BGer 4A_283/2023 vom 12. März 2024
Schenkung; Haftung des Bevollmächtigten; Schenkung einer Immobilie; Gesellschaftsvertrag; Schaden, späteres hypothetisches Ereignis; Art. 97, 242, 398 Abs. 2 OR
Haftung des Beauftragten (Art. 97 und 398 Abs. 2 OR) – Wiederholung der Grundsätze (E. 3.1.3). Schadensbegriff – Wiederholung der Grundsätze (E. 3.1.4).
Späteres hypothetisches Ereignis – Die Frage, ob ein Schädiger zu seiner Entlastung einwenden kann, dass der behauptete Schaden unabhängig von seinem Verhalten aufgrund späterer hypothetischer Ereignisse ohnehin eingetreten wäre, ist in der Lehre umstritten und wird in der Rechtsprechung nicht einheitlich behandelt. Im Allgemeinen ist das BGer der Ansicht, dass hypothetische spätere Ereignisse bei der Berechnung des Schadens berücksichtigt werden müssen, sei es aufgrund ausdrücklicher gesetzlicher Bestimmungen oder direkt auf der Grundlage des allgemeinen Schadensbegriffs (E. 3.1.3).
Im vorliegenden Fall beauftragen zwei Eheleute einen Anwalt mit der Prüfung eines « Gesellschafts- und Schenkungsvertrags », in dem der Ehemann das Eigentum an einigen seiner Immobilien an seine Ehefrau überträgt. Der Vertrag wird in öffentlicher Form vor einem Notar im Kanton Aargau abgeschlossen. Die Ehefrau erhält die Übertragung des Eigentums an den Immobilien im Kanton Aargau, jedoch nicht an den Immobilien im Kanton Zürich, da die Beurkundung fehlt. In der Folge lassen sich die Parteien scheiden und der Ehemann macht einen Grundlagenirrtum über den Vertrag geltend. Mehrere Jahre später schlossen die Eheleute mehrere Vereinbarungen ab, in denen sie den « Gesellschafts- und Schenkungsvertrag » entschädigungslos und rückwirkend aufhoben. Die Ehefrau behauptete, ihr sei ein Schaden entstanden, weil der Anwalt, der den Vertrag geprüft hatte, seine Sorgfaltspflicht verletzt habe. Da ein späteres hypothetisches Ereignis – der Abschluss des Aufhebungsvertrags – die gleiche Vermögensminderung wie eine mögliche Pflichtverletzung des Anwalts zur Folge gehabt hätte und das zweite Ereignis in den Verantwortungsbereich der Auftraggeberin fällt, haftet der Anwalt nach Ansicht des BGer mangels Schaden nicht (E. 3.2.2). Zudem scheitert die Ehefrau am Beweis, dass sie die Zürcher Liegenschaften nicht rückübertragen hätte, wenn sie aufgrund des « Gesellschafts- und Schenkungsvertrags » im Grundbuch hätte eingetragen werden können (E. 3.3.3).