BGer 6B_308/2022 vom 2. April 2024
Strafrecht; Fahrlässige Tötung; Fahrlässigkeit und Verletzung einer Sorgfaltspflicht; Anwendung des SVG; Art. 117 StGB; UVG; VUV; BauAV; SVG; VRV
Fahrlässige Tötung (Art. 117 StGB) – Wiederholung der Grundsätze (E. 2.1). Fahrlässigkeit und Verletzung einer Sorgfaltspflicht – Wiederholung der Grundsätze (E. 2.2.1). Fahrlässigkeit setzt die Verletzung einer Sorgfaltspflicht voraus. Im Bauwesen ergeben sich die zu beachtenden Vorsichtsregeln insbesondere aus Art. 82 Abs. 1 UVG, der Verordnung über die Unfallverhütung (VUV) und der Verordnung über die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bei Bauarbeiten vom 18. Juni 2021 (BauAV).
Anwendung des SVG – Es geht nicht darum, zwischen Baustellen- und Verkehrsunfällen zu unterscheiden. Entscheidend ist auch nicht, ob sich die Strassenfläche in privatem oder öffentlichem Eigentum befindet, sondern ob sie für den allgemeinen Verkehr genutzt wird und ob die Nutzung für eine unbestimmte Gruppe von Personen möglich ist, auch wenn die Nutzung eingeschränkt ist (E. 3.1). Wenn der Baustellenbereich nicht einer unbestimmten Anzahl von Personen, sondern ausschliesslich den Vertragspartnern des Bauherrn zugänglich ist, finden das SVG und die VRV keine direkte Anwendung. (E. 3.2). Die Regeln zur Berücksichtigung der besonderen Gefahren, die mit dem Rückwärtsfahren verbunden sind (Art. 36 ff. SVG und 17 VRV), sind jedoch sinngemäss anwendbar (E. 4).
Im vorliegenden Fall fand das strittige Rückwärtsfahren im vorgesehenen Einsatzbereich der Fräse statt, wo niemand einen Grund hatte, sich aufzuhalten, nicht einmal das Opfer, das für die Baustelle und ihre Sicherheit verantwortlich war. Der Lkw-Fahrer hatte somit seine Sorgfaltspflicht nicht verletzt (E. 5.3).