Mängelanzeige – Gemäss Art. 367 OR muss der Bauherr nach der Lieferung des Werks, sobald es nach dem üblichen Geschäftsgang tunlich ist, den Zustand des Werks überprüfen und Mängel dem Unternehmer melden. Werden Mängel erst später entdeckt, muss der Unternehmer unverzüglich benachrichtigt werden, andernfalls gilt das Werk trotz der Mängel als genehmigt (Art. 370 Abs. 3 OR). Das Gesetz schafft eine Annahmefiktion des Werks, wenn der Bauherr das Vorhandensein von Mängeln nicht sofort nach Kenntnisnahme meldet. Der Unternehmer ist von seiner Haftung für später gemeldete Mängel befreit (Art. 370 Abs. 1 OR). Die Umstände des konkreten Falls, insbesondere die Art der Mängel, sind entscheidend dafür, ob der Bauherr rechtzeitig gehandelt hat. Der Unternehmer kann jedoch darauf verzichten, sich auf die Verspätung der Mängelanzeige zu berufen. Dieser Verzicht kann ausdrücklich oder stillschweigend erfolgen. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn der Unternehmer in Kenntnis der verspäteten Mängelanzeige mit der Nachbesserung des Bauwerks beginnt oder seine Pflicht zur Beseitigung des Mangels anerkennt. Aus den konkreten Umständen muss sich eindeutig ein stillschweigender Verzicht ableiten lassen: Die diesbezügliche Beweislast liegt beim Bauherrn (E. 3.3).

Im vorliegenden Fall haben die Parteien eine Schiedsgutachtervereinbarung im Sinne von Art. 189 ZPO unterzeichnet, in der sie den Schiedsgutachter insbesondere damit beauftragt haben, die Modalitäten und Kosten für die Überarbeitung jedes gemeldeten Mangels festzulegen. Die Vereinbarung sah auch vor, dass der Unternehmer den Wohnungseigentümern innerhalb von drei Monaten nach Erhalt des Sachverständigengutachtens Schadensersatz für alle Mängel zahlen würde, die ihnen nicht zuzurechnen sind. Die Existenz einer gültigen Mängelanzeige war somit eine Vorbedingung für die Vereinbarung und wurde von den Parteien als gegeben betrachtet, oder alternativ hat der Unternehmer in jedem Fall auf die Verspätung der Anzeigen verzichtet, indem er die Vereinbarung unterzeichnet hat (E. 3.4-3.5).

Unterbrechung der Verjährung (Art. 135 OR) – Wiederholung der Grundsätze (E. 4). Indem er sich durch den Abschluss eines Schiedsgutachtervereinbarung dazu verpflichtet hat, Mängel, die vom Sachverständigen bestätigt und quantifiziert wurden, zu beheben und die Bauherren entsprechend für diese Mängel zu entschädigen, hat der Unternehmer eine Schuldanerkennung unterzeichnet, die zur Unterbrechung der Verjährung führt (E. 4.3).

Klagebefugnis in der Eigentümergemeinschaft – Gemäss ständiger Rechtsprechung kann jeder Wohnungseigentümer aufgrund seines eigenen Vertrags die Rechte aus der Garantie für die gemeinschaftlichen Teile geltend machen. Die Schiedsgutachtervereinbarung sieht in diesem Fall keine abweichenden Regeln vor, so dass der Unternehmer nichts daraus ableiten kann, dass nicht alle Unterzeichner der Vereinbarung Klage erhoben haben (E. 5).

Übertragung von Gewährleistungsrechten bei Verkauf eines halben Anteils an einer StoWe während eines Streits – Nach ständiger Rechtsprechung ist das Recht auf Preisminderung als grundlegendes Recht grundsätzlich nicht übertragbar. Eine Forderung auf teilweise Rückzahlung des bezahlten Preises kann jedoch abgetreten werden. Nach Unterzeichnung der Expertise-Schiedsvereinbarung wird bei Verkauf eines halben Anteils an einer StoWe nicht mehr das Recht auf Preisminderung übertragen, sondern die entsprechende Forderung auf Rückzahlung eines Teils des Preises, die übertragbar ist (E. 6.2). Verkauft ein Miteigentümer eines Anteils seinen halben Anteil an den anderen Miteigentümer, der damit Alleineigentümer des Stockwerkanteils wird, obliegt es demjenigen, der eine gültige Abtretung bestreitet, den Beweis zu erbringen, dass die Abtretung nicht gewollt war, z.B. indem er nachweist, dass zwischen den Parteien des Kaufvertrags ein Streit über diese Frage besteht oder indem er nachweist, dass der ehemalige Miteigentümer, der seinen halben Anteil verkauft hat, vom Unternehmer weiterhin eine Entschädigung im Zusammenhang mit den Mängeln verlangt. Da dies im vorliegenden Fall nicht der Fall ist, muss festgehalten werden, dass der (nunmehr) alleinige Eigentümer des fraglichen Stockwerkanteils berechtigt ist, die volle Herabsetzung des Preises für seinen Stockwerkanteil zu verlangen (E. 6.3).

Anfechtung eines Schiedsgutachtens (Art. 189 ZPO) – Der Schiedsgutachter im Sinne von Art. 189 ZPO verfügt in der Regel über spezialisierte Kenntnisse und wird von den Parteien beauftragt, den rechtlich relevanten Sachverhalt in einer für sie verbindlichen Weise festzustellen. In Bezug auf diese Tatsachen ist der Richter, der mit der Sache befasst ist, nicht verpflichtet, weitere Beweise zu erheben. Wer ein solches Gutachten anfechten will, muss einen offensichtlichen Fehler nachweisen und kann sich nicht darauf beschränken, die Überprüfung des Inhalts frei zu verlangen. Die Ergebnisse eines Schiedsgutachtens müssen unverzüglich angefochten werden, andernfalls ist die Anfechtung unredlich und verspätet. Darüber hinaus, wenn eine Partei nicht von dem Recht Gebrauch gemacht hat, das in der Schiedsgutachtervereinbarung vorgesehen ist, um vom Gutachter eventuelle Klarstellungen und Ergänzungen zu verlangen, ist ein offensichtlicher Fehler im Gutachten im Sinne von Art. 189 Abs. 3 ZPO nicht wahrscheinlich (E. 7).

Verteilung des Minderwerts – Eine Verteilung des Minderwerts proportional zu den Anteilen des Stockwerkeigentums ist nicht willkürlich, wenn die Mängel die gemeinschaftlichen Teile und damit das Gebäude als Ganzes betreffen (E. 9.2).

Analyse von Marcel Eggler

Le compromis d’expertise-arbitrage engage la partie qui le signe

Kaufvertrag

Kaufvertrag

Werkvertrag

Werkvertrag

Mängel/Garantie

Mängel/Garantie

Stockwerkeigentum

Stockwerk-eigentum

Verfahren

Verfahren

BGer 4A_402/2022 vom 31. Januar 2023

Garantien; Auslegung des Vertrages; Abgrenzung zwischen Garantie und Bürgschaft; Art. 18, 111 und 492 ff OR

Auslegung des Vertrages (Art. 18 OR) – Wiederholung der Grundsätze (E. 6.2 und 6.3).

Wenn sich die Bauherrin in einer schriftlichen Vereinbarung « zur Zahlung der Forderung aus Verträgen », die von den Unternehmern unterzeichnet wurden, ohne Beschränkung verpflichtet, kann im Rahmen einer objektivierten Auslegung nicht angenommen werden, dass sie sich nur zur Zahlung der Akontozahlung im Betrag von CHF 100’000.- verpflichtete. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der Zweck des Vertrages darin bestand, die Fertigstellung der Arbeiten auf Seiten des Bestellers sicherzustellen, im Gegenzug für eine Sicherheit für sämtliche Forderungen gegenüber einem Dritten, dessen Zahlungsfähigkeit zweifelhaft ist. Ausserdem wurde die Endforderung im Vertrag auf CHF 204’723.20 geschätzt (E. 6.3 und 6.4).

Abgrenzung zwischen der Garantie (Art. 111 OR) und der Bürgschaft (Art. 492 ff. OR) – Merkmale der beiden Verträge (E. 7.1.1). Das vorherrschende Abgrenzungskriterium zwischen den beiden Rechtsinstituten ist die Akzessorietät. Während die Garantie einer unabhängigen Sicherheit entspricht, ist die Bürgschaft akzessorisch, was bedeutet, dass sie das Schicksal der Hauptschuld teilt, indem die akzessorische Verpflichtung von der Hauptschuld abhängig ist und ihr als Nebenrecht folgt (E. 7.1.2). Das Interesse des Promittenten am Geschäft ist ein wichtiges Indiz: Bei einer Bürgschaft fehlt in der Regel ein Eigeninteresse des Bürgen am zu sichernden Geschäft. Sie wird typischerweise zur Sicherstellung einer Verpflichtung von Familienangehörigen oder engen Freunden eingegangen, weshalb sie auch besonderen Formvorschriften unterstellt wurde (E. 7.1.3).

Im vorliegenden Fall ist das Eigeninteresse der Bauherrin, die die Arbeiten an ihrem Gebäude abschliessen wollte, um ein Hotel eröffnen zu können, offensichtlich, was für eine Garantie spricht. Dass die Vereinbarung keinen ausdrücklichen Verzicht auf Einreden und Einwendungen enthält, ändert an dieser Qualifikation nichts, denn ein solcher Verzicht ist in keiner Weise begriffsnotwendig für den Garantievertrag (E. 7.2 und 7.3). Zudem ist es im Gegensatz zur Bürgschaft nicht erforderlich, einen im Garantievertrag bestimmten Höchstbetrag der Haftung zu vereinbaren (E. 7.3.1). Schliesslich ist die Vermutung der Rechtsprechung zugunsten der Bürgschaft im vorliegenden Fall nicht anwendbar, da sie für Privatpersonen gilt und die Bauherrin eine im Immobilienbereich tätige Gesellschaft ist. Diese Vermutung kommt ausserdem nur in Betracht, wenn die Vertragsqualifikation nach dem Vertrauensprinzip nicht zu einem Ergebnis führt, was vorliegend nicht der Fall ist (E. 7.3.2). Der Umstand, dass die Parteien die Vereinbarung als kumulative Schuldübernahme beschrieben haben, hat keinen Einfluss auf die rechtliche Einordnung eines Vertrages, die das Gericht frei prüft (E. 7.3.3).

Mängelgewährleistung

Mängelgewährleistung

BGer 4A_403/2022 vom 31. Januar 2023

Garantien; Auslegung des Vertrages; Abgrenzung zwischen Garantie und Bürgschaft; Art. 18, 111 und 492 ff OR

Auslegung des Vertrages (Art. 18 OR) – Wiederholung der Grundsätze (E. 6.2 und 6.3).

Wenn sich die Bauherrin in einer schriftlichen Vereinbarung « zur Zahlung der Forderung aus Verträgen », die von den Unternehmern unterzeichnet wurden, ohne Beschränkung verpflichtet, kann im Rahmen einer objektivierten Auslegung nicht angenommen werden, dass sie sich nur zur Zahlung der Akontozahlung im Betrag von CHF 100’000.- verpflichtete. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der Zweck des Vertrages darin bestand, die Fertigstellung der Arbeiten auf Seiten des Bestellers sicherzustellen, im Gegenzug für eine Sicherheit für sämtliche Forderungen gegenüber einem Dritten, dessen Zahlungsfähigkeit zweifelhaft ist. Ausserdem wurde die Endforderung im Vertrag auf CHF 204’723.20 geschätzt (E. 6.3 und 6.4).

Abgrenzung zwischen der Garantie (Art. 111 OR) und der Bürgschaft (Art. 492 ff. OR) – Merkmale der beiden Verträge (E. 7.1.1). Das vorherrschende Abgrenzungskriterium zwischen den beiden Rechtsinstituten ist die Akzessorietät. Während die Garantie einer unabhängigen Sicherheit entspricht, ist die Bürgschaft akzessorisch, was bedeutet, dass sie das Schicksal der Hauptschuld teilt, indem die akzessorische Verpflichtung von der Hauptschuld abhängig ist und ihr als Nebenrecht folgt (E. 7.1.2). Das Interesse des Promittenten am Geschäft ist ein wichtiges Indiz: Bei einer Bürgschaft fehlt in der Regel ein Eigeninteresse des Bürgen am zu sichernden Geschäft. Sie wird typischerweise zur Sicherstellung einer Verpflichtung von Familienangehörigen oder engen Freunden eingegangen, weshalb sie auch besonderen Formvorschriften unterstellt wurde (E. 7.1.3).

Im vorliegenden Fall ist das Eigeninteresse der Bauherrin, die die Arbeiten an ihrem Gebäude abschliessen wollte, um ein Hotel eröffnen zu können, offensichtlich, was für eine Garantie spricht. Dass die Vereinbarung keinen ausdrücklichen Verzicht auf Einreden und Einwendungen enthält, ändert an dieser Qualifikation nichts, denn ein solcher Verzicht ist in keiner Weise begriffsnotwendig für den Garantievertrag (E. 7.2 und 7.3). Zudem ist es im Gegensatz zur Bürgschaft nicht erforderlich, einen im Garantievertrag bestimmten Höchstbetrag der Haftung zu vereinbaren (E. 7.3.1). Schliesslich ist die Vermutung der Rechtsprechung zugunsten der Bürgschaft im vorliegenden Fall nicht anwendbar, da sie für Privatpersonen gilt und die Bauherrin eine im Immobilienbereich tätige Gesellschaft ist. Diese Vermutung kommt ausserdem nur in Betracht, wenn die Vertragsqualifikation nach dem Vertrauensprinzip nicht zu einem Ergebnis führt, was vorliegend nicht der Fall ist (E. 7.3.2). Der Umstand, dass die Parteien die Vereinbarung als kumulative Schuldübernahme beschrieben haben, hat keinen Einfluss auf die rechtliche Einordnung eines Vertrages, die das Gericht frei prüft (E. 7.3.3).

Mängelgewährleistung

Mängelgewährleistung

BGer 5A_425/2022 vom 23. Januar 2023

Interne Schiedsgerichtsbarkeit; Baurecht; Art. 353 ff ZPO

Beschwerde gegen Schiedsspruch (Art. 389 ff ZPO) – Die Beschwerde gegen einen Schiedsspruch ist grundsätzlich kassatorischer Natur, weshalb bei Zulassung der Beschwerde nur die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Rückverweisung der Sache an das Schiedsgericht in Frage kommen. Eine Ausnahme sieht das Gesetz für den Fall vor, dass der Schiedsspruch aufgrund von offensichtlich zu hohen Entschädigungen und Kosten angefochten wird (Art. 395 Abs. 4 ZPO). In diesem Fall muss die beschwerdeführende Partei die Entschädigungen und Kosten beziffern, die sie für angemessen hält (E. 1.2).

Begrenzte Gründe für eine Beschwerde gegen einen Schiedsspruch (Art. 393 ZPO) – Wiederholung der Grundsätze (E. 2.1). Begründungserfordernisse bei Kosten- und Entschädigungsrügen (Art. 393 lit. f ZPO) – Hinweis auf die Grundsätze (E. 4.1).

Im vorliegenden Fall sieht ein Baurecht die Möglichkeit vor, auf dem belasteten Grundstück ein Einfamilienhaus zu bauen ; es erwähnt mehrmals eine Vielzahl von Gebäuden. Der Eigentümer des Rechts errichtete auf dem Grundstück einen Glaspavillon. Das Bundesgericht hält fest, dass es nicht willkürlich ist, davon auszugehen, dass der Vertrag den Bau von Nebengebäuden, darunter den streitgegenständlichen Pavillon, erlaubt (E. 3.3 und 3.4). Des Weiteren hielt das Schiedsgericht ohne Willkür fest, dass der Eigentümer des Baurechts den Pavillon als Garage für Fahrräder und Motorräder nutzt, während die Gemeinde, die Eigentümerin des Grundstücks ist, mit Fotos belegt behauptet, dass der Pavillon für eine Beerdigungszeremonie genutzt wurde (E. 3.2).

Haben die Parteien keine Vereinbarung über die Kosten des Schiedsverfahrens getroffen (Honorarvereinbarung oder Schiedsgerichtsordnung), legt das Schiedsgericht die Verfahrenskosten nach eigenem Ermessen fest. Dieses muss nach objektiv nachvollziehbaren Kriterien ausgeübt werden. Zu diesen Kriterien gehört insbesondere der Streitwert, da er das Interesse der Parteien am Rechtsstreit und dessen Bedeutung zum Ausdruck bringt. Von einer Verpflichtung des Schiedsgerichts, sich bei den Kosten auf einen staatlichen Tarif zu beziehen, kann keine Rede sein (E. 4.3).

Interne Schiedsgerichtsbarkeit

Interne Schiedsgerichtsbarkeit

Verfahren

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Eigentum/Besitz

Eigentum/Besitz

BGer 2C_365/2022 vom 19. Januar 2023

Öffentliche Beschaffungswesen; rechtliches Gehör (Akteneinsicht); ungewöhnlich niedriges Angebot; Auslegung der Ausschreibungsunterlagen; Ausschluss eines Angebots; Vorschriften über die Preisbildung; Art. 29 Abs. 2 BV; BPUK

Rechtliches Gehör (Akteneinsicht) (Art. 29 Abs. 2 BV) – Das Recht auf Akteneinsicht, das sich aus dem Recht auf rechtliches Gehör ergibt, ist nicht absolut und kann aufgrund von überwiegenden öffentlichen oder privaten Interessen eingeschränkt werden. Eine solche Einschränkung gilt insbesondere für das öffentliche Beschaffungswesen. Die eingereichten Unterlagen müssen nämlich vertraulich behandelt werden, soweit Geschäfts- oder Fabrikationsgeheimnisse betroffen sind, die ohne Zustimmung des Bieters oder ohne gesetzliche Grundlage nicht verwendet, weitergegeben oder Dritten mitgeteilt werden dürfen. Nach der Rechtsprechung besteht kein Recht auf Einsichtnahme in konkurrierende Angebote, sondern nur in die Referenzauskünfte, auf die sich die Vergabestelle stützen will, was auch im Beschwerdeverfahren gilt (E. 4.2).

Ungewöhnlich niedriges Angebot und Anspruch auf rechtliches Gehör – Nach gefestigter Rechtsprechung sind nicht kostendeckende Angebote oder Unterbietungen zulässig. Nach dem alten Thurgauer Recht, das auf den vorliegenden Fall anwendbar ist, « darf » die Vergabestelle bei ungewöhnlich niedrigen Angeboten beim Bieter nachfragen, um sich zu vergewissern, dass dieser die Teilnahmebedingungen einhält und die Auftragsbedingungen erfüllt. Nach der Rechtsprechung wird aus diesem Recht eine Pflicht, wenn die Vergabestelle Zweifel an der Fähigkeit des Bieters zur Erbringung der Leistung oder an der Seriosität des Angebots hat und den Ausschluss dieses Bieters in Erwägung zieht. In diesen Fällen muss der Bieter vor einem möglichen Ausschluss angehört werden, da ansonsten der Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt wird. Wenn die Auskünfte tatsächlich Lücken aufzeigen oder die Zweifel nicht ausgeräumt werden können, wird das Angebot also ausgeschlossen oder schlechter bewertet; es wird nicht wegen des zu niedrigen Preises ausgeschlossen (E. 5.3).

Auslegung von Ausschreibungsunterlagen – Wiederholung der Grundsätze (E. 6.1).

Im vorliegenden Fall führt die objektive Auslegung der Ausschreibungsunterlagen zum Schluss, dass jede Unterposition den Preis pro Masseinheit oder pro Stück und somit einen Einheitspreis angeben musste. Nur so konnte der Gesamtpreis pro Unterposition berechnet werden, der sich aus der Multiplikation der Menge und des Stückpreises ergab (E. 6.2).

Ausschluss eines Angebots – Gemäss der Rechtsprechung hat die Vergabestelle beim Ausschluss von Bietern einen gewissen Ermessensspielraum. Der Ausschlussgrund muss jedoch eine gewisse Schwere aufweisen, da die Vergabebehörde ansonsten unverhältnismässig und übertrieben formalistisch handelt. Abweichungen von den Ausschreibungsrichtlinien und die Nichteinhaltung der Formvorschriften des Vergaberechts können zum Ausschluss eines Angebots führen. Sind solche Mängel von untergeordneter Bedeutung und beeinträchtigen sie den mit den betreffenden Formvorschriften verfolgten Zweck nicht ernsthaft, dürfen sie jedoch nicht zum Ausschluss eines Bieters führen. Die Beschwerdeinstanz kann nur prüfen, ob die Vergabebehörde die Grenzen ihres Ermessensspielraums im oben genannten Sinne überschritten hat, d.h. ob sie willkürlich gehandelt hat. Bei der Prüfung der Verfahrensregeln für das öffentliche Beschaffungswesen muss sie hingegen nicht die gleiche Zurückhaltung walten lassen (E. 7.1).

Regeln zur Preisbildung – Die Regeln zur Preisbildung, insbesondere die Bedingung, dass Einheitspreise angegeben werden müssen, sind formale Regeln. Ihr Zweck ist es, einen relevanten und vollständigen Überblick über das Preis-Leistungs-Verhältnis von Angeboten zu geben und deren Vergleich zu ermöglichen. Die Nichteinhaltung solcher Vorschriften führt zum Ausschluss vom Vergabeverfahren. Eine Nichteinhaltung solcher Vorschriften liegt insbesondere dann vor, wenn der Bieter für wesentliche Positionen so niedrige, d. h. nicht reale Preise verwendet, dass das Angebot nicht mit anderen Angeboten vergleichbar ist. Die Pflicht zur Angabe von Einheitspreisen soll gerade einen fairen Vergleich zwischen den Angeboten ermöglichen. Daher kann und muss verlangt werden, dass alle wichtigen Einzelpositionen vollständig mit Einheitspreisen ausgefüllt werden. Andernfalls kann das Preis-Leistungs-Verhältnis des Angebots nicht beurteilt werden. In der Regel ist ein solches Angebot auszuschliessen, weil es aufgrund inhaltlicher Mängel nicht vergleichbar ist, aber auch weil es unvollständig ist (E. 7.2).

Im vorliegenden Fall muss das Angebot der Bieterin ausgeschlossen werden, die in vierzehn Positionen, die für das zu erstellende Bauwerk von Bedeutung sind, Einheitspreise von einem Cent anstelle der tatsächlichen Einheitspreise verwendet hat. Denn eine sachgerechte Bewertung dieses Angebots, insbesondere des Preis-Leistungs-Verhältnisses, wird dadurch unmöglich gemacht. Ein solches Angebot ist zudem unvollständig (E. 7.3). Das Bundesgericht fügt noch hinzu, dass der Zuschlagsempfänger verpflichtet ist, die Gleichbehandlung zu respektieren, was nicht der Fall wäre, wenn ein Angebot mit schweren Mängeln in Betracht gezogen würde. Auch ein nachträgliches Ersetzen der Ersatzpreise des strittigen Angebots durch tatsächliche Preise sei aufgrund des Grundsatzes der Unveränderlichkeit der Angebote und des Verbots von Angebotsrunden nicht möglich (E. 7.4).

Analyse von Thomas P. Müller

Kreativität in der Preisbildung scheidet in Beschaffungsverfahren aus

Öffentliche Beschaffungswesen

Öffentliche Beschaffungswesen

BGer 4A_355/2022 vom 18. Januar 2023

Kaufvertrag; qualifizierter Verzug; Art. 107 und 108 OR

Qualifizierter Verzug (Art. 107 und 108 OR) – Wiederholung der Grundsätze (E. 6.1).

Im vorliegenden Fall sah der Kaufvertrag ein Wohnrecht zugunsten einer der Verkäuferinnen sowie die Durchführung von Renovierungsarbeiten an der Liegenschaft durch die Käufer auf deren Kosten vor. Der Kaufvertrag enthielt eine Frist für die Einreichung des Bauantrags und eine weitere Frist für den Beginn der Bauarbeiten. Die Käufer reichten einen Genehmigungsantrag ein, der mit den im Vertrag vorgesehenen Arbeiten übereinstimmte und innerhalb der im Vertrag vorgesehenen Frist eingereicht wurde. Die Genehmigung wurde jedoch verweigert, woraufhin die Parteien mehrere Schreiben austauschten, die auf eine gütliche Beilegung des Streits abzielten; die zweite Frist für den Baubeginn wurde während dieser Zeit überschritten. Im Laufe dieses Austauschs gaben die Verkäuferinnen an, dass die Arbeiten im Erdgeschoss nicht dringend seien. Die Verkäuferinnen lösten den Vertrag auf, ohne jedoch zuvor die Käufer zur Erfüllung aufgefordert zu haben. Der Vorinstanz folgend hält das Bundesgericht fest, dass eine Vertragsauflösung nicht möglich war, da keine Inverzugsetzung im Sinne von Art. 107 OR vorlag bzw. eine Situation nach Art. 108 OR bestand, die eine solche Inverzugsetzung überflüssig machte. Das Verhalten der Käufer zeigte, dass sie durchaus die Absicht gehabt hatten, die Arbeiten durchzuführen (Art. 108 Ziff. 1 OR), und die zweite Frist, die für den Beginn der Arbeiten vorgesehen war, stellte keinen festen Termin dar (Art. 108 Ziff. 3 OR), da die Verkäuferinnen die betreffenden Arbeiten selbst als nicht dringlich erklärt hatten (E. 6.2 und 6.3).

Kaufvertrag

Kaufvertrag

BGer 4A_422/2022 vom 18. Januar 2023

Werkvertrag; Strafklausel; Art. 160 ff. OR

Strafklausel – Die Konventionalstrafe oder Strafklausel im Sinne von Art. 160 OR ist die Leistung, die der Schuldner dem Gläubiger für den Fall der Nicht- oder Schlechterfüllung einer bestimmten Verpflichtung (Hauptverpflichtung) verspricht. Ein solches Versprechen soll das Interesse des Gläubigers an der Vertragserfüllung schützen, indem es einen zusätzlichen Anreiz für den Schuldner darstellt, den Vertrag einzuhalten. Es verbessert auch die Rechtsposition des Gläubigers, da er von der Pflicht befreit wird, seinen Schaden zu beweisen. Nach Art. 160 Abs. 2 OR kann der Gläubiger, wenn die Strafe im Hinblick auf die Nichterfüllung des Vertrags zur vereinbarten Zeit oder am vereinbarten Ort vereinbart wurde, sowohl die Erfüllung des Vertrags als auch die Bezahlung der Strafe verlangen, wenn er nicht ausdrücklich auf dieses Recht verzichtet oder die Erfüllung vorbehaltlos annimmt (E. 5.1).

Im vorliegenden Fall wurde das Bauwerk am 24. April 2017 übergeben und die vom Meister gewünschten Nachbesserungen im Oktober 2017 abgeschlossen. Der Meister, der das Protokoll über die Abnahme des Werks ohne Vorbehalt unterzeichnete, akzeptierte stillschweigend die verspätete Ausführung und verzichtete somit auf die Geltendmachung der Strafklausel im Sinne von Art. 160 Abs. 2 OR. Folglich kann er sich in einer Widerklage, die im Rahmen eines vom Unternehmer mit Klage vom 22. März 2019 eingeleiteten Zahlungsverfahrens eingereicht wurde, nicht mehr auf die Konventionalstrafe berufen und darin die Verrechnung geltend machen (E. 5.2 und 5.3).

Werkvertrag

Werkvertrag

BGer 5A_551/2022 vom 18. Januar 2023

Schuldbetreibung und Konkurs; vorläufige Rechtsöffnung; Pfandverwertung; Art. 82 SchKG

Vorläufige Rechtsöffnung (Art. 82 SchKG) – Wiederholung der Grundsätze (E. 3.1).

Betreibung auf Pfandverwertung – Damit sich der betreibende Gläubiger in einer Betreibung auf Grundpfandverwertung rechtsgültig auf die abstrakte Forderung berufen kann, muss er Inhaber des Schuldbriefs sein. Ausserdem muss der Schuldner dieses Schuldbriefs in dem vorgelegten Titel eingetragen sein oder zumindest muss er seine Eigenschaft als Schuldbriefschuldner anerkennen oder diese Eigenschaft muss sich aus der von ihm unterzeichneten Urkunde über die Abtretung des Eigentums an dem Schuldbrief ergeben. Enthält der Schuldbrief also keine Schuldnerangabe, kann der Gläubiger die provisorische Rechtsöffnung nur erwirken, wenn er eine andere Schuldanerkennung vorlegt, d.h. beispielsweise eine beglaubigte Kopie der im Grundbuch aufbewahrten Gründungsurkunde, in der die Schuld anerkannt wird, oder die gegengezeichnete Sicherungsabrede, in der sich der Betriebene als Schuldner des als Sicherheit abgetretenen Schuldbriefs anerkennt (E. 3.2).

Im vorliegenden Fall enthält der Schuldbrief keine Angabe des Schuldners und stellt somit keinen Rechtsöffnungstitel dar. Die provisorische Rechtsöffnung kann der Betreibenden nicht erteilt werden, wenn sie kein weiteres Dokument vorgelegt hat, in dem sich die Betreibende als Schuldnerin des sicherungsübereigneten Schuldbriefs ausweist (E. 4). Insbesondere kann nicht angenommen werden, dass der Schuldner der abstrakten Forderung der Eigentümer des Grundstücks ist, da das Pfandrecht auch zugunsten einer Person errichtet werden kann, die nicht (oder nicht mehr) Eigentümer des Grundstücks ist (E. 5).

SchKG (Schuldbetreibung)

SchKG (Schuldbetreibung)

BGer 6B_1486/2021 vom 18. Januar 2023

Strafrecht; fahrlässige schwere Körperverletzung; Beschilderung von Strassenbaustelle; Art. 11, 12 Abs. 3 und 125 Abs. 2 StGB; 4 SVG und SSV

Fahrlässige schwere Körperverletzung (Art. 11, 12 Abs. 3 und 125 Abs. 2 StGB) – Theoretischer Hintergrund zu diesen Voraussetzungen und ihren Grundsätzen (Erw. 3.1.1 und 3.1.2).

Kennzeichnung von Straßenbaustellen – Gemäß Art. 4 Abs. 1 SVG dürfen Verkehrshindernisse nicht ohne zwingenden Grund geschaffen werden; sie müssen ausreichend gekennzeichnet und so schnell wie möglich beseitigt werden. Details zu den diesbezüglichen Pflichten gemäss der Signalisationsverordnung vom 5. September 1979 (SSV) (E. 3.1.3).

Im vorliegenden Fall war die Baustelle mit den Gefahrensignalen « Baustelle » vor dem Bereich, in dem der Belag abgefräst worden war, gekennzeichnet. Das Bundesgericht hält fest, dass es den Radfahrern möglich gewesen wäre, gefahrlos in die abgefräste Stelle einzufahren, zumindest mit einer angepassten Geschwindigkeit, was beim Kläger offensichtlich nicht der Fall war, da er die Signalisation übersehen hatte und mit 57,3 km/h fuhr, trotz eines eingeschränkten Sichtbereichs und einer starken Kurve an der Unfallstelle. Der High Court betonte, dass die Klägerin somit mit fast 60 km/h praktisch ungebremst auf den Unfallort zufuhr. Folglich sei die Haftung der klagenden Partei erheblich und würde in jedem Fall dazu führen, dass der adäquate Kausalzusammenhang unterbrochen würde. Das Bundesgericht lässt somit offen, ob die Vorinstanz auch zu Recht davon ausging, dass kein Verkehrshindernis im Sinne von Art. 4 SVG vorlag, und ob sie von einer ausreichenden Signalisation der Baustelle ausgehen und eine Sorgfaltspflichtverletzung verneinen durfte (E. 3.3.1 und 3.3.2).

Strafrecht

Strafrecht

BGer 4A_419/2021 vom 12. Januar 2023

Werkvertrag; Mangel; Art. 363 ff OR

Mangel – Wenn ein Vertragsdokument ausdrücklich vorsieht, dass der erstellte Vorplatz die Durchfahrt von Maschinen und Radfahrzeugen erlaubt, dass aber die Nutzung des Bauwerks für Raupenfahrzeuge auf solche mit entsprechenden Schutzvorrichtungen beschränkt werden muss, so nutzt der Auftraggeber, der Raupenfahrzeuge einsetzt, das Bauwerk zumindest teilweise unangemessen und kann sich nicht über einen Mangel des Bauwerks in Bezug auf den fraglichen Vorplatz beschweren (E. 3 und 4).

Werkvertrag

Werkvertrag

Mängel/Garantie

Mängel/Garantie

BGer 4A_253/2022 vom 11. Januar 2023

Mäklervertrag und einfache Gesellschaft; Vertragsauslegung; Beweislast; Verhältnis zwischen Zivilrecht und Strafrecht; Art. 8 ZGB; 18, 53 OR; 157 ZPO

Auslegung des Vertrags (Art. 18 OR) – Wiederholung der Grundsätze (E. 4.1).

Durch die Feststellung ihres tatsächlichen Willens ist festzuhalten, dass die Parteien, die für einen Verkauf an einen in Aussicht genommenen Käufer zusammengearbeitet haben – ein Verkauf, der schliesslich scheiterte – weder durch einen Maklervertrag noch durch einen Vertrag über eine einfache Gesellschaft gebunden sind, wenn keiner der hinterlegten Schriftwechsel darauf hindeutet, dass sie vereinbart hätten, beim Verkauf an einen beliebigen Kunden zusammenzuarbeiten, bzw. kein Dokument einen animus societatis erkennen lässt, mit dem die Parteien versucht hätten, ihre Anstrengungen oder Ressourcen zu vereinen, um das gemeinsame Ziel, den Verkauf an einen beliebigen Käufer, zu erreichen (E. 4.2).

Die tatsächliche und gemeinsame Absicht der Parteien hat Vorrang vor der objektiven Auslegung des Willens der Parteien (E. 5).

Verteilung der Beweislast (Art. 8 ZGB) – Wiederholung an die Grundsätze (E. 6.1.1).

Beweiswürdigung (Art. 157 ZPO) – Wiederholung der Grundsätze (E. 6.1.2).

Verhältnis zwischen Zivil- und Strafrecht (Art. 53 OR) – Wiederholung der Grundsätze (E. 6.1.3).

Die Tatsache, dass die Staatsanwaltschaft davon ausging, dass ein Vertrag bestand, hat keine Auswirkungen auf den Zivilprozess (E. 6.3).

Mäklervertrag

Mäklervertrag

Einfache Gesellschaft

Einfache Gesellschaft

Verfahren

Verfahren

BGer 4A_409/2021 vom 10. Januar 2023

Einfache Gesellschaft; Qualifizierung des Vertrags; Berechnung des Liquidationsgewinns; Art. 530 ff. OR

Vertrag über eine einfache Gesellschaft (Art. 530 ff. OR) – Eine einfache Gesellschaft zeichnet sich durch den Willen der Gesellschafter aus, ihre Anstrengungen oder Ressourcen zur Erreichung eines gemeinsamen Zwecks zu vereinen. Wenn Konkubinatspartner in einer einfachen Gesellschaft für den Erwerb und die Renovierung von Wohnungen handeln, hat die Tatsache, dass einer der Ehegatten nicht versucht, als Eigentümer im Grundbuch eingetragen zu werden, oder dass er nicht auf den für die Durchführung des Projekts erforderlichen Hypothekendarlehen aufgeführt ist, keinen Einfluss auf den gemeinsamen Willen, eine Immobilie zu erwerben, oder auf die verschiedenen geleisteten Einlagen. Da der Konkubinatspartner finanzielle Beiträge geleistet und einen Teil der Arbeiten selbst ausgeführt hat, wird die Qualifikation als einfache Gesellschaft zu Recht angenommen (E. 4.1).

Berechnung des Liquidationsgewinns – Leistet der Gesellschafter eine Einlage nicht zu vollem Eigentum (quoad dominium), sondern zum Gebrauch (quoad usum) oder zur Bestimmung (quoad sortem), so wird diese Art von Einlage bei der Auflösung der Gesellschaft von dem Gesellschafter übernommen, der Eigentümer geblieben ist. Grundsätzlich profitiert er allein von einem eventuellen konjunkturellen Wertzuwachs, während der Wertzuwachs aufgrund der Tätigkeit der einfachen Gesellschaft als Gewinn betrachtet wird, der unter den Gesellschaftern aufgeteilt wird. Bei einer quoad sortem-Einlage wird jedoch jeder Mehrwert, selbst ein konjunktureller, in den Gewinn der Gesellschaft eingehen, sofern die Gesellschafter die Einlage im Innenverhältnis so behandelt haben, als ob sie die kollektiven Eigentümer wären (E. 5.1).

Im vorliegenden Fall zitiert das Bundesgericht eine Lehrmeinung, wonach eine Immobilie, die von einem Konkubinatspartner gekauft wurde, um dem Paar als Wohnung zu dienen, eine Einlage quoad sortem darstellt. Es fügt hinzu, dass der von der Vorinstanz festgestellte Sachverhalt deutlich zeige, dass sich die beiden Partner intern so verhalten hätten, als ob die beiden Wohnungen ihnen gemeinsam gehörten. Zur Unterstützung dieser Analyse hebt das Obergericht hervor, dass der Konkubinatspartner persönlich Arbeiten in beiden Wohnungen ausführte und durch Dritte ausführen liess, dass er die Reservationsvereinbarung für eine der Wohnungen unterzeichnete, dass er die Hälfte der Hypothekarzinsen bezahlte, dass er eines der Hypothekardarlehen mitunterzeichnete, dass er seine Konkubinatspartnerin durch die Unterzeichnung der Mietverträge vertrat und schliesslich, dass er von einem der auf der Baustelle tätigen Handwerker als Bauherr identifiziert wurde (E. 5.1).

Einfache Gesellschaft

Einfache Gesellschaft

BGer 5A_451/2022 vom 28. Dezember 2022

Dienstbarkeit; Bestimmung des Inhalts einer Dienstbarkeit; Art. 730 und 738 ZGB

Bestimmung des Inhalts einer Dienstbarkeit (Art. 738 ZGB) – Wiederholung der Grundsätze (E. 4.3.1).

Im vorliegenden Fall sieht eine Baubeschränkungsdienstbarkeit vor, dass auf dem strittigen Grundstück nur eine freistehende Ein- oder Zweifamilienvilla mit Garage (« eine freistehende Ein- oder Zweifamilienvilla mit Garage ») errichtet werden darf. Der Begriff « freistehend » bedeutet nach dem allgemeinen Sprachgebrauch, dass ein Haus nicht zusammen mit einem anderen Haus gebaut oder mit einem anderen Haus verbunden wird. Man darf es jedoch nicht bei einer wörtlichen Auslegung belassen, sondern muss auch den Zweck der Dienstbarkeit berücksichtigen, insbesondere die Interessen, die bei objektiver Betrachtung aufgrund der Bedürfnisse des herrschenden Grundstücks wichtig erscheinen (E. 4.3.2 und 4.3.3).

Das Bundesgericht hält im vorliegenden Fall fest, dass der geplante Bau, der ein einziges Gebäude mit zwei Wohnungen vorsieht, das die Merkmale einer Villa aufweist, dem Text der Dienstbarkeit entspricht. Es führt insbesondere aus, dass das Risiko einer uneinheitlichen Veränderung, das bei Reihenhäusern besteht, auch bei Häusern mit zwei Wohnungen gegeben ist, so dass die Eigentümer des herrschenden Grundstücks aus diesem Argument nichts ableiten können (E. 4.3.4 und 5). Dasselbe gilt für die Frage, ob der Garten strikt auf die Wohnungen aufgeteilt ist oder nicht, da die Gestaltung des Gartens in jedem Fall nach dem Geschmack jedes einzelnen Bewohners des Gebäudes erfolgen kann. Entscheidend ist allein die Anzahl der Parteien, die das Gebäude bewohnen. Indem die Eigentümer des belasteten Grundstücks zwei Wohnungen vorsehen, respektieren sie die Dienstbarkeit auch in dieser Hinsicht (E. 5.3).

Dienstbarkeit

Dienstbarkeit

BGer 4A_394/2022 vom 27. Dezember 2022

Architekturvertrag; Vergütung des Architekten; Gutachten; Art. 183 ff ZPO

Vergütung des Architekten – Wenn das Gericht nicht genau feststellen kann, welche Arbeiten der Architekt im Zusammenhang mit einem bestimmten Unternehmen ausgeführt hätte, ist es nicht willkürlich, festzuhalten, dass das Honorar nicht geschuldet ist (E. 3.1).

Würdigung eines Gutachtens – Das Gericht kann von einem Gutachten abweichen, indem es sorgfältig erläutert, warum diesem nicht gefolgt werden kann. Zwar muss das Gericht seine Beurteilung des Gutachtens begründen, doch bedeutet diese Anforderung nicht, dass es sich über alle Einzelheiten seiner Argumentation auslassen muss; es kann sich darauf beschränken, die wesentlichen Züge seiner Argumentation wiederzugeben. Außerdem ist es nicht zu beanstanden, wenn das Gericht dem Gutachten in einigen Punkten folgt und in anderen nicht, da es seine Beurteilung zufriedenstellend dargelegt hat. Ebenso ist die Tatsache, dass die Eigentümer des Gebäudes kein Gegengutachten beantragt haben, nicht ausreichend, um anzunehmen, dass das Gericht sich alle Schlussfolgerungen des Gutachters hätte zu eigen machen müssen (E. 4).

Architektur- und Ingenieurvertrag

Architektur- und Ingenieurvertrag

Gutachten

Gutachten

BGer 4A_445/2022 vom 22. Dezember 2022

Verkaufsversprechen; Vertragliche Haftung; Verhandlungsmaxime; Beweislast; Art. 2, 8 ZGB; 97, 151, 156, 184 OR; 55 ZPO

Verhandlungsmaxime (Art. 55 ZPO) – Wiederholung der Grundsätze (E. 3.1.1). Verteilung der Beweislast (Art. 8 ZGB) – Erinnerung an die Grundsätze (E. 3.1.2).

Die Erwerberin, die nur die Befragung der Parteien beantragt hat um die Verschmutzung eines Grundstücks zu beweisen, erfüllt die Anforderungen an den Beweis, um eine solche Verschmutzung nachzuweisen nicht. Ein Gutachten oder zumindest ein Bericht eines Spezialisten wäre zu dieser Frage notwendig gewesen (E. 3.3). Auch die Tatsache, dass die Verkäuferin die im Verkaufsversprechen vorgesehene Anzahlung zurückzahlte, in Anwendung des Vertrags, der eine Rückgabe auf erstes Anfordern vorsah, falls die auflösenden Bedingungen nicht innerhalb der gesetzten Frist erfüllt würden, liefert nicht den erforderlichen Beweis. Dasselbe gilt für Erklärungen der Verkäuferin, in denen Schadstoffe erwähnt wurden, obwohl die Behauptungen der Käuferin bestritten worden waren (E. 3.5).

Vertragliche Haftung (Art. 97 OR) – Wenn der Vertrag nur vorsieht, dass die Verkäuferin für allfällige Sanierungsmassnahmen finanziell aufkommen muss, kann die Käuferin keine Vertragsverletzung geltend machen, weil die Verkäuferin diese Massnahmen nicht selber vorgenommen hat (E. 4 und 5).

Kaufvertrag

Kaufvertrag

Verfahren

Verfahren

BGer 5A_697/2022 vom 20. Dezember 2022

Dienstbarkeit; Auslegung einer Dienstbarkeit des Durchgangs für jedes Fahrzeug; verfassungsmäßige Garantie des Eigentums; Art. 738-739 ZGB; 26 BV

Bestimmung des Inhalts einer Dienstbarkeit (Art. 738 ZGB) – Wiederholung der Grundsätze (E. 4.3.1.1).

Im vorliegenden Fall beschränkt sich der Eintrag der Dienstbarkeit im Grundbuch auf die Angabe des Bestehens eines « Durchgangs für jedes Fahrzeug », ohne weitere Angaben zur Möglichkeit, den Durchgang zu Fuss zu benutzen. Auch die Urkunde über die Errichtung der Dienstbarkeit schweigt sich zu diesem Thema aus. Da es keinen Anhaltspunkt dafür gibt, dass ein Durchgang zu Fuß in diesem Fall ausgeschlossen war, erscheint es nicht willkürlich, a majore ad minus davon auszugehen, dass ein Durchgang für jedes Fahrzeug die Möglichkeit einschließt, zu Fuß zu gehen. Indem sie den strittigen Durchgang zu Fuss statt mit einem Fahrzeug passieren, besteht kein Zweifel daran, dass die Nutzniesser der Dienstbarkeit diese auf die am wenigsten schädliche Weise im Sinne von Art. 737 Abs. 2 ZGB ausüben (E. 4.3.2).

Verfassungsrechtliche Eigentumsgarantie (Art. 26 BV) – Die Beziehungen zwischen Privatpersonen unterliegen unmittelbar allein dem Zivil- und Strafrecht, durch das der Einzelne vor Eingriffen in seine verfassungsmäßigen Rechte durch andere Privatrechtssubjekte geschützt wird. Die Eigentümer des belasteten Grundstücks können sich daher in einem dinglichen Rechtsfall nicht direkt auf die verfassungsrechtliche Eigentumsgarantie berufen (E. 5).

Dienstbarkeit

Dienstbarkeit

Eigentum/Besitz

Eigentum/Besitz

BGer 4A_152/2021 vom 20. Dezember 2022

Kauf- und Werkvertrag; Abtretung von Mängelrechten; Parteiwechsel; Art. 18, 172, 368 ss und 467 Abs. 2 OR; 83 ZPO

Parteiwechsel (Art. 83 ZPO) – Bei einer Veräußerung des Streitgegenstands im Laufe des Verfahrens können nach Art. 83 Abs. 1 ZPO derjenige, der die Legitimation erworben hat, und der Prozessführer, der sie verloren hat (veräussernden Partei), durch ihren gemeinsamen Willen erreichen, dass der Erstere den Letzteren im Prozess ersetzt, wobei die Zustimmung der Gegenpartei in diesem Zusammenhang irrelevant ist. Der Streitgegenstand ist weit zu verstehen; es kann sich dabei sowohl um ein Rechtsverhältnis als auch um eine Sache handeln. Die Veräußerung muss eine Änderung der Legitimation für einen der beiden Kläger zur Folge haben; sie umfasst jede Änderung der Rechtslage, die auf besondere Weise vorgenommen wird und sich auf das Eigentum an einer Sache oder auf die Inhaberschaft der einen oder anderen Seite des streitigen Rechtsverhältnisses bezieht, wie z. B. eine Forderungsabtretung.

Im vorliegenden Fall stellt das Bundesgericht fest, dass der Streitgegenstand nicht das Eigentum an der Stockwerkeinheit ist, die im Laufe des Verfahrens verkauft wurde, sondern die Inhaberschaft der Gewährleistungsrechte aus dem Kaufvertrag zwischen dem Bauunternehmer und den ursprünglichen Käufern. Der Parteiwechsel setzte somit eine Forderungsabtretung voraus, die von den Parteien im Laufe des Verfahrens nicht behauptet und nachgewiesen wurde (E. 3.2).

Mängelgewährleistung (Art. 368 ff. OR) – Sofern nicht anders vereinbart, unterliegt die Mängelgewährleistung bei gemischten Verträgen, die Elemente des Kauf- und des Werkvertrags kombinieren, den Regeln des Werkvertrags (Art. 368 ff. OR), jedenfalls bei Mängeln, die die gemeinschaftlichen Teile betreffen. Seit BGE 145 III 8 (Änderung der Rechtsprechung) steht das Recht auf Instandsetzung eines gemeinschaftlichen Teils jedem Stockwerkeigentümer unteilbar und vollumfänglich zu. Angesichts des unteilbaren Charakters des Rechts auf Instandsetzung von Gemeinschaftsteilen ist davon auszugehen, dass auch die Geldforderungen, die aus der Ausübung des Rechts auf Instandsetzung abgeleitet werden, unteilbar sind. Stockwerkeigentümer können als freiwillige Streitgenossen klagen (E. 4.1).

Wenn Stockwerkeigentümer auf Zahlung eines Betrags klagen, der den Kosten für die Beseitigung von Mängeln entspricht, die alle gemeinschaftlichen Teile betrafen, klagen sie auf Erfüllung des (unteilbaren) Rechts auf Instandsetzung aller gemeinschaftlichen Teile und nicht auf Preisminderung (E. 4.2).

Vertragsauslegung (Art. 18 OR) – Erinnerung an die Grundsätze (E. 5.2.1).

Abtretung von Gewährleistungsansprüchen (Art. 172 und 467 Abs. 2 OR) – Im vorliegenden Fall enthielten alle Immobilienkaufverträge Klauseln zur Abtretung von Gewährleistungsansprüchen. Die meisten Verträge enthielten im Übrigen eine Klausel zum Ausschluss der Gewährleistung der Verkäuferin, weshalb die kantonalen Instanzen die Klage der Käufer gegen die Verkäuferin abwiesen ; die Klage der beiden Miteigentümer, deren Vertrag keine solche Klausel enthielt, wurde jedoch gutgeheissen.

Bei der Analyse der strittigen Klauseln hält das Bundesgericht fest, dass mangels einer Vertragsklausel, welche die eigene Gewährleistungspflicht der Verkäuferin einschränkt, der klare Wortlaut der Abtretung nach dem Vertrauensprinzip nur so zu verstehen ist, dass den Käufern die Möglichkeit eingeräumt wird, die Gewährleistungsansprüche des Bauherrn direkt gegen die Bauunternehmer geltend zu machen, die somit zu ihren Gewährleistungsansprüchen gegenüber der Verkäuferin hinzukommen (E. 5.2.3). Das Bundesgericht weist darauf hin, dass im Zusammenhang mit der Abtretung von Gewährleistungsansprüchen weitgehend anerkannt ist, dass das Recht auf Mängelbeseitigung abtretbar ist, unabhängig davon, ob es sich um den Anspruch auf Beseitigung des Mangels selbst oder um die Geldforderung, die sich daraus ergeben kann, handelt (E. 5.3).

Die Abtretung des Rechts auf Mängelbeseitigung erfolgt jedoch zum Zwecke der Erfüllung (Art. 172 OR). In diesem Fall ist der Zessionar (der Käufer) in analoger Anwendung von Art. 467 Abs. 2 OR verpflichtet, zuerst das abgetretene Recht geltend zu machen, da die vom Zedenten geschuldete Leistung in der Zwischenzeit aussteht. Der Zessionar muss dieser Pflicht jedoch nur nachkommen, wenn er über ausreichende Informationen verfügt, um gegen die betreffenden Unternehmer vorzugehen. Im Übrigen muss er nur die Anstrengungen unternehmen, die vernünftigerweise von ihm verlangt werden können. Insbesondere muss er nicht den Rechtsweg beschreiten. Da nur das Recht auf Nachbesserung abgetreten werden kann, hindert nichts den Käufer daran, gegenüber dem Verkäufer das Recht auf Preisminderung oder Vertragsauflösung geltend zu machen, wenn die Voraussetzungen dafür erfüllt sind, ohne vorher das abgetretene Recht auf Nachbesserung geltend machen zu müssen (E. 6.1).

Im vorliegenden Fall haben die Käufer ihr Recht auf Nachbesserung gegenüber den Unternehmen, die an den mit Mängeln behafteten gemeinschaftlichen Teilen des Gebäudes gearbeitet hatten, nicht ausgeübt. Außerdem waren die versprochenen Informationen zur Ausübung der Gewährleistungsrechte den Käufern frühzeitig ausgehändigt worden, und es wurde nicht nachgewiesen, dass die Verkäuferin die Kläger bei der Ausübung ihrer Gewährleistungsrechte behindert hätte. Die Beschwerde der Verkäuferin wurde gutgeheissen und die Klage abgewiesen (E. 6.2).

Analyse von Blaise Carron

PPE, défaut des parties communes et cession des droits de garantie : un besoin de réforme législative ?

Kaufvertrag

Kaufvertrag

Werkvertrag

Werkvertrag

Mängel/Garantie

Mängel/Garantie

Verfahren

Verfahren

BGer 4A_365/2022 vom 16. Dezember 2022

Werkvertrag; Bevorschussung der Kosten für die Ersatzvornahme; Art. 367 ff OR

Kostenvorschuss für Ersatzvornahme – Der Besteller, der berechtigt ist, einen Werkmangel auf Kosten des Unternehmers durch einen Dritten beheben zu lassen, hat Anspruch auf Bevorschussung der Kosten für die Ersatzvornahme. Die Grössenordnung des Vorschusses muss plausibel sein, was im vorliegenden Fall nicht bestritten wird (E. 3.3.2). Der Auftraggeber ist verpflichtet, nach Abschluss der Reparatur durch den Dritten über die Kosten abzurechnen und dem Unternehmer einen allfälligen Überschuss zu erstatten. Eine allfällige Nachforderung ist ausgeschlossen, wenn über den Umfang der Nachbesserungsarbeiten im Detail bereits entschieden wurde und insofern eine « res iudicata » vorliegt. Eine Schätzung des Kostenvorschusses, die auf detaillierten Abklärungen wie einem Gutachten beruht, führt an sich zu keiner Bindungswirkung, sondern allenfalls zu erhöhten Begründungsanforderungen hinsichtlich der Rechtfertigung einer Abweichung vom vorgestreckten Betrag. In jedem Fall muss der Bauherr den gesamten Betrag zurückerstatten, wenn er die Reparatur nicht innerhalb einer angemessenen Frist veranlasst (E. 3.3.3). Im vorliegenden Fall hielt sich die Vorinstanz an das Recht, indem sie den Vorschuss mit dem Hinweis bewilligte, dass nach der Ersatzvornahme eine Abrechnung erfolgen müsse.

Werkvertrag

Werkvertrag

Mängel/Garantie

Mängel/Garantie

BGer 4A_23/2021 vom 12. Dezember 2022

Werkvertrag; Garantie für Mängel; Preisminderung; relative Methode; Art. 367 ff OR

Garantien für Mängel (Art. 367 ff. OR) – Der Bauherr kann folgende Gewährleistungsrechte geltend machen: Nachbesserung des Werkes, Minderung des Preises oder Auflösung des Vertrages. Es handelt sich um alternative Gestaltungsrechte; diese Wahl ist grundsätzlich unwiderruflich (E. 3).

Klage auf Preisminderung – Art. 368 Abs. 2 OR bestimmt, dass der Preis « im Verhältnis des Minderwerts » herabgesetzt werden muss. Dabei ist zwischen dem Minderwert des Bauwerks und dem Minderungsbetrag zu unterscheiden, den der Auftraggeber vom vollen Preis abziehen kann, indem er sein Recht auf Preisminderung ausübt. Der Minderwert bezieht sich auf das Bauwerk und der Minderungsbetrag auf den Preis. Das Recht auf Minderung setzt einen Minderwert voraus, der in der Differenz zwischen dem objektiven Wert des hypothetisch vertragsgemäßen Werkes und dem des tatsächlich gelieferten Werkes besteht. Wenn ein objektiver Minderwert festgestellt wird, besteht das Recht auf Minderung auch dann, wenn der Wert des Werkes mit dem Mangel den vereinbarten Preis erreicht oder übersteigt.

Zur Berechnung der Preisminderung « im Verhältnis zum Minderwert » schreiben die Rechtsprechung und die überwiegende Lehre die relative Methode vor – wie bei der Minderung des Preises der verkauften Sache –, die sich nach dem Verhältnis richtet, das zwischen dem objektiven Wert des Werkes mit Mangel und dem objektiven Wert des Werkes ohne Mangel besteht : Der vereinbarte Preis wird in dem sich ergebenden Verhältnis gemindert. Die Preisminderung ist mit dem Minderwert identisch, wenn der für das mangelfreie Werk vereinbarte oder festgesetzte Preis dem objektiven Wert des mangelfreien Werkes entspricht. Wenn sich der Wert des mangelhaften Werkes als null erweist, wird der Preis auf null reduziert (E. 4, Teil 1).

Doppelte Vermutung bei der Preisminderung – Die Rechtsprechung hat erstens die Vermutung aufgestellt, dass der Wert des Werkes, das hätte geliefert werden sollen (objektiver Wert des mangelfreien Werkes), dem von den Parteien vereinbarten Preis entspricht. Diese Vermutung beruht auf der Überlegung, dass der Preis in der Regel Ausdruck des Marktwerts ist. Wenn diese Vermutung nicht widerlegt wird, entspricht die Minderung des Preises einfach dem Minderwert. Um die Anwendung von Art. 368 Abs. 2 OR weiter zu erleichtern, hat das Bundesgericht festgelegt, dass vermutet wird, dass der Minderwert den Kosten für die Instandsetzung des Bauwerks entspricht. Die gemeinsame Anwendung dieser beiden Vermutungen führt zu einer Minderung des Preises in Höhe der Kosten für die Beseitigung des Mangels. Es ist Sache der Partei, die behauptet, dass eine dieser beiden Vermutungen auf den vorliegenden Fall nicht zutrifft, dies zu beweisen (E. 4, zweiter Teil).

Im vorliegenden Fall geht es um die mangelhafte Schallisolierung bestimmter Wände, für die eine separate Vereinbarung über CHF 3'877.90 unterzeichnet worden war und deren Beseitigungskosten der gerichtliche Sachverständige auf CHF 50'000.- geschätzt hatte. In Anwendung der Berechnung nach der relativen Methode, da keine der Parteien die anwendbaren Vermutungen angegriffen hat, stellt das Bundesgericht fest, dass der objektive Wert des Bauwerks mit Mangel null ist, so dass der Preis auf null reduziert wird. Der Bauherr hat somit Anspruch auf eine Preisreduktion von CHF 3'877.90, was dem gesamten Betrag entspricht, den er für die fraglichen Wände bezahlt hat, und nicht von CHF 50'000.-, wie die Vorinstanz entschieden hatte, als Reduktion des Preises für das Gesamtwerk von CHF 1,3 Millionen (E. 5.2).

Werkvertrag

Werkvertrag

Mängel/Garantie

Mängel/Garantie

BGer 5A_420/2022 vom 08. Dezember 2022

Eigentum an Quelle; Prinzip der Akzession ; Kriterien zur Bestimmung des privaten oder öffentlichen Charakters einer Quelle; Art. 664 Abs. 2, 667 Abs. 2 und 704 Abs. 1 ZGB

Eigentum an einer Quelle (Art. 664 Abs. 2, 667 Abs. 2 und 704 Abs. 1 ZGB) – Nach dem Grundsatz der Akzession sind Quellen grundsätzlich Bestandteile der Grundstücke, auf denen sie erscheinen. Das Eigentum des Grundstücks erstreckt sich daher auch auf die darin entspringende Quelle (E. 3.1). Sofern nicht anders bewiesen, fallen öffentliche Gewässer nicht in den Privatbereich (E. 3.2); es obliegt den Kantonen, unter den Gewässern diejenigen abzugrenzen, die als öffentlich zu betrachten sind, da das Bundesrecht die Unterscheidungskriterien nicht näher erläutert (E. 3.2.1). In Abweichung vom Grundsatz der Akzession werden die Quellen öffentlicher Gewässer als Teil des Wasserlaufs betrachtet, aus dem sie entspringen, und nicht als Teil des Grundstücks, auf dem sie sich befinden (E. 3.2.2). Im Kanton Wallis sind alle Wasserläufe öffentlich, einschließlich ihrer Quelle (E. 3.2). Entscheidend ist, ob die Wasserquelle, unabhängig davon, ob sie an mehreren Stellen entspringt, von Anfang an einen Wasserlauf (Bach) darstellt. Es geht darum, ob die Quelle aufgrund der Dicke und der Kontinuität des Flusses ein Bett mit festen Ufern schafft oder hätte schaffen können, wenn sie nicht gefasst worden wäre (E. 3.3). Bei dieser Prüfung ist vom ursprünglichen Zustand der Quelle auszugehen und nicht von möglichen Veränderungen, die durch menschliches Eingreifen entstanden sind (E. 4.3).

Im vorliegenden Fall sprudelt die Quelle an mehreren Stellen und wurde nur rudimentär gefasst. Es bildete sich nie ein Bett, auch nicht vor der besagten Quellfassung; stattdessen versickerte das Wasser im Boden. Da es keine Verbindung zu einem Wasserlauf gibt, ist die Quelle in Anwendung des Akzessionsprinzips privat und kann nicht als öffentlich betrachtet werden (E. 4.1 und 4.4).

Eigentum/Besitz

Eigentum/Besitz

Zur Publikation vorgesehen

Zur Publikation vorgesehen

BGer 4A_371/2021 vom 05. Dezember 2022

Werkvertrag; Werkpreis; Dispositionsprinzip; Art. 374 OR; 55 ZPO

Preis des Werkes (Art. 374 OR) – Mit dem Werkvertrag verpflichtet sich der Unternehmer zur Herstellung eines Werkes und der Auftraggeber zur Zahlung einer Vergütung. Wenn der Preis nicht im Voraus bestimmt wurde, wird er nach dem Wert der Arbeit und den Ausgaben des Unternehmers festgelegt. Die Grundlage für eine Entschädigung nach Aufwand bilden die Ausgaben, die bei sorgfältiger Ausführung objektiv notwendig sind. Die geltend gemachten Ausgaben müssen daher so dargestellt werden, dass ihre Notwendigkeit und Angemessenheit überprüft werden kann. Dies setzt nachvollziehbare Angaben zu den durchgeführten Arbeiten und den dafür aufgewendeten Arbeitsstunden voraus (E. 3).

Dispositionsgrundsatz im Rahmen der Preisfestsetzung – Wenn der Unternehmer seine Ausgaben detailliert auflistet, Wochenberichte und Regiescheine vorlegt, genügt der Auftraggeber nicht den Anforderungen an die Bestreitungslast wenn er diese Ausgaben lediglich pauschal als unbewiesen bestreitet, ohne auch nur zu behaupten, dass die behaupteten Arbeiten nicht ausgeführt wurden, das Material nicht verwendet wurde oder der Regiesatz nicht angemessen war. Insbesondere obliegt es ihm, detailliert darzulegen, welche Ausgaben und Arbeitsstunden aus welchem Grund bestritten werden (E. 5).

Werkvertrag

Werkvertrag

Werkpreis

Werkpreis

Verfahren

Verfahren

BGer 4D_44/2022 vom 01. Dezember 2022

Architekturvertrag; Willkür bei der Feststellung des Sachverhalts; Art. 9 BV

Willkür bei der Feststellung des Sachverhalts (Art. 9 BV) – Wenn der Vertrag vorsieht, dass der Architekt die Bauleitung übernimmt, ist es nicht willkürlich, davon auszugehen, dass der Bauherr diese Aufgabe bei den Abbrucharbeiten jedoch allein wahrnahm, da diese Arbeiten während der Ferien des Architekten zu einem vom Bauherrn festgelegten Zeitpunkt begannen und der Bauherr den mit den Arbeiten beauftragten Unternehmen mitgeteilt hatte, dass er ihr einziger Ansprechpartner sein würde (E. 4).

Architektur- und Ingenieurvertrag

Architektur- und Ingenieurvertrag

BGer 5D_127/2022 vom 29. November 2022

Gerichtliches Verbot; Besitzesstörungsklage; Art. 58, 258 ff ZPO; 928 ZGB

Dispositionsgrundsatz (Art. 58 ZPO) – Der Grundsatz wird nicht verletzt, wenn das Gericht feststellt, dass das gerichtliche Verbot dem Betroffenen entgegengehalten werden kann, wenn Anträge vorliegen, die auf die Bestätigung der Verbannung, die Aufhebung der Einsprache des Beschwerdeführers sowie die Verhängung eines Parkverbots gegenüber dem Betroffenen auf den fraglichen Parkplätzen abzielen (E. 3.1 und 3.2).

Gerichtliches Verbot (Art. 258 ff. ZPO) – Erinnerung an die Grundsätze (E. 4.2). Nach einem Bannwiderspruch gemäss Art. 260 ZPO, der dem Betreibungswiderspruch ähnelt, muss der Bannbegünstigte, der möchte, dass der Bann auch gegenüber dem Banngegner gilt, eine Klage auf Anerkennung des Rechts einreichen. Diese kann die Form einer Besitzstörungsklage annehmen (E. 4.2-4.3).

Besitzstörung (Art. 928 ZGB) – Eine Besitzstörung liegt vor, wenn ein Mieter zugibt, dass er Parkplätze braucht, die ihm laut Mietvertrag nicht zugeteilt sind (E. 5).

Eigentum/Besitz

Eigentum/Besitz

Verfahren

Verfahren

BGer 6B_375/2022 vom 28. November 2022

Strafrecht; Fahrlässige schwere Körperverletzung; Art. 11, 12 Abs. 3 und 125 Abs. 2 StGB; VUV; BauAV

Fahrlässige schwere Körperverletzung (Art. 11, 12 Abs. 3 und 125 Abs. 2 StGB) – Diese Straftat setzt die Erfüllung von drei Bedingungen voraus, nämlich Fahrlässigkeit, eine Verletzung der körperlichen Integrität und einen natürlichen und adäquaten Kausalzusammenhang zwischen diesen beiden Elementen. Theoretischer Rückblick auf diese Voraussetzungen und ihre Grundsätze (E. 3.1.1).

Vorschriften über die Unfallverhütung bei Bauarbeiten (VUV und aBauAV) – Nennung der anwendbaren Vorschriften (E. 3.1.2).

Im vorliegenden Fall hat der Unternehmer seine aus Art. 21 VUV, Art. 15 Abs. 1, Art. 16 und Art. 19 Abs. 1 aVUV abgeleitete Sorgfaltspflicht verletzt, indem er keine Schutzvorrichtung anbrachte und somit nicht die notwendigen Massnahmen zur Verhinderung von Stürzen ergriff (E. 3.3.4, 3.3.5, 3.4.2).

Unterbrechung des Kausalzusammenhangs – Das kantonale Gericht hatte jedoch festgehalten, dass der verunfallte Arbeitnehmer, der nun an einer inkompletten Tetraplegie leidet, den adäquaten Kausalzusammenhang durch sein Verhalten unterbrochen hatte, da er nicht aus der ungeschützten Öffnung gefallen war, sondern sich dieser absichtlich genähert hatte, obwohl er nicht an ihr beschäftigt war, um auf das darunter liegende mobile Gerüst zu springen (E. 3.4.1).

Für das Bundesgericht stellt sich die Frage, ob die Installation eines Seitenschutzes oder gleichwertiger Schutzmassnahmen durch den Unternehmer nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge und der Lebenserfahrung verhindert hätte, dass der Arbeitnehmer absichtlich diesen Weg benutzt und folglich abstürzt. Die einschlägigen Normen sollen sowohl unbeabsichtigte Stürze als auch den Durchgang von Personen, die stürzen könnten, verhindern, um dem eminent gefährlichen Charakter jeder Bautätigkeit und der natürlichen Neigung jeder dort tätigen Person, gelegentlich freiwillig oder unbeabsichtigt Risiken einzugehen, Rechnung zu tragen, solange diese Risiken nicht so außergewöhnlich und unerwartet erscheinen, dass sie die Unterbrechung des adäquaten Kausalzusammenhangs rechtfertigen. Folglich bejaht das Bundesgericht die adäquate Kausalität, da das bloße Vorhandensein von Seitenschutz oder gleichwertigen Schutzmaßnahmen zumindest bewirkt hätte, dass der Arbeitnehmer auf die mit dem geplanten Manöver verbundenen Risiken aufmerksam gemacht worden wäre, und ihn höchstwahrscheinlich dazu veranlasst hätte, den vorgeschriebenen Ausgang zu benutzen. Eine Unterbrechung der Kausalität kann insbesondere deshalb nicht angenommen werden, weil es nicht überraschend ist, dass ein Arbeiter, um Zeit zu sparen oder aus einem anderen Grund, Risiken eingeht, die zu einem unbeabsichtigten Sturz führen können. Das Verhalten im vorliegenden Fall war umso weniger unerwartet, als der vorgeschriebene Zugangsweg mit einem Umweg verbunden war (E. 3.4.2).

Strafrecht

Strafrecht

BGer 4F_16/2022 vom 25. November 2022

Revision; Revisionslegitimation; Schiedsverfahren; Kaufrecht; Art. 76, 99 und 121 ff BGG; 393 und 395 ZPO

Revisionslegitimation (Art. 76 BGG i.V.m. Art. 121 ff. BGG) – Nach der Rechtsprechung entspricht die Revisionslegitimation der Beschwerdelegitimation. Gemäss Art. 76 BGG sind in erster Linie die Prozessparteien unter Ausschluss der abgewiesenen Vorinstanz zur Beschwerde legitimiert (E. 1.2.2). Dieser Grundsatz kennt jedoch eine Ausnahme, wenn das Bundesgericht bei der Gutheissung einer Rüge nach Art. 393 lit. f ZPO das Honorar des Schiedsrichters auf der Grundlage von Art. 395 Abs. 4 ZPO kürzt. In diesem Fall wird der Schiedsrichter durch die Honorarkürzung direkt in seinen finanziellen Interessen geschädigt. Dies entspricht einem schutzwürdigen Interesse im Sinne von Art. 76 Abs. 1 lit. b BGG, das es dem Schiedsrichter erlaubt, einen Revisionsantrag zu stellen (E. 1.2.3).

Revision aufgrund von nachträglich entdeckten Tatsachen (Art. 123 Abs. 2 lit. a BGG) – Wiederholung der Grundsätze. Tatsachen, die sich erst im Laufe des Verfahrens vor dem Bundesgericht ergeben, werden nur unter den Voraussetzungen von Art. 99 BGG berücksichtigt. In Anwendung der letztgenannten Bestimmung ist es denkbar, dass sich ein Revisionskläger im bundesgerichtlichen Beschwerdeverfahren auf eine Tatsache beruft, die nach dem angefochtenen Urteil eingetreten ist, um nachzuweisen, dass das aktuelle Rechtsschutzinteresse des Beschwerdeführers während des bundesgerichtlichen Beschwerdeverfahrens weggefallen ist, was das Bundesgericht – hätte es rechtzeitig davon Kenntnis erhalten – zur Einstellung des Beschwerdeverfahrens veranlasst hätte. Tatsachen, die sich nach dem zu revidierenden Bundesgerichtsurteil ereignet haben, sind hingegen auch unter diesem Aspekt ausgeschlossen (E. 2.2).

Im vorliegenden Fall macht der Schiedsrichter geltend, dass das Beschwerdeinteresse bezüglich der Schiedsgerichtskosten hätte verneint werden müssen, da diese Kosten bereits von einer der Beschwerdeführerin nahestehenden Gesellschaft beglichen worden seien und eine Reduktion der Kosten zu einer Rückerstattung an die Beschwerdeführerin geführt und einen unrechtmässigen Vorteil dargestellt hätte. Das Bundesgericht folgt dieser Argumentation nicht, mit der Begründung, dass diese Erklärung keine neue Tatsache, sondern lediglich eine Interpretation des Sachverhalts darstelle. Zudem reiche die Tatsache, dass die Zahlung von einer Drittfirma geleistet wurde, nicht aus, um ein Verhalten gegen Treu und Glauben oder das Vorliegen eines unrechtmässigen Vorteils zu bejahen (E. 2.4-2.5).

Revision aufgrund eines Versehens des Gerichts (Art. 121 Bst. d BGG) – Wiederholung der Grundsätze (E. 3.2). Eine Tatsache, die zwar Teil der Schiedsgerichtsakte ist, die aber vom Bundesgericht im Beschwerdeverfahren nicht berücksichtigt werden konnte, weil sie im Schiedsspruch nicht festgestellt worden war und keine vor dem BGer ausnahmsweise zulässige Tatsache darstellt, kann nicht im Rahmen der Revision gestützt auf Art. 121 lit. d BGG geltend gemacht werden.

Revision wegen Verletzung des Dispositionsgrundsatzes (Art. 121 Bst. b BGG) – Wiederholung der Grundsätze (E. 4.2). Wenn der Schiedsrichter behauptet, der Antrag auf Herabsetzung der Verfahrenskosten habe sich nur auf das Honorar des Schiedsrichters und nicht auf die gesamten Verfahrenskosten bezogen, erfüllt er die Voraussetzungen für eine Revision nicht. Es handelt sich um ein Argument, das er im Beschwerdeverfahren hätte vorbringen können (E. 4.4).

Verfahren

Verfahren

Interne Schiedsgerichtsbarkeit

Interne Schiedsgerichtsbarkeit

Zur Publikation vorgesehen

Zur Publikation vorgesehen

BGer 4A_610/2022 vom 24. November 2022

Einfache Gesellschaft; Einlage in die einfache Gesellschaft; Kündigung des Vertrags; auf den Vertrag anwendbares Recht; Art. 530 ff OR; 117 IPRG

Vertrag über eine einfache Gesellschaft (Art. 530 ff. OR) – Ein Ehepaar, das, nachdem es erkannt hat, dass es nicht in der Lage ist, die Immobilie, an der es interessiert ist, selbst zu erwerben, einem DrittenGelder zur Verfügung stellt zum Erwerb der Liegenschaft unter der Bedingung, dass diese Gelder an das Ehepaar zurückgegeben werden und die Nutzung der Immobilie zwischen dem Ehepaar und dem Dritten aufgeteilt wird, schließt mit diesem Dritten einen Vertrag über eine einfache Gesellschaft ab.

Die Ökonomie des Vertrags läuft somit auf eine Zusammenlegung bestimmter Ressourcen und Fähigkeiten (liquide Mittel einerseits; Fähigkeit, eine Immobilie zu erwerben andererseits) im Hinblick auf ein gemeinsames Ziel (Teilung der Nutzung der Immobilie) hinaus. Die Bereitstellung der Fähigkeit, eine Immobilie zu erwerben, kann eine Einlage im Sinne von Art. 531 OR darstellen. Dieser relativ weite Rechtsbegriff erfasst nämlich jede Leistung, die geeignet ist, die Verwirklichung des Gesellschaftszwecks zu fördern. Da es keine Klausel gibt, die es dem Ehepaar erlaubt, die Übergabe des Eigentums an der Immobilie auf erstes Anfordern zu verlangen, ist ein treuhänderischer Erwerb durch den Dritten ausgeschlossen (E. 4).

Anwendbares Recht (Art. 117 IPRG) – Das Schweizer Recht ist auf die einfache Gesellschaft anwendbar, ungeachtet des ausländischen Wohnsitzes des Paares, das Vertragspartei ist. Der Zweck der einfachen Gesellschaft bestand darin, eine Immobilie in der Schweiz zu erwerben und anschließend zu nutzen. Der Gesellschafter, der mit der Verwaltung der Immobilie betraut war, hatte seinen Wohnsitz in der Schweiz. Der Schwerpunkt der einfachen Gesellschaft lag somit in der Schweiz, wo sich die Immobilie befand und wo die einfache Gesellschaft tatsächlich verwaltet wurde (E. 3.2 und 5).

Kündigung des einfachen Gesellschaftsvertrags (Art. 546 OR) – Die Tatsache, dass die kantonalen Instanzen die mündliche Rückzahlungsforderung des Ehepaars als Kündigung des einfachen Gesellschaftsvertrags betrachteten, bietet keinen Anlass zur Kritik, da die Schriftform nicht erforderlich ist (E. 6.2).

Einfache Gesellschaft

Einfache Gesellschaft

Verfahren

Verfahren

BGer 4A_510/2021 vom 24. November 2022

Maklervertrag; Vertragsübertragung; Willkür bei der Feststellung des Sachverhalts; Art. 18 OR; 95 und 105 BGG

Willkürliche Sachverhaltsfeststellung (Art. 9 BV ; Art. 95 und 105 BGFA) – Erinnerung an die Grundsätze (E. 2.2).

Übertragung eines Maklervertrags – Die Ermittlung des wirklichen und gemeinsamen Willens der Vertragsparteien im Sinne von Art. 18 Abs. 1 OR, d.h. die subjektive Auslegung des Vertrags, ist eine Frage des Sachverhalts. Eine solche Auslegung kann daher vor dem Bundesgericht nur durch den Nachweis ihrer Willkür in Frage gestellt werden, was in diesem Fall nicht der Fall ist (E. 5.1). Im vorliegenden Fall enthielt der Vertrag eine Klausel, die vorsah, dass die Leistungen von Drittfirmen nur dann in Rechnung gestellt werden durften, wenn diese Firmen über die für die Vermittlungstätigkeit erforderlichen Lizenzen, Genehmigungen und Bewilligungen verfügten. Dies war jedoch bei dem Unternehmen, das behauptete, sich im Vertrag an die Stelle des Maklers gesetzt zu haben, nicht der Fall. Zudem sah der Vertrag auch vor, dass jede Änderung schriftlich erfolgen müsse, so dass die These, der Vertrag sei durch schlüssige Handlungen übertragen worden, ohne Willkür zurückgewiesen werden konnte (E. 5.2).

Mäklervertrag

Mäklervertrag

Verfahren

Verfahren

BGer 4A_115/2021 vom 22. November 2022

Mäklervertrag; Vergütung des Maklers; Abschluss des Verkaufs mit einem Dritten, der der interessierten Partei nahesteht; Begründung der Berufung; Art. 413 OR; 311 Abs. 1 ZPO

Maklerlohn (Art. 413 OR) – Nach dieser Bestimmung hat der Makler Anspruch auf seinen Lohn, sobald der von ihm erteilte Hinweis oder die von ihm geführte Verhandlung zum Abschluss des Vertrages führt. Der Lohnanspruch des Maklers setzt einen kausalen Zusammenhang zwischen der Tätigkeit des Maklers und dem tatsächlichen Abschluss des Hauptvertrags voraus; ein psychologischer Zusammenhang zwischen den Bemühungen des Maklers und der Entscheidung des Dritten ist jedoch grundsätzlich ausreichend. Der psychologische Zusammenhang kann selbst dann bestehen, wenn die Verhandlungen zwischenzeitlich abgebrochen wurden bzw. selbst dann, wenn der Makler bis zum Vertragsabschluss nicht beteiligt war oder gar ein anderer Makler zwischenzeitlich tätig geworden ist. Die psychologische Verbindung ist jedoch unterbrochen, wenn die Tätigkeit des Maklers zu keinem Ergebnis geführt hat, die Verhandlungen endgültig abgebrochen wurden und der Verkauf schließlich auf einer völlig neuen Grundlage abgeschlossen wurde (E. 3, erster Teil).

Abschluss des Verkaufs mit einem Dritten, der der interessierten Partei nahesteht – Der Makler hat auch dann Anspruch auf ein Honorar, wenn der Kaufvertrag schließlich mit einer Person abgeschlossen wird, die der ursprünglichen Käuferpartei nahesteht, die der Makler zunächst ins Spiel gebracht hatte. Ein solcher Fall liegt vor, wenn zwischen dem Endkäufer und der ursprünglichen Partei eine so enge wirtschaftliche oder sozial-persönliche Beziehung besteht, dass sie gewissermaßen eine Einheit bilden. Diese Bedingung ist erfüllt, wenn statt der ursprünglichen Partei eine Gesellschaft, an der sie beteiligt ist, den Vertrag abschließt oder wenn sie und der Drittkäufer demselben Haushalt oder derselben Familie angehören. Unter solchen Umständen kann aufgrund der allgemeinen Lebenserfahrung angenommen werden, dass aufgrund der wirtschaftlichen oder persönlichen Verbindungen zwischen dem ursprünglichen Interessenten und dem späteren Erwerber die Tätigkeit des Maklers auch den letzteren beeinflusst hat (E. 3, zweiter Teil).

Im vorliegenden Fall wurde die Immobilie schließlich von einer Gesellschaft gekauft, an der der ursprüngliche Interessent zu 34 % und dessen Lebensgefährte zu etwa 33 % beteiligt waren, so dass es nicht willkürlich ist, davon auszugehen, dass der psychologische Kausalzusammenhang nicht unterbrochen wurde und der Lohn des Maklers geschuldet ist (E. 5).

Begründungspflicht der Berufung (Art. 311 Abs. 1 ZPO) – Wiederholung der Grundsätze (E. 6.3).

Übernahme der Lohnschuld des Maklers – Der Makler kann seine Lohnklage gegen die ursprüngliche Interessentin richten, wenn diese sich bereit erklärt hat, die Provision zu zahlen, indem sie die Verkäufer freigestellt hat (E. 7 und 8).

Mäklervertrag

Mäklervertrag

Verfahren

Verfahren

BGer 4A_325/2022 vom 22. November 2022

Kaufsrecht und Schenkung; Rechtsschutzes in klaren Fällen; Schenkungsversprechen; Widerruf; Art. 216a, 239 ff OR; 959 ZGB; 257 ZPO

Rechtsschutzes in klaren Fällen (Art. 257 ZPO) – Erinnerung an die Grundsätze (E. 4.1). Das BGer muss sich mit der Möglichkeit befassen, die Eigentumszuweisung an den Begünstigten eines Kaufvertrags über eine wahrscheinliche gemischte Schenkung mittels des Rechtsschutzes in klaren Fällen zu entscheiden.

Kaufrecht – Erinnerung an die Grundsätze. Kaufrechte an Grundstücken können im Grundbuch vorgemerkt werden (Art. 216a OR ; Art. 959 ZGB) (E. 4.2). Das Kaufrecht als solches kann entgeltlich oder unentgeltlich eingeräumt werden. Das Entgelt (der Preis des Kaufrechts) ist die Gegenleistung für die Verpflichtung der Eigentümerin und für ihre Verpflichtung, während der Dauer des Kaufrechts alle Handlungen zu unterlassen, die einen Kauf verhindern könnten. Diese Frage ist unabhängig von der Frage, ob der geplante Kaufvertrag einen Verkauf oder eine gemischte Schenkung darstellt (E. 6.3.1 und 6.3.2).

Immobilienschenkung – Als Schenkung gilt jede Zuwendung unter Lebenden, durch die eine Person eine andere Person ohne entsprechende Gegenleistung um ihr Vermögen bereichert (Art. 239 Abs. 1 OR). Art. 242 OR regelt die Schenkung von Hand zu Hand, wobei zu beachten ist, dass bei Grundeigentum eine Schenkung erst mit der Eintragung im Grundbuch vollzogen wird (Abs. 2). Diese Eintragung setzt ein gültiges Schenkungsversprechen voraus (Abs. 3). Nach Art. 243 Abs. 1 OR bedarf das Schenkungsversprechen der Schriftform, um gültig zu sein. Sind Immobilien Gegenstand der Schenkung, so bedarf es für die Gültigkeit der Schenkung gemäss Art. 243 Abs. 2 OR einer öffentlichen Urkunde (E. 4.3).

Widerruf eines Schenkungsversprechens – Ein Schenkungsversprechen kann generell – und auch in Bezug auf Immobilien – widerrufen werden, wenn eine der Voraussetzungen der Art. 249 und 250 OR erfüllt ist. Wenn das Schenkungsversprechen bereits erfüllt wurde, ist die Schenkerin auf die in Art. 249 OR beschriebenen Widerrufsgründe beschränkt. Der Widerruf kann während eines Jahres erfolgen, nachdem die Schenkerin vom Widerrufsgrund Kenntnis erlangt hat (Art. 251 Abs. 1 OR) (E. 4.3).

Im vorliegenden Fall macht die Tatsache, dass das unentgeltlich eingeräumte Kaufsrecht vollzogen und im Grundbuch vorgemerkt wurde, die Situation nicht eindeutig im Sinne von Art. 257 ZPO. Es muss nämlich insbesondere festgestellt werden, ob der im Versprechen vorgesehene Kaufvertrag tatsächlich eine gemischte Schenkung darstellt und ob die Widerrufsgründe von Art. 250 OR noch geltend gemacht werden können, obwohl die Eigentumsübertragung noch nicht im GB eingetragen wurde, wohl aber der Kaufvertrag (E. 6.3.3).

Schenkung

Schenkung

Kaufvertrag

Kaufvertrag

Verfahren

Verfahren

BGer 5A_378/2022 vom 17. November 2022

Bauhandwerkerpfandrecht; Recht auf Eintragung des Pfandrechtes nach der Vertragsauflösung; Art. 839 Abs. 1 ZGB

Recht auf Eintragung eines Bauhandwerkerpfandrechtes (Art. 839 Abs. 1 ZGB) – Das Pfandrecht von Handwerkern und Unternehmern kann von dem Tag an eingetragen werden, an dem sie sich verpflichtet haben, die versprochene Arbeit oder das versprochene Werk zu verrichten. Der Anspruch auf Eintragung des Pfandrechts hängt also nicht davon ab, ob der Handwerker oder Unternehmer seine Leistung tatsächlich erbracht oder mit der Ausführung begonnen hat. Der Zweck der Klage auf Eintragung des gesetzlichen Pfandrechts von Handwerkern und Unternehmern besteht nämlich nicht darin, deren Zahlungsanspruch als solchen festzulegen, sondern nur den Betrag, bis zu dem das Grundstück haften soll, d. h. den Pfandbetrag oder, mit anderen Worten, den Umfang der hypothekarischen Sicherung. Die Höhe der vertraglich vereinbarten Vergütung kann somit als solche im Grundbuch eingetragen werden, wobei die Frage, ob die Arbeiten bereits ausgeführt wurden oder noch ausgeführt werden müssen, nur für die Erfüllung des Pfandrechts selbst entscheidend ist.

Das Pfandrecht an noch auszuführenden Arbeiten kann hingegen nur so lange eingetragen werden, wie diese noch geschuldet werden. Angenommen, die Leistungspflicht des Handwerkers oder Unternehmers endet (z. B. aufgrund einer vorzeitigen Vertragsauflösung), so ist seine Arbeit nicht mehr geschuldet und wird definitiv nicht mehr ausgeführt ; die hypothekarische Sicherheit für diese Arbeit ist daher nicht mehr gerechtfertigt (E. 3.3).

Im vorliegenden Fall kann sich die beantragte hypothekarische Sicherheit angesichts der vorzeitigen Auflösung des Werkvertrags nur auf Arbeiten beziehen, die vor dieser Auflösung ausgeführt wurden (E. 3.4).

Bauhandwerkerpfandrecht

Bauhand-werkerpfandrecht

BGer 5A_79/2022 vom 16. November 2022

Stockwerkeigentum; Vetorecht für baulichen Massnahmen; Art. 647d, 712g ZGB

Bauarbeiten in einer Eigentumswohnung (Art. 712g in Verbindung mit 647d ZGB) – Wiederholung der Grundsätze. Instandsetzungs- und Umbauarbeiten, die den Wert der Sache erhöhen oder ihren Ertrag oder Nutzen verbessern sollen, werden mit der Mehrheit aller Miteigentümer beschlossen, die außerdem mit ihren Anteilen zusammen mehr als die Hälfte der Sache vertreten. Veränderungen, die dazu führen, dass ein Miteigentümer die Nutzung oder den Genuss der Sache gemäß ihrer gegenwärtigen Bestimmung erheblich und dauerhaft beeinträchtigt oder deren Ertrag gefährdet wird, dürfen nicht ohne seine Zustimmung vorgenommen werden (Art. 647d Abs. 2 ZGB). Diese Bestimmung ist zwingender Natur, so dass der Mit- oder Stockwerkeigentümer somit ein Vetorecht hat, das es ihm ermöglicht, sich gegen Lasten zu wehren, die im Vergleich zu denen der anderen Mitglieder der Gemeinschaft übermäßig sind. Diese erheblichen und dauerhaften Belastungen müssen objektiv sein und von einem durchschnittlichen Menschen als solche empfunden werden. Insbesondere sind Situationen zu berücksichtigen, in denen der Gebrauch oder die Nutzung der Sache für den bisherigen Zweck unrentabel wird, d.h. die geplanten Arbeiten verschlechtern die Möglichkeit, eine Wohnung zu vermieten oder weiterzuverkaufen (E. 3.1, inkl. am Schluss eine Kasuistik in der bundesrechtlichen und kantonalen Rechtsprechung).

Im vorliegenden Fall war der Stockwerkeigentümer einer Erdgeschosswohnung berechtigt, von seinem Vetorecht im Sinne von Art. 647d Abs. 2 ZGB bezüglich eines geplanten Baus eines neuen Gebäudeeingangs und eines Aufzugs Gebrauch zu machen. Tatsächlich bedeutete der Bau dieses Eingangs einen neuen Durchgang, der direkt in die Küche und das Esszimmer der Wohnung im Erdgeschoss führte und somit einen Verlust der Privatsphäre, zusätzliche Lärmbelästigung, den Verlust einer freien Aussicht sowie einen Verlust an natürlichem Licht mit sich brachte. Darüber hinaus bestand kein Zweifel daran, dass der betroffene Eigentümer deutlich stärker betroffen war als die Eigentümer der anderen Stockwerkeinheiten. Die Tatsache, dass das Bauprojekt die einzige architektonische Möglichkeit für den Einbau eines Eingangs mit Aufzug darstellte, ist irrelevant (E. 3.2 und 3.5.2).

Stockwerkeigentum

Stockwerk-eigentum

BGer 2C_249/2022 vom 15. November 2022

Versicherungsvertrag; Anspruch auf rechtliches Gehör; Willkür; Art. 9 und 29 Abs. 2 BV

Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV) – Erinnerung an die Grundsätze (E. 3.1).

Bei einem Dach, das keine Hagelspuren aufweist, verletzt die öffentliche Versicherungsanstalt den Anspruch des Eigentümers auf rechtliches Gehör nicht, wenn sie im Rahmen einer antizipierten Beweiswürdigung auf ein Gutachten verzichtet, um den Zusammenhang zwischen dem Naturereignis und dem geltend gemachten Schaden zu klären (E. 3.2).

Willkür bei der Ermittlung des Sachverhalts oder der Beweiswürdigung (Art. 9 BV) – Erinnerung an die Grundsätze (Erw. 4.2).

Im vorliegenden Fall ist es nicht willkürlich, festzuhalten, dass weisse Kratzer auf dem Dach bzw. weisse Schlieren keine Anzeichen von Hagel sind. Ebenso wenig ist es willkürlich, Wassereintritte an den Fenstern nicht als Folge eines Sturms zu betrachten, wenn keine Schäden am Dach festgestellt wurden (E. 4.3.3 und 4.4).

Versicherungsvertrag

Versicherungsvertrag

BGer 5A_525/2020 vom 14. November 2022

Dienstbarkeit; Ablösung durch Gericht; Art. 736-738 ZGB; 18 OR

Gerichtliche Ablösung wegen Interessenverlusts (Art. 736 ZGB) – Erinnerung an die Grundsätze (Erw. 2.1).

Bestimmung des Inhalts einer Dienstbarkeit (Art. 738 ZGB in Verbindung mit Art. 18 OR und Art. 973 Abs. 1 ZGB) – Wiederholung der Grundsätze (Erw. 2.2).

Das Bundesgericht befasst sich mit dem aktuellen Nutzen einer Dienstbarkeit aus dem Jahr 1913, die ein Nutzungsrecht für eine Anlegestelle mit zwei Bootsplätzen am Luganersee vorsieht. Während das dienende Grundstück seit der Eintragung unverändert geblieben ist, wurde das herrschende Grundstück geteilt. Auf der Parzelle mit Zugang zur Anlegestelle befindet sich kein Wohnhaus mehr, da dieses in eine Nachbarparzelle integriert wurde. Das Bundesgericht räumt zwar ein, dass eine Dienstbarkeit zur Nutzung eines Kais zugunsten einer unbewohnten Parzelle bestehen kann, stellt aber im Rahmen einer subjektiven Auslegung des Dienstbarkeitsvertrags fest, dass darin ausdrücklich festgehalten ist, dass die Dienstbarkeit gewährt wird, um die Erschliessung des Hauses des herrschenden Grundstücks zu ermöglichen. Folglich hat die Dienstbarkeit jeglichen Nutzen für das nun unbewohnte herrschende Grundstück verloren und muss gelöscht werden (E. 3.5).

Dienstbarkeit

Dienstbarkeit

BGer 5A_311/2022, 5A_437/2022 vom 09. November 2022

Stockwerkeigentum; Beschluss zur Ernennung eines Vertreters der Gemeinschaft der Stockwerkeigentümer; Postulationsfähigkeit; Art. 93 BGG; 12 BGFA

Zwischenentscheid (Art. 93 BGG) – Die Entscheidung, einen Vertreter der Stockwerkeigen­tümergemeinschaft zu ernennen, ist als Zwischenentscheid im Sinne von Art. 93 BGG zu qualifizieren (E. 2.1.2).

Beschwerde gegen einen Zwischenentscheid – Erinnerung an die Grundsätze (E. 2.2.1).

Postulationsunfähigkeitsentscheid - Wenn die Zwischenverfügung dem von einer Partei beauftragten Anwalt verbietet, als deren Vertreter aufzutreten, fügt sie dem Auftraggeber des Anwalts einen nicht wiedergutzumachenden Schaden zu. Dieser Partei wird nämlich das Recht genommen, ihre Interessen von einem Anwalt ihrer Wahl vertreten zu lassen. Der abgedrängte Anwalt kann auch eine sofortige Beschwerde einlegen. Umgekehrt ist die Beschwerde grundsätzlich nicht offen, wenn die Einrede der Postulationsunfähigkeit abgewiesen wird (E. 2.2.2).

Im vorliegenden Fall wurde der Anwalt zum Vertreter der Gemeinschaft der Stockwerkeigentümer ernannt, um diese in Verfahren zur Aufhebung von Beschlüssen der Stockwerkeigentümer zu vertreten, und verteidigte darüber hinaus die anderen Eigentümer einzeln. Der Stockwerkeigentümer, der in diesen Verfahren als Gegenpartei auftrat und die Einrede der Postulationsunfähigkeit erhob, konnte jedoch weder nachweisen, dass es zwischen der Gemeinschaft und den anderen vertretenen Eigentümern unterschiedliche Interessen gibt, noch inwiefern ein solcher Konflikt ihm schaden würde. Die Rolle des so ernannten Anwalts besteht darin, die prozessuale Position der Gemeinschaft gegenüber dem Stockwerkeigentümer zu unterstützen, der die Verfahren zur Aufhebung bestimmter Beschlüsse der Eigentümergemeinschaft eingeleitet hat. Dies hat zur Folge, dass er keine neutrale und unparteiische Position gegenüber allen Stockwerkeigentümern einnehmen kann, insbesondere nicht gegenüber dem Stockwerkeigentümer, der der Gemeinschaft in den oben genannten Verfahren gegenübersteht (E. 2.4).

Stockwerkeigentum

Stockwerk-eigentum

Verfahren

Verfahren

BGer 5A_719/2022 vom 03. November 2022

Nachbarrecht; Abstände bei Anpflanzungen; Art. 5, 684, 688 ZGB

Abstände bei Anpflanzungen (Art. 688 CC) – Gemäss Art. 688 ZGB sind die Kantone unter anderem befugt, für Anpflanzungen je nach der Art des Grundstücks und der Pflanzen bestimmte Abstände vom nachbarlichen Grundstück vorzuschreiben. Die Bestimmung enthält damit einen echten zuteilenden Vorbehalt zugunsten der Kantone im Sinn von Art. 5 ZGB. Gestützt darauf sind diese ermächtigt, die Abstände festzulegen, welche die Eigentümer für Anpflanzungen einhalten müssen, und Sanktionen für die Verletzung entsprechender Bestimmungen. Halten Pflanzungen kantonalrechtliche Abstände nicht ein, kann ihre Beseitigung ohne Nachweis übermässiger Einwirkungen verlangt werden. Beseitigungsansprüche wegen Unterabstand darf das kantonale Recht befristen, insbesondere einer Verjährungsfrist unterstellen, eine Pflicht zur Befristung besteht hingegen nicht (E. 3.1).

Im vorliegenden Fall stellt das Bundesgericht fest, dass der Kanton Thurgau von der durch Art. 688 ZGB gebotenen Möglichkeit der Gesetzgebung Gebrauch gemacht hat und dass diese Gesetzgebung die Klagemöglichkeiten nicht durch eine Verjährungsfrist einschränkt. Unter diesen Umständen kann die von den Nachbarn auf der Grundlage der kantonalen Gesetzgebung erwirkte Anordnung zum Rückschnitt nur unter dem Gesichtspunkt des Rechtsmissbrauchs angefochten werden. Es ist jedoch nicht willkürlich, das Fehlen jeglichen böswilligen Verhaltens anzunehmen, wenn die Nachbarn die Anpflanzungen über viele Jahre hinweg toleriert haben, bevor sie schließlich deren Beschneidung verlangten, da diese Dauer keine legitimen Erwartungen bei den Eigentümern der betreffenden Anpflanzungen weckte. Nur ein wirklich widersprüchliches Verhalten und somit besondere Umstände hätten die Nachbarn davon abhalten können, ihre Rechte geltend zu machen (E. 4.3).

Belästigungen

Belästigungen

BGer 4D_73/2021 vom 02. November 2022

Kaufvertrag; Mangel; Verjährung; Dispositionsgrundsatz; Art. 210 und 219 OR; 58 ZPO

Dispositionsgrundsatz (Art. 58 ZPO) – Die Rüge der Verletzung des Dispositionsgrundsatzes ist im Rahmen einer subsidiären Verfassungsbeschwerde unzulässig, da es sich bei diesem Grundsatz nicht um ein verfassungsmässiges Recht handelt (E. 4.2.1).

Verjährung der Mängelgewährleistungsklage (Art. 219 Abs. 3 OR) – Die Klage auf Gewährleistung für Mängel an einem Gebäude verjährt fünf Jahre nach der Eigentumsübertragung. Der Verkäufer kann sich nicht auf die Verjährung berufen, wenn ihm nachgewiesen wird, dass er den Käufer absichtlich irregeführt hat (Art. 210 Abs. 6 OR). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts unterliegen Gewährleistungsansprüche bei arglistiger Täuschung der zehnjährigen Verjährungsfrist von Art. 127 OR (E. 5.1 und 5.1.1).

Absichtliche Täuschung – Arglistige Absicht wird angenommen, wenn der Verkäufer es wissentlich unterlassen hat, dem Käufer das Vorhandensein eines Mangels zu offenbaren, der diesen Mangel nicht kannte und aufgrund seiner verborgenen Natur auch nicht hätte entdecken können, obwohl der Verkäufer wusste, dass dieser Mangel für den Käufer von Bedeutung war. Die Verheimlichung muss absichtlich erfolgen, Eventualvorsatz reicht aus. Der Verkäufer muss den Mangel tatsächlich gekannt haben; Unwissenheit, selbst wenn sie auf grobe Fahrlässigkeit zurückzuführen ist, muss berücksichtigt werden (E. 5.1.2-5.1.3).

Im vorliegenden Fall stützte sich der Verkäufer von landwirtschaftlichem Land auf die Daten des Grundbuchs, um die Rubrik des Formulars für die landwirtschaftliche Bodenkommission auszufüllen, die sich auf die landwirtschaftliche Nutzfläche (LN) im Sinne von Art. 14 der Landwirtschaftlichen Begriffsverordnung (LBV) bezog. Obwohl anerkannt wird, dass die LN nicht immer mit dem übereinstimmt, was im Grundbuch eingetragen ist, reicht dies nicht aus, um zu beweisen, dass der Verkäufer den Käufer bewusst und willentlich getäuscht hat (E. 5.3.1.1 bis 5.3.2).

Kaufvertrag

Kaufvertrag

Mängel/Garantie

Mängel/Garantie

Verfahren

Verfahren

BGer 5D_78/2022, 5D_79/2022 vom 31. Oktober 2022

Forderung; Nichtigkeit einer Entscheidung gegen unbestimmte Parteien; Verteilung der Gerichtskosten; Art. 641 Abs. 2 ZGB; 59, 66, 106 ff ZPO

Nichtigkeit einer Entscheidung – Die absolute Nichtigkeit einer Entscheidung kann jederzeit vor jeder Behörde geltend gemacht werden und muss von Amts wegen festgestellt werden. Sie trifft nur Entscheidungen, die mit den schwerwiegendsten Mängeln behaftet sind, die offenkundig oder zumindest leicht erkennbar sind; ihre Feststellung darf die Rechtssicherheit nicht ernsthaft gefährden. Außer in den vom Gesetz ausdrücklich vorgesehenen Fällen sollte die Nichtigkeit nur ausnahmsweise zugelassen werden, wenn die Umstände so sind, dass das System der Anfechtbarkeit offensichtlich nicht den erforderlichen Schutz bietet. Eine von vornherein nicht vollstreckbare Entscheidung wird mit Nichtigkeit belegt.

Es gibt eine Vielzahl von Situationen, in denen eine nichtige Entscheidung die Gültigkeit späterer Entscheidungen anderer Behörden beeinflussen kann. Man kann daher nicht alle Behörden aufzählen, die bei einer späteren Entscheidung (z. B. einer Vollstreckungsentscheidung) im Wege einer Vorabentscheidung feststellen können, dass die ursprüngliche Entscheidung mit einem solchen Mangel behaftet ist. Die Nichtigkeitstheorie bedeutet jedoch nicht, dass jede beliebige Behörde ungeachtet der Regeln, die ihre Zuständigkeit regeln, für die Feststellung der Nichtigkeit zuständig ist (E. 3.1).

Entscheid gegen unbestimmte Parteien in einer Forderungsklage – Im Rahmen einer Forderungsklage nach Art. 641 Abs. 2 ZGB hielt das Bundesgericht fest, dass die Durchsetzbarkeit der Zwangsvollstreckung gegenüber unberechtigten Besetzern, die nicht Partei des Zivilverfahrens sind, nicht von vornherein ausgeschlossen erscheint. Es bleibt jedoch dabei, dass die Forderungsklage als solche nur gegen denjenigen erhoben werden kann, der die Sache zum Zeitpunkt der Klageeröffnung besitzt, also eine bestimmte Person. Auch im Mietrecht hat das Bundesgericht entschieden, dass der Begriff der Abhängigkeit von Dritten, die ausgewiesen werden sollen, in Bezug auf eine bestimmte beklagte Partei zu bestimmen ist. Würde man das Gegenteil annehmen, würde man die Prüfung einer sowohl zulässigen als auch materiellen Voraussetzung für die Klage übergehen, da der Richter weder die Parteifähigkeit noch die Legitimation der beteiligten Personen überprüfen kann. Eine Entscheidung, die gegen einen unbestimmten Beklagten ergeht, ist nicht vollstreckbar und der Zweck des Zivilprozesses ist nicht erreichbar. Eine solche Entscheidung ist daher nichtig (E. 3.2). Im vorliegenden Fall ist ein Entscheid gegen ein « Kollektiv », das keine juristische Person ist und bei dem die Identität der natürlichen Personen unbekannt bleibt, nichtig; er verstösst gegen das Wesen des Zivilprozesses.

Kostenverteilung (Art. 106 ff. ZPO) – Art. 107 Abs. 1 ZPO regelt die Kostenverteilung abweichend von dem in Art. 106 ZPO vorgesehenen Grundsatz nur zwischen den Prozessparteien. Diese Ausnahmebestimmung kann nicht angewendet werden, um einem Dritten die Kosten aufzuerlegen. Einem Anwalt können in Anwendung dieser Bestimmung keine Kosten auferlegt werden (E. 3.3.2).

Unnötige Kosten (Art. 108 ZPO) – Unnötig verursachte Kosten werden der Person – einschließlich nicht beteiligter Dritter – auferlegt, die sie verursacht hat, unabhängig vom Ausgang der Sache. Unnötig sind Kosten, die in keiner Weise der Lösung des Streitfalls dienen oder die in einer Weise verursacht wurden, die dem Grundsatz der Verfahrensökonomie widerspricht. Dazu gehören in erster Linie Kosten, die durch das Verhalten einer Partei oder eines Dritten während des Prozesses zusätzlich zu den üblichen Kosten entstehen oder die ohnehin anfallen würden. So sind die Kosten, die in einem Verfahren entstanden sind, das von einem falsus procurator für eine Partei geführt wurde, die ihn nicht beauftragt hat, vom Vertreter ohne Vollmacht zu tragen. Nur die Kosten, die dieser unnötigerweise verursacht hat, können ihm im Sinne von Art. 108 ZPO auferlegt werden. Im vorliegenden Fall hätten den Anwälten keine Kosten auferlegt werden können, selbst wenn der erste Richter bei seiner Entscheidung die Unzulässigkeit der Klage festgestellt hätte. Da die Klage ohne Kenntnis der Identität des Beschwerdegegners eingereicht wurde und der erste Richter gegen unbekannte Personen ermittelte – die Vorladung enthielt keinen Namen und der Richter teilte den Beschwerdeführern nicht mit, dass ihre Vollmacht die Namen der vertretenen Personen nicht enthielt –, wäre die Unzulässigkeit der Klage nicht gegeben, er ihr Vorgehen nicht akzeptieren und ihre Feststellungen nicht berücksichtigen würde – rücken das Verhalten der Beschwerdeführer in den Hintergrund, die sich im Übrigen darauf beschränkten, zu der bereits anberaumten Anhörung zu erscheinen und Feststellungen zur Klageschrift einzureichen. Es ist daher nicht ersichtlich, welche unnötig verursachten Kosten den Beschwerdeführern anzulasten sind, wobei die Kausalität nur in Bezug auf ihr eigenes Verhalten, eine Partei zu vertreten, die ihre Identität nicht preisgeben will, beurteilt werden kann, und nicht in Bezug auf das rechtswidrige Verhalten der Partei, das zum Räumungsverfahren geführt hat, da Art. 108 ZPO keineswegs dazu bestimmt ist, den Rechtsuchenden vor Schwierigkeiten bei der Eintreibung von Forderungen zu schützen.

Analyse von François Bohnet , Simon Varin

La nullité d’une décision rendue contre un « collectif » et des personnes indéterminées et l’imputation des frais de procédure à leurs mandataires

Verfahren

Verfahren

Eigentum/Besitz

Eigentum/Besitz

BGer 5A_323/2022 vom 27. Oktober 2022

Bauhandwerkerpfandrecht; hinreichende Sicherheit; Art. 839 Abs. 3 ZGB

Hinreichende Sicherheiten (Art. 839 Abs. 3 ZGB) – Der Grundeigentümer kann die provisorische oder definitive Eintragung eines Bauhandwerkerpfandrechts verhindern, wenn er eine hinreichende Sicherheit im Sinne von Art. 839 Abs. 3 ZGB leistet. Diese Sicherheit können persönlicher Natur (Bankgarantie, Bürgschaft, andere auf dem Obligationenrecht beruhende Garantie) oder dinglicher Natur (Hinterlegung eines Betrags oder Verpfändung anderer Werte) sein. Um « hinreichend » zu sein, muss die Sicherheit, die durch das Pfandrecht gesicherte Forderung vollständig abdedcken : Sie muss also in qualitativer und quantitativer Hinsicht die gleiche Deckung wie das Bauhandwerkerpfandrecht bieten. In quantitativer Hinsicht bietet das Bauhandwerkerpfandrecht dem Gläubiger Sicherheit für die Kapitalforderung und die Verzugszinsen sowie gegebenenfalls für die Vertragszinsen. Da die Verzugszinsen zeitlich nicht begrenzt sind, hielt das Bundesgericht bis anhin fest, dass die Sicherheiten, die anstelle der Eintragung eines Bauhandwerkerpfandrecht treten, auch eine unbegrenzte Sicherheit für die Verzugszinsen bieten müssen (vgl. BGE 142 III 738) (E. 3.3 – 3.3.2).

Diese in der Lehre kritisierte Rechtsprechung führte zu einem gesetzgeberischen Revisionsverfahren, das die durch die hinreichende Sicherheit nach Art. 839 Abs. 3 ZGB gedeckten Verzugszinse auf zehn Jahre begrenzt (E. 3.3.2.2). Das Bundesgericht erwof, dass in bestimmten Fällen eine laufende Gesetzesrevision bei der Auslegung einer Norm berücksichtigt werden kann (E. 3.3.3).

Im vorliegenden Fall umfasste der Betrag der von den Eigentümern hinterlegten Sicherheit neben der Kapitalforderung auch die Verzugszinsen über einen Zeitraum von zehn Jahren. Dass sich der Unternehmer vorliegend auf die vorgenannte Rechtsprechung stützte und sich dabei auf die Unzulänglichkeit der hinterlegten Sicherheiten berief, ist gemäss Bundesgericht nicht rechtsmissbräuchlich. Hingegen betrachtete das Bundesgericht den Entscheid der Vorinstanz nicht als willkürlich, in dem sie sich auf das laufende Gesetzgebungsprojekt beziehen, um von der bundesgerichtlichen Rechtsprechung abzuweichen feststellte, dass die Sicherheit, die hier die Forderung des Unternehmers sowie die Verzugszinsen über zehn Jahre deckte, ausreichend waren (E. 3.4).

Analyse von Carol Simona Rothenfluh

Quantifizierung der « hinreichenden Sicherheit » gemäss Art. 839 Abs. 3 ZGB bezüglich Verzugszinse, Besprechung des Urteils 5A_323/2022 des Bundesgerichts

Bauhandwerkerpfandrecht

Bauhand-werkerpfandrecht

BGer 5A_342/2022 vom 26. Oktober 2022

Haftpflicht; reformatorischer Charakter der Berufung und Berufungsanträge; Art. 311 ff ZPO

Voraussetzungen der Berufung (Art. 311 ZPO) – Wiederholung der Grundsätze (E. 2.1.1). Reformatorischer Charakter der Berufung (Art. 316 und 318 ZPO) – Grundsätze (E. 2.1.2 und 4.3-4.4). Übermässiger Formalismus – Hinweis auf die Grundsätze (E. 2.1.3). Übertriebener Formalismus bei Berufungsanträgen – Kasuistik (E. 2.1.3.1 und 2.1.3.2).

Im vorliegenden Fall beantragte der Berufungskläger im Berufungsstadium lediglich die Gutheissung seiner erstinstanzlichen Klage und verstiess damit gegen die Pflicht, Reformanträge zu stellen, die im Dispositiv des Berufungsurteils wieder aufgenommen werden können. Bei einer Auslegung nach den Regeln von Treu und Glauben bzw. ohne übertriebenen Formalismus konnte jedoch problemlos festgestellt werden, was der Beschwerdeführer mit seiner Berufung bezweckte, nämlich die Verpflichtung des Beschwerdegegners, den in der vor der ersten Instanz gestellten Klage bezifferten Betrag zu zahlen. Folglich konnte das Kantonsgericht es nicht ablehnen, auf diese Berufung einzutreten (E. 3.2).

Verfahren

Verfahren

Haftpflicht

Haftpflicht

BGer 4A_220/2022 vom 19. Oktober 2022

Gesamtarbeitsverträgen; Unterstellung eines Arbeitnehmers unter einen Gesamtarbeitsvertrag; Art. 357 OR; GAV-SOR

Auslegung eines GAV (Art. 357 OR) – Erinnerung an die Grundsätze. Klauseln über den Abschluss, den Inhalt und die Beendigung von Einzelarbeitsverträgen haben für die Dauer des Vertrags eine direkte und zwingende Wirkung für die Arbeitgeber und Arbeitnehmer, für die sie verbindlich sind. Sie werden als normative Klauseln bezeichnet. Sie müssen auf die gleiche Weise wie ein Gesetz ausgelegt werden (E. 3.1.1).

Anwendung des Gesamtarbeitsvertrages ausbaugewerbes der Westschweiz (GAV-SOR) auf einen Arbeitnehmer – Ein Unternehmen, das in einem Bereich tätig ist, der unter den GAV-SOR fällt, nämlich dem der Schreinerei und Tischlerei, stellt einen als Hilfsarbeiter qualifizierten Arbeitnehmer ein, der Aufgaben wie Reinigung und Wartung, Verwaltung der Materialbestände, Lieferungen, Kontrolle der Schließung von Zugangstüren usw. übernimmt.

Der Begriff « Betriebspersonal » wird im Gegensatz zu Verwaltungs- oder Büropersonal verwendet. Somit kann der Argumentation des Unternehmens, dass der Beschwerdegegner nicht dem GAV-SOR unterstellt sei, weil er keine Schreinerarbeiten verrichte und nur in Ausnahmefällen Lieferungen von Elementen durchführe, die anschließend von anderen Angestellten montiert werden müssten, nicht gefolgt werden. Art. 18 GAV-SOR bezieht sich insbesondere auf Hilfsarbeiter, d. h. Arbeitnehmer, die Aufgaben ausführen, die keine Ausbildung erfordern. Die Regelmäßigkeit der Anwesenheit des Arbeitnehmers auf den Baustellen ist daher nicht entscheidend. Aufgrund der von dem Arbeitnehmer durchgeführten Lieferungen war er nicht ausschließlich im technischen und kaufmännischen Teil des Unternehmens tätig, wobei zu beachten ist, dass der GAV-SOR nicht vorschreibt, die überwiegende Tätigkeit des Arbeitnehmers zu bestimmen. Das kantonale Gericht hat daher zu Recht und ohne Willkür festgestellt, dass das streitige Arbeitsverhältnis dem GAV-SOR unterliegt (E. 3.4).

Gesamtarbeitsvertrag (GAV)

Gesamtarbeits-vertrag (GAV)

BGer 5A_163/2022 vom 14. Oktober 2022

Überbaurecht; Bedingungen für die Eintragung eines Überbaurecht; Entscheid über angemessene Entschädigung; Art. 674 ZGB

Entscheidung über angemessene Entschädigung – Einen reformatorischen Entscheid des BGer. kommt für die Gewährung einer angemessenen Entschädigung als Gegenleistung für die Eintragung einer Dienstbarkeit nur dann in Betracht, wenn sich die Vorinstanz mit der Frage der Entschädigung befasst hat. Darüber hinaus müssen Gerichtsanträge, die auf einen Geldbetrag gerichtet sind, beziffert werden; ein Antrag auf Festsetzung einer angemessenen Entschädigung reicht nicht aus (E. 1.4).

Überbaurecht (Art. 674 Abs. 1 und 3) – Erinnerung an die Grundsätze. Der Eigentümer eines Bauwerks, das sich auf dem Grundstück eines anderen befindet, muss sich die Kenntnis der Rechtswidrigkeit, d.h. den fehlenden guten Glauben, seines Vorgängers, der das Bauwerk errichtet hat, zurechnen lassen, da die Rechte aus Art. 674 Abs. 3 propter rem sind (E. 3.2).

Darüber hinaus rechtfertigen die Umstände des vorliegenden Falles nicht, dass der Eigentümer des geschädigten Grundstücks eine Dienstbarkeit gewährt, um den Fortbestand der vom Nachbarn auf seinem Grundstück errichteten Treppe zu sichern. Insbesondere ist diese Konstruktion nicht unbedingt notwendig, da der Nachbar über eine Innentreppe verfügt bzw. gegebenenfalls auch eine Treppe auf der Nordseite seines Grundstücks errichten könnte (E. 3.2 und 3.4).

Dienstbarkeit

Dienstbarkeit

Verfahren

Verfahren

BGer 5A_650/2022 vom 13. Oktober 2022

Bäuerliches Bodenrecht; Betreibung auf Pfandverwertung; Zustellung des Zahlungsbefehls; Landwirtschaftliches Unternehmen, das von den Eheleuten gemeinsam betrieben wird; Art. 40 BGBB; 153 SchKG; 169 ZGB; 14 PartG

Zustellung des Zahlungsbefehls in der Betreibung auf Pfandverwertung – Art. 153 Abs. 2 Bst. b SchKG weist keine Lücke auf, indem er Art. 40 BGBB betreffend die Veräusserung des von den Ehegatten gemeinsam bewirtschafteten landwirtschaftlichen Gewerbes nicht erwähnt. Formen der Interessengemeinschaft zwischen Ehegatten, insbesondere wirtschaftlicher Art, geniessen nicht den Schutz, der der Familienwohnung im Sinne von Art. 169 ZGB und Art. 14 PartG vorbehalten ist. So muss der Zahlungsbefehl dem Ehegatten nur dann zugestellt werden, wenn das belastete landwirtschaftliche Unternehmen mit der Familienwohnung zusammenfällt (E. 3.3).

Bäuerliches Bodenrecht

Bäuerliches Bodenrecht

SchKG (Schuldbetreibung)

SchKG (Schuldbetreibung)

Zur Publikation vorgesehen

Zur Publikation vorgesehen

BGer 2C_601/2021 vom 11. Oktober 2022

Bäuerliches Bodenrecht; Bewilligung zum Erwerb eines landwirtschaftlichen Grundstücks ; Art. 61 ff BGBB

Bewilligung zum Erwerb eines landwirtschaftlichen Grundstücks (Art. 61 ff. BGBB) – Erinnerung an die Grundsätze (E. 4.1). Gemäss Art. 64 Abs. 1 BGBB wird dem Erwerber, wenn er nicht selbst Bewirtschafter ist, die Bewilligung erteilt, wenn er nachweist, dass ein wichtiger Grund für den Erwerb vorliegt. Dabei handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls und der agrarpolitischen Ziele des bäuerlichen Bodenrechts konkretisiert werden muss (E. 4.2). Sind die in Art. 64 Abs. 1 BGBB dargestellten Fallkonstellationen erfüllt, ist die Bewilligung zu erteilen. Die zuständige Behörde hat diesbezüglich keinen Ermessensspielraum (E. 4.4).

Im vorliegenden Fall stellen die fraglichen Parzellen landwirtschaftliche Grundstücke dar und werden in landwirtschaftlicher Form bewirtschaftet, da die Equiden einer Stiftung darauf weiden. Die Tiere, die von dieser Stiftung betreut werden, haben die Besonderheit, dass sie weder gezüchtet noch gehalten werden, da es sich um alte oder behinderte Equiden handelt, die von den zuständigen Behörden aufgrund von Misshandlung, Vernachlässigung oder fehlender Anpassung der Einrichtungen an die Tierschutzgesetzgebung beschlagnahmt und in die Stiftung eingebracht wurden. Nun ist aber davon auszugehen, dass die steuerrechtlich anerkannte Gemeinnützigkeit der Stiftung im Rahmen der Prüfung relevant ist und dass eine solche Anerkennung einen wichtigen Grund im Sinne von Art. 64 Abs. 1 BGBB darstellen kann (E. 4.5). Diese Lösung wird durch die Tatsache gestützt, dass die Stallungen der Stiftung an die betreffenden Parzellen angrenzen und die Stiftung über eine bedeutende Futtergrundlage verfügt (E. 4.6).

Bäuerliches Bodenrecht

Bäuerliches Bodenrecht

BGer 2C_654/2022 vom 28. September 2022

Öffentliche Beschaffungswesen; Beschwerdefrist an das Bundesgericht; Art. 46 und 132 BGG

Frist für die Beschwerde an das BGer (Art. 46 Abs. 2 Bst. e und 132 BGG) – Gemäss Art. 46 Abs. 2 Bst. e BGG stehen die Fristen bei öffentlichen Aufträgen während der Feiertage nicht still. Gemäss Art. 132 Abs. 1 BGG gilt diese Bestimmung, die am 1. Januar 2021 in Kraft getreten ist, für alle Vergabeverfahren des Bundes, wenn der angefochtene Entscheid nach diesem Datum gefällt wurde, unabhängig davon, ob die Verfahren unter dem alten BoeB oder dem total revidierten BoeB eingeleitet wurden (E. 3 und 4).

Verfahren

Verfahren

Öffentliche Beschaffungswesen

Öffentliche Beschaffungswesen

BGer 4A_473/2021 vom 27. September 2022

Werkvertrag; Werklieferung; Vertretung des Bauherren; SIA Norm; Verrechnung; Art. 33, 120 und 372 OR; 33 Abs. 2 SIA-Norm 118

Ablieferung des Werks (Art. 372 OR) – Vorbehaltlich anderer Vereinbarungen muss der Kunde die Vergütung bei Ablieferung des Werks bezahlen. Die Lieferung setzt voraus, dass das Werk fertiggestellt ist. Dies ist der Fall, wenn der Unternehmer alle vereinbarten Arbeiten ausgeführt hat, d. h. wenn das Werk fertiggestellt ist. Die Tatsache, dass es frei von Mängeln ist, spielt hingegen keine Rolle. Das Werk wird durch seine Übergabe oder durch die ausdrückliche oder stillschweigende Mitteilung des Unternehmers, dass es fertiggestellt ist, geliefert. Die Lieferung entspricht aus der Sicht des Käufers der Abnahme des Werkes. Ein besonderer Abnahmewille des Käufers oder seines Vertreters ist nicht erforderlich. Wenn der Käufer das Werk in Betrieb nimmt, gilt es als geliefert. Darüber hinaus gilt das Werk bei vorzeitiger Beendigung des Vertrags, sei es durch Kündigung oder Aufhebung im gegenseitigen Einvernehmen, als in dem Zustand geliefert, in dem es sich befindet, was die mit der Lieferung verbundenen Rechtsfolgen auslöst (E. 3.2.1).

Auslegung eines Vertrags (Art. 18 OR) – Erinnerung an die Grundsätze (E. 3.2.2).

Im vorliegenden Fall schickte der Bauherr eine Auftragsbestätigung für eine bestimmte Qualität der Verglasung auf der Grundlage eines Angebots, das diese Qualität ausdrücklich spezifizierte. Daher kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Vertrag aufgrund früherer Angebote für eine höhere Qualität geschlossen worden wäre. Nach Treu und Glauben obliegt es dem durch einen Architekten vertretenen Bauherrn, die Angebote auf die wesentlichen Punkte, insbesondere auf die Einhaltung der Minergie-Standards, zu prüfen bzw. bei Zweifeln Auskünfte einzuholen (E. 3.3.2). Da der Vertrag vertragsgemäss erfüllt wurde, liegt kein Mangel vor und der Bauherr war nicht berechtigt, die Fertigstellung der Arbeiten zu verhindern bzw. durch einen Dritten fertigstellen zu lassen (E. 3.4).

Vertretung (Art. 33 Abs. 2 SIA-Norm 118 und Art. 33 Abs. 3 OR) – Wenn die SIA-Norm 118 Anwendung findet, sieht Art. 33 Abs. 2 dieser Norm vor, dass alle das Bauwerk betreffenden Willenserklärungen der Bauleitung für den Bauherrn rechtlich bindend sind, insbesondere Bestellungen und der Abschluss des Werkvertrags. Im vorliegenden Fall wird damit der Argumentation des Bauherrn widersprochen, dass die Vertretungsmacht auf die Kontrolle der Bauunternehmer beschränkt war. Zudem gingen die von der Bauleitung ausgeführten Aufgaben weit über diese Kontrolle hinaus und entsprachen einer Mitteilung der impliziten Vertretungsmacht im Sinne von Art. 33 Abs. 3 OR (E. 3.3.3).

Verrechnung (Art. 120 OR) – Erinnerung an die Grundsätze (E. 4.1). Die angeblichen Ausgleichsforderungen des Geschäftsherrn beruhen im vorliegenden Fall auf der Annahme eines Mangels, der nicht vorliegt, so dass die Verrechnungseinrede zurückzuweisen ist (E. 4.3).

Werkvertrag

Werkvertrag

Mängel/Garantie

Mängel/Garantie

SIA Normen

SIA Normen

BGer 4A_161/2021 vom 27. September 2022

Haftpflicht; Verhandlungsmaxime und Dispositionsgrundsatz; Art. 55 und 58 ZPO

Verhandlungsmaxime und Dispositionsgrundsatz (Art. 55 und 58 ZPO) – Erinnerung an die Grundsätze (E. 3).

Im vorliegenden Fall verursachte eine grosse Schlamm- und Schuttlawine, die auf den oberhalb gelegenen Parzellen gelagert wurde, Schäden auf einer tiefer gelegenen Parzelle. Die bloße Tatsache, dass die Versicherung der Eigentümer der beschädigten Parzelle einen Selbstbehalt von CHF 10'000.- anwendet, reicht allein nicht aus, um einen Schaden zu beweisen, für den die Eigentümer der oberen Parzellen verantwortlich sind (E. 4.1). Ebenso kann man sich nicht ausschließlich auf den Stromverbrauch des Vorjahres stützen, um einen Schaden in dieser Hinsicht zu beweisen (E. 4.3).

Verfahren

Verfahren

Haftpflicht

Haftpflicht

BGer 2C_783/2021 vom 07. September 2022

Bäuerliches Bodenrecht; Anspruch auf rechtliches Gehör; unzulässige neue Tatsache; Widderruf einer Bewilligung; Art. 29 BV; 99 BGG; 61 ff, 71 BGBB

Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 29 BV) – Grundsätze (E. 4.2). Ist ein Kaufvertrag gemäss Art. 70 BGBB nichtig, hat derjenige, der das Eigentum an den Parzellen verloren hat, kein berechtigtes Interesse mehr, einen Entscheid über die Zuordnung der Parzellen unter das Gesetz über das bäuerliche Bodenrecht zu verlangen. Folglich musste die Vorinstanz nicht über die Frage entscheiden, ob die Parzellen dem Geltungsbereich des Gesetzes unterstellt werden sollen, so dass der Anspruch auf rechtliches Gehör desjenigen, der das Eigentum verloren hat, nicht verletzt wurde (E. 4.4).

Unzulässige neue Tatsache (Art. 99 BGG) – Da die Rüge bezüglich Art. 71 Abs. 2 BGBB auf einer Tatsache beruht, die von den vorherigen Richtern nicht festgestellt wurde, nämlich dem Datum der Eintragung der Urkunde im Grundbuch, und für die keine offensichtlich unrichtige oder unvollständige Feststellung des Sachverhalts geltend gemacht wurde, wurde auf diese nicht eingetreten (E. 5).

Widerruf der Bewilligung zum Erwerb eines landwirtschaftlichen Gebäudes (Art. 71 Abs. 1 BGBB) – Der Widerruf unterliegt zwei kumulativen Bedingungen. Die erste ist eine objektive Bedingung: Der Erwerber muss falsche Angaben über Tatsachen gemacht haben, die für die Erteilung der Bewilligung rechtlich ausschlaggebend waren. Diese falschen Angaben müssen kausal gewesen sein, in dem Sinne, dass die Bewilligung hätte verweigert werden müssen, wenn die zuständige Behörde die objektiv richtige Situation gekannt hätte. Die zweite Voraussetzung ist subjektiv: Die Genehmigung muss « erschlichen » worden sein. Eine Erschleichung liegt vor, wenn der Betroffene die Unrichtigkeit seiner Angaben kennt oder kennen muss und sie in der Absicht macht, eine Genehmigung zu erhalten, die ihm sonst verweigert würde. Wenn der Käufer zum Zeitpunkt der Bewilligungserteilung bereits weiss, dass er das betreffende Unternehmen oder die betreffenden Grundstücke nicht selbst oder nur für eine kurze Zeit betreiben wird, und er diese Tatsache im Bewilligungsverfahren verschweigt, führt er die Bewilligungsbehörde im Sinne von Art. 71 Abs. 1 BGBB in die Irre (E. 6.2.3).

Im vorliegenden Fall hat der Käufer die von ihm erworbenen Grundstücke nicht nur nie bewirtschaftet, er hatte auch nie die Absicht, dies zu tun, da er sie noch am Tag des Verkaufs verpachtet hat. Zudem erklärte er während der Untersuchung des Falles vor der landwirtschaftlichen Bodenkommission selbst, dass er dieses Land nie habe bewirtschaften wollen, und die Fakten des Falles zeigen, dass er diese falschen Angaben gemacht hat, um die strittige Bewilligung zu erhalten (E. 6.4).

Bäuerliches Bodenrecht

Bäuerliches Bodenrecht

Verfahren

Verfahren

BGer 4A_137/2022 vom 30. August 2022

Werkvertrag; Vertretung; SIA Norm 118; Streitverkündung; Art. 32 ff OR; SIA-Norm 118; Art. 78 und 79 ZPO

Zivilrechtliche Vertretung (Art. 32 ff. OR) – Erinnerung an die Grundsätze (Rn. 4).

Anscheinsvollmacht (Art. 33 Abs. 3 OR) – Bei Fehlen einer Innenvollmacht des Vertreters ist der Drittvertragspartner ausnahmsweise geschützt, wenn der Vertretene ihm (ausdrücklich oder stillschweigend) eine (externe) Vollmacht zur Kenntnis gebracht hat, die über die Vollmachten hinausgeht, die er dem Vertreter tatsächlich erteilt hat (Innenvollmacht), und der Dritte im Vertrauen auf diese Mitteilung in gutem Glauben an das Bestehen der Vollmachten des Vertreters geglaubt hat. Der Vertretene, der den Anschein eines Vertretungsverhältnisses erweckt oder ein solches entstehen lassen hat, muss nach dem Grundsatz des Vertrauens (oder des wirksamen Anscheins) darunter leiden, dass der gutgläubige Dritte ihm alle Wirkungen der in seinem Namen vorgenommenen Handlungen zurechnet (E. 4.1). Die Mitteilung der Vollmacht durch den Vertretenen an den Dritten kann stillschweigend erfolgen. Das Verhalten des Vertretenen muss objektiv als Mitteilung der Vollmacht an den Dritten verstanden werden können, aber es ist nicht erforderlich, dass der Vertretene sich bewusst ist, dass er eine Mitteilung macht, solange sie ihm aufgrund von Umständen, die er kannte oder hätte kennen müssen, objektiv zugerechnet werden kann (E. 4.3.1).

Nach der Rechtsprechung kann der Dritte auch bei einer stillschweigenden externen Vertretungskommunikation durch Duldung oder aufgrund eines Anscheins geschützt sein. Duldung liegt vor, wenn der Vertretene von den Handlungen des Vertreters weiß, ihn als solchen handeln lässt und nichts unternimmt, um ihn daran zu hindern, so dass er damit eine Vollmachtsmitteilung an den Dritten richtet. Ein Anschein, d.h. eine externe Scheinvollmacht, liegt vor, wenn der Vertretene keine Kenntnis davon hatte, dass eine Person in seinem Namen handelte, er aber, nachdem er dem Dritten die Existenz von Vollmachten zur Kenntnis gebracht hatte, dies hätte wissen können und müssen, wenn er die nach den Umständen zu erwartende Aufmerksamkeit an den Tag gelegt hätte, und er hätte reagieren müssen (E. 4.3.1).

Im vorliegenden Fall sind die Voraussetzungen von Art. 33 Abs. 3 OR erfüllt. Die Bauherreneigenschaft des Vertretenen war nämlich aus zahlreichen Dokumenten ersichtlich (ein Vertragsangebot, mehrere Mitteilungen und Zahlungsanweisungen sowie der strittige Vertrag selbst). Somit kann der Vertretene nichts aus der Tatsache ableiten, dass er den strittigen Vertrag nicht gegengezeichnet hat, da der Unternehmer objektiv verstehen konnte, dass eine Unterschrift des Vertretenen nicht erforderlich war, da ausdrücklich darauf hingewiesen wurde, dass der Vertreter als solcher auf dem Vertrag handelte. Aus demselben Grund kann er nichts aus der Tatsache ableiten und dass der direkte und wechselseitige Kontakt zwischen dem Vertretenen und dem Dritten sehr begrenzt war. Darüber hinaus reagierte der Vertretene nicht auf mehrere Schreiben, die eine Rechnung enthielten, die seiner Ansicht nach zu Unrecht an ihn adressiert wurde, da er nicht an den strittigen Werkvertrag gebunden war. Unter diesen Umständen war der Vertretene den Umständen entsprechend nicht aufmerksam genug, weshalb von einer Vollmachtsmitteilung durch den Vertretenen auszugehen ist, auch wenn diese nie ausdrücklich erfolgte (E. 4.6).

Integration SIA-Norm 118 – Parteien, welche die SIA-Norm 118 erst in den Schlussplädoyers erwähnen, bringen diese nur verspätet vor, weshalb sie nicht berücksichtigt werden kann (E. 5).

Streiverkündung (Art. 78 und 79 ZPO) – Eine Partei kann einem Dritten den Streit verkünden, wenn sie für den Fall ihres Unterliegens davon ausgeht, dass sie gegen den Dritten Ansprüche geltend machen könnte oder Gegenstand von Ansprüchen des Dritten sein könnte. Das Gericht muss nicht prüfen, ob die Anzeige begründet ist. Wenn der Angezeigte sich weigert, tätig zu werden, oder der Anzeige nicht nachgeht, nimmt der Prozess seinen Lauf (E. 7.1).

Im vorliegenden Fall entschied sich der Vertreter dafür, nicht am Prozess teilzunehmen, obwohl ihm die verschiedenen Schriftsätze (in der Berufung) übermittelt wurden, sodass er die in erster Instanz erfolgte implizite Zurückweisung der Anzeige nicht mehr rückgängig machte. Die Verkündung ist zudem vor Bundesgericht nicht zulässig (E. 7.2).

Werkvertrag

Werkvertrag

SIA Normen

SIA Normen

Verfahren

Verfahren

BGer 4A_53/2022 vom 30. August 2022

Gesamtarbeitsverträgen; Geltungsbereich eines Gesamtarbeitsvertrag; Art. 1 und 7 AVEG

Allgemeinverbindlicherklärung eines GAV (Art. 1 und 7 AVEG) – Der Bundesrat ist befugt, den Geltungsbereich eines Gesamtarbeitsvertrags auf alle Arbeitgeber und Arbeitnehmer auszudehnen, die dem Wirtschaftszweig oder Beruf angehören, auf den sich der Vertrag bezieht, die aber nicht an den Vertrag gebunden sind. Damit soll verhindert werden, dass ein Unternehmen sich einen Wettbewerbsvorteil verschaffen kann, indem es seinen Arbeitnehmern schlechtere Bedingungen gewährt. Zum selben Wirtschaftszweig gehören Unternehmen, die in einem direkten Wettbewerbsverhältnis zu den Unternehmen stehen, die dem Vertrag beigetreten sind, indem sie Waren oder Dienstleistungen derselben Art anbieten. Um festzustellen, ob ein Unternehmen dem betreffenden Wirtschaftszweig oder Beruf angehört und in den Geltungsbereich des allgemeinverbindlich erklärten Vertrags fällt, muss konkret festgestellt werden, welche Tätigkeit das betreffende Unternehmen im Allgemeinen entfaltet. Entscheidend ist die vom betreffenden Arbeitgeber allgemein ausgeübte Tätigkeit, d.h. die Tätigkeit, die sein Unternehmen kennzeichnet (E. 4.1.1).

Im vorliegenden Fall stellt sich die Frage, ob ein Unternehmen, das im Bereich der Schaufenstergestaltung tätig ist, dem Gesamtarbeitsvertrag des Westschweizer Ausbaugewerbes unterstellt ist. Die Commission paritaire des métiers du bâtiment Second œuvre Genève, die die betroffenen Arbeitnehmer als 3D-Polydesigner bezeichnet hatte, hatte eine solche Unterstellung verneint. Im Gegenteil, das Kantonsgericht bezeichnete sie als Dekorateure und Dekorationsmaler und hielt fest, dass die oben genannte betroffene Tätigkeit dem GAV unterstellt war. Unter dem Aspekt der Willkür geprüft, weist das BGer die Beschwerde ab, da die Gesellschaft nicht bestreitet, dass sie die Demontage und das Anbringen von Schaufensterdekorationen vorgenommen hat, und da nicht bestritten wird, dass eine solche Tätigkeit dem GAV unterliegt. Das BGer fügt hinzu, dass die Firma weder behauptet noch bewiesen hat, dass die strittige Baustelle nicht repräsentativ für ihre allgemeine Tätigkeit sei, was sie sehr wohl zu einer direkten Konkurrentin der anderen Unternehmen des Baunebengewerbes macht, die im Bereich der Montage von Schaufensterausstattungen tätig sind (E. 4.5).

Gesamtarbeitsvertrag (GAV)

Gesamtarbeits-vertrag (GAV)

BGer 5A_89/2021 vom 29. August 2022

Stockwerkeigentum; Verteilung der Gerichtskosten in einer StoWe; Vergleich; Berufungsbegründung; Art. 311 ZPO; 712h ZGB; 18 OR

Begründung der Beschwerde – Die Begründung der Beschwerde in Zivilsachen muss in der Beschwerdeschrift selbst enthalten sein. Blosse Verweise auf Ausführungen in anderen Rechtsschriften oder in den Akten genügen den Begründungsanforderungen nicht (BGE 140 III 115 E. 2). Die zahlreichen Hinweise der Beschwerdegegner auf frühere Rechtsschriften bleiben damit unbeachtlich. Es ist in der Rechtsschrift aufzuzeigen, inwiefern der angefochtene Entscheid als fehlerhaft erachtet wird. Dieser Anforderung genügt eine Partei nicht, wenn sie lediglich auf die vor erster Instanz vorgetragenen Vorbringen verweist, sich mit Hinweisen auf frühere Prozesshandlungen zufrieden gibt oder den angefochtenen Entscheid in allgemeiner Weise kritisiert. Die Begründung muss hinreichend genau und eindeutig sein, um von der Berufungsinstanz mühelos verstanden werden zu können. Dies setzt voraus, dass die Partei im Einzelnen die vorinstanzlichen Erwägungen bezeichnet, die sie anficht, und die Aktenstücke nennt, auf denen ihre Kritik beruht (E. 3.1).

Nach Art. 712h ZGB haben die Stockwerkeigentümer an die Lasten des gemeinschaftlichen Eigentums und die Kosten der gemeinschaftlichen Verwaltung Beiträge nach Massgabe ihrer Wertquoten zu leisten (Abs. 1). Solche Lasten und Kosten sind namentlich die Kosten der Verwaltungstätigkeit einschliesslich der Entschädigung des Verwalters (Abs. 2 Ziff. 2). Dienen bestimmte gemeinschaftliche Bauteile, Anlagen oder Einrichtungen einzelnen Stockwerkeinheiten nicht oder nur in ganz geringem Masse, so ist dies bei der Verteilung der Kosten zu berücksichtigen (Abs. 3). In der Lehre ist umstritten, ob es sich bei Prozesskosten wie den hier betroffenen um Kosten der gemeinschaftlichen Verwaltung nach dieser Bestimmung handelt und wie solche Kosten unter den Stockwerkeigentümern zu verlegen sind. Bei Art. 712h Abs. 1 ZGB handelt es sich aber jedenfalls um eine Bestimmung dispositiver Natur, die folglich der Abänderung zugänglich. Vorliegend haben die Parteien die streitbetroffenen Kosten mit Vergleich vom 24. April 2013 einer eigenständigen Regelung zugeführt. Die Beschwerdeführerin bringt sodann nicht vor, es würde an den notwendigen Grundlagen für ein Abweichen von Art. 712h Abs. 1 ZGB fehlen, mithin einer Ermächtigung der Verwaltung zu einem entsprechenden Vorgehen. Damit ist die vergleichsweise getroffene Regelung (vgl. zu dieser sogleich E. 5.6) massgebend und es braucht auf die Tragweite der gesetzlichen Bestimmung zur Kostenverlegung (auch hier) nicht eingegangen zu werden.

Auslegung einer gerichtlichen Vereinbarung – Zu beachten ist vorliegend insbesondere, dass die Vereinbarung von den Parteien und ihren Rechtsvertretern ausgehandelt und unterzeichnet wurde. Es ist deshalb anzunehmen, dass sie die eingesetzten Fachausdrücke in ihrem juristisch technischen Sinn verwendet haben (BGE 131 III 606 E. 4.2; 129 III 702 E. 2.4.1 ; Urteil 5A_530/2012 vom 30. Oktober 2012 E. 3.2.1, in : ZBGR 95/2014 S. 267). Das Ziel, einen Streit oder eine Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis zu beenden, lässt sich regelmässig nur erreichen, wenn sämtliche mit dem Streit oder der Ungewissheit zusammenhängende Fragen geregelt werden. Dieses Anliegen ist bei der Auslegung zu berücksichtigen, auch wenn der Umfang einer vergleichsweisen Beilegung von Streitigkeiten oder Meinungsverschiedenheiten unterschiedlich weit gezogen werden kann. Wenn daher Fragen nicht ausdrücklich geregelt sind, die in engem Zusammenhang mit den vergleichsweise beigelegten Meinungsverschiedenheiten stehen und deren Beantwortung sich zur Beilegung des Streits aufdrängt, darf in der Regel davon ausgegangen werden, dass sie von den Parteien mangels eines ausdrücklichen Vorbehalts nicht vom Vergleich ausgenommen werden sollten. Nach dem mutmasslichen Willen der Parteien rechtfertigt sich daher in der Regel die Annahme, dass solche Fragen sinngemäss im Vergleich beantwortet sind.

Stockwerkeigentum

Stockwerk-eigentum

Verfahren

Verfahren

BGer 4A_576/2021 vom 26. August 2022

Werkvertrag; Regiearbeiten; Anfechtung eines Gutachtens; Bauhanderkerpfandrecht nach Parzellenteilung; Art. 798, 833 ZGB; 363 ff OR; 45 SIA-Norm 118; 52 ZPO

Anfechtung eines Gutachtens und guter Glaube im Verfahren (Art. 52 ZPO) – Indem der Bauherr die Berufung abwartet, um sich auf Versäumnisse des Gerichtsexperten zu berufen, verstösst er gegen den Grundsatz des guten Glaubens im Verfahren und die im Berufungsstadium vorgebrachten Rügen sind unzulässig (E. 6.1 und 6.2).

Regiearbeiten ausserhalb der Werkvertrages (Art. 45 SIA-Norm 118) – Die Arbeiten nach einem Erdrutsch stellen dringende Arbeiten zur Verhinderung eines Schadens im Sinne von Art. 45 Abs. 2 SIA-Norm 118 dar. Im vorliegenden Fall wurden sie dem Bauherrn gemeldet, der ihre Unterbrechung nicht verlangte, so dass ihre Kosten geschuldet sind (E. 8.2.1).

Der Meister, ein ausgebildeter Architekt, der die Baustelle betreute und Kenntnis von den ausgeführten Arbeiten hatte und diese nicht ablehnte, konnte die Zahlung nicht mit der Begründung verweigern, dass der Vertrag vorsah, dass jeder ausservertraglichen Leistung ein an die Bauleitung gerichteter Kostenvoranschlag vorausgehen müsse (E. 9).

Bauhandwerkerpfandrecht (Änderung des Antrags, Art. 227 und 230 ZPO) – Das Grundstück, auf dem das Pfandrecht provisorisch eingetragen worden war, wurde 2013 in vier Teile geteilt. Im Jahr 2019 änderte der Unternehmer seinen Antrag dahingehend, dass das Pfandrecht die Parzellen 1, 2, 3 und 4 im Verhältnis zu ihrer jeweiligen Fläche belastet. Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Schlussfolgerungen im Lichte der ihnen zugrunde liegenden Begründung interpretiert werden, bestätigt das Bundesgericht die kantonale Lösung, wonach das Gesuch um definitive Eintragung in Bezug auf die Parzelle, die die Nummer der ursprünglichen Parzelle vor der Teilung beibehalten hat, zulässig und in Bezug auf die drei neu geschaffenen Parzellen unzulässig ist (E. 10.1).

Verteilung des Pfandrechts nach der Parzellenteilung (Art. 798 ZGB) – Das Bundesgericht bestätigt auch die von der Vorinstanz vorgenommene schematische Verteilung der Hypothek zu gleichen Teilen auf die vier Parzellen. Denn obwohl die Hypothek grundsätzlich in Form von Teilpfandrechten beantragt werden muss, die jedes Grundstück für den Teil der Forderung belasten, der sich auf dieses bezieht (Art. 798 Abs. 2 ZGB), ist die Situation anders, wenn die Arbeiten auf einem einzigen Grundstück durchgeführt wurden, das nachträglich geteilt wurde. In diesem Fall werden zwei Hypothesen unterschieden : Entweder folgt auf die Teilung die Veräußerung eines (oder mehrerer) der neu geschaffenen Grundstücke, dann wird das Pfand im Verhältnis zum Schätzwert der verschiedenen Grundstücke verteilt (Art. 833 Abs. 1 ZGB), oder die durch die Teilung entstandenen Grundstücke bleiben in den Händen desselben Eigentümers, dann wird das Pfand in seiner Gesamtheit als Kollektivpfand auf alle neuen Grundstücke übertragen (E. 10.2).

Werkvertrag

Werkvertrag

Bauhandwerkerpfandrecht

Bauhand-werkerpfandrecht

SIA Normen

SIA Normen

Gutachten

Gutachten

Verfahren

Verfahren

BGer 4A_296/2022 vom 22. August 2022

Werk- und Kaufvertrag; Zulässigkeit der Beschwerde an das Bundesgericht; Art. 42, 105, 106 BGG; 18 OR

Eintretensvoraussetzung – Unerlässlich ist im Hinblick auf Art. 42 Abs. 2 und Art. 106 Abs. 2 BGG, dass die Beschwerde auf die Begründung des angefochtenen Entscheids eingeht und im Einzelnen aufzeigt, worin eine Rechtsverletzung liegt. Die beschwerdeführende Partei soll in der Beschwerdeschrift nicht bloss die Rechtsstandpunkte, die sie im vorinstanzlichen Verfahren eingenommen hat, erneut bekräftigen, sondern mit ihrer Kritik an den als rechtsfehlerhaft erachteten Erwägungen der Vorinstanz ansetzen

Vertragsauslegung – Der Inhalt eines Vertrags ist durch Auslegung zu bestimmen. Ziel der Vertragsauslegung ist es, in erster Linie den übereinstimmenden wirklichen Parteiwillen festzustelle. Die Vorinstanz legte den Vertrag in eingehenden, ausführlichen Erwägungen, nach seinem Wortlaut, seiner Entstehungsgeschichte (unter Berücksichtigung eines vorgängig geschlossenen Reservationsvertrages) und mit Rücksicht auf das sog. nachträgliche Parteiverhalten sowie den Vertragszweck und die Interessenlage der Parteien aus. Sie kam zum Schluss, dass gestützt auf die Würdigung der vorhandenen Beweismittel (eingereichte Unterlagen und Parteibefragungen) von einem übereinstimmenden wirklichen Willen der Parteien im Zeitpunkt des Vertragsschlusses ausgegangen werden könne und folgender Sachverhalt massgebend sei: Die Parteien hätten einen pauschalen Kauf- und Werkpreis von CHF 604’000.- vereinbart, unabhängig davon, wie sich dieser Betrag genau zusammensetze, welche Abgaben und Steuern die Beklagte darauf zu entrichten habe und ob eine Mehrwertsteuerpflicht des Rechtsgeschäfts bestehe oder nicht. Die Beschwerdeführerin erhebt dagegen keine rechtsgenügend begründeten Rügen, in denen sie unter hinreichender Auseinandersetzung mit den betreffenden Erwägungen der Vorinstanz darlegen würde, inwiefern diese mit ihrer das Tatsächliche beschlagenden Feststellung des übereinstimmenden wirklichen Parteiwillens über den Vertragsinhalt geradezu in Willkür verfallen sein soll. Somit wird auf die Beschwerde nicht eingetreten.

Verfahren

Verfahren

Kaufvertrag

Kaufvertrag

Werkvertrag

Werkvertrag

BGer 5A_182/2022 vom 10. August 2022

Dienstbarkeit; Inhalt einer Dienstbarkeit, Klage auf Berichtigung des Grundbuchs; Art. 8, 738, 975 ZGB; 9 BV

Ermittlung des Inhalts einer Dienstbarkeit (Art. 738 ZGB) – Grundsätze (E. 3.1). Klage auf Berichtigung des Grundbuchs (Art. 975 ZGB) – (E. 3.2).

Zulässigkeit eines Antrags – Ein Antrag, der für den Verlauf einer Dienstbarkeit auf ein Schriftstück verweist, ist eindeutig, auch wenn der Inhaber der Dienstbarkeit manchmal angegeben hat, dass er die Ausübung der Dienstbarkeit gemäss dem bestehenden provisorischen Verlauf wünscht (E. 5).

Beweislast (Art. 8 ZGB) – Erinnerung an die Grundsätze (E. 6.2).

Offensichtlich willkürliche Sachverhaltsfeststellung (Art. 9 BV) – Im vorliegenden Fall reichen die im Wesentlichen appellatorischen Erklärungen des Inhabers des dienenden Grundstücks insbesondere nicht aus, um die gegenteilige Feststellung des kantonalen Gerichts in Frage zu stellen, wonach es aufgrund der fehlenden Erwähnung einer Mauer beim Lesen des strittigen Plans nicht möglich war zu verstehen, dass die Strassenführung auf ein Stützwerk übergreift und somit dessen Verlegung erfordert (E. 7.1).

Dienstbarkeit

Dienstbarkeit

Verfahren

Verfahren

BGer 4A_429/2021 vom 27. Juli 2022

Architekturvertrag; Architektenhonorar; Vertrag mit sich selbst; Art. 18 und 718b OR

Auslegung des übereinstimmenden und wirklichen Willens der Parteien (Art. 18 OR) – Die Klage des Architekten, dessen Honorar im ursprünglichen Kostenvoranschlag auf pauschal CHF 85'000.- festgelegt worden war und der in seiner Schlussrechnung CHF 196’848.- verlangt, wird abgewiesen. Eine Reihe von Indizien für den tatsächlichen Willen der Parteien sprechen dafür : a) ein ursprünglicher Kostenvoranschlag, der dem einzigen unterzeichneten Dokument beigefügt war, nannte den Betrag von CHF 85’000.- ; b) der Ingenieur wurde pauschal auf die gleiche Weise vergütet ; c) der Baukredit wurde 2012 für einen Betrag abgeschlossen, mit dem die Schlussrechnung des Architekten nicht hätte finanziert werden können ; d) unter Immobilienfachleuten ist eine solche Erhöhung des Honorars nicht glaubhaft ; e) das ursprüngliche Honorar machte 9,4% der Schlussrechnung aus, während es ohne objektiven Grund auf 17% steigen würde, was in keinem Verhältnis zu den gestiegenen Baukosten zu stehen scheint ; f) die der Bank im Laufe der Arbeiten übermittelten Zahlungsscheine näherten sich dem Betrag des Kostenvoranschlags an, und in den Archiven der Bank findet sich keine Spur mehr von einer angeblich zweiten Version.

Vertrag mit sich selbst (Art. 718b OR) – Die vom Architekten geforderte Erhöhung des Honorars hätte der Schriftform bedurft, da der Architekt dann in der Lage gewesen wäre, einen Vertrag mit sich selbst zu schließen, was nicht geschehen war. Aus diesem Grund muss seine Forderung ebenfalls zurückgewiesen werden, was der Architekt in seiner Berufung nicht kritisierte.

Architektur- und Ingenieurvertrag

Architektur- und Ingenieurvertrag

BGer 4A_411/2021 vom 27. Juli 2022

Mäklervertrag; Abschluss des Vertrags durch konkludentes Verhalten; Vertretung; Art. 32, 33, 38 und 412 OR

Form und Abschluss eines Maklervertrags – Sofern nichts anderes vereinbart wurde, unterliegt der Abschluss eines Maklervertrags keinen Formvorschriften. Er kann sich aus ausdrücklichen Erklärungen der Parteien ergeben oder auch konkludent erfolgen. Ob ein Maklervertrag durch schlüssige Handlungen wirksam geschlossen wurde, hängt von den Umständen ab, aus denen sich ableiten lässt, dass sich die Parteien über die wesentlichen Punkte des Vertrags geeinigt haben, insbesondere darüber, dass sich der Auftraggeber dem Makler gegenüber verpflichtet hat, ihm ein Gehalt zu zahlen. Zurückhaltung ist geboten, wenn es darum geht, den Abschluss eines solchen Vertrags durch konkludentes Verhalten anzunehmen. Die bloße Tatsache, dass der Auftraggeber den Makler handeln lässt, führt nicht zwangsläufig zur Annahme eines Vertragsschlusses durch konkludentes Verhalten. Der Auftraggeber muss die Tätigkeit des Maklers wissentlich dulden, ohne sich ihr zu widersetzen, oder sie stillschweigend in einer anderen Form akzeptieren. Außerdem muss die Tätigkeit des Maklers aufgrund ihrer Dauer oder ihres Umfangs so eindeutig und charakteristisch sein, dass das Fehlen eines Widerspruchs als Wille zum Abschluss eines Maklervertrags interpretiert werden kann. Die Auslegung des Willens der Parteien erfolgt nach den allgemeinen Grundsätzen (E. 5.1).

Im vorliegenden Fall ist die Übersendung eines schriftlichen Vertrags kurz vor dem Verkauf ein Indiz dafür, dass der Vertrag nicht schon vorher durch konkludentes Verhalten zustande gekommen ist (E. 5.2). Dasselbe gilt für die Tatsache, dass der Makler und die Verkäuferin vor dem Tag, an dem der Verkauf vereinbart wurde, nie direkten Kontakt hatten (E. 5.3).

Vertretung (Art. 32 OR) – Erinnerung an die Grundsätze (E. 6.1).

Ein Makler, der die tatsächliche Eigentümerin während der zehnmonatigen Verhandlungen nie kontaktiert hat, weder um die Position einer Vermittlungsfirma zu klären, noch um sich selbst einen Maklervertrag zu sichern, obwohl er zugibt, die genaue Beziehung zwischen der Eigentümerin und dem Vermittler nicht zu kennen, kann nicht davon ausgehen, dass der Vermittler als Vertreter handelt, der befugt ist, einen Maklervertrag im Namen der Eigentümerin abzuschliessen, insbesondere wenn der Vermittler nie den Willen bekundet hat, einen solchen Vertrag abzuschliessen (E. 6.2 und 6.3.1).

Da die vermittelnde Gesellschaft zudem nicht zu erkennen gab, dass sie einen Maklervertrag zwischen der Verkäuferin und der Klägerin abschliessen wollte, stellt sich die Frage der Anwendung von OR 33 und 38 schlichtweg nicht (E. 6.3.2-6.3.4).

Vorweggenommene Beweiswürdigung – Im oben erwähnten Zusammenhang durfte die Vorinstanz die Zeugenaussagen der Vertreter der Käuferin und des Notars, die den Beweis für das Vorliegen eines mündlichen Vertrags erbringen sollten, ablehnen (E. 7).

Mäklervertrag

Mäklervertrag

Verfahren

Verfahren

BGer 2D_8/2021 vom 07. Juli 2022

Öffentliche Beschaffungswesen; Verbot der Vergabe von Unteraufträgen; Veröffentlichung der Verwaltungssanktionen; Recht auf rechtliches Gehör; zur Publikation vorgesehen; Art. 13, 27, 29 Abs. 2, und 36 BV

Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV) - Die einfache Verletzung einer in der Ausschreibung vorgesehenen Anforderung genügt, um es der Vergabebehörde zu ermöglichen, die gesetzlich vorgesehenen Verwaltungssanktionen zu ergreifen. Die kantonalen Gerichte konnten somit darauf verzichten, ohne den Anspruch des Zuschlagsempfängers auf rechtliches Gehör zu verletzen, zusätzliche Untersuchungen zu den angeblichen Verzögerungen anderer Handwerker durchzuführen (E. 2. 3). Sie konnten ebenfalls darauf verzichten, zu untersuchen, ob der Einsatz eines nicht bewilligten Unternehmens für die Entsorgung von asbesthaltigen Bauabfällen die Arbeiter auf der Baustelle tatsächlich gefährdet hatte, oder auch darauf verzichten, dem Zuschlagsempfänger Gelegenheit zu geben, zu beweisen, dass die Demontage der Fenster und deren Lagerung in Eimern fachgerecht durchgeführt worden war (E. 2.4).

Schwerwiegender Verstoss gegen Ausschreibungsgrundsätze - Im öffentlichen Vergaberecht ist es bei der Beurteilung eines Verstosses gegen das Untervergabe-Verbot weniger von Bedeutung, ob der Vertreter des Bauherrn die Anwesenheit von Arbeitnehmern dritter Unternehmen auf der Baustelle stillschweigend akzeptiert hat oder eine nachträgliche Genehmigung vorliegt. Entscheidend ist vielmehr die Frage, ob die formellen Meldepflichten im Lichte der Grundsätze der Gleichbehandlung sämtlicher Bieter und des wirksamen und fairen Wettbewerbs eingehalten wurden und die Ansprüche aus Arbeits- und Sozialversicherungsvorschriften durch sämtliche Bieter, einschliesslich der Subunternehmer gewährleistet waren. Dieses Versäumnis führte hier nicht nur zur Marktverzerrung und zur Gefährdung der Qualitätskontrolle in der Bauausführung, sondern hinderte insbesondere auch die Vergabebehörde daran, zu überprüfen, ob der Subunternehmer die gesetzlichen Verpflichtungen und die Ausschreibungsunterlagen eingehalten hat und gilt deshalb als schwerwiegender Verstoss (E. 3.4).

Sanktion verletzt die Wirtschaftsfreiheit (Art. 27 und 36 BV) - Erinnerung an die Grundsätze (E. 4.2). Die Veröffentlichung einer Sanktion im Amtsblatt und auf der Website der Vergabehörde verstösst nicht gegen die Wirtschaftsfreiheit. Die Veröffentlichung einer Sanktion kann abschreckend und generalpräventiv wirken, manchmal sogar stärker als die Sanktion selbst, da Erstere, wie im vorliegenden Fall, Auftraggeber und Konkurrenten sowie die Öffentlichkeit im Allgemeinen über das Fehlverhalten bestimmter Konkurrenten informiert, welches sonst unbekannt bleiben würde (E. 4).

Sanktion verletzt Schutz der Privatsphäre (Art. 13 und 36 BV) - Schutz der Privatsphäre, Allgemeine Grundsätze (E. 5.2); die Bekanntgabe einer Sanktion über das Amtsblatt und eine Internetseite führt zu einem Eingriff in die Garantie des Schutzes der Privatsphäre des Zuschlagsempfängers, wodurch geprüft werden muss, ob die Voraussetzungen von Art. 36 BV erfüllt sind (E. 5.3.1). Die Veröffentlichung von Sanktionen im Bereich des öffentlichen Beschaffungswesens beruht auf einer formell-gesetzlichen Grundlage im Kanton Tessin und entspricht einem öffentlichen Interesse (E. 5.3.2).

In Bezug auf die Verhältnismässigkeit der Sanktion hält das Bundesgericht fest, dass die Veröffentlichung auf einer Internetseite lediglich auf den Zeitraum beschränkt ist, in dem der betroffene Zuschlagsempfänger effektiv von den kantonalen öffentlichen Aufträgen ausgeschlossen wird. Bei der Veröffentlichung im Amtsblatt ist der Eingriff schwerwiegender. Obwohl dort ebenfalls die Dauer des Ausschlusses angegeben wird, bleibt das Amtsblatt im Archiv der Website des Kantons Tessin verfügbar und kann auch Jahre später frei eingesehen werden, insbesondere seitdem es vollständig digitalisiert und in die vom Bund verwaltete zentrale Plattform (www.amtsblattportal.ch) aufgenommen wurde. Unter diesen Umständen ist festzuhalten, dass ein tatsächliches Risiko besteht, dass die Nachteile und irreversiblen Folgen der Veröffentlichung weit über die Nichtberücksichtigung des Unternehmens im Rahmen einer öffentlichen Ausschreibung hinausgehen. Das Risiko der Rufschädigung ist umso höher, wenn man bedenkt, dass die Bekanntmachung des Ausschlusses nicht nur für die Auftraggeber und die Aufsichts- und Kontrollbehörden notwendig ist, sondern auch für die Bieter selbst, im Rahmen der Vorabbewertung in Bezug auf Konsortien und Unteraufträge. Folglich ist das Interesse des Zuschlagsempfängers am Schutz seines Rufes höher zu gewichten als das Interesse, das mit der Veröffentlichung der Sanktion im Amtsblatt verfolgt wird, womit diese nicht als verhältnismässig gelten kann und aufgehoben werden muss (E. 5.3.3 und 5.3.5).

Öffentliche Beschaffungswesen

Öffentliche Beschaffungswesen

Verfahren

Verfahren

Zur Publikation vorgesehen

Zur Publikation vorgesehen

BGer 5A_188/2022 vom 04. Juli 2022

Bauhandwerkerpfandrecht; Zulässigkeit der Beschwerde an das Bundesgericht; Verhandlungsgrundsatz; Art. 55 ZPO; 98 BGG

Nichteintreten auf eine Beschwerde – Entscheide im Zusammenhang mit der vorläufigen Eintragung von Bauhandwerkerpfandrechten gelten als vorsorgliche Massnahmen im Sinn von Art. 98 BGG. Die Beschwerdeführerin kann vor Bundesgericht daher nur die Verletzung verfassungsmässiger Rechte rügen (E. 2.1).

Mit der Behauptung, das Obergericht habe selbst ausgeführt, wann, was, wo gemacht worden sei, beschränkt sie die Beschwerdeführerin darauf, die Sach- bzw. Rechtslage aus ihrer Sicht darzulegen, und die Kritik, es werde nicht nachvollziehbar erläutert, weshalb ihre Ausführungen ungenügend substanziiert sein sollen, stellt keine Willkürrüge dar. Vielmehr hätte die Beschwerdeführerin anhand der angefochtenen Subsumtion im Einzelnen dartun müssen, inwiefern sie entgegen der Schlussfolgerung des Obergerichts ihrer Behauptungs- und Substanziierungslast nachgekommen ist, d.h. ihre Vorbringen weder vage noch widersprüchlich, sondern in Einzeltatsachen zergliedert so umfassend und klar dargelegt hat, dass darüber Beweis abgenommen und dagegen der Gegenbeweis angetreten werden konnte und der angefochtene Entscheid aus diesen Gründen an einem qualifizierten und offensichtlichen Mangel leidet (vgl. E. 2.2). Das tut sie nicht, weshalb auf diese Begründungslinie nicht eingetreten werden kann.

Verfahren

Verfahren

Bauhandwerkerpfandrecht

Bauhand-werkerpfandrecht

BGer 4A_377/2021 vom 29. Juni 2022

Werkvertrag; Regiearbeiten; Verhandlungsmaxime; Fälligkeit des Preises; Art. 363 OR; 55 ZPO; 155 ss und 164 SIA-Norm

Verhandlungsmaxime (art. 55 ZPO) – Behauptungs und Bestreitungslast ; Verweis auf eine Beilage.

Der Verweis auf Ausmassurkunden und Pläne genügt der Substanziierungslast wenn daraus ohne weiteres nachvollziehbar ist, was als Parteibehauptung gilt und wie die Forderung zustande gekommen ist und was genau von der Gegenpartei bestritten werden muss. Angesichts der Komplexität der Streitsache und der Vielzahl von Leistungen ist der Verweis auf Beilagen im Interesse der Lesbarkeit gar sinnvoll (E. 4.3.1 und 4.3.2).

In einem solchen Fall ist es nicht zu beanstanden, dass die Vorinstanz von einem feststehenden Sachverhalt ausging und keine Beweise bezüglich der Forderungen, welche die Beschwerdeführerin nur pauschal bestritten hat, abnahm (E. 4.3.3). Dasselbe gilt für die Berechnungen und die Nachvollziehbarkeit der Forderungen der Beschwerdeführerin : Die blosse pauschale Bestreitung, dass diese Berechnungen nicht nachvollziehbar seien, ist ungenügend (E. 4.3.4).

Regiearbeiten – Regiearbeiten sind nach der Fachsprache der Berufsleute Arbeiten, die nach Aufwand vergütet werden und von einem Pauschalpreis oder einer Vergütung nach Ausmass und Einheitspreisen nicht erfasst werden (vgl. Art. 44 SIA-Norm 118). Dessen ungeachtet sind sie Teil des Werkvertrags und damit von der grundsätzlichen Vergütungspflicht erfasst (Art. 363 OR). Nach den Branchenusanzen erstellt der Unternehmer für die einzelnen Regiearbeiten Zeitrapporte, welche er der Bauherrschaft zur Gegenzeichnung vorlegt, und die mit der Gegenzeichnung eine tatsächliche Vermutung für den darin ausgewiesenen Aufwand begründen. Der nicht unterzeichnete Regierapport lässt daher nach diesen Usanzen nicht die Vergütungspflicht des Bestellers entfallen, sondern beschlägt ausschliesslich die Beweisführungslast des Unternehmers. Andernfalls würde die Vergütungspflicht für Regiearbeiten als solche in die Willkür der Bestellerin gestellt, je nachdem ob sie bereit ist, die Rapporte zu unterzeichnen oder nicht. In diesem Verständnis aber wäre die Klausel als Knebelungsvertrag oder « contrat léonin » sittenwidrig und damit nichtig (E. 5.1).

Form der Regierapporte – Wenn der Werkvertrag die schriftliche Form für Regiearbeiten vorbehält, diese Arbeiten aber entgegen dem Vertrag nicht schriftlich in Auftrag gegeben wurden und der Meister oder sein Vertreter die meisten Berichte dennoch fast vorbehaltlos unterschrieben hat, ist davon auszugehen, dass der Meister stillschweigend auf die Einhaltung der schriftlichen Form verzichtet hat, noch dazu, wenn es keinen Hinweis darauf gibt, dass er den Vorbehalt der schriftlichen Form aufrechterhalten wollte (E. 5.3 und 6.4).

Vermutung – Wenn ein Regiebericht vom Bauherrn unterzeichnet wird, besteht eine natürliche Vermutung hinsichtlich der Richtigkeit des Inhalts des Rapports, da es ihm obliegt, die Richtigkeit des Rapports bei ihrer Unterzeichnung zu überprüfen. Der Bauherr kann die Notwendigkeit, einen Spezialisten (Gipser usw.) zu beauftragen, nicht mehr in Frage stellen, wenn er den Regierapport für dessen Einsatz vorbehaltlos unterzeichnet hat. Die gleiche Vermutung gilt auch, wenn dem Meister nach Ablauf der vertraglich vereinbarten Frist verspätet Regierapporte vorgelegt werden, er aber die Regiearbeiten mit seiner Unterschrift bestätigt. Unter dem Gesichtspunkt der Behauptungslast reicht eine grobe Darstellung der Regiearbeiten aus, zumindest bis die Vermutung der Richtigkeit der Regieberichte widerlegt ist (E. 6.2 und 6.4).

Darüber hinaus besteht die Vermutung der Richtigkeit auch für Rapporte, die der Heer nicht unterschrieben, aber bezahlt und in seiner eigenen Schlussabrechnung erwähnt hat ; in diesem Fall ist davon auszugehen, dass er sie im Nachhinein anerkannt hat (E. 6.3.1 und 6.4). Darüber hinaus reichen auch einfache, auf den Regieberichten verfasste Vorbehalte allein nicht aus, um die Vermutung der Richtigkeit der Berichte, die unterzeichnet wurden, in Frage zu stellen, zumindest was das Prinzip der Ausführung der in diesen Berichten erwähnten Arbeiten betrifft. Zumindest müsste der Auftraggeber eine fundierte Erklärung zu den in den Berichten aufgeführten Vorbehalten abgeben (E. 6.3.2 und 6.4).

Fälligkeit des Werklohns – Wenn die SIA-Norm Anwendung findet und der Auftraggeber mit sofortiger Wirkung auf die Fertigstellung der Arbeiten verzichtet und diese von Dritten fertigstellen lässt, führt dies zur Auslösung der Monatsfrist, um eine gemeinsame Prüfung des Werks zu verlangen (Art. 158 Abs. 2 SIA 118) und, wenn eine solche Prüfung nicht stattfindet, die Abnahme und Annahme des Werks zu verlangen (Art. 164 Abs. 1 SIA 118). Nach Ablauf der zweijährigen Gewährleistungsfrist kann sich der Bauherr zudem nicht mehr auf das Fehlen einer Bank- oder Versicherungsgarantie berufen, um die Fälligkeit der Restforderung zu verhindern. Dasselbe gilt für seine Weigerung, die Schlussabrechnung zu unterzeichnen (E. 7).

Analyse von Jean-Rodolphe Fiechter

Comment prouver ou contester correctement le prix de l’ouvrage

Werkvertrag

Werkvertrag

Werkpreis

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SIA Normen

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Verfahren

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BGer 5A_1043/2021 vom 27. Juni 2022

Dienstbarkeit; Ablösung durch Gericht; Art. 736-738 ZGB

Gerichtliche Ablösung der Dienstbarkeit wegen Interessenverlust – Erste Voraussetzung der Anwendbarkeit von Art. 736 ZGB ist mithin nach dem zwingenden Wortlaut dieser Bestimmung, dass neue Tatsachen eingetreten sind, seitdem die bei der Errichtung der Servitut beteiligten Parteien die gegenseitigen Rechte und Pflichten der Eigentümer des berechtigten und des belasteten Grundstücks begründet haben. Ob das Interesse im Sinn von Art. 736 Abs. 1 ZGB verloren gegangen ist, beurteilt sich nach Massgabe des Grundsatzes der Identität der Dienstbarkeit. Dieser besagt, dass eine Dienstbarkeit nicht zu einem andern Zweck aufrechterhalten werden darf als jenem, zu dem sie errichtet worden ist. Die rein theoretische Möglichkeit einer künftigen Veränderung der Verhältnisse genügt nicht, um die Aufrechterhaltung der Dienstbarkeit zu rechtfertigen. Will der Eigentümer des belasteten Grundstücks die Löschung gestützt auf Art. 736 Abs. 1 ZGB gerichtlich durchsetzen, so hat er darzutun, dass die Dienstbarkeit für das herrschende Grundstück jeglichen Nutzen verloren hat.

Umfangsermittlung der Dienstbarkeit – Für die Ermittlung von Inhalt und Umfang einer Dienstbarkeit gibt Art. 738 ZGB eine Stufenordnung vor. Ausgangspunkt ist der Grundbucheintrag. Soweit sich Rechte und Pflichten aus dem Eintrag deutlich ergeben, ist dieser für den Inhalt der Dienstbarkeit massgebend (Art. 738 Abs. 1 ZGB). Nur wenn der Wortlaut des Grundbucheintrags unklar ist, darf im Rahmen dieses Eintrags auf den Erwerbsgrund zurückgegriffen werden (Art. 738 Abs. 2 ZGB), das heisst auf den Begründungsakt, der als Beleg beim Grundbuchamt aufbewahrt wird Soweit die Auslegung des Grunddienstbarkeitsvertrags in Frage steht, gelten grundsätzlich die allgemeinen obligationenrechtlichen Regeln der Vertragsauslegung Diese allgemeinen Auslegungsgrundsätze gelten vorbehaltlos unter den ursprünglichen Vertragsparteien, im Verhältnis zu Dritten dagegen nur mit einer Einschränkung, die sich aus dem öffentlichen Glauben des Grundbuchs (Art. 973 ZGB) ergibt, zu dem auch der Dienstbarkeitsvertrag gehört. Bei der Auslegung des Dienstbarkeitsvertrags können gegenüber den Eigentümern, die an der Errichtung der Dienstbarkeit nicht beteiligt waren und im Vertrauen auf das Grundbuch das dingliche Recht erworben haben, individuelle persönliche Umstände und Motive nicht berücksichtigt werden, die für die Willensbildung der ursprünglichen Vertragsparteien bestimmend waren, aus dem Dienstbarkeitsvertrag selber aber nicht hervorgehen und für einen unbeteiligten Dritten normalerweise auch nicht erkennbar sind. Soweit die Rechte und Pflichten Dritter in Frage stehen, ist die Auslegung des Erwerbstitels mithin an die Schranken gebunden, die sich aus dem Eintrag ergeben, denn der gutgläubige Dritte wird im Vertrauen auf die Richtigkeit des Eintrages geschützt. Die Dienstbarkeit hat denjenigen Inhalt und Umfang, den sie haben muss, um ihren Zweck mit der geringst möglichen Beschränkung des Eigentums am dienenden Grundstück bestmöglich zu erreichen.

Mit anderen Worten sei für am Vertragsschluss nicht beteiligte Dritte – und das treffe vorliegend auf die Parteien dieses Verfahrens zu – nur der im Vertrag genannte Zweck für die Errichtung der Dienstbarkeiten und damit auch der Grunddienstbarkeit ersichtlich. Unter den Parteien massgeblicher Inhalt des Dienstbarkeitsvertrags sei damit bezüglich des ursprünglichen Zwecks der Dienstbarkeit die Erreichung der Bebaubarkeit der Grundstücke. Mit dem Erlass der revidierten Bau- und Zonenordnung der Gemeinde U. im Jahr 1985 sei dieser Zweck dahingefallen, denn ab diesem Zeitpunkt sei es nicht mehr nötig gewesen, durch die Baurechtsbeschränkungen auf im Sinn von § 234 (a) PBG noch fehlende oder in Änderung begriffene planungsrechtliche Festlegungen Rücksicht zu nehmen. Im Ergebnis habe das Bezirksgericht daher zu Recht in Gutheissung der Klage festgestellt, dass die streitgegenständliche Dienstbarkeit für die Grundstücke der Beklagten alles Interesse verloren habe.

Dienstbarkeit

Dienstbarkeit

BGer 4A_494/2020 vom 24. Juni 2022

Werkvertrag; Verhandlungsgrundsatz, auf Privatgutachten basiertes Gerichtliches Gutachten; Nachbesserungsrecht oder Sanierungskosten; art. 55, 150, 189 ZPO; 169 SIA-Norm

Verhandlungsgrundsatz (art. 55 und 150 ZPO) – Behauptungslast, Prinzipien (E. 4-4.2) : Bestreitungslast (E 4.3). Eingrenzung des Beweisthemas.

Das Erfordernis der Behauptung und der Bestreitung dient der Eingrenzung des Beweisthemas da grundsätzlich nur über bestrittene Behauptungen Beweis geführt werden muss und schafft andererseits die Voraussetzungen für eine sachgerechte Beweisführung und den Subsumtionsvorgang in der Rechtsfindung

Allerdings sind Fälle denkbar, in denen das Aufstellen von schlüssigen Behauptungen dadurch erschwert wird, dass nur die Gegenpartei die dazu notwendigen Informationen kennt oder dazu Fachwissen nötig wäre, über das die behauptungsbelastete Partei nicht verfügt. Hier können detaillierte Angaben erst nach Abschluss des Beweisverfahrens oder nach Auskunftserteilung durch die Gegenpartei (vgl. Art. 85 Abs. 2 ZPO) erwartet werden. Das Beweisverfahren dient zwar nicht dazu, fehlende Behauptungen zu ersetzen oder zu ergänzen, sondern setzt solche vielmehr voraus. Jedoch kann vernünftigerweise nicht verlangt werden, dass die behauptungsbelastete Partei vor der Durchführung eines Beweisverfahrens die entscheidrelevanten technischen Aspekte bis ins letzte Detail darlegt, würde dies doch die gerichtliche Durchsetzung der Ansprüche faktisch verunmöglichen. Es obliegt der Partei aber darzulegen, inwiefern ihr das notwendige Fachwissen für hinreichend substanziierte Behauptungen oder Bestreitungen fehlt (E. 4.5).

Diese Substanziierungsanforderungen gelten auch für die Haftungsvoraussetzung des Schadens. Der Kläger hat darzulegen, welche Kosten für welche Arbeiten angefallen sind. Die von den Unternehmern eingeholten Offerten bzw. erstellten Rechnungen erfassen regelmässig die (wesentlichen) erforderlichen Arbeitsschritte. Angaben über den Anteil der angeblichen Mängel an den Sanierungskosten enthalten die Offerten bzw. Rechnungen nicht. Eine Aufteilung der Kosten auf die einzelnen « Mängel » im juristischen Sinne wird nicht verlangt. Nicht selten ist ein Schaden auf verschiedene Ursachen zurückzuführen. Die mit dem multikausalen Verlauf des Schadensfalles verbundenen technischen und praktischen Schwierigkeiten bei der Zuordnung der Kosten zu den einzelnen Mängeln sollen nicht dazu führen, dass die Durchsetzung eines materiellen Anspruches mit Hinweis auf die Substanziierungsanforderungen faktisch verunmöglicht wird. Kommt das Gericht zum Schluss, dass nur einzelne der gerügten Mängel bestehen, hat es grundsätzlich nach seinem Ermessen gestützt auf die abgenommenen Beweise den Anteil der bejahten Mängel am geltend gemachten gesamten Schaden festzusetzen. Vom Kläger zu verlangen, dass er sich mit sämtlichen entsprechenden hypothetischen Konstellationen in Antizipation der gerichtlichen Beurteilung auseinandersetzt, ist nicht zumutbar (E 4.6).

Schiedsgutachten oder Privatgutachten – Dass die Parteien sich auf ein eigentliches Schiedsgutachten geeinigt hätten, behauptet die Beschwerdeführerin nicht (sie führt in der Beschwerdereplik aus, für die Qualifikation als vereinbartes gemeinsames Gutachten werde nicht vorausgesetzt, dass eine « Schiedsvereinbarung » vorlag bzw. die Gutachten von den Parteien schriftlich vereinbart wurden). Das blosse unwidersprochene Dulden der Tätigkeit des Fachgutachters reichte dazu nicht aus, ebensowenig wie die mündliche Anerkennung des Inhalts eines Gutachtens, auch wenn diese protokolliert wurde. Die Beschwerdeführerin versucht, ihren Privatgutachten den Status eines Schiedsgutachtens zukommen zu lassen, ohne die gemäss ZPO dafür verlangten Voraussetzungen zu behaupten.

Beweis über die Mängel – Sie führt selbst aus, es liege auf der Hand, dass ein gerichtlicher Gutachter zum jetzigen Zeitpunkt, in dem sämtliche Balkone und Nasszellen bereits saniert worden sind, gestützt auf die Prozessakten (insbesondere die vier Gutachten des Fachexperten, die Fotodokumentation der H. AG sowie den amtlichen Befund) verbindlich habe feststellen sollen, dass die in den Rechtsschriften detailliert beschriebenen Mängel und Schadensbilder an allen 132 Balkonen sowie in allen 63 Nasszellen vorgelegen hätten und dass die diesbezüglichen Kausalitäten vorlägen. Dies sei aufgrund der Detailgenauigkeit der vier Gutachten des Fachexperten, der Fotodokumentation sowie des amtlichen Befundes und den darin enthaltenen akribischen Beschreibungen und Feststellungen für einen gerichtlichen Experten auch problemlos möglich.

Auf Privatgutachten basiertes Gerichtliches Gutachten – Das gerichtliche Gutachten soll erlauben, die Ergebnisse des Privatgutachtens durch einen unabhängigen Experten zu überprüfen. Konkret geht es namentlich in Bezug auf die Kausalität darum, alternative Ursachen auszuschliessen. Wie dies nach der erfolgten Sanierung noch möglich sein sollte, zeigt die Beschwerdeführerin nicht rechtsgenüglich auf. Zwar kann die Abnahme eines Beweismittels nicht deswegen abgelehnt werden, weil nicht sicher ist, ob es den angestrebten Beweis zu erbringen vermag – um diese Frage zu klären, ist das Beweismittel abzunehmen. Damit die Beweisabnahme nicht zu einem verpönten Suchbeweis oder einer eigentlichen « fishing expedition » wird (vgl. BGE 138 III 425 E. 6.4), muss von den Parteien aber verlangt werden, dass sie, wo dies nicht offensichtlich ist, darlegen, weshalb von einem angebotenen Beweismittel mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit ein Beweisergebnis erwartet werden kann. Während dies keiner weiteren Erklärung bedarf, wenn der Gutachter dieselben Untersuchungen anstellen kann wie der Privatgutachter, sind diesbezügliche Angaben notwendig, wenn sich der Zustand zwischenzeitlich wesentlich verändert hat. Dass ein Gutachter allenfalls beurteilen könnte, ob sich die Annahmen des Privatgutachters mit der Fotodokumentation in Einklang bringen lassen, genügt dazu nicht. Es müsste zudem mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit möglich sein, anhand der vorhandenen Unterlagen auch vom Privatexperten allenfalls nicht geprüfte Alternativursachen ausschliessen zu können (E. 5.3.2 und 5.3.3)

Es geht nicht an, einem Privatgutachten faktisch Beweiskraft zukommen zu lassen, indem eine unabhängige Überprüfung durch die Vornahme der Sanierung verunmöglicht wird, und dafür das Privatgutachten beziehungsweise die Zeugenaussage des Privatexperten zur wesentlichen Grundlage eines Gerichtsgutachtens gemacht werden, ohne dass diese Grundlagen vom Gutachter überprüft werden könnten. Wie die Fotodokumentation oder der amtliche Befund eine derartige Überprüfung nach der erfolgten Sanierung mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit ermöglichen sollte, zeigt die Beschwerdeführerin nicht rechtsgenüglich auf. Die blosse Behauptung reicht dazu nicht aus, die angebotenen Zeugenaussagen von mit der Sanierung betrauten Personen ebenfalls nicht, da diesen die Unabhängigkeit abgeht. Zwar sind Fälle denkbar, in denen zufolge Dringlichkeit eine Beweissicherung undenkbar ist und der Beweis nur anhand der Zeugenaussage des beauftragten Fachmanns geführt werden kann, namentlich wenn ein imminent gefährlicher Zustand eine unmittelbare Beseitigung der Gefahr erfordert. Auf derartige Überlegungen beruft sich die Beschwerdeführerin zwar sinngemäss, wenn sie geltend macht, mit Blick auf den fortschreitenden Schaden sei keine Zeit für ein vorsorgliches Beweisverfahren verblieben (E. 5.3.3)

Nachbesserungsrecht oder Sanierungskosten – Nach den insoweit unangefochtenen Feststellungen der Vorinstanz besteht gestützt auf Art. 169 Abs. 1 Ziff. 1 SIA-Norm 118 ein Vorrang des Nachbesserungsrechts. Vor diesem Hintergrund kann die Beschwerdeführerin von der Beklagten 1 unabhängig vom Verhalten den Beschwerdegegnerinnen 2 und 3 nur Ersatz für die Sanierungskosten durch Dritte verlangen, wenn die Beklagte 1 die Mängel innert angemessener Frist nicht beseitigt. Da die Beschwerdeführerin die angekündigte Terminierung der Arbeiten nicht kommuniziert hat, räumte sie der Beklagten 1 keine hinreichende Gelegenheit zur Nachbesserung ein. Insoweit kommt allfälligen verspäteten Mängelrügen durch die Beschwerdegegnerin 2 keine Bedeutung zu, da die Beschwerdeführerin auch bei rechtzeitiger Rüge keinen Ersatz für die Nachbesserung durch einen Dritten hätte verlangen können und die Beschwerdeführerin nicht behauptet, es wäre an der Beschwerdegegnerin 2 gewesen, die Beklagte 1 über die Terminierung der verlangten Nachbesserungsarbeiten zu informieren. Insoweit können auch gegenüber den Beschwerdegegnerinnen 2 und 3 keine Ansprüche bestehen E. 5.4).

Analyse von François Bohnet , Frédéric Fitzi

Les pièges de l’expertise privée en droit de la construction

Werkvertrag

Werkvertrag

Gutachten

Gutachten

SIA Normen

SIA Normen

Verfahren

Verfahren

BGer 4A_424/2021 vom 23. Juni 2022

Kaufvertrag; öffentliche Form; Rechtsmissbrauch; Art. 216 al. 2 OR; 2 Abs. 2 ZGB

Formzwang – Nach Art. 216 Abs. 1 OR bedürfen Kaufverträge, die ein Grundstück zum Gegenstand haben, zu ihrer Gültigkeit der öffentlichen Beurkundung. Auch Vorverträge sowie Verträge, die ein Vorkaufs-, Kaufs- oder Rückkaufsrecht an einem Grundstück begründen, sind öffentlich zu beurkunden (Art. 22 Abs. 2 und Art. 216 Abs. 2 OR). Bei Missachtung der Formvorschrift ist der Vertrag nichtig im Sinne von Art. 20 OR. er Gesetzgeber will die Parteien vor übereilten Entscheidungen bewahren, ihnen eine professionelle Beratung garantieren und sicherstellen, dass sie die Tragweite ihrer Verpflichtungen verstehen, eine klare und vollständige Willensäusserung fördern und letztlich eine sichere Grundlage für den Eintrag ins Grundbuch schaffen. Fehlt diese Form, ist die Vereinbarung in der Regel absolut nichtig, was der Richter von Amts wegen feststellen muss (E. 4.4.1).

Rechtsmissbrauch (Grundsätze) – Unter bestimmten Umständen relativiert das Bundesgericht die Folgen eines Formmangels, indem es sich auf das Verbot des Rechtsmissbrauchs stützt. Die Generalklausel des Art. 2 Abs. 2 ZGB kann ausnahmsweise die Nichtigkeit aufgrund von Formfehlern in Schach halten; in diesem Fall wird der Vertrag so behandelt, als wäre er gültig. Ob Rechtsmissbrauch vorliegt, ist einzelfallweise in Würdigung der gesamten Umstände zu bestimmen ; wobei Rechtsmissbrauch restriktiv anzunehmen ist. Ein typischer Fall von Rechtsmissbrauch ist die Rechtsausübung, die ohne schützenswertes Interesse erfolgt oder zu einem krassen Missverhältnis berechtigter Interessen führen würde. Im Allgemeinen wird es jedoch als missbräuchlich angesehen, sich auf einen Formfehler zu berufen, nachdem der Vertrag im Wesentlichen freiwillig und in Kenntnis des Fehlers erfüllt wurde. Dagegen wird Rechtsmissbrauch von vornherein ausgeschlossen, wenn die Partei in Unkenntnis des Formmangels gehandelt hat und die vereinbarten Leistungen noch nicht oder zumindest nicht im Wesentlichen erbracht hat. In diesem Fall kann sie nicht zur Erfüllung gezwungen werden, sondern muss den Schaden ersetzen, der durch den Formfehler verursacht wurde. Die Rechtsprechung ist jedoch in erster Linie pragmatisch. Daher schließt sie nicht aus, dass trotz der Nichterfüllung des Vertrags ein Rechtsmissbrauch vorliegt und dessen Durchsetzung angeordnet wird. Das Bundesgericht räumt eine widersprüchliche Rechtsprechung in dem Sinne ein, dass es manchmal darauf verzichtet hat, ein schutzwürdiges Interesse zu verlangen, um einen Formfehler zu rügen, mit der Begründung, dass der Einzelne die Möglichkeit haben muss, sich von einem Vertrag zu lösen, dessen Erfüllung er als seinen Interessen zuwiderlaufend erachtet, während andere Urteile lehren, dass es missbräuchlich sein kann, sich auf einen Formfehler zu berufen, um eine Erhöhung des Immobilienwertes auf Kosten des Vertragspartners auszunutzen oder sich Garantieverpflichtungen zu entziehen (E. 4.1.2).

Im vorliegenden Fall war das Kaufversprechen und der Kaufvertrag in einem schriftlichen Mietvertrag enthalten. Die Parteien waren sich des Formfehlers bewusst und es wurden keine Vollzugshandlungen im Hinblick auf die Immobilienübertragung unternommen, wobei die mögliche Verkäuferin sogar mehrmals entsprechende Pläne ablehnte. Ausserdem wurden die Verhandlungen über den Verkaufspreis nach Abschluss des Mietvertrags mehrmals fortgesetzt. Angesichts eines damit zusammenhängenden Erbstreits habe die mögliche Verkäuferin die Formvorschrift nicht dazu benutzt, um Interessen zu verfolgen, die dieser entgegenstehen (E. 4.2 und 5.3). Die Tatsache, dass der Mietvertrag neun Jahre lang erfüllt wurde, sei irrelevant (E. 5.2); der Mietvertrag sei zudem später mit dem Hinweis übertragen worden, dass die Klausel, die das Verkaufsversprechen enthalte, nur gültig sei, wenn sie Gegenstand einer notariellen Urkunde sei (E. 5.3). Folglich verletzte die Vorinstanz kein Bundesrecht, als sie feststellte, dass die aussergewöhnlichen Umstände eines Rechtsmissbrauchs fehlten.

Kaufvertrag

Kaufvertrag

BGer 5A_280/2021 vom 17. Juni 2022

Bauhandwerkerpfandrecht; Beweismass und Substanziierung; Art. 837 ff und 961 Abs. 3 ZGB; 55 ZPO; 98 BGG

Eintretensvoraussetzungen – Entscheide im Zusammenhang mit der vorläufigen Eintragung von Bauhandwerkerpfandrechten gelten als vorsorgliche Massnahmen im Sinne von Art. 98 BGG. Die Beschwerdeführerin kann vor Bundesgericht daher nur die Verletzung verfassungsmässiger Rechte rügen (E. 2).

Hinreichende Glaubhaftmachung der Berechtigung des Handwerkers – Das Gericht bewilligt die Vormerkung der vorläufigen Eintragung des Bauhandwerkerpfandrechts, nachdem der Ansprecher seine Berechtigung glaubhaft gemacht hat (Art. 961 Abs. 3 ZGB). Für die Angelegenheit gilt das summarische Verfahren (Art. 249 Bst. d Ziff. 5 ZPO). An die Glaubhaftmachung, wie sie Art. 961 Abs. 3 ZGB verlangt, werden weniger strenge Anforderungen gestellt, als es diesem Beweismass sonst entspricht (BGE 137 III 563 E. 3.3 mit Hinweisen). Aufgrund der besonderen Interessenlage darf die vorläufige Eintragung eines Bauhandwerkerpfandrechts nur verweigert werden, wenn der Bestand des Pfandrechts als ausgeschlossen erscheint oder höchst unwahrscheinlich ist ; im Zweifelsfall, bei unklarer oder unsicherer Rechtslage, ist die vorläufige Eintragung zu bewilligen und die Entscheidung dem ordentlichen Richter zu überlassen.

Bestreitung der funktionalen Einheit zwischen dem Nachtrag betreffend die Erstellung eines Balkons und dem ursprünglichen Werkvertrag angesichts der Vorgaben des Werkvertragsrechts und gestützt auf die eingereichten Unterlagen für den einheitlichen Fristenlauf des Pfandrechts. Die Bestreitung einzelner Positionen muss noch möglich sein (E 3.4.2).

Beweismass und Verhandlungsmaxime - Sodann täuscht sich die Beschwerdeführerin, wenn sie die Anforderungen an die Glaubhaftmachung im Sinne von Art. 961 Abs. 3 ZGB mit den Anforderungen an die Tatsachenbehauptung und -substanziierung gleichsetzt bzw. meint, mit dem reduzierten Beweismass der Glaubhaftmachung, insbesondere der Glaubhaftmachung im Sinne von Art. 961 Abs. 3 ZGB, seien im Summarverfahren auch die Behauptungs- und Substanziierungsanforderungen herabgesetzt.[…] Das Beweismass ist eine Regel, die sich in erster Linie an das Gericht richtet. Das ist der Massstab, nach dem das Gericht beurteilt, ob eine streitige rechtserhebliche Tatsache aufgrund der dazu offerierten Beweismittel mit Blick auf die verlangte Rechtsfolge als wahr zu unterstellen ist. Auch wenn es sich für diese Unterstellung (aufgrund einer gesetzlichen Vorgabe wie Art. 961 Abs. 3 ZGB) mit der blossen Glaubhaftmachung begnügt, muss sich das Gericht zunächst Gewissheit darüber verschaffen können, zu welchen Tatsachen es Beweise abzunehmen hat. Das Gericht in diese Lage zu versetzen, ist – jedenfalls unter der Herrschaft des Verhandlungsgrundsatzes (Art. 55 Abs. 1 ZPO) – die Aufgabe der Parteien : mit der Tatsachenbehauptung und -substanziierung haben sie es in der Hand, eine bestimmte Tatsache als streitig gelten zu lassen und damit zum Gegenstand des Beweises zu machen (Art. 150 ZPO). Gelingt es einer Partei nicht, eine bestrittene Tatsache hinreichend zu substanziieren, so erübrigt sich eine Beweisabnahme, weil diesfalls die gegnerische Tatsachenbehauptung als anerkannt gelten muss.

Bauhandwerkerpfandrecht

Bauhand-werkerpfandrecht

Verfahren

Verfahren

ACJC/804/2022 vom 14. Juni 2022

Werkvertrag; Verjährung; Mängel; Art. 371 und 377 OR

Verjährung von Ansprüchen wegen Mängeln am Bauwerk (Art. 371 OR) – Die Ansprüche des Bauherrn wegen Mängeln an einem Bauwerk gegenüber dem Bauunternehmer und gegenüber dem Architekten oder Ingenieur, die an der Ausführung des Bauwerks mitgewirkt haben, verjähren fünf Jahre nach der Abnahme des Bauwerks. Durch die Ausweitung des Anwendungsbereichs der Verjährung auf Ansprüche gegen Architekten und Ingenieure sollen diese mit dem Unternehmer gleichgestellt werden. Der Begriff des Architekten und der des Ingenieurs sind unabhängig vom Titel weit auszulegen. Was die Qualifikation des Vertrags zwischen dem Bauherrn und dem Architekten und/oder Ingenieur anbelangt, so ist dies in diesem Stadium unerheblich, da die Bestimmung ausdrücklich auf den Beitrag ohne Unterscheidung der erbrachten Leistungen abzielt (E. 2.1).

Dies a quo (Art. 371 Abs. 2 i.V.m. 377 OR) – Die Frist von Art. 371 Abs. 2 OR beginnt mit der Lieferung des vom fehlerhaften Plan betroffenen Teils der Immobilie, unabhängig davon, ob der Bauherr von der Existenz eines Mangels Kenntnis hat. Seine Gewährleistungsansprüche können daher verjähren, bevor er einen Mangel entdeckt, auch wenn dieser auf einer anderen Veränderung beruht. Der dies a quo dieser Frist wird jedoch geändert, wenn der Auftraggeber den Vertrag im Sinne von Art. 377 OR vorzeitig kündigt. Die vertraglichen Beziehungen zwischen den Parteien enden dann ex nunc. In diesem Fall ist das unvollendete Werk einem vollständigen Werk gleichzustellen, insbesondere im Hinblick auf die Rechte aus der Gewährleistung. Folglich beginnt die Verjährungsfrist nach Art. 371 Abs. 2 OR mit dem Wirksamwerden der Kündigung oder mit der materiellen Übertragung des unvollendeten Werkes auf den Auftraggeber zu laufen (E. 2.1).

Mehrere Unternehmer vs. Verantwortlicher Unternehmer und Ingenieur/Architekt – Wenn mehrere Unternehmer auf der Grundlage separater Verträge arbeiten (Mitunternehmer), beginnt die Verjährung mit der Abnahme jeder einzelnen Portion des Werkes, was sich auch auf die Verjährung von Forderungen gegen den Ingenieur oder Architekten auswirkt. Wird der Werkvertrag mit dem Unternehmer hingegen vorzeitig aufgelöst, beginnt die fünfjährige Verjährungsfrist nach Art. 371 Abs. 2 OR auch gegenüber dem Architekten oder Ingenieur, der für die von diesem Unternehmer ausgeführten Arbeiten verantwortlich ist, zum Zeitpunkt der vorzeitigen Auflösung des Werkvertrags zu laufen (E. 2.1).

Im vorliegenden Fall stellt das Datum der Kündigung des Werkvertrags mit dem Bauunternehmer, der (zumindest teilweise) die Erdarbeiten, die Struktur der Villen und den Ausbau des Untergeschosses, für die der Ingenieur beauftragt war, durchgeführt hatte, somit den dies a quo der Verjährungsfrist in Bezug auf die Leistungen dieses Ingenieurs dar. Die Tätigkeit des Ingenieurs war vor diesem Datum beendet worden. Somit ist das Datum der Kündigung des Ingenieurvertrags oder das Datum der vertraglichen Beendigung des Ingenieurvertrags, das von den Parteien nicht behauptet wurde, nicht ausschlaggebend (E. 2.2).

Analyse von Jean-Rodolphe Fiechter

Die besondere Verjährungsregel für vertragliche Ersatzansprüche gegenüber Architekten und Ingenieure

Werkvertrag

Werkvertrag

Mängel/Garantie

Mängel/Garantie

BGer 5A_491/2022 vom 11. Juni 2022

Bauhandwerkerpfandrecht; Verwirkungsfrist; Art. 839 ZGB; 98 BGG

Nichteintreten auf die Beschwerde – Da es um eine vorsorgliche Massnahme geht, sind indes nur Verfassungsrügen möglich (Art. 98 BV).

Verwirkungsfrist – Innerhalb der viermonatigen Verwirkungsfrist muss das Pfandrecht wenigstens vorläufig mittels einer Vormerkung im Grundbuch eingetragen sein (Art. 839 Abs. 2 ZGB ; BGE 137 III 563 E. 3.3 ; zuletzt Urteil 5A_395/2020 vom 16. März 2021 E. 2).

Mit dem erstinstanzlichen Entscheid ist keine Eintragung erfolgt und im Zeitpunkt der Einreichung der Berufung war die Verwirkungsfrist bereits abgelaufen und hätte eine Eintragung unabhängig von der Frage der materiellen Berechtigung des Pfandrechtes nicht mehr erfolgen können. Allfällig darauf zurückzuführender und in widerrechtlicher Weise zugefügter Schaden wäre mit einer Staatshaftungsklage geltend zu machen.

Bauhandwerkerpfandrecht

Bauhand-werkerpfandrecht

BGer 5A_997/2021 vom 02. Juni 2022

Dienstbarkeit; Wegberechtigung; nebensächliche Verpflichtungen; Art. 730 ZGB; 20 OR

Nebenpflicht bei Dienstbarkeiten – Entgegen der Meinung der Beschwerdeführerin kann offenbleiben, ob die Verpflichtung des Eigentümers des Grundstücks Nr. yyy, einen Weg zu erstellen (s. Sachverhalt Bst. A.b), im Sinn von Art. 730 Abs. 2 ZGB nebensächlich ist. Das Bundesgericht braucht sich auch nicht zu den diesbezüglichen Sachverhaltsrügen der Beschwerdeführerin zu äussern. Auch die Beschwerdeführerin räumt ein, dass der am 31. Juli 1989 begründeten Verpflichtung zur Erstellung des Weges im heutigen Streit gar keine praktische Bedeutung mehr zukommt, verweist sie doch ausdrücklich darauf, dass die vom Beschwerdegegner für sein Bauprojekt beanspruchte Fläche unbestrittenermassen so befestigt ist, dass sie befahren werden kann. Selbst wenn der Beschwerdeführerin darin beizupflichten wäre, dass die Verpflichtung zur Erstellung des Weges (anders als diejenige zu dessen Unterhalt) nicht nebensächlich ist und deshalb nicht mit der Grunddienstbarkeit verbunden sein kann (Art. 730 Abs. 2 ZGB), stünde der Bestand des Fuss-, Fahrweg- und Durchleitungsrechts nur dann in Frage, wenn die (ursprünglichen) Vertragsparteien die Errichtung der Grunddienstbarkeit objektiv erkennbar auch davon abhängig gemacht hätten, dass der belastete Grundeigentümer den Weg tatsächlich erstellt, wenn nach dem mutmasslichen Willen der Vertragsparteien (s. dazu Art. 738 Abs. 2 ZGB und Urteil 5A_28/2021 vom 31. März 2022 E. 3.4.3 mit Hinweisen) also davon auszugehen wäre, dass diese das Fuss-, Fahrweg- und Durchleitungsrecht ohne die Verpflichtung zur Erstellung des Weges nicht gewollt hätten (Art. 20 Abs. 2 OR i.V.m. Art. 7 ZGB ; s. zur Teilnichtigkeit etwa das Urteil 4A_450/2018 vom 3. April 2019 E. 3.3.1 mit Hinweisen). Eine derartige Verknüpfung von obligatorischer und dinglicher Verpflichtung macht die Beschwerdeführerin nicht geltend, noch behauptet sie, solcherlei schon im kantonalen Verfahren vorgebracht zu haben und damit nicht gehört worden zu sein. Bloss implizit zu unterstellen, dass mit der (angeblich) unzulässigen Realobligation ohne Weiteres auch dem Fuss, Fahrweg- und Durchleitungsrecht der Boden entzogen sei, genügt nicht. Erwiese sich die Verpflichtung zur Erstellung einer befestigten Strassenfläche – der Beschwerdeführerin folgend – als unzulässig im Sinne von Art. 730 Abs. 2 ZGB, so wäre nach dem Gesagten jedenfalls nur die Ausgestaltung dieser Verpflichtung als Realobligation gescheitert. Im Ergebnis verletzt die Vorinstanz somit kein Bundesrecht, wenn sie vom Bestand der Grunddienstbarkeit ausgeht.

Dienstbarkeit

Dienstbarkeit

BGer 4A_268/2021 vom 18. Mai 2022

Werkvertrag; Werklohn; Ersatzvornahme; Verhandlungsgrundsatz; art. 18, 366, 374 OR; 55, 150 ZPO

Verhandlungsgrundsatz (art. 55 und 150 ZPO) – Behauptungslast, Prinzipien (E. 4-4.2) : Bestreitungslast (E 4.3). Eingrenzung des Beweisthemas.

Werklohn (Art. 18 und 374 OR) – Das Zugeständnis eines Rabattes von 10% in einer Befragung hat keinen Einfluss auf die Preisbestimmung, wenn in den betreffenden Aussagen nicht festgestellt werden kann, wem der Rabatt hätte zugute kommen sollen und auf welcher Grundlage dieser Rabatt berechnet wurde. So hat die Vorinstanz weder die Beweislastregeln noch die Regeln über die Vertragsauslegung verletzt, als sie nicht feststellte, dass die Parteien eine Vereinbarung über einen Rabatt von 10 % auf den Nettowert der geleisteten Arbeit getroffen hatten (E. 4.2).

Ersatzvornahme – Lässt sich während der Ausführung des Werkes eine mangelhafte oder sonst vertragswidrige Erstellung durch Verschulden des Unternehmers bestimmt voraussehen, so kann ihm der Besteller eine angemessene Frist zur Abhilfe ansetzen oder ansetzen lassen mit der Androhung, dass im Unterlassungsfalle die Verbesserung oder die Fortführung des Werkes auf Gefahr und Kosten des Unternehmers einem Dritten übertragen werde (Art. 366 Abs. 2 OR). Der ursprünglichen Werkvertrags bleibt davon unberührt, ungeachtet der Änderung der Art der vom Unternehmer zu erfüllenden Verpflichtung und der Beauftragung eines Dritten auf der Grundlage eines zweiten Werkvertrags. Der Besteller bleibt verpflichtet, den Preis für das Werk zu zahlen, wie er im Werkvertrag festgelegt wurde, kann aber vom Unternehmer verlangen, dass er ihm die Kosten für die Ersatzvornahme erstattet. Darüber hinaus trägt letzterer grundsätzlich die vom Dritten nicht gedeckten Folgen einer mangelhaften dinglichen Erfüllung, da diese Erfüllung nicht nur auf Kosten, sondern auch auf Risiko des Unternehmers erfolgt: Die beiden gegenseitigen Forderungen können durch Verrechnung getilgt werden. Wenn der Auftraggeber berechtigt ist, auf Kosten des Unternehmers einen Dritten zur Behebung eines Mangels am Bauwerk heranzuziehen, hat er auch das Recht, vom Unternehmer zu verlangen, dass dieser ihm die Kosten für die Behebung vorschiesst (E. 5.1).

Im vorliegenden Fall wandte der Bauherr gegen die Forderung auf Bezahlung des erstellten Werks die Verrechnung mit seiner Forderung auf Erstattung der Kosten der Ersatzvornahme ein, ohne jedoch einen Beleg für die Begleichung der Rechnung beizubringen. Unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls durfte somit bezweifelt werden, dass die Kosten, die diese Verrechnungsforderung begründen, tatsächlich angefallen sind (E. 5.2).

Werkvertrag

Werkvertrag

Werkpreis

Werkpreis

Mängel/Garantie

Mängel/Garantie

Verfahren

Verfahren

BGer 4A_535/2021 vom 06. Mai 2022

Grundstückverkaufvertrag; Arglistige Täuschung, Garantie für die Mängel; Art. 18 und 197 ff OR

Leistungsverweigerungsrecht - Wer bei einem zweiseitigen Vertrag den anderen zur Erfüllung anhalten will, muss nach Art. 82 OR entweder bereits erfüllt haben oder die Erfüllung anbieten, es sei denn, dass er nach dem Inhalt oder der Natur des Vertrags erst später zu erfüllen hat. Art. 82 OR gewährt dem Schuldner eine aufschiebende Einrede mit der Wirkung, dass er die geforderte Leistung bis zur Erbringung oder Anbietung der Gegenleistung zurückhalten darf. Der Gläubiger kann sich begnügen, auf vorbehaltlose Leistung zu klagen. Es obliegt dem Schuldner, die Einrede zu erheben. Ist die Einrede berechtigt, hat der Gläubiger also die Leistung weder erbracht noch angeboten, so schützt das Gericht die Klage in dem Sinne, dass es den Schuldner zur Leistung Zug um Zug, d.h. zu einer aufschiebend bedingten Verpflichtung verurteilt. Der Kläger braucht die Verurteilung des Beklagten zur Leistung Zug um Zug nicht zu verlangen. Das Gericht erlässt ein dahingehendes Urteil auf Einrede des Beklagten nach Art. 82 OR. Das Leistungsverweigerungsrecht gemäss Art. 82 OR ist nicht von Amtes wegen zu berücksichtigen.

Erhebt der Schuldner die Einrede, ist es am Gläubiger zu beweisen, dass er seine eigene Leistung erbracht oder gehörig angeboten hat. Art. 82 OR weicht vom Prinzip ab, wonach den Beweisbelasteten auch die (objektive) Behauptungslast trifft. Der Schuldner hat nämlich zu behaupten, dass der Gläubiger die Leistung weder erbracht noch gehörig angeboten hat, und dieser hat anschliessend zu beweisen, dass er seine Leistung erfüllt oder gehörig angeboten hat. Hingegen führt Art. 82 OR zu keiner Umkehr der Beweislast. Die allgemeine Regel von Art. 8 ZGB gilt: Es obliegt zunächst dem Gläubiger, der seine Forderung durchsetzen will, die Tatsachen zu behaupten und zu beweisen, die den Bestand seiner Forderung feststellen lassen. Der Schuldner, welcher die Einrede des nicht erfüllten Vertrags erhebt, hat den Bestand seiner Gegenforderung zu beweisen. Es obliegt anschliessend dem Gläubiger, die Erfüllung oder das gehörige Angebot seiner eigenen Leistung nachzuweisen, was auch bedeutet, dass er die Folgen der Beweislosigkeit trägt.

Auslegung eines Vertrags (Grundsätze) - (E. 3.1.2); Recht auf Beweis (Erinnerung an die Grundsätze (E. 3.1.3); vorzeitige Beweisführung (E. 3.1.4). Im vorliegenden Fall wurde die Einrede der Nichterfüllung zu Recht erhoben. Denn der Anspruch auf den Restbetrag des Werkpreises, der fällig ist, und der Anspruch auf Nachbesserung, der ebenfalls fällig ist, stehen sich gegenüber. Da sich der Bauunternehmer bisher geweigert hat, die Reparatur durchzuführen, muss der Bauherr dazu verurteilt werden, den Restbetrag des Baupreises im Austausch für den Ersatz der strittigen Rohrleitung zu zahlen (E. 3.3.4 und 3.4). Zudem stellt eine Schlussabrechnung im Sinne von Art. 153 der SIA-Norm 118 keinen Kontokorrentvertrag dar, der gekündigt werden könnte und alle offenen Forderungen aus dem Werkvertrag umfassen würde und die Einrede der Nichterfüllung vereiteln könnte (E. 3.4.1).

Kaufvertrag

Kaufvertrag

Mängel/Garantie

Mängel/Garantie

BGer 4A_351/2021 vom 26. April 2022

Werkvertrag; Zurückbehalterecht; Art. 82 OR und 153 SIA-Norm 118

Leistungsverweigerungsrecht - Wer bei einem zweiseitigen Vertrag den anderen zur Erfüllung anhalten will, muss nach Art. 82 OR entweder bereits erfüllt haben oder die Erfüllung anbieten, es sei denn, dass er nach dem Inhalt oder der Natur des Vertrags erst später zu erfüllen hat. Art. 82 OR gewährt dem Schuldner eine aufschiebende Einrede mit der Wirkung, dass er die geforderte Leistung bis zur Erbringung oder Anbietung der Gegenleistung zurückhalten darf. Der Gläubiger kann sich begnügen, auf vorbehaltlose Leistung zu klagen. Es obliegt dem Schuldner, die Einrede zu erheben. Ist die Einrede berechtigt, hat der Gläubiger also die Leistung weder erbracht noch angeboten, so schützt das Gericht die Klage in dem Sinne, dass es den Schuldner zur Leistung Zug um Zug, d.h. zu einer aufschiebend bedingten Verpflichtung verurteilt. Der Kläger braucht die Verurteilung des Beklagten zur Leistung Zug um Zug nicht zu verlangen. Das Gericht erlässt ein dahingehendes Urteil auf Einrede des Beklagten nach Art. 82 OR. Das Leistungsverweigerungsrecht gemäss Art. 82 OR ist nicht von Amtes wegen zu berücksichtigen.

Erhebt der Schuldner die Einrede, ist es am Gläubiger zu beweisen, dass er seine eigene Leistung erbracht oder gehörig angeboten hat. Art. 82 OR weicht vom Prinzip ab, wonach den Beweisbelasteten auch die (objektive) Behauptungslast trifft. Der Schuldner hat nämlich zu behaupten, dass der Gläubiger die Leistung weder erbracht noch gehörig angeboten hat, und dieser hat anschliessend zu beweisen, dass er seine Leistung erfüllt oder gehörig angeboten hat. Hingegen führt Art. 82 OR zu keiner Umkehr der Beweislast. Die allgemeine Regel von Art. 8 ZGB gilt: Es obliegt zunächst dem Gläubiger, der seine Forderung durchsetzen will, die Tatsachen zu behaupten und zu beweisen, die den Bestand seiner Forderung feststellen lassen. Der Schuldner, welcher die Einrede des nicht erfüllten Vertrags erhebt, hat den Bestand seiner Gegenforderung zu beweisen. Es obliegt anschliessend dem Gläubiger, die Erfüllung oder das gehörige Angebot seiner eigenen Leistung nachzuweisen, was auch bedeutet, dass er die Folgen der Beweislosigkeit trägt.

Auslegung eines Vertrags (Grundsätze) - (E. 3.1.2); Recht auf Beweis (Erinnerung an die Grundsätze (E. 3.1.3); vorzeitige Beweisführung (E. 3.1.4). Im vorliegenden Fall wurde die Einrede der Nichterfüllung zu Recht erhoben. Denn der Anspruch auf den Restbetrag des Werkpreises, der fällig ist, und der Anspruch auf Nachbesserung, der ebenfalls fällig ist, stehen sich gegenüber. Da sich der Bauunternehmer bisher geweigert hat, die Reparatur durchzuführen, muss der Bauherr dazu verurteilt werden, den Restbetrag des Baupreises im Austausch für den Ersatz der strittigen Rohrleitung zu zahlen (E. 3.3.4 und 3.4). Zudem stellt eine Schlussabrechnung im Sinne von Art. 153 der SIA-Norm 118 keinen Kontokorrentvertrag dar, der gekündigt werden könnte und alle offenen Forderungen aus dem Werkvertrag umfassen würde und die Einrede der Nichterfüllung vereiteln könnte (E. 3.4.1).

Werkvertrag

Werkvertrag

SIA Normen

SIA Normen

BGer 5A_745/2021 vom 26. April 2022

Bauhandwerkerpfandrechts; Verhandlungsgrundsatz, Reformcharakter der Berufung; Art. 55 et 318 ZPO

Verhandlungsgrundsatz, Behauptungs und Bestreitungspflicht ; Verweis auf eine Beilage – Wenn die klagende Partei eines Bauhandwerkerpfandrechts Tagesberichte mit leicht lesbaren handschriftlichen Eintragungen erstellt hat, aus denen hervorgeht, wann und für welches Haus oder Grundstück welche Arbeiten vorgenommen wurden, obliegt es der beklagten Partei, die Arbeiten genau zu bestreiten, was sie im vorliegenden Fall nicht getan hat (E. 2.3.2 und 3.4). Dasselbe gilt bezüglich der Behauptung der viermonatigen Frist für die Eintragung der Hypothek; ein Verweis auf die Unterlagen ist ebenfalls möglich, wenn sie separat begründet, dass die Frist für jedes Gebäude eingehalten wurde (E. 2.4-2.4.3).

Um die Existenz der verschiedenen strittigen Arbeiten zu beweisen, waren mehrere hundert Seiten an Belegen erforderlich, insbesondere mit allen individuellen Aufmaßen. Eine Integration dieser Elemente in die Urkunde hätte deren Umfang massiv erhöht, ohne dem Gericht oder der Gegenpartei mehr Informationen zu liefern, und wäre daher einer echten Leerlaufarbeit gleichgekommen. Im vorliegenden Fall enthält die Urkunde jedoch den Sachverhalt, der behauptet wird, zumindest in groben Zügen, so dass gerade in dem Fall, in dem eine Vielzahl von Einzelinformationen erforderlich ist, die Auslagerung der Informationen in einen Anhang keine Überfrachtung darstellt, sondern im Gegenteil sowohl die Lesbarkeit des Rechtsschriftsatzes als auch den Zugang zu den entsprechenden Informationen erleichtern kann (E. 2.4.4.2).

Reformatorischer Charakter der Berufung - Die Berufungsinstanz entscheidet nach eigenem Ermessen, ob sie eine reformatorische oder kassatorische Entscheidung trifft. Sie kann jedoch nur dann eine reformierende Entscheidung treffen, wenn sie verhandlungsfähig ist. Urteilsfähig ist ein Verfahren, wenn das Gericht über alle Elemente verfügt, um über die Begründetheit oder Unbegründetheit des geltend gemachten Anspruchs zu entscheiden oder einen Nichteintretensentscheid zu fällen. Zudem muss das gesetzlich vorgeschriebene Verfahren ordnungsgemäß durchgeführt worden sein. Die für die Beurteilung des strittigen Anspruchs erforderlichen Tatsachengrundlagen müssen vorhanden sein und die Parteien müssen die Möglichkeit gehabt haben, sich zu allen entscheidungsrelevanten Fragen zu äußern. Es darf kein verfahrenskonform gestellter Beweisantrag zu entscheidungsrelevanten Streitfragen offen bleiben. In den Augen des Gesetzgebers sollte eine Rückverweisung grundsätzlich die Ausnahme sein, da sonst das Verfahren unnötig verlängert würde (E. 4.3.2.1).

Selbst wenn das erstinstanzliche Gericht die Klage wegen eines Behauptungsmangels abgewiesen hat, kann das kantonale Gericht, das die Behauptung der Klägerin für ausreichend hält, die Entscheidung abändern und eine Entscheidung in der Sache treffen.

Interne Schiedsgerichtsbarkeit

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Bauhandwerkerpfandrecht

Bauhand-werkerpfandrecht

BGer 4A_478/2021 vom 20. April 2022

Werkvertrag; Werkpreis; Art. 373 OR

Festpreis oder Pauschalpreis (Art. 373 OR) - Der Pauschalpreis gilt, sofern das vom Auftraggeber letztlich verlangte Werk dem bei Vertragsabschluss geplanten Werk entspricht, ohne qualitative oder quantitative Änderungen. Bestellungsänderungen berechtigen zu einer Preiserhöhung, wenn der Unternehmer zusätzliche Leistungen erbringt (E. 4.1). Wenn der Unternehmer eine zusätzliche Vergütung beansprucht, muss er nachweisen, dass er eine Leistung erbracht hat, die nicht in den Gegenstand des Werkvertrags ist und aher nicht durch den für diese Arbeiten festgelegten Pauschalpreis abgedeckt ist. Welche Leistungen ursprünglich vereinbart wurden, lässt sich jedoch nur durch Auslegung des Vertrags ermitteln. Wie die Lehre feinsinnig hervorhebt, können gewisse Ungenauigkeiten dem Unternehmer zugutekommen, sofern die Baubeschreibung vom Auftraggeber stammt (E. 4.2).

Im vorliegenden Fall wartete der Beschwerdeführer Bauherr das Gerichtsverfahren ab, um einzuwenden, dass er die zusätzlichen Arbeiten nie genehmigt habe, da die früheren Vorwürfe als zu vage erachtet worden seien oder andere strittige Punkte betrafen. Somit hatte der Beschwerdeführer zwar die zusätzlichen Arbeiten und insbesondere die Vergütung nicht vorher schriftlich genehmigt, aber er hat diese Arbeiten, die mit der Zustimmung seines Architekten ausgeführt wurden, schliesslich akzeptiert. Somit muss er für die Mehrkosten aufkommen (E. 5.3).

Werkvertrag

Werkvertrag

Werkpreis

Werkpreis

BGer 4A_29/2022 vom 19. April 2022

Grundstückkaufvertrag; Grundlagenirrtum; Art. 24 Abs. 1 Ziff. 4 und 26 OR

Grundlagenirrtum - Ein Vertrag ist für denjenigen unverbindlich, der sich beim Abschluss in einem wesentlichen Irrtum befunden hat (Art. 23 OR). Ein solcher liegt namentlich vor, wenn der Irrtum einen bestimmten Sachverhalt betraf, der vom Irrenden nach Treu und Glauben im Geschäftsverkehr als eine notwendige Grundlage des Vertrages betrachtet wurde (Art. 24 Abs. 1 Ziff. 4 OR). Neben der subjektiven Wesentlichkeit ist erforderlich, dass der zugrunde gelegte Sachverhalt auch objektiv, vom Standpunkt oder nach den Anforderungen des loyalen Geschäftsverkehrs als notwendige Grundlage des Vertrages erscheint. Der Irrtum gemäss Art. 24 Abs. 1 Ziff. 4 OR kann sich zwar auf eine künftige Tatsache beziehen, jedoch nur, wenn diese Tatsache im Zeitpunkt des Vertragsschlusses objektiv als sicher angesehen werden konnte. Voraussetzung ist weiter, dass die Gegenpartei nach Treu und Glauben im Geschäftsverkehr hätte erkennen müssen, dass die Sicherheit des Eintritts des zukünftigen Ereignisses für die andere Partei Vertragsvoraussetzung war. Wie sich schon aus dem Wortlaut von Art. 24 Abs. 1 Ziff. 4 OR ergibt, muss sich die Fehlvorstellung auf einen "bestimmten Sachverhalt" ("sur des faits", "una determinata condizione di fatto") beziehen (zum Ganzen: Urteile 4A_92/2021 vom 14. Oktober 2021 E. 3.1; 4A_217/2014 vom 4. August 2014 E. 2.2).

Objektiv wesentlich ist eine falsche Vorstellung, die notwendigerweise beiden Parteien bewusst oder unbewusst gemeinsam und bei objektiver Betrachtung eine unerlässliche Voraussetzung für den Abschluss des Vertrags gewesen ist (E. 2.1).

Fahrlässigkeit - Aus Art. 26 OR lässt sich ableiten, dass ein Grundlagenirrtum im Sinne von Art. 24 Abs. 1 Ziff. 4 OR auch dann vorliegen kann, wenn der Irrtum auf die Fahrlässigkeit des Irrenden zurückzuführen sein sollte. Durch Fahrlässigkeit wird dem Irrenden eine Berufung auf Grundlagenirrtum demnach grundsätzlich nicht abgeschnitten, sondern sie führt im Allgemeinen nur, aber immerhin, dazu, dass er seiner Gegenseite nach Massgabe von Art. 26 OR Schadenersatz zu leisten hat. Eine Schranke für die Berufung auf Grundlagenirrtum bildet der Grundsatz von Treu und Glauben (Art. 25 Abs. 1 OR), wobei Treu und Glauben bezüglich des Grundlagenirrtums in Art. 24 Abs. 1 Ziff. 4 OR noch zusätzlich betont wird. Kümmert sich etwa eine Partei bei Vertragsschluss nicht um die Klärung einer bestimmten, sich offensichtlich stellenden Frage, kann dies bewirken, dass die Gegenseite daraus nach Treu und Glauben den Schluss ziehen darf, der entsprechende Umstand werde vom Partner nicht als notwendige Grundlage des Vertrags betrachtet.

Im vorliegenden Fall ist es nicht ausreichend, sich drei Jahre vor dem Immobilienverkauf über eine mögliche Nutzungsänderung des verkauften Grundstücks zu informieren; eine gewissenhafte Vertragspartei hätte sich vor der Unterzeichnung des Vertrags bei der Gemeinde über die aktuellen und für den Verkauf relevanten Möglichkeiten der Nutzungsänderung erkundigen müssen, um einen Irrtum zu vermeiden. Unter diesen Umständen muss sich der Käufer die fehlende Abklärung als Fahrlässigkeit anrechnen lassen, und sein Irrtum, dass die Umnutzung einer Scheune ausgeschlossen war, muss auf seine mangelnde Sorgfalt zurückgeführt werden. Es handelt sich also um einen fahrlässigen Irrtum im Sinne von Artikel 26 OR (E. 2.5 und 2.6).

Kaufvertrag

Kaufvertrag

BGer 4A_415/2021 vom 18. März 2022

Totalunternehmenvertrag; Verhandlungsgrundsatz, Substanziierungslast und Bestreitungslast – Verweis auf Beilage; Art. 55 ZPO

Verhandlungsgrundsatz - In einem ersten Schritt hat eine Tatsachenbehauptung nicht alle Einzelheiten zu enthalten. Es genügt, wenn die Tatsachen, die unter die das Begehren stützenden Normen zu subsumieren sind, in einer den Gewohnheiten des Lebens entsprechenden Weise in ihren wesentlichen Zügen oder Umrissen behauptet werden. Immerhin muss die Tatsachenbehauptung so konkret formuliert sein, dass ein substanziiertes Bestreiten möglich ist oder der Gegenbeweis angetreten werden kann (E. 5.2).

Bestreitungen sind so konkret zu halten, dass sich bestimmen lässt, welche einzelnen Behauptungen des Klägers damit bestritten werden. Die Bestreitung muss ihrem Zweck entsprechend so konkret sein, dass die Gegenpartei weiss, welche einzelne Tatsachenbehauptung sie beweisen muss. Der Grad der Substanziierung einer Behauptung beeinflusst insofern den erforderlichen Grad an Substanziierung einer Bestreitung: Je detaillierter einzelne Tatsachen eines gesamten Sachverhalts behauptet werden, desto konkreter muss die Gegenpartei erklären, welche dieser einzelnen Tatsachen sie bestreitet. Je detaillierter mithin ein Parteivortrag ist, desto höher sind die Anforderungen an eine substanziierte Bestreitung. Diese sind zwar tiefer als die Anforderungen an die Substanziierung einer Behauptung; pauschale Bestreitungen reichen indessen nicht aus. Erforderlich ist eine klare Äusserung, dass der Wahrheitsgehalt einer bestimmten und konkreten gegnerischen Behauptung infrage gestellt wird.

Behauptet etwa der Kläger in seinen Rechtsschriften einen geschuldeten Betrag und verweist dafür rechtsgenüglich (dazu gerade unten Erwägung 5.4) auf eine beiliegende Rechnung oder eine detaillierte Abrechnung, kann vom Beklagten verlangt werden, dass er präzise die Positionen der Rechnung oder die Punkte der Abrechnung bezeichnet, die er bestreitet. Andernfalls die Rechnung oder die Abrechnung als nicht hinreichend bestritten und damit als anerkannt gilt.

Verweis auf Beilage - An einen rechtsgenüglichen Verweis auf die Beilage werden somit im Wesentlichen drei Anforderungen gestellt: - Erstens müssen in der Rechtsschrift die Tatsachen in ihren wesentlichen Zügen oder Umrissen behauptet sein (dazu oben Erwägung 5.2). - Zweitens hat der entsprechende Verweis in der Rechtsschrift spezifisch ein bestimmtes Aktenstück zu nennen und aus dem Verweis selbst muss klar werden, welche Teile des Aktenstücks als Parteibehauptung gelten sollen. - Drittens muss die Beilage selbsterklärend sein. Sie hat genau die verlangten (beziehungsweise in der Rechtsschrift bezeichneten) Informationen zu enthalten und es darf kein Interpretationsspielraum bestehen. Sind diese Voraussetzungen nicht gegeben, kann der Verweis nur genügen, wenn zusätzlich in der Rechtsschrift die Beilage derart konkretisiert und erläutert wird, dass die in der Beilage enthaltenen Informationen ohne weiteres zugänglich werden und nicht interpretiert und zusammengesucht werden müssen.

Substantiierung nach der aufgerufenen Rechtsgrundlage - Bei einer Entschädigung nach Aufwand ist der geltend gemachte Aufwand – art. 374 OR - so darzulegen, dass dessen Notwendigkeit und Angemessenheit überprüft werden kann, was nachvollziehbare Angaben zu den erbrachten Arbeiten und die dafür aufgewendeten Arbeitsstunden voraussetzt (Urteil 4A_446/2020 vom 8. März 2021 E. 6.1 mit weiteren Hinweisen). Im vorliegenden Verfahren geht es dagegen nicht um die Einforderung eines Werklohns nach Aufwand durch den Bauunternehmer, sondern um einen Schadenersatzanspruch aus Werkvertrag aufgrund einer Verletzung einer Nebenpflicht (Sorgfaltspflicht) an einem sich im Bau befindlichen Gebäude, wofür der Unternehmer nach den allgemeinen Grundsätzen der Vertragshaftung einzutreten hat (Art. 364 Abs. 1 OR i.V.m. Art. 97 ff. OR; Urteil 4A_273/2017 vom 14. März 2018 E. 3.3.1 mit Hinweisen).

Interne Schiedsgerichtsbarkeit

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Werkvertrag

Werkvertrag

BGer 4A_230/2021 vom 07. März 2022

Haftung des Geschäftsherrn; Verhältnis zwischen Zivilrecht und Strafrecht; Art. 53 und 55 OR

Auslegung von Art. 53 OR - Art. 53 OR ist nicht eindeutig, aber es geht jedoch klar hervor, dass er sich nicht auf die Feststellung des Sachverhalts und die daraus resultierende Rechtswidrigkeit bezieht. Es obliegt somit dem Zivilprozessrecht (früher den Kantonen vorbehalten) zu entscheiden, ob der Zivilrichter an den strafrechtlich festgestellten Sachverhalt gebunden ist oder nicht. Da die ZPO zu diesem Thema schweigt, ist der Zivilrichter nicht an den vom Strafrichter festgestellten Sachverhalt gebunden; er entscheidet nach eigenem Ermessen, ob er den strafrechtlich festgestellten Sachverhalt übernimmt oder nicht, und entscheidet frei über die Rechtswidrigkeit. Allerdings hindert nichts den Zivilrichter daran, die Feststellungen des Strafrichters zu übernehmen, da dieser über umfangreichere Ermittlungsmöglichkeiten verfügt. Wenn der Zivilrichter der Meinung ist, dass er der Meinung des Strafrichters folgen kann, trifft er eine Opportunitätsentscheidung (E. 2.2).

Im vorliegenden Fall hat die Vorinstanz also nicht gegen Art. 53 OR verstossen, indem sie von der Analyse der Strafrichter abwich und der Hilfskraft vorwarf, in einer besonders gefährlichen Situation nicht die notwendigen Schutzmassnahmen getroffen zu haben, um zu verhindern, dass einer der anderen Beteiligten auf das Loch trat, das er gerade mit einer dünnen Isolationsschicht abgedeckt hatte (E. 2.3).

Haftung des Arbeitgebers - Art. 55 OR führt eine spezifische Haftung für das Handeln Dritter ein, die auf einer mutmaßlichen Sorgfaltspflichtverletzung des Arbeitgebers beruht. Der Arbeitgeber, der von den Diensten seiner Hilfskraft profitiert, muss auch die Folgen von deren Versäumnissen tragen (respondeat superior), zumal die betreffende Person häufig kaum über die wirtschaftlichen Mittel verfügt, um den bei der Ausführung ihrer Arbeit entstandenen Schaden zu beheben. Um sich zu exkulpieren, muss der Arbeitgeber beweisen, dass er alle nach den konkreten Umständen gebotene Sorgfalt walten ließ (cura in eligendo, instruendo et custodiendo) oder dass ein sorgfältiges Verhalten den Eintritt des Schadens nicht verhindert hätte. Die Anforderungen an den Arbeitgeber sind hoch; die Zulassung von Entlastungsgründen darf nur restriktiv zugelassen werden. Die erforderliche Sorgfalt steht in einem angemessenen Verhältnis zur Gefährlichkeit der Arbeit der Hilfskraft. Allerdings darf man nicht das Unmögliche verlangen: Man muss sich an das halten, was im täglichen Betrieb eines Unternehmens vernünftigerweise verlangt werden kann (E. 3.2).

Im vorliegenden Fall haben die Waadtländer Richter nicht gegen Bundesrecht verstossen, indem sie die Auffassung vertraten, dass die sehr gefährliche Situation, die durch die Überdeckung des Lochs und das Fehlen einer Absperrung entstanden war, Massnahmen wie die vorgeschriebenen erforderte (die insbesondere darin bestanden, einen der anwesenden Arbeiter um Hilfe zu bitten) auch nur für einen kurzen Moment, da zwei weitere Personen auf demselben Stockwerk arbeiteten (E. 3.3.2).

Die Haftung des Arbeitgebers geht über die klassische Verschuldenshaftung hinaus, und er kann sich nicht auf seine persönliche Situation berufen: Er muss beweisen, dass er alle Maßnahmen ergriffen hat, die durch objektive Kriterien und die konkreten Umstände diktiert wurden. Die Praxis ist bei der Zulassung von Entlastungsmitteln restriktiv, was insbesondere mit der ratio legis von Art. 55 OR und den wirtschaftlichen Überlegungen, die dieser Regel zugrunde liegen, in Verbindung gebracht werden kann (E. 3.5.2).

Strafrecht

Strafrecht

BGer 5A_82/2022 vom 01. März 2022

Bauhandwerkerpfandrecht; Definitive Eintragung; Art. 839 ZGB; 63 ZPO

Der Beschwerdeführer reichte ein Schlichtungsgesuch ein und verlangte die definitive Eintragung des Bauhandwerkerpfandrechts; die Schlichtungsbehörde trat mangels sachlicher Zuständigkeit nicht auf das Gesuch ein. Der Beschwerdeführer stellt daraufhin beim Regionalgericht ein Gesuch um definitive Eintragung des Bauhandwerkerpfandrechts. Das Gericht trat auf das Gesuch nicht ein mit der Begründung, dass nicht das ursprüngliche Gesuch, sondern ein sich davon deutlich unterscheidendes Gesuch eingereicht wurde.

Die Rückdatierung der Rechtshängigkeit im Sinn von Art. 63 Abs. 1 ZPO bei einer vorab unzuständigerweise bei einer Schlichtungsbehörde eingereichten Eingabe beim zuständigen Gericht ist an sich möglich, aber voraussetzt, dass die gleiche Rechtsschrift im Original eingereicht wird, was nicht im vorliegenden Fall, der Fall ist (E. 2-3).

Rückwirkende Rechtshängigkeit bei Bauhandwerkerpfandrechtsverfahren - Der Beschwerdeführer reichte ein Schlichtungsgesuch ein und verlangte die definitive Eintragung des Bauhandwerkerpfandrechts; die Schlichtungsbehörde trat mangels sachlicher Zuständigkeit nicht auf das Gesuch ein. Der Beschwerdeführer stellt daraufhin beim Regionalgericht ein Gesuch um definitive Eintragung des Bauhandwerkerpfandrechts. Das Gericht trat auf das Gesuch nicht ein mit der Begründung, dass nicht das ursprüngliche Gesuch, sondern ein sich davon deutlich unterscheidendes Gesuch eingereicht wurde.

Die Rückdatierung der Rechtshängigkeit im Sinn von Art. 63 Abs. 1 ZPO bei einer vorab unzuständigerweise bei einer Schlichtungsbehörde eingereichten Eingabe beim zuständigen Gericht ist an sich möglich, setzt aber vorraus, dass die gleiche Rechtsschrift im Original eingereicht wird, was im vorliegenden Fall, nicht der Fall ist (E. 2-3).

Das Bundesgericht verweist auf seine Rechtsprechung zu dieser Frage (BGE 145 III 428): Der Rechtsuchende, der sich irrtümlich an die Schlichtungsbehörde gewandt hat, anstatt direkt das Gericht anzurufen, muss das ursprüngliche Gesuch, das bei der falschen Instanz eingereicht worden war, innert Frist nochmals im Original beim zuständigen Gericht einreichen. Das Bundesgericht begründet seine Rechtsprechung damit, dass sich die betroffene Partei gegebenenfalls ein zweites Mal - im Rahmen eines zweiten Schriftenwechsels oder mündlich anlässlich einer Instruktionsverhandlung oder zu Beginn der Hauptverhandlung vor den ersten Parteianträgen - ohne Einschränkung äussern und so die negativen Folgen ihres Versäumnisses weitgehend beheben kann (E. 4).

Interne Schiedsgerichtsbarkeit

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Bauhandwerkerpfandrecht

Bauhand-werkerpfandrecht

BGer 4A_501/2021 vom 22. Februar 2022

Werkvertrag; Verzug des Werkeigentümers und vorprozessualen Anwaltskosten; Art. 102 und 107 OR

Verzug - Ist eine Verbindlichkeit fällig, so wird der Schuldner durch Mahnung des Gläubigers in Verzug gesetzt (Art. 102 Abs. 1 OR). Die Mahnung ist eine an den Schuldner gerichtete Erklärung des Gläubigers, die zum Ausdruck bringt, dass er die Leistung ohne Säumnis verlangt. Mit der Mahnung muss die zu erbringende Leistung so genau bezeichnet werden, dass der Schuldner erkennt, was der Gläubiger fordern will. Die Mahnung ist eine empfangsbedürftige Erklärung. Ob im Einzelfall die Anforderungen an die Bestimmtheit und Deutlichkeit erfüllt sind, ist aufgrund der konkreten Umstände durch Auslegung - unter Anwendung des Vertrauensprinzips - zu ermitteln.

Im vorliegenden Fall verletzte die Vorinstanz kein Bundesrecht, indem sie akzeptierte, dass die Klägerin die Wiederaufnahme der Arbeiten und nicht die endgültige Lieferung der Maschinen angemahnt hatte (E. 6.2.3).

Nachfrist und Vergleichsgespräche - Solange der Gläubiger sein Wahlrecht im Sinne von Art. 107 OR nicht getroffen habe, könne er dem Schuldner eine neue Nachfrist ansetzen. Eine generelle Frist, innert der eine erneute Nachfrist anzusetzen wäre, würden Rechtsprechung und Lehre nicht statuieren. Der Gläubiger habe lediglich die Grundsätze von Treu und Glauben einzuhalten. Im vorliegenden Fall vergingen zwischen der ersten und der zweiten Mahnung mehrere Monate. In der Zwischenzeit standen die Parteien weiterhin in Kontakt, jedoch ohne dass der Bauherr ausdrücklich eine Wahl im Sinne von Artikel 107 OR getroffen hatte. In diesen Verhandlungen ist eine implizite Verlängerung der Nachfrist zu sehen, auch wenn diese nicht mit einem konkreten Datum versehen ist und daher keine zusätzlichen Verzögerungswirkungen auslösen kann (E. 6.3).

Vorprozessuale Anwaltskosten - Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung können vorprozessuale Anwaltskosten Bestandteil des Schadens bilden, aber nur wenn sie gerechtfertigt, notwendig und angemessen waren, der Durchsetzung der Schadenersatzforderung dienen und nur soweit, als sie nicht durch die Parteientschädigung gedeckt sind. Die Partei, die den Ersatz vorprozessualer Anwaltskosten einklagt, hat substanziiert darzutun, das heisst die Umstände zu nennen, die dafür sprechen, dass die geltend gemachten Aufwendungen haftpflichtrechtlich als Bestandteil des Schadens zu betrachten sind, mithin gerechtfertigt, notwendig und angemessen waren, der Durchsetzung der Schadenersatzforderung dienen und nicht durch die Parteientschädigung gedeckt sind (E. 9.1).

Wie die Beklagte zu Recht ausführt, werden vorprozessuale Anwaltskosten in der Regel mit der Parteientschädigung entgolten. Dies gilt namentlich im Anwendungsbereich der ZPO. Sie können nur ausnahmsweise separat als Schaden eingeklagt werden (E. 9.2.2).

Im vorliegenden Fall hat die Vorinstanz der Klägerin Anwaltskosten zugesprochen, die zu einem Zeitpunkt angefallen sind, als realistischerweise bereits mit einem möglichen Prozess zu rechnen war, so dass sie von einer falschen Schadensabgrenzung ausging, als sie der Klägerin vorprozessuale Anwaltskosten zusprach (E. 9.2.2 und 9.3).

Interne Schiedsgerichtsbarkeit

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Werkvertrag

Werkvertrag

BGer 4A_238/2021 vom 08. Februar 2022

Werkvertrag; Werkvergütung; Art. 374 OR

Dispositiver Charakter von Art. 374 OR – Mangels einer vorherigen Vereinbarung über den Preis des Werkes gibt es keinen Grund, von der allgemeinen und subsidiären Regel des Art. 374 OR abzuweichen, wonach der Preis in diesem Fall nach dem Wert der Arbeit und den Aufwendungen des Unternehmers zu bestimmen ist (E. 2.2).

Obiter dictum – Im vorliegenden Fall wurde der Preis des Werkes, der nach dem Wert der Arbeit und den Aufwendungen des Unternehmers (Art. 374 OR) bestimmt werden sollte, in Wirklichkeit nach den Regietarifen eines Berufsverbandes festgelegt. Dieses Vorgehen war zulässig, da es sich nach Aussage des Sachverständigen um eine übliche Praxis handelte. Es wird darauf hingewiesen, dass man sich nicht mit dem Nachweis einer solchen Übung begnügen dürfe, wenn die einschlägige Gesetzesbestimmung - hier Art. 374 OR - nicht darauf verweist: Eine ausdrückliche oder stillschweigende Einbeziehung durch die Parteien müsse nachgewiesen werden, gegebenenfalls indirekt durch Verweis auf die Übung, die die genannten Tarife einschließt. Da Rüge nicht diesbezüglich erhoben wurde, wird die Beschwerde abgewiesen (E. 2.3).

Werkvertrag

Werkvertrag

Werkpreis

Werkpreis

BGer 4A_455/2021 vom 26. Januar 2022

Werkvertrag; Einschluss der SIA-Norm 118 und Verhandlungsgrundsatz; Art. 55 ZPO; 102-107 OR; 153-155 und 190 SIA-Norm 118

Integration der SIA-Norm 118. Die SIA-Norm 118 ist das Regelwerk des privaten Schweizerischen Ingenieur- und Architektenvereins. Nach der Praxis des Bundesgerichts kommt Regelwerken privater Organisationen auch dann nicht die Qualität von Rechtsnormen zu, wenn sie sehr detailliert und ausführlich sind wie beispielsweise die SIA-Norm 118. Das Bundesgericht anerkennt die SIA-Norm 118 nicht als regelbildende Übung und stellt nur darauf ab, wenn die Parteien sie zum Vertragsinhalt erhoben haben. Beruft sich eine Partei auf die SIA-Norm 118, dann hat sie zu behaupten und zu beweisen, dass diese Vertragsbestandteil geworden ist. Es ist nicht willkürlich, die SIA-Norm als notorisch zu bezeichnen (E. 5.2).

Verhandlungsmaxime bei Aufnahme der SIA-Norm 118. Wenn die SIA-Norm 118 in den Vertrag aufgenommen wird, ist es dem Gericht unbenommen, im Rahmen der Rechtsanwendung von Amtes wegen das gesamte Vertragswerk unter Einschluss der global übernommenen SIA-Norm 118 zu würdigen. Ebenso kann das Gericht aus den einzelnen Vertragsbestimmungen Schlüsse mit Bezug auf die vertraglichen Pflichten ziehen, auch wenn die Parteien ihren Anspruch nicht im Einzelnen auf die einschlägigen Vertragsabreden abstützen. Es liegt keine Verletzung des Verhandlungsgrundsatzes vor (E. 5.3.2).

Im vorliegenden Fall durfte die Vorinstanz ohne Verletzung von Bundesrecht die im Werkvertrag explizit enthaltenen Zahlungsfristen für die Berechnung der Verzugszinsen heranziehen und die Frist von Art. 154 der SIA-Norm 118 ausklammern (E. 5.3.3). Die Vorinstanz hat jedoch einen Berechnungsfehler begangen, so dass die Beschwerde teilweise gutgeheissen wird (E. 5.3.4).

Werkvertrag

Werkvertrag

SIA Normen

SIA Normen

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BGer 4A_59/2021 vom 25. Januar 2022

Mäklervertrag; Mäklerlohn; Art. 412 und 413 OR

Mäklerlohn (Erinnerung an die Prinzipien) – Durch den Mäklervertrag erhält der Mäkler gemäss Art. 412 Abs. 1 OR den Auftrag, gegen eine Vergütung Gelegenheit zum Abschluss eines Vertrages nachzuweisen (Nachweismäkelei) oder den Abschluss eines Vertrages zu vermitteln (Vermittlungsmäkelei). Der Mäklervertrag steht im Allgemeinen unter den Vorschriften über den einfachen Auftrag (Art. 412 Abs. 2 OR).

Ist der Mäkler vertraglich verpflichtet, den Abschluss des Vertrages zu vermitteln, so bestimmt sich der Umfang seiner Pflichten nach der vertraglichen Abrede oder der Natur des Geschäfts. Ohne anderslautende Vereinbarung setzt der Anspruch auf den Mäklerlohn einen Kausalzusammenhang zwischen der Tätigkeit des Mäklers und dem tatsächlichen Zustandekommen des Hauptvertrags bzw. des Zielgeschäfts voraus, wobei ein psychologischer Zusammenhang zwischen den Bemühungen des Mäklers und dem Entschluss des Dritten ausreicht. Der psychologische Zusammenhang kann auch bestehen, wenn zwischenzeitlich die Verhandlungen abgebrochen wurden. Es schadet auch nicht, wenn der Mäkler nicht bis zum Abschluss des Vertrages involviert war oder ein anderer Mäkler eingeschaltet wurde. In einem solchen Fall liegt nur dann kein genügender psychologischer Zusammenhang vor, wenn die Tätigkeit des Mäklers zu keinem Resultat geführt hat, die Verhandlungen definitiv abgebrochen wurden und der Verkaufsabschluss schliesslich auf einer ganz neuen Basis abgeschlossen wurde.

Der Mäkler muss, unter Vorbehalt einer anders lautenden Vereinbarung, beweisen, dass seine Intervention – bei der Vermittlungsmäkelei seine Vermittlung, bei der Nachweismäkelei die Nachweisbemühungen des Mäklers – zum vertraglich definierten Erfolg geführt hat. Nach Art. 413 Abs. 1 OR ist der Mäklerlohn verdient, sobald der Vertrag infolge des Nachweises oder der vereinbarten Vermittlung zustande gekommen ist. Dass typischerweise der Mäklerlohn nur verdient ist, wenn der Vertrag mit dem nachgewiesenen Partner oder durch Vermittlung des Mäklers zustande kommt, schliesst nicht aus, dass Aufwendungsersatz (Art. 413 Abs. 3 OR) oder ein Honorar auch für den Fall des Nichtzustandekommens des Vertrags zugesichert werden kann (E. 3.3.1).

Im vorliegenden Fall wird der Antrag auf Rechnungslegung abgelehnt, da die Beschwerdeführer weder konkret dargelegt haben, welche Originaldokumente sie nicht zurückerhalten hätten, noch einen Zusammenhang zwischen der angeblichen Verletzung der Sorgfaltspflicht durch die Beschwerdegegnerin und dem daraufhin geltend gemachten Anspruch auf Rückerstattung des Honorars hergestellt haben. Die Forderung nach Rückerstattung des Honorars wird ebenfalls zurückgewiesen, da sich der Makler lediglich verpflichtet hatte, einen Käufer für einen Mindestpreis zu finden, eine Aufgabe, die er erfolgreich erfüllt hat. In diesem Fall ist es unerheblich, ob die Beklagte den Maklervertrag erfüllt und das Honorar verdient hat oder mit wem der Makler außer der späteren Käuferin der Immobilie noch verhandelt hat, da feststeht und unbestritten ist, dass die Immobilie dank der Bemühungen des Maklers verkauft wurde (E. 3.3).

Analyse von Marcel Eggler

Contrat de courtage; obligation de diligence; obligation de rendre compte; art. 413a CO; 8 CC; 221 al. 1 let. D; 222 CPC

Mäklervertrag

Mäklervertrag

BGer 4A_341/2021 vom 15. Dezember 2021

Immobilienkaufvertrag; Vertretung; Art. 32 und 33 OR

Voraussetzungen für die Gültigkeit der Vertretung. Nach dem System der Art. 32 ff. OR ist der Vertretene in drei Fällen gebunden, wenn der Vertreter, der den Vertrag abschließt, zu erkennen gibt, dass er im Namen des Vertretenen handelt: (1) wenn der Vertretene dem Vertreter im Innenverhältnis die erforderlichen Vollmachten erteilt hatte (Innenvollmacht; Art. 32 Abs. 1 OR). 1 OR); (2) wenn der Vertretene dem Vertreter keine internen Vollmachten erteilt hat, wenn der Dritte aus dem Verhalten des Vertretenen im Aussenverhältnis auf das Bestehen solcher Vollmachten schliessen konnte (Anscheinsvollmacht; Art. 33 Abs. 3 OR); und (3) wenn der Vertretene dem Vertreter keine internen Vollmachten erteilt hat, wenn der Vertretene den Vertrag ratifiziert hat (Art. 38 Abs. 1 OR). Diese Regeln sind auch anwendbar, wenn der Vertretene eine Aktiengesellschaft ist (E. 4.1).

Im vorliegenden Fall kann das Vorliegen einer Ratifizierung für Sanierungsarbeiten im Zusammenhang mit einer nach dem Verkauf festgestellten Verschmutzung des Grundstücks nicht angenommen werden, wenn der Ansprechpartner, der über eine zeitlich begrenzte und ausdrücklich auf den Abschluss des Kaufvertrags beschränkte Vollmacht verfügte, diese lediglich auf einem Schreiben der Käuferpartei mit seinem Visum versehen hat (E. 6.4).

Kaufvertrag

Kaufvertrag

Mängel/Garantie

Mängel/Garantie

BGer 5A_664/2021 vom 15. November 2021

Bauhandwerkerpfandrecht; Dispositionsgrundsatz ; Verteilung des Pfandbetrages auf die Stockwerkeinheiten; Art. 56 und 58 ZPO; 839 ZGB

Art. 58 Abs. 1 ZPO sieht vor, dass das Gericht einer Partei nicht mehr oder etwas anderes zusprechen darf, als beantragt wurde, und nicht weniger, als von der Gegenpartei anerkannt wurde (ne eat iudex ultra petita partium). Dies ist die wichtigste Konsequenz der Dispositionsmaxime, die der verfahrensrechtliche Ausdruck des Grundsatzes der Privatautonomie ist. Es ist allein Sache der Parteien, zu entscheiden, ob sie einen Prozess einleiten und was sie darin fordern oder anerkennen wollen (E. 3.1).

Der Richter, der mit einer Klage auf Eintragung eines gesetzlichen Baupfandrechts auf dem Stammgrundstück befasst ist, während die Stockwerkanteile bereits belastet sind, ist nach der Dispositionsmaxime nicht berechtigt, das Pfandrecht auf die Stockwerkanteile von Amtes wegen zu verteilen, sondern muss die Klage des Unternehmers abweisen (E. 3.4).

Interne Schiedsgerichtsbarkeit

Interne Schiedsgerichtsbarkeit

Bauhandwerkerpfandrecht

Bauhand-werkerpfandrecht

BGer 5A_86/2021 vom 02. November 2021

Werkvertrag; Einbeziehung der SIA-Norm 118 als Allgemeine Vertragsbedingungen; Art. 93 ZPO; SIA 118

Aufnahme der SIA-Norm 118 in den Werkvertrag - Grundsätze. Die Geltung vorformulierter allgemeiner Geschäftsbedingungen, zu denen auch die SIA-Norm 118 zählt wird durch die Ungewöhnlichkeitsregel eingeschränkt. Danach sind von einer global erklärten Zustimmung zu allgemeinen Vertragsbedingungen alle ungewöhnlichen Klauseln ausgenommen, auf deren Vorhandensein die zustimmende Partei nicht gesondert aufmerksam gemacht worden ist. Die Ungewöhnlichkeit beurteilt sich aus der Sicht des Zustimmenden im Zeitpunkt des unter Berücksichtigung des Einzelfalls. Zu berücksichtigen ist unter anderem, ob der Zustimmende geschäfts- und branchenkundig ist: Je weniger geschäfts- oder branchenerfahren er ist, umso eher wird eine Klausel für ihn ungewöhnlich sein. So können branchenübliche Klauseln für einen Branchenfremden ungewöhnlich sein, für einen Branchenkenner demgegenüber nicht. Branchenkenntnis oder Geschäftserfahrung schliesst aber die Ungewöhnlichkeit nicht zwingend aus. Auch für einen Branchenkundigen oder Geschäftserfahrenen kann eine AGB-Klausel unter Umständen ungewöhnlich sein. Die Ungewöhnlichkeitsregel ist ein Instrument der Konsenslehre; sie konkretisiert das Vertrauensprinzip, das den Schutz von Treu und Glauben im Geschäftsverkehr bezweckt und nicht primär darauf abzielt, die schwächere oder unerfahrene Partei vor der stärkeren oder erfahreneren zu schützen (E. 3.1.1).

Die bloße Berufung auf eine negative Tatsache, in diesem Fall die vom Meister angeführte Unerfahrenheit, verpflichtet den Unternehmer nicht dazu, die Erfahrung seines Vertragspartners zu beweisen, da andernfalls die Beweislast umgekehrt würde. Der Bauunternehmer kann sich somit darauf beschränken, die Unerfahrenheit seines Vertragspartners zu bestreiten (Bestreitungslast), was dem Vertragspartner eine Pflicht auferlegt, die Tatsache zu beweisen, aus der er ein Recht ableitet, nämlich die Anwendung der Insolvenzregel zu seinen Gunsten (E. 3.1.5.2).

Der Bauherr beruft sich auf die Aufrechnung mit dem Zahlungsanspruch aufgrund von Mängeln, die mit der mangelhaften Ausführung zusammenhängen. Der Bauunternehmer beruft sich auf die Abnahme der Sache nach der SIA-Norm 118 und die Anerkennung der Schlussabrechnung ohne Mängelanzeige, um den Schadenersatzanspruch im Zusammenhang mit den durch Gerichtsgutachten anerkannten Mängeln zu bestreiten. Das Gericht darf seine Prüfung nicht auf die Ansprüche des Klägers beschränken, sondern muss alle zur Verrechnung geltend gemachten Gegenansprüche prüfen (E. 3.2).

Es ist nicht zu beanstanden, dass die kantonalen Instanzen für die Berechnung des Streitwerts die Streitwerte der geltend gemachten Ansprüche auf Bezahlung des Werks und auf definitive Eintragung des Bauhandwerkerpfandrechts zusammenrechnen, da die Rechtsfragen unterschiedlich sein können, insbesondere was die Einhaltung der 4-Monats-Frist betrifft (E. 5.3).

Werkvertrag

Werkvertrag

SIA Normen

SIA Normen

Interne Schiedsgerichtsbarkeit

Interne Schiedsgerichtsbarkeit

BGer 4A_155/2021 vom 30. September 2021

Architektenvertrag; Gutachten; Ausstand; Art. 49 und 50 ZPO

Zuständigkeit für die Ernennung eines Sachverständigen. Die Entscheidung über die Ernennung eines Sachverständigen und die Entscheidung über Ablehnungsgründe, die vor der Ernennung artikuliert wurden, ist eine prozessleitende Verfügung, deren Zuständigkeit an ein Mitglied des Gerichts delegiert werden kann (E. 4.4).

Befangenheit. Die gemeinsame Mitgliedschaft in einer öffentlichen oder privaten Institution, einem Club (Rotary, Lions Club etc.), einem Institut, einem Berufsverband, einer politischen Partei oder einer Religionsgemeinschaft ist nicht per se eine Befangenheit oder Voreingenommenheit, da sonst häufig die Gefahr bestünde, keinen Experten zu finden. Die Zugehörigkeit zu einer Interessengemeinschaft kann jedoch unter Umständen eine Ablehnung rechtfertigen, wenn der ideelle Zweck der Einheit in engem Zusammenhang mit dem Gegenstand des Verfahrens steht. Der Sachverständige wird nicht unbedingt abgelehnt, weil er einer bestimmten Denkschule oder wissenschaftlichen Methode anhängt, auch wenn die Schule oder Methode umstritten ist und sich auf das Ergebnis des Gutachtens auswirken kann. Voraussetzung ist allerdings, dass die Schule oder Methode wissenschaftlich anerkannt ist und nicht offensichtlich veraltet ist oder in Fachkreisen auf breiter Basis abgelehnt wird. Die wissenschaftlichen Auffassungen des Gutachters dürfen nicht ausschliesslich den Standpunkt einer der Parteien schützen und den Eindruck erwecken, dass das Schicksal des Prozesses nicht mehr offen ist (E. 5.2).

Im vorliegenden Fall lassen die Funktionen des zum Sachverständigen ernannten Architekten als Vizepräsident der International Union of Architects (UIA) und als Ehrenmitglied des Schweizerischen Ingenieur- und Architektenvereins (SIA) keinen Anschein von Voreingenommenheitoder Befangenheit erkennen (E. 5.3).

Interne Schiedsgerichtsbarkeit

Interne Schiedsgerichtsbarkeit

Gutachten

Gutachten

BGer 4A_627/2020 vom 24. August 2021

Immobilienkaufvertrag; Wegbedingung der Gewährleistungen; Art. 199 und 200 OR

Haftung der Grundstückverkäufers. Die Haftung des Verkäufers ist bei erwarteten Eigenschaften weniger streng als bei zugesicherten Eigenschaften, da im ersten Fall der Mangel (zumindest) zu einer erheblichen Minderung des beabsichtigten Nutzens oder des (objektiven) Wertes der Sache führen muss. Wie hoch die Anforderungen an die erwartete Qualität sind, hängt vom Inhalt des Vertrags, den Regeln des guten Glaubens und den sonstigen Umständen des konkreten Falles ab. Generell ist der Wert- oder Nutzungsverlust beachtlich, wenn der Käufer den Vertrag nicht oder zu anderen Bedingungen abgeschlossen hätte, wenn er den Mangel gekannt hätte (E. 4.1).

Arglistige Verschweigen. Das "arglistige Verschweigen" im Sinne von Art. 199 OR umfasst Verhaltensweisen der absichtlichen Täuschung und Irreführung. Sie liegt insbesondere vor, wenn der Verkäufer seinen Vertragspartner nicht auf einen Mangel hinweist, obwohl er eine Informationspflicht hat, die sich aus den Regeln des guten Glaubens ergeben kann. Ob eine Informationspflicht besteht, hängt von den Umständen des konkreten Falles ab. Der Verkäufer ist verpflichtet, den Käufer eines Besseren zu belehren, wenn er weiß - oder wissen sollte -, dass der Käufer über die Eigenschaften des Gegenstandes irrt, oder wenn es sich um einen (insbesondere versteckten) Mangel handelt, mit dem der Käufer nach Treu und Glauben nicht rechnen konnte und der für den Käufer von Bedeutung ist. Dies setzt voraus, dass der Verkäufer tatsächlich Kenntnis von dem Mangel hat. Unkenntnis aufgrund von selbst grober Fahrlässigkeit reicht nicht aus. Die Kenntnis muss nicht unbedingt vollständig sein oder sich auf alle Einzelheiten beziehen; es reicht aus, dass der Verkäufer ausreichend über die Ursache, die den Mangel verursacht, orientiert ist, so dass er nach dem Grundsatz von Treu und Glauben verpflichtet ist, den Käufer darüber zu informieren. Der Verkäufer ist von der Pflicht zur Information des Käufers befreit, wenn er in gutem Glauben davon ausgehen kann, dass der Käufer sich selbst informieren wird, dass er den Mangel ohne weiteres, ohne Schwierigkeiten entdecken wird. Das Verschweigen muss absichtlich geschehen; Eventualvorsatz genügt (E. 4.2).

Ein Verstoß gegen Art. 199 OR ist daher nicht auf der Grundlage von Garantien denkbar, die dem Käufer nicht gegeben wurden (E. 6.2).

Kaufvertrag

Kaufvertrag

Mängelgewährleistung

Mängelgewährleistung