BGer 4A_268/2021 vom 18. Mai 2022
Werkvertrag; Werklohn; Ersatzvornahme; Verhandlungsgrundsatz; art. 18, 366, 374 OR; 55, 150 ZPO
Verhandlungsgrundsatz (art. 55 und 150 ZPO) – Behauptungslast, Prinzipien (E. 4-4.2) : Bestreitungslast (E 4.3). Eingrenzung des Beweisthemas.
Werklohn (Art. 18 und 374 OR) – Das Zugeständnis eines Rabattes von 10% in einer Befragung hat keinen Einfluss auf die Preisbestimmung, wenn in den betreffenden Aussagen nicht festgestellt werden kann, wem der Rabatt hätte zugute kommen sollen und auf welcher Grundlage dieser Rabatt berechnet wurde. So hat die Vorinstanz weder die Beweislastregeln noch die Regeln über die Vertragsauslegung verletzt, als sie nicht feststellte, dass die Parteien eine Vereinbarung über einen Rabatt von 10 % auf den Nettowert der geleisteten Arbeit getroffen hatten (E. 4.2).
Ersatzvornahme – Lässt sich während der Ausführung des Werkes eine mangelhafte oder sonst vertragswidrige Erstellung durch Verschulden des Unternehmers bestimmt voraussehen, so kann ihm der Besteller eine angemessene Frist zur Abhilfe ansetzen oder ansetzen lassen mit der Androhung, dass im Unterlassungsfalle die Verbesserung oder die Fortführung des Werkes auf Gefahr und Kosten des Unternehmers einem Dritten übertragen werde (Art. 366 Abs. 2 OR). Der ursprünglichen Werkvertrags bleibt davon unberührt, ungeachtet der Änderung der Art der vom Unternehmer zu erfüllenden Verpflichtung und der Beauftragung eines Dritten auf der Grundlage eines zweiten Werkvertrags. Der Besteller bleibt verpflichtet, den Preis für das Werk zu zahlen, wie er im Werkvertrag festgelegt wurde, kann aber vom Unternehmer verlangen, dass er ihm die Kosten für die Ersatzvornahme erstattet. Darüber hinaus trägt letzterer grundsätzlich die vom Dritten nicht gedeckten Folgen einer mangelhaften dinglichen Erfüllung, da diese Erfüllung nicht nur auf Kosten, sondern auch auf Risiko des Unternehmers erfolgt: Die beiden gegenseitigen Forderungen können durch Verrechnung getilgt werden. Wenn der Auftraggeber berechtigt ist, auf Kosten des Unternehmers einen Dritten zur Behebung eines Mangels am Bauwerk heranzuziehen, hat er auch das Recht, vom Unternehmer zu verlangen, dass dieser ihm die Kosten für die Behebung vorschiesst (E. 5.1).
Im vorliegenden Fall wandte der Bauherr gegen die Forderung auf Bezahlung des erstellten Werks die Verrechnung mit seiner Forderung auf Erstattung der Kosten der Ersatzvornahme ein, ohne jedoch einen Beleg für die Begleichung der Rechnung beizubringen. Unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls durfte somit bezweifelt werden, dass die Kosten, die diese Verrechnungsforderung begründen, tatsächlich angefallen sind (E. 5.2).