BGer 4A_415/2021 vom 18. März 2022
Totalunternehmenvertrag; Verhandlungsgrundsatz, Substanziierungslast und Bestreitungslast – Verweis auf Beilage; Art. 55 ZPO
Verhandlungsgrundsatz - In einem ersten Schritt hat eine Tatsachenbehauptung nicht alle Einzelheiten zu enthalten. Es genügt, wenn die Tatsachen, die unter die das Begehren stützenden Normen zu subsumieren sind, in einer den Gewohnheiten des Lebens entsprechenden Weise in ihren wesentlichen Zügen oder Umrissen behauptet werden. Immerhin muss die Tatsachenbehauptung so konkret formuliert sein, dass ein substanziiertes Bestreiten möglich ist oder der Gegenbeweis angetreten werden kann (E. 5.2).
Bestreitungen sind so konkret zu halten, dass sich bestimmen lässt, welche einzelnen Behauptungen des Klägers damit bestritten werden. Die Bestreitung muss ihrem Zweck entsprechend so konkret sein, dass die Gegenpartei weiss, welche einzelne Tatsachenbehauptung sie beweisen muss. Der Grad der Substanziierung einer Behauptung beeinflusst insofern den erforderlichen Grad an Substanziierung einer Bestreitung: Je detaillierter einzelne Tatsachen eines gesamten Sachverhalts behauptet werden, desto konkreter muss die Gegenpartei erklären, welche dieser einzelnen Tatsachen sie bestreitet. Je detaillierter mithin ein Parteivortrag ist, desto höher sind die Anforderungen an eine substanziierte Bestreitung. Diese sind zwar tiefer als die Anforderungen an die Substanziierung einer Behauptung; pauschale Bestreitungen reichen indessen nicht aus. Erforderlich ist eine klare Äusserung, dass der Wahrheitsgehalt einer bestimmten und konkreten gegnerischen Behauptung infrage gestellt wird.
Behauptet etwa der Kläger in seinen Rechtsschriften einen geschuldeten Betrag und verweist dafür rechtsgenüglich (dazu gerade unten Erwägung 5.4) auf eine beiliegende Rechnung oder eine detaillierte Abrechnung, kann vom Beklagten verlangt werden, dass er präzise die Positionen der Rechnung oder die Punkte der Abrechnung bezeichnet, die er bestreitet. Andernfalls die Rechnung oder die Abrechnung als nicht hinreichend bestritten und damit als anerkannt gilt.
Verweis auf Beilage - An einen rechtsgenüglichen Verweis auf die Beilage werden somit im Wesentlichen drei Anforderungen gestellt: - Erstens müssen in der Rechtsschrift die Tatsachen in ihren wesentlichen Zügen oder Umrissen behauptet sein (dazu oben Erwägung 5.2). - Zweitens hat der entsprechende Verweis in der Rechtsschrift spezifisch ein bestimmtes Aktenstück zu nennen und aus dem Verweis selbst muss klar werden, welche Teile des Aktenstücks als Parteibehauptung gelten sollen. - Drittens muss die Beilage selbsterklärend sein. Sie hat genau die verlangten (beziehungsweise in der Rechtsschrift bezeichneten) Informationen zu enthalten und es darf kein Interpretationsspielraum bestehen. Sind diese Voraussetzungen nicht gegeben, kann der Verweis nur genügen, wenn zusätzlich in der Rechtsschrift die Beilage derart konkretisiert und erläutert wird, dass die in der Beilage enthaltenen Informationen ohne weiteres zugänglich werden und nicht interpretiert und zusammengesucht werden müssen.
Substantiierung nach der aufgerufenen Rechtsgrundlage - Bei einer Entschädigung nach Aufwand ist der geltend gemachte Aufwand – art. 374 OR - so darzulegen, dass dessen Notwendigkeit und Angemessenheit überprüft werden kann, was nachvollziehbare Angaben zu den erbrachten Arbeiten und die dafür aufgewendeten Arbeitsstunden voraussetzt (Urteil 4A_446/2020 vom 8. März 2021 E. 6.1 mit weiteren Hinweisen). Im vorliegenden Verfahren geht es dagegen nicht um die Einforderung eines Werklohns nach Aufwand durch den Bauunternehmer, sondern um einen Schadenersatzanspruch aus Werkvertrag aufgrund einer Verletzung einer Nebenpflicht (Sorgfaltspflicht) an einem sich im Bau befindlichen Gebäude, wofür der Unternehmer nach den allgemeinen Grundsätzen der Vertragshaftung einzutreten hat (Art. 364 Abs. 1 OR i.V.m. Art. 97 ff. OR; Urteil 4A_273/2017 vom 14. März 2018 E. 3.3.1 mit Hinweisen).