BGer 5A_280/2021 vom 17. Juni 2022
Bauhandwerkerpfandrecht; Beweismass und Substanziierung; Art. 837 ff und 961 Abs. 3 ZGB; 55 ZPO; 98 BGG
Eintretensvoraussetzungen – Entscheide im Zusammenhang mit der vorläufigen Eintragung von Bauhandwerkerpfandrechten gelten als vorsorgliche Massnahmen im Sinne von Art. 98 BGG. Die Beschwerdeführerin kann vor Bundesgericht daher nur die Verletzung verfassungsmässiger Rechte rügen (E. 2).
Hinreichende Glaubhaftmachung der Berechtigung des Handwerkers – Das Gericht bewilligt die Vormerkung der vorläufigen Eintragung des Bauhandwerkerpfandrechts, nachdem der Ansprecher seine Berechtigung glaubhaft gemacht hat (Art. 961 Abs. 3 ZGB). Für die Angelegenheit gilt das summarische Verfahren (Art. 249 Bst. d Ziff. 5 ZPO). An die Glaubhaftmachung, wie sie Art. 961 Abs. 3 ZGB verlangt, werden weniger strenge Anforderungen gestellt, als es diesem Beweismass sonst entspricht (BGE 137 III 563 E. 3.3 mit Hinweisen). Aufgrund der besonderen Interessenlage darf die vorläufige Eintragung eines Bauhandwerkerpfandrechts nur verweigert werden, wenn der Bestand des Pfandrechts als ausgeschlossen erscheint oder höchst unwahrscheinlich ist ; im Zweifelsfall, bei unklarer oder unsicherer Rechtslage, ist die vorläufige Eintragung zu bewilligen und die Entscheidung dem ordentlichen Richter zu überlassen.
Bestreitung der funktionalen Einheit zwischen dem Nachtrag betreffend die Erstellung eines Balkons und dem ursprünglichen Werkvertrag angesichts der Vorgaben des Werkvertragsrechts und gestützt auf die eingereichten Unterlagen für den einheitlichen Fristenlauf des Pfandrechts. Die Bestreitung einzelner Positionen muss noch möglich sein (E 3.4.2).
Beweismass und Verhandlungsmaxime - Sodann täuscht sich die Beschwerdeführerin, wenn sie die Anforderungen an die Glaubhaftmachung im Sinne von Art. 961 Abs. 3 ZGB mit den Anforderungen an die Tatsachenbehauptung und -substanziierung gleichsetzt bzw. meint, mit dem reduzierten Beweismass der Glaubhaftmachung, insbesondere der Glaubhaftmachung im Sinne von Art. 961 Abs. 3 ZGB, seien im Summarverfahren auch die Behauptungs- und Substanziierungsanforderungen herabgesetzt.[…] Das Beweismass ist eine Regel, die sich in erster Linie an das Gericht richtet. Das ist der Massstab, nach dem das Gericht beurteilt, ob eine streitige rechtserhebliche Tatsache aufgrund der dazu offerierten Beweismittel mit Blick auf die verlangte Rechtsfolge als wahr zu unterstellen ist. Auch wenn es sich für diese Unterstellung (aufgrund einer gesetzlichen Vorgabe wie Art. 961 Abs. 3 ZGB) mit der blossen Glaubhaftmachung begnügt, muss sich das Gericht zunächst Gewissheit darüber verschaffen können, zu welchen Tatsachen es Beweise abzunehmen hat. Das Gericht in diese Lage zu versetzen, ist – jedenfalls unter der Herrschaft des Verhandlungsgrundsatzes (Art. 55 Abs. 1 ZPO) – die Aufgabe der Parteien : mit der Tatsachenbehauptung und -substanziierung haben sie es in der Hand, eine bestimmte Tatsache als streitig gelten zu lassen und damit zum Gegenstand des Beweises zu machen (Art. 150 ZPO). Gelingt es einer Partei nicht, eine bestrittene Tatsache hinreichend zu substanziieren, so erübrigt sich eine Beweisabnahme, weil diesfalls die gegnerische Tatsachenbehauptung als anerkannt gelten muss.