BGer 4A_499/2022 vom 8. August 2023

Kaufvertrag; Fehlendr Masse der Immobilie; Zugesicherte und erwartete Qualität; Minderungsklage; Art. 197 ff., 219 OR

Gewährleistung (Art. 219 OR) – Ist das Mass des verkauften Grundstücks kleiner als im Kaufvertrag angegeben, weil die ungenaue Fläche aus einem im Grundbuch eingetragenen amtlichen Vermessungsverfahren resultiert, so ist der Verkäufer nur dann zur Gewährleistung verpflichtet, wenn er sich ausdrücklich dazu verpflichtet hat (Art. 219 Abs. 2 OR) ; betrifft die Ungenauigkeit ein Grundstück, das nicht Gegenstand einer im Grundbuch eingetragenen amtlichen Vermessung war, so haftet der Verkäufer für den Inhaltsmangel. Andere Mängel, wie z. B. der Mangel, der das Volumen eines Gebäudes betrifft, unterliegen der ordentlichen Regelung (Art. 197 ff. OR). Nach der Rechtsprechung ist Art. 219 OR nicht auf den Verkauf eines Anteils an einem Stockwerkeigentum anwendbar, da die Käufer einen Miteigentumsanteil und nicht ein Objekt erwerben, das durch eine im Grundbuch angegebene amtliche Vermessung abgegrenzt ist. Ein Flächenmangel im Vergleich zu den in den Vertragsgesprächen verwendeten Plänen unterliegt der ordentlichen Regelung (E. 3.1).

Mangel, zugesicherte und erwartete Qualität der verkauften Sache – Widerholung der Grundsätze (E. 4). Die Flächenangaben in den Plänen, die bei den Vertragsgesprächen vor Abschluss des Kaufvertrags über einen Stockwerkanteil verwendet wurden, sind zugesicherte Eigenschaften; der Käufer kann sich grundsätzlich auf sie verlassen, ohne ihre Richtigkeit vor Abschluss des Vertrags überprüfen zu müssen (E. 4.1.1.1).

Minderungsklage – Wiederholung der Grundsätze (E. 4.1.2). Nach der anwendbaren relativen Methode entspricht der geminderte Preis dem vereinbarten Preis, der mit dem Verhältnis zwischen dem objektiven Wert der Sache mit Mangel und dem Wert der Sache ohne Mangel multipliziert wird (E. 4.1.2.1). Um die Berechnung zu erleichtern, hat die Rechtsprechung eine Vermutung zugelassen, wonach davon ausgegangen wird, dass der objektive Wert der mangelfreien Sache dem von den Parteien vereinbarten Preis entspricht. Wenn diese Vermutung also nicht widerlegt wird, entspricht die Minderung des Preises einfach dem Minderwert (E. 4.1.2.2).

Im vorliegenden Fall war die Bewohnbarkeit einer 66.5 m2 grossen Fläche eines Zwischengeschosses eine versprochene und erwartete Eigenschaft der Sache; in der Tat war diese Fläche als solche in den Unterlagen der Verkäuferin aufgeführt. Die Tatsache, dass der Verkaufspreis unter dem Marktpreis lag, schließt das Vorliegen eines Mangels nicht aus. Der Preis kann auch von subjektiven Faktoren abhängen, wie dem Verhandlungsgeschick der Parteien, der Notlage des Verkäufers und dem Geschmack des Käufers. Im vorliegenden Fall gab es keine Anhaltspunkte dafür, dass der Käufer aus dem Verkaufspreis ableiten konnte, dass die Fläche von 66.5m2 unbewohnbar war (E. 4.2.2.3). Allerdings revidiert das Bundesgericht im vorliegenden Fall die Berechnung der Preisreduktion: Die Vorinstanz beliess es bei der Berechnung des Minderwerts, ohne eine anteilsmässige Reduktion des Minderwerts vorzunehmen. Ein Gutachten hatte jedoch klar gezeigt, dass der objektive Wert des mangelfreien Gutes den Verkaufspreis bei weitem übersteigt und damit die Vermutung widerlegt (E. 4.3.2).

Kaufvertrag

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Stockwerkeigentum

Stockwerk-eigentum

Mängel/Garantie

Mängel/Garantie

Werkpreis

Werkpreis