BGer 4A_355/2022 vom 18. Januar 2023
Kaufvertrag; qualifizierter Verzug; Art. 107 und 108 OR
Qualifizierter Verzug (Art. 107 und 108 OR) – Wiederholung der Grundsätze (E. 6.1).
Im vorliegenden Fall sah der Kaufvertrag ein Wohnrecht zugunsten einer der Verkäuferinnen sowie die Durchführung von Renovierungsarbeiten an der Liegenschaft durch die Käufer auf deren Kosten vor. Der Kaufvertrag enthielt eine Frist für die Einreichung des Bauantrags und eine weitere Frist für den Beginn der Bauarbeiten. Die Käufer reichten einen Genehmigungsantrag ein, der mit den im Vertrag vorgesehenen Arbeiten übereinstimmte und innerhalb der im Vertrag vorgesehenen Frist eingereicht wurde. Die Genehmigung wurde jedoch verweigert, woraufhin die Parteien mehrere Schreiben austauschten, die auf eine gütliche Beilegung des Streits abzielten; die zweite Frist für den Baubeginn wurde während dieser Zeit überschritten. Im Laufe dieses Austauschs gaben die Verkäuferinnen an, dass die Arbeiten im Erdgeschoss nicht dringend seien. Die Verkäuferinnen lösten den Vertrag auf, ohne jedoch zuvor die Käufer zur Erfüllung aufgefordert zu haben. Der Vorinstanz folgend hält das Bundesgericht fest, dass eine Vertragsauflösung nicht möglich war, da keine Inverzugsetzung im Sinne von Art. 107 OR vorlag bzw. eine Situation nach Art. 108 OR bestand, die eine solche Inverzugsetzung überflüssig machte. Das Verhalten der Käufer zeigte, dass sie durchaus die Absicht gehabt hatten, die Arbeiten durchzuführen (Art. 108 Ziff. 1 OR), und die zweite Frist, die für den Beginn der Arbeiten vorgesehen war, stellte keinen festen Termin dar (Art. 108 Ziff. 3 OR), da die Verkäuferinnen die betreffenden Arbeiten selbst als nicht dringlich erklärt hatten (E. 6.2 und 6.3).