BGE 150 III 63, BGer 5A_941/2022 vom 12. Dezember 2023

Baurecht; Vorzeitiges Heimfallrecht; Verletzung der Unterhalts- und Betriebspflicht; formelle Voraussetzungen für das Heimfallrecht; Art. 779f ff. ZGB; 107-108 OR

Vorzeitiges Heimfallrecht (Art. 779f bis 779h ZGB) – Das vorzeitige Heimfallrecht eines Baurechts erlaubt es, dem Eigentümer des Grundstücks, unter strengen, gesetzlich festgelegten Bedingungen dem Bauberechtigten die Dienstbarkeit zu entziehen. Dieser Heimfall ist an zwei Bedingungen geknüpft: zum einen an eine schwere Pflichtverletzung des Bauberechtigten und zum anderen an die Zahlung einer angemessenen Entschädigung durch den Eigentümer (E. 3).

Verletzung der Unterhalts- und Betriebspflicht – Im vorliegenden Fall wurde ein Baurecht von einer Gemeinde, die Eigentümerin ist, an ein Unternehmen vergeben, das einen Hotelkomplex betreibt. Trotz mehrerer aufeinanderfolgender Änderungen des Erbbaurechtsvertrags und eines Wechsels des Bauberechtigten wurde die Klausel, die die Instandhaltung der bestehenden Gebäude verlangte, nie geändert oder zurückgezogen. Zudem bestand ungeachtet des Vorhabens, anstelle des Hotel-Restaurants einen neuen Gebäudekomplex zu errichten, ein Interesse der Gemeinde, den Zustand des Gebäudes nicht irreversibel zu machen. Somit bestätigte das Bundesgericht, dass die Verpflichtungen der Bauberechtigten fortbestanden (E. 5). Dem Bauberechtigten gelingt es nicht, die Willkür der Feststellungen der Vorinstanz aufzuzeigen, wonach das verfallende Hotel-Restaurant zum Zeitpunkt der Vertragsauflösung zweifellos seit mehreren Jahren an mangelndem Unterhalt litt (E. 6). Er konnte auch nicht nachweisen, dass es willkürlich war, dass er eine Verpflichtung zum Betrieb eines Hotel-Restaurants hatte (E. 7.1). Im Übrigen kann die Suche nach einem anderen Betreiber nicht mit einem Betrieb gleichgesetzt werden (E. 7.4).

Formelle Voraussetzungen für die Ausübung des vorzeitigen Heimfallrechts – Der Mehrheitslehre folgend, entscheidet das Bundesgericht über die analoge Anwendung von Art. 107 OR auf die Ausübung des Heimfallrechts. Bei einer Pflichtverletzung des Bauberechtigten muss ihn der Eigentümer unter Ansetzung einer Nachfrist auffordern, den rechtmässigen Zustand herzustellen oder seinen vertraglichen Verpflichtungen nachzukommen. Diese Formalität kann jedoch nicht auferlegt werden, wenn es angesichts des Verhaltens des Bauberechtigten von vornherein klar ist, dass sie wirkungslos bleiben wird (Art. 108 Ziff. 1 OR), was eine klare und endgültige Weigerung des Bauberechtigten voraussetzt, den vertragsgemässen Zustand herzustellen (E. 8.3.2.1). Im vorliegenden Fall hat die Gemeinde die Bauberechtigte nicht rechtsgültig aufgefordert, ihren Unterhalts- und Betriebsverpflichtungen innert einer angemessenen Frist nachzukommen. Ein Schreiben des Eigentümers, in dem er behauptet, dass die Bauberechtigte ihren Unterhalts- und Betriebsverpflichtungen nicht nachkommt, und in dem er darauf hinweist, dass diese Verletzungen vorzeitig zurückgegeben werden können, ist nicht ausreichend, da es nicht verlangt, dass innerhalb einer bestimmten Frist Arbeiten durchgeführt oder der Betrieb wieder aufgenommen werden muss. Folglich wird der Fall zurückgewiesen, damit das Kantonsgericht über die Frage entscheiden kann, ob die Umstände es der Gemeinde erlaubten, auf eine Interpellation in Anwendung von Art. 108 Ziff. 1 OR zu verzichten (E. 8.4).

Dienstbarkeit

Dienstbarkeit

Allgemeiner Teil OR

Allgemeiner Teil OR

Zur Publikation vorgesehen

Zur Publikation vorgesehen

Analyse

Analyse

Analyse des Urteils BGE 150 III 63, BGer 5A_941/2022

Marcel Eggler

27. Februar 2024

Zur Bedeutung der Festlegung einer Nachfrist bei der Ausübung des Rechts auf vorzeitigen Heimfall eines Baurechts