ACJC/804/2022 vom 14. Juni 2022
Werkvertrag; Verjährung; Mängel; Art. 371 und 377 OR
Verjährung von Ansprüchen wegen Mängeln am Bauwerk (Art. 371 OR) – Die Ansprüche des Bauherrn wegen Mängeln an einem Bauwerk gegenüber dem Bauunternehmer und gegenüber dem Architekten oder Ingenieur, die an der Ausführung des Bauwerks mitgewirkt haben, verjähren fünf Jahre nach der Abnahme des Bauwerks. Durch die Ausweitung des Anwendungsbereichs der Verjährung auf Ansprüche gegen Architekten und Ingenieure sollen diese mit dem Unternehmer gleichgestellt werden. Der Begriff des Architekten und der des Ingenieurs sind unabhängig vom Titel weit auszulegen. Was die Qualifikation des Vertrags zwischen dem Bauherrn und dem Architekten und/oder Ingenieur anbelangt, so ist dies in diesem Stadium unerheblich, da die Bestimmung ausdrücklich auf den Beitrag ohne Unterscheidung der erbrachten Leistungen abzielt (E. 2.1).
Dies a quo (Art. 371 Abs. 2 i.V.m. 377 OR) – Die Frist von Art. 371 Abs. 2 OR beginnt mit der Lieferung des vom fehlerhaften Plan betroffenen Teils der Immobilie, unabhängig davon, ob der Bauherr von der Existenz eines Mangels Kenntnis hat. Seine Gewährleistungsansprüche können daher verjähren, bevor er einen Mangel entdeckt, auch wenn dieser auf einer anderen Veränderung beruht. Der dies a quo dieser Frist wird jedoch geändert, wenn der Auftraggeber den Vertrag im Sinne von Art. 377 OR vorzeitig kündigt. Die vertraglichen Beziehungen zwischen den Parteien enden dann ex nunc. In diesem Fall ist das unvollendete Werk einem vollständigen Werk gleichzustellen, insbesondere im Hinblick auf die Rechte aus der Gewährleistung. Folglich beginnt die Verjährungsfrist nach Art. 371 Abs. 2 OR mit dem Wirksamwerden der Kündigung oder mit der materiellen Übertragung des unvollendeten Werkes auf den Auftraggeber zu laufen (E. 2.1).
Mehrere Unternehmer vs. Verantwortlicher Unternehmer und Ingenieur/Architekt – Wenn mehrere Unternehmer auf der Grundlage separater Verträge arbeiten (Mitunternehmer), beginnt die Verjährung mit der Abnahme jeder einzelnen Portion des Werkes, was sich auch auf die Verjährung von Forderungen gegen den Ingenieur oder Architekten auswirkt. Wird der Werkvertrag mit dem Unternehmer hingegen vorzeitig aufgelöst, beginnt die fünfjährige Verjährungsfrist nach Art. 371 Abs. 2 OR auch gegenüber dem Architekten oder Ingenieur, der für die von diesem Unternehmer ausgeführten Arbeiten verantwortlich ist, zum Zeitpunkt der vorzeitigen Auflösung des Werkvertrags zu laufen (E. 2.1).
Im vorliegenden Fall stellt das Datum der Kündigung des Werkvertrags mit dem Bauunternehmer, der (zumindest teilweise) die Erdarbeiten, die Struktur der Villen und den Ausbau des Untergeschosses, für die der Ingenieur beauftragt war, durchgeführt hatte, somit den dies a quo der Verjährungsfrist in Bezug auf die Leistungen dieses Ingenieurs dar. Die Tätigkeit des Ingenieurs war vor diesem Datum beendet worden. Somit ist das Datum der Kündigung des Ingenieurvertrags oder das Datum der vertraglichen Beendigung des Ingenieurvertrags, das von den Parteien nicht behauptet wurde, nicht ausschlaggebend (E. 2.2).