BGer 5A_9/2024 vom 7. August 2024
Dienstbarkeit; Überragende Bauten; Verhältnis zwischen überragenden Bauten und Stockwerkeigentum; Voraussetzungen für das Recht auf eine Dienstbarkeit; Art. 674, 675, 712a ss ZGB
Überragende Bauten (Art. 674 ZGB) – Wiederholung der Grundsätze (E. 4.1). Definition des Begriffs « Überragend » – Zusammenfassung der Grundsätze. Räume oder Räumlichkeiten, die sich teilweise oder sogar vollständig auf zwei aneinandergrenzenden Parzellen befinden, die zwei verschiedenen Eigentümern gehören, sind unter folgenden Bedingungen ebenfalls als überragende Bauten gleichzusetzen : Der betreffende Raum muss sich in einem Gebäude befinden, das mit dem Hauptgebäude auf dem herrschenden Grundstück durch eine Trennwand oder zwei aneinandergrenzende Aussenwände verbunden ist ; er ist vom Hauptgebäude aus durch eine Öffnung in der Wand oder in den Wänden direkt zugänglich und er bildet eine funktionelle Einheit mit dem Hauptgebäude (E 4.3).
Verhältnis zwischen überragenden Bauten und Stockwerkeigentum – Die oben genannten Bedingungen sollen verhindern, dass eine Überbaudienstbarkeit dazu dient, die Bestimmungen des Stockwerkeigentums zu umgehen (vgl. Art. 675 Abs. 2 ZGB in Verbindung mit Art. 712a ff. ZGB). Die Zuweisung des Dachbodens an einen der beiden Eigentümer eines Chalets, das in zwei verschiedene Teile getrennt ist, die jeweils frei zugänglich sind und über keinen gemeinsamen Teil verfügen, stellt eine Dienstbarkeit dar, die die Bestimmungen des Stockwerkeigentums nicht umgeht. Tatsächlich wird die strukturelle Unabhängigkeit des Objekts gewahrt, da das Dachgeschoss nur vom herrschenden Grundstück aus zugänglich ist (E. 6.2).
Voraussetzungen für das Recht auf eine Dienstbarkeit (Art. 674, 675 ZGB) – Wiederholung der Grundsätze. Hat der geschädigte Eigentümer, nachdem er vom Eingriff Kenntnis hatte, nicht rechtzeitig Einspruch erhoben (1. Voraussetzung), so kann der Erbauer von Bauten und anderen Werken, wenn er gutgläubig ist (2. Voraussetzung) und wenn es die Umstände erlauben (3. Voraussetzung), verlangen, dass ihm der Verstoss gegen Zahlung einer angemessenen Entschädigung als dingliches Recht zugewiesen wird, wobei letztere jedoch keine Voraussetzung für das Bestehen des vom Gericht zugewiesenen Rechts ist (E. 4.2). Eine Einsprache gegen den Bau, die fünfzehn Jahre nach dem Bau erfolgt, ist nicht rechtzeitig erfolgt (E. 6.1.2).