BGer 5A_79/2022 vom 16. November 2022

Stockwerkeigentum; Vetorecht für baulichen Massnahmen; Art. 647d, 712g ZGB

Bauarbeiten in einer Eigentumswohnung (Art. 712g in Verbindung mit 647d ZGB) – Wiederholung der Grundsätze. Instandsetzungs- und Umbauarbeiten, die den Wert der Sache erhöhen oder ihren Ertrag oder Nutzen verbessern sollen, werden mit der Mehrheit aller Miteigentümer beschlossen, die außerdem mit ihren Anteilen zusammen mehr als die Hälfte der Sache vertreten. Veränderungen, die dazu führen, dass ein Miteigentümer die Nutzung oder den Genuss der Sache gemäß ihrer gegenwärtigen Bestimmung erheblich und dauerhaft beeinträchtigt oder deren Ertrag gefährdet wird, dürfen nicht ohne seine Zustimmung vorgenommen werden (Art. 647d Abs. 2 ZGB). Diese Bestimmung ist zwingender Natur, so dass der Mit- oder Stockwerkeigentümer somit ein Vetorecht hat, das es ihm ermöglicht, sich gegen Lasten zu wehren, die im Vergleich zu denen der anderen Mitglieder der Gemeinschaft übermäßig sind. Diese erheblichen und dauerhaften Belastungen müssen objektiv sein und von einem durchschnittlichen Menschen als solche empfunden werden. Insbesondere sind Situationen zu berücksichtigen, in denen der Gebrauch oder die Nutzung der Sache für den bisherigen Zweck unrentabel wird, d.h. die geplanten Arbeiten verschlechtern die Möglichkeit, eine Wohnung zu vermieten oder weiterzuverkaufen (E. 3.1, inkl. am Schluss eine Kasuistik in der bundesrechtlichen und kantonalen Rechtsprechung).

Im vorliegenden Fall war der Stockwerkeigentümer einer Erdgeschosswohnung berechtigt, von seinem Vetorecht im Sinne von Art. 647d Abs. 2 ZGB bezüglich eines geplanten Baus eines neuen Gebäudeeingangs und eines Aufzugs Gebrauch zu machen. Tatsächlich bedeutete der Bau dieses Eingangs einen neuen Durchgang, der direkt in die Küche und das Esszimmer der Wohnung im Erdgeschoss führte und somit einen Verlust der Privatsphäre, zusätzliche Lärmbelästigung, den Verlust einer freien Aussicht sowie einen Verlust an natürlichem Licht mit sich brachte. Darüber hinaus bestand kein Zweifel daran, dass der betroffene Eigentümer deutlich stärker betroffen war als die Eigentümer der anderen Stockwerkeinheiten. Die Tatsache, dass das Bauprojekt die einzige architektonische Möglichkeit für den Einbau eines Eingangs mit Aufzug darstellte, ist irrelevant (E. 3.2 und 3.5.2).

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