BGer 5A_676/2023 vom 8. Dezember 2023

Schuldbetreibung und Konkurs; Verfahren zur Schätzung einer Immobilie; Schätzungsmethode; Rolle der Schätzung; Art. 91, 97, 112, 140, 155 SchKG; 9, 44 VZG

Verfahren zur Schätzung einer Immobilie (Art. 97 Abs. 1 SchKG und 9 Abs. 1 VZGV) – Das Betreibungsamt nimmt die Schätzung der Immobilien im Rahmen der Pfändungsoperationen vor. Es erneuert die Schätzung nötigenfalls im Rahmen der Verwertungshandlungen nach Abschluss der Lastenbereinigung (Art. 140 Abs. 3 SchKG und Art. 44 VZG). Bei der Betreibung auf Pfandverwertung erfolgt die Schätzung des belasteten Grundstücks im Anschluss an das Verkaufsbegehren, da diese besondere Betreibungsart keine Pfändungshandlungen beinhaltet (Art. 155 Abs. 1 SchKG, der auf Art. 91 Abs. 1 SchKG verweist, und Art. 99 Abs. 1 VZG, der auf Art. 9 Abs. 1 VZG verweist). Die Schätzung muss den mutmasslichen Verkehrswert der Liegenschaft und des Zubehörs ermitteln, ohne Rücksicht auf die Höhe der Katastersteuer oder der Feuerversicherungssteuer. Jeder Interessent hat das Recht, durch eine Eingabe an die Aufsichtsbehörde innerhalb von zehn Tagen nach Erhalt der Schätzung des Amtes zu verlangen, dass eine neue Schätzung des zu verwertenden Grundstücks durch einen Sachverständigen vorgenommen wird (Art. 9 Abs. 2 VZG). Die Aufsichtsbehörde verlässt sich grundsätzlich auf das Gutachten der Sachverständigen. Es ist im Übrigen nicht selten, dass zwei Experten zum selben Objekt eine unterschiedliche Meinung vertreten, da die Schätzungskriterien von einem zum anderen erheblich abweichen können. In diesem Verfahren prüft das BGer lediglich, ob die kantonale Aufsichtsbehörde das vorgeschriebene Verfahren eingehalten und das ihr zustehende Ermessen nicht überschritten oder missbraucht hat. Eine solche Annahme ist gegeben, wenn sie Kriterien in Betracht gezogen hat, die keine Rolle hätten spielen dürfen, oder wenn sie stattdessen relevante Umstände ignoriert hat (E. 3.1.1.).

Schätzungsmethode – Die Schätzung soll den mutmasslichen Verkehrswert der zu verwertenden Liegenschaft (Art. 9 Abs. 1 VZG), d.h. den voraussichtlichen Verkaufserlös, ermitteln, muss aber nicht « so hoch wie möglich » sein. Sie sagt nichts über den Preis aus, der bei der Versteigerung tatsächlich erzielt wird ; sie kann den Bietern höchstens einen Anhaltspunkt für das mögliche Gebot bieten. Sie muss alle Kriterien umfassen, die den Zuschlagspreis beeinflussen können, insbesondere die Normen des öffentlichen Rechts, die die Nutzungsmöglichkeiten der zu verwertenden Immobilie festlegen. Dagegen gibt das Gesetz nicht vor, welche Methode bei der Schätzung des Verkehrswerts anzuwenden ist. In der Praxis wird die hedonistische Methode, bei der mithilfe von Datenbanken ein Bündel von Parametern berücksichtigt wird, zur Schätzung von Wohnungen oder Einfamilienhäusern angewandt. Nichtsdestotrotz ist eine anerkannte und verbreitete Methode zur Bestimmung des Verkehrswerts einer Immobilie die Gewichtung des Ertragswerts und des Realwerts (E. 3.1.2).

Rolle der Schätzung – Bei der Betreibung auf Pfandverwertung spielt die Schätzung nur eine untergeordnete Rolle, da sie nur eine Vorstellung von einem für die Beteiligten akzeptablen Angebot vermittelt. Dies unterscheidet sich von ihrer Funktion im Pfändungsverfahren, wo sie den Umfang der Pfändung (Art. 97 Abs. 2 SchKG) festlegt (E. 3.1.2).

SchKG (Schuldbetreibung)

SchKG (Schuldbetreibung)

Verfahren

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