BGer 4A_603/2021 vom 31. Januar 2023
Kauf- und Werkvertrag; Schiedsgutachten; Mängelgewährleistung; Überprüfung; Mängelanzeige; Verjährung
Mängelgewährleistung (Art. 367 ff. OR) – Sofern keine abweichende Vereinbarung getroffen wurde, unterliegt die Gewährleistung für Mängel bei gemischten Verträgen, die Elemente des Kaufvertrags und des Werkvertrags kombinieren, den Regeln des Werkvertrags (Art. 368 ff. OR), jedenfalls für Mängel, die die Gemeinschaftsteile betreffen (E. 3.2).
Prüfung des Werks und Mängelanzeige – Gemäss Art. 367 OR muss der Bauherr nach der Lieferung des Werks, sobald es nach dem üblichen Geschäftsgang tunlich ist, den Zustand des Werks überprüfen und Mängel dem Unternehmer melden. Werden Mängel erst später entdeckt, muss der Unternehmer unverzüglich benachrichtigt werden, andernfalls gilt das Werk trotz der Mängel als genehmigt (Art. 370 Abs. 3 OR). Das Gesetz schafft eine Annahmefiktion des Werks, wenn der Bauherr das Vorhandensein von Mängeln nicht sofort nach Kenntnisnahme meldet. Der Unternehmer ist von seiner Haftung für später gemeldete Mängel befreit (Art. 370 Abs. 1 OR). Die Umstände des konkreten Falls, insbesondere die Art der Mängel, sind entscheidend dafür, ob der Bauherr rechtzeitig gehandelt hat. Der Unternehmer kann jedoch darauf verzichten, sich auf die Verspätung der Mängelanzeige zu berufen. Dieser Verzicht kann ausdrücklich oder stillschweigend erfolgen. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn der Unternehmer in Kenntnis der verspäteten Mängelanzeige mit der Nachbesserung des Bauwerks beginnt oder seine Pflicht zur Beseitigung des Mangels anerkennt. Aus den konkreten Umständen muss sich eindeutig ein stillschweigender Verzicht ableiten lassen: Die diesbezügliche Beweislast liegt beim Bauherrn (E. 3.3).
Im vorliegenden Fall haben die Parteien eine Schiedsgutachtervereinbarung im Sinne von Art. 189 ZPO unterzeichnet, in der sie den Schiedsgutachter insbesondere damit beauftragt haben, die Modalitäten und Kosten für die Überarbeitung jedes gemeldeten Mangels festzulegen. Die Vereinbarung sah auch vor, dass der Unternehmer den Wohnungseigentümern innerhalb von drei Monaten nach Erhalt des Sachverständigengutachtens Schadensersatz für alle Mängel zahlen würde, die ihnen nicht zuzurechnen sind. Die Existenz einer gültigen Mängelanzeige war somit eine Vorbedingung für die Vereinbarung und wurde von den Parteien als gegeben betrachtet, oder alternativ hat der Unternehmer in jedem Fall auf die Verspätung der Anzeigen verzichtet, indem er die Vereinbarung unterzeichnet hat (E. 3.4-3.5).
Unterbrechung der Verjährung (Art. 135 OR) – Wiederholung der Grundsätze (E. 4). Indem er sich durch den Abschluss eines Schiedsgutachtervereinbarung dazu verpflichtet hat, Mängel, die vom Sachverständigen bestätigt und quantifiziert wurden, zu beheben und die Bauherren entsprechend für diese Mängel zu entschädigen, hat der Unternehmer eine Schuldanerkennung unterzeichnet, die zur Unterbrechung der Verjährung führt (E. 4.3).
Klagebefugnis in der Eigentümergemeinschaft – Gemäss ständiger Rechtsprechung kann jeder Wohnungseigentümer aufgrund seines eigenen Vertrags die Rechte aus der Garantie für die gemeinschaftlichen Teile geltend machen. Die Schiedsgutachtervereinbarung sieht in diesem Fall keine abweichenden Regeln vor, so dass der Unternehmer nichts daraus ableiten kann, dass nicht alle Unterzeichner der Vereinbarung Klage erhoben haben (E. 5).
Übertragung von Gewährleistungsrechten bei Verkauf eines halben Anteils an einer StoWe während eines Streits – Nach ständiger Rechtsprechung ist das Recht auf Preisminderung als grundlegendes Recht grundsätzlich nicht übertragbar. Eine Forderung auf teilweise Rückzahlung des bezahlten Preises kann jedoch abgetreten werden. Nach Unterzeichnung der Expertise-Schiedsvereinbarung wird bei Verkauf eines halben Anteils an einer StoWe nicht mehr das Recht auf Preisminderung übertragen, sondern die entsprechende Forderung auf Rückzahlung eines Teils des Preises, die übertragbar ist (E. 6.2). Verkauft ein Miteigentümer eines Anteils seinen halben Anteil an den anderen Miteigentümer, der damit Alleineigentümer des Stockwerkanteils wird, obliegt es demjenigen, der eine gültige Abtretung bestreitet, den Beweis zu erbringen, dass die Abtretung nicht gewollt war, z.B. indem er nachweist, dass zwischen den Parteien des Kaufvertrags ein Streit über diese Frage besteht oder indem er nachweist, dass der ehemalige Miteigentümer, der seinen halben Anteil verkauft hat, vom Unternehmer weiterhin eine Entschädigung im Zusammenhang mit den Mängeln verlangt. Da dies im vorliegenden Fall nicht der Fall ist, muss festgehalten werden, dass der (nunmehr) alleinige Eigentümer des fraglichen Stockwerkanteils berechtigt ist, die volle Herabsetzung des Preises für seinen Stockwerkanteil zu verlangen (E. 6.3).
Anfechtung eines Schiedsgutachtens (Art. 189 ZPO) – Der Schiedsgutachter im Sinne von Art. 189 ZPO verfügt in der Regel über spezialisierte Kenntnisse und wird von den Parteien beauftragt, den rechtlich relevanten Sachverhalt in einer für sie verbindlichen Weise festzustellen. In Bezug auf diese Tatsachen ist der Richter, der mit der Sache befasst ist, nicht verpflichtet, weitere Beweise zu erheben. Wer ein solches Gutachten anfechten will, muss einen offensichtlichen Fehler nachweisen und kann sich nicht darauf beschränken, die Überprüfung des Inhalts frei zu verlangen. Die Ergebnisse eines Schiedsgutachtens müssen unverzüglich angefochten werden, andernfalls ist die Anfechtung unredlich und verspätet. Darüber hinaus, wenn eine Partei nicht von dem Recht Gebrauch gemacht hat, das in der Schiedsgutachtervereinbarung vorgesehen ist, um vom Gutachter eventuelle Klarstellungen und Ergänzungen zu verlangen, ist ein offensichtlicher Fehler im Gutachten im Sinne von Art. 189 Abs. 3 ZPO nicht wahrscheinlich (E. 7).
Verteilung des Minderwerts – Eine Verteilung des Minderwerts proportional zu den Anteilen des Stockwerkeigentums ist nicht willkürlich, wenn die Mängel die gemeinschaftlichen Teile und damit das Gebäude als Ganzes betreffen (E. 9.2).