BGer 5D_78/2022, 5D_79/2022 vom 31. Oktober 2022
Forderung; Nichtigkeit einer Entscheidung gegen unbestimmte Parteien; Verteilung der Gerichtskosten; Art. 641 Abs. 2 ZGB; 59, 66, 106 ff ZPO
Nichtigkeit einer Entscheidung – Die absolute Nichtigkeit einer Entscheidung kann jederzeit vor jeder Behörde geltend gemacht werden und muss von Amts wegen festgestellt werden. Sie trifft nur Entscheidungen, die mit den schwerwiegendsten Mängeln behaftet sind, die offenkundig oder zumindest leicht erkennbar sind; ihre Feststellung darf die Rechtssicherheit nicht ernsthaft gefährden. Außer in den vom Gesetz ausdrücklich vorgesehenen Fällen sollte die Nichtigkeit nur ausnahmsweise zugelassen werden, wenn die Umstände so sind, dass das System der Anfechtbarkeit offensichtlich nicht den erforderlichen Schutz bietet. Eine von vornherein nicht vollstreckbare Entscheidung wird mit Nichtigkeit belegt.
Es gibt eine Vielzahl von Situationen, in denen eine nichtige Entscheidung die Gültigkeit späterer Entscheidungen anderer Behörden beeinflussen kann. Man kann daher nicht alle Behörden aufzählen, die bei einer späteren Entscheidung (z. B. einer Vollstreckungsentscheidung) im Wege einer Vorabentscheidung feststellen können, dass die ursprüngliche Entscheidung mit einem solchen Mangel behaftet ist. Die Nichtigkeitstheorie bedeutet jedoch nicht, dass jede beliebige Behörde ungeachtet der Regeln, die ihre Zuständigkeit regeln, für die Feststellung der Nichtigkeit zuständig ist (E. 3.1).
Entscheid gegen unbestimmte Parteien in einer Forderungsklage – Im Rahmen einer Forderungsklage nach Art. 641 Abs. 2 ZGB hielt das Bundesgericht fest, dass die Durchsetzbarkeit der Zwangsvollstreckung gegenüber unberechtigten Besetzern, die nicht Partei des Zivilverfahrens sind, nicht von vornherein ausgeschlossen erscheint. Es bleibt jedoch dabei, dass die Forderungsklage als solche nur gegen denjenigen erhoben werden kann, der die Sache zum Zeitpunkt der Klageeröffnung besitzt, also eine bestimmte Person. Auch im Mietrecht hat das Bundesgericht entschieden, dass der Begriff der Abhängigkeit von Dritten, die ausgewiesen werden sollen, in Bezug auf eine bestimmte beklagte Partei zu bestimmen ist. Würde man das Gegenteil annehmen, würde man die Prüfung einer sowohl zulässigen als auch materiellen Voraussetzung für die Klage übergehen, da der Richter weder die Parteifähigkeit noch die Legitimation der beteiligten Personen überprüfen kann. Eine Entscheidung, die gegen einen unbestimmten Beklagten ergeht, ist nicht vollstreckbar und der Zweck des Zivilprozesses ist nicht erreichbar. Eine solche Entscheidung ist daher nichtig (E. 3.2). Im vorliegenden Fall ist ein Entscheid gegen ein « Kollektiv », das keine juristische Person ist und bei dem die Identität der natürlichen Personen unbekannt bleibt, nichtig; er verstösst gegen das Wesen des Zivilprozesses.
Kostenverteilung (Art. 106 ff. ZPO) – Art. 107 Abs. 1 ZPO regelt die Kostenverteilung abweichend von dem in Art. 106 ZPO vorgesehenen Grundsatz nur zwischen den Prozessparteien. Diese Ausnahmebestimmung kann nicht angewendet werden, um einem Dritten die Kosten aufzuerlegen. Einem Anwalt können in Anwendung dieser Bestimmung keine Kosten auferlegt werden (E. 3.3.2).
Unnötige Kosten (Art. 108 ZPO) – Unnötig verursachte Kosten werden der Person – einschließlich nicht beteiligter Dritter – auferlegt, die sie verursacht hat, unabhängig vom Ausgang der Sache. Unnötig sind Kosten, die in keiner Weise der Lösung des Streitfalls dienen oder die in einer Weise verursacht wurden, die dem Grundsatz der Verfahrensökonomie widerspricht. Dazu gehören in erster Linie Kosten, die durch das Verhalten einer Partei oder eines Dritten während des Prozesses zusätzlich zu den üblichen Kosten entstehen oder die ohnehin anfallen würden. So sind die Kosten, die in einem Verfahren entstanden sind, das von einem falsus procurator für eine Partei geführt wurde, die ihn nicht beauftragt hat, vom Vertreter ohne Vollmacht zu tragen. Nur die Kosten, die dieser unnötigerweise verursacht hat, können ihm im Sinne von Art. 108 ZPO auferlegt werden. Im vorliegenden Fall hätten den Anwälten keine Kosten auferlegt werden können, selbst wenn der erste Richter bei seiner Entscheidung die Unzulässigkeit der Klage festgestellt hätte. Da die Klage ohne Kenntnis der Identität des Beschwerdegegners eingereicht wurde und der erste Richter gegen unbekannte Personen ermittelte – die Vorladung enthielt keinen Namen und der Richter teilte den Beschwerdeführern nicht mit, dass ihre Vollmacht die Namen der vertretenen Personen nicht enthielt –, wäre die Unzulässigkeit der Klage nicht gegeben, er ihr Vorgehen nicht akzeptieren und ihre Feststellungen nicht berücksichtigen würde – rücken das Verhalten der Beschwerdeführer in den Hintergrund, die sich im Übrigen darauf beschränkten, zu der bereits anberaumten Anhörung zu erscheinen und Feststellungen zur Klageschrift einzureichen. Es ist daher nicht ersichtlich, welche unnötig verursachten Kosten den Beschwerdeführern anzulasten sind, wobei die Kausalität nur in Bezug auf ihr eigenes Verhalten, eine Partei zu vertreten, die ihre Identität nicht preisgeben will, beurteilt werden kann, und nicht in Bezug auf das rechtswidrige Verhalten der Partei, das zum Räumungsverfahren geführt hat, da Art. 108 ZPO keineswegs dazu bestimmt ist, den Rechtsuchenden vor Schwierigkeiten bei der Eintreibung von Forderungen zu schützen.