BGer 4A_502/2022 und 4A_504/2022 vom 12. September 2023
Mäklervertrag; Abschluss und Auslegung des Vertrags; Gehalt des Maklers; Art. 18 und 413 OR
Abschluss und Auslegung eines Vertrags (Art. 18 OR) – Erinnerung an die Grundsätze (E. 3.1). Der Grundsatz « in dubio contra stipulatorem » ist nur subsidiär auf die Auslegung nach dem Vertrauensprinzip anwendbar (E. 3.1.6).
Lohn des Maklers – Die Regel des Art. 413 Abs. 1 OR über den Anspruch des Maklers auf seinen Lohn hat keinen zwingenden, sondern dispositiven Charakter : Die Parteien können insbesondere vereinbaren, dass die Provision auch dann geschuldet ist, wenn der Hauptvertrag nicht abgeschlossen wird, oder umgekehrt, dass sie nur unter der Bedingung geschuldet ist, dass der Vertrag nicht nur abgeschlossen, sondern auch erfüllt wird. Hinsichtlich der Bedingung, dass der Auftraggeber den Hauptvertrag tatsächlich mit einem Dritten abgeschlossen hat, ist die Äquivalenzregel zu beachten, bei der es sich um eine Auslegungsregel handelt. Nach dieser ist es nicht erforderlich, dass zwischen dem erwarteten Geschäft und dem abgeschlossenen Hauptvertrag rechtliche Identität besteht, sondern es reicht aus, dass zwischen beiden eine wirtschaftliche Äquivalenz besteht. Ist die Tätigkeit des Maklers zudem teilweise erfolgreich, z. B. beim Verkauf von zwei der vier im Maklervertrag vorgesehenen Grundstücke, ist davon auszugehen, dass der Anspruch des Maklers entsprechend dem erzielten Teilerfolg zu kürzen ist (E. 4.1).
Im vorliegenden Fall hatten die Parteien keine verbindliche Spanne für den Verkaufspreis festgelegt, da die entsprechende Klausel nur indikativen Charakter hatte. Der Makler hatte somit Anspruch auf eine Provision, die auf den gesamten Verkaufspreis berechnet wurde, und nicht auf eine reduzierte Provision in Anwendung von Art. 413 OR und des Äquivalenzprinzips, die bei Vorliegen einer gegenteiligen Vertragsklausel nicht anwendbar sind (E. 4.3).