BGer 1C_497/2021 vom 19. Dezember 2023
Eigentumsgarantie; Verein und Geschäftstätigkeit; Grundwasserschutzgebiete; Eigentumsgarantie; Grunddienstbarkeit; Art. 26 und 36 BV; 20 GSchG; Anhang 2 und 4 GSchV; 60 und 61 ZGB
Verein und gewerbliche Tätigkeit (Art. 60 und 61 ZGB) – Wiederholung der Grundsätze (E. 3.1). Im vorliegenden Fall besitzen elf Grundstücke ein dingliches Recht an der Quellfassung, die von mindestens elf Haushalten und sechs landwirtschaftlichen Betrieben genutzt wird. Die Betroffenen sind in einem Verein zusammengeschlossen, der bezweckt, seine Mitglieder mit Trink- und Brauchwasser zu versorgen, die gemeinsamen Anlagen für die Wasserversorgung zu bauen und zu betreiben und die Interessen der Mitglieder nach aussen zu vertreten, insbesondere gegenüber den Eigentümern der mit dem Quellrecht belasteten Grundstücke und den Fachstellen der Gemeinde und des Kantons. Ein solcher Verein entfaltet im Sinne der Rechtsprechung keine Geschäftstätigkeit und muss somit nicht im HR eingetragen werden (E. 3.1.2). Er hat ein Interesse an der Klage, da seine Mitglieder als Inhaber von Wasserrechten vom Schicksal der Quelle, die Gegenstand des Verfahrens ist, betroffen sind (E. 3.2).
Grundwasserschutzzonen (Art. 20 GSchG ; 29 und Anhänge 2 und 4 GSchV) – Wiederholung der Grundsätze (E. 5.1). Eigentumsgarantie (Art. 26 BV) – Wiederholung der Grundsätze (E. 5.2).
Im vorliegenden Fall wurde im Bereich der Quellfassung ein Gewässerschutzplan verabschiedet. Er sieht eine Grundwasserschutzzone S1 vor, die nach Süden hin von den Schutzzonen S2 und S3 umgeben ist. In der Zone S1 sind nur Aktivitäten und Bauten erlaubt, die der Nutzung von Trinkwasser dienen. In der Schutzzone S2 unterliegt die Bodennutzung und Düngung den Normen des Anhangs 3 Bst. h und des Anhangs 4 Ziff. 222 GSchV. Offene Flächen müssen demnach ab Mitte November mit Gründünger oder Zwischenfutter bedeckt werden oder mit einer normal entwickelten Winterkultur, die spätestens Anfang September gesät und bis Mitte Februar nicht gepflügt wird. In einem auf dem Abgrenzungsplan besonders gekennzeichneten Gebiet ist der Anbau von Kulturen verboten.
Rechtsgrundlage (Art. 36 Abs. 1 BV) – Die Eigentümer der landwirtschaftlichen Grundstücke versuchten vergeblich zu beweisen, dass die Wassermenge (E. 5.2.1) oder die Wasserqualität (E. 5.2.2) der betroffenen Quellen nicht ausreichen, um die Einrichtung der Wasserschutzzonen zu rechtfertigen. In dieser Hinsicht ist der natürliche oder angereicherte Zustand des Wassers ausschlaggebend für die Entscheidung, ob ein Grundwasser für die Wasserentnahme nutzbar oder geeignet ist ; vorübergehende Verschmutzungen werden nicht berücksichtigt (E. 5.2.3.3). Bei Überschreitung der Schwellenwerte für Nitrat und Chlorid muss jedoch das Verfahren nach Art. 47 GSchV eingehalten werden (vgl. im Einzelnen E. 5.2.3.4). Zudem steht das Vorhandensein von Strassen in der Nähe der Ausscheidung neuer Gewässerschutzzonen nicht entgegen (E. 5.2.5.3). Fruchtfolgeflächen (vgl. zum Begriff und zur Kompensation : E. 5.2.7.1) können in die Gewässerschutzzone einbezogen werden, da diese Flächen - anders als bei einer Einzonung - geeignet wären, innerhalb eines Jahres einen ortsüblichen Ertrag von für die Landesversorgung wichtigen Zielkulturen zu erwirtschaften (E. 5.2.7.4). Die gesetzlichen Grundlagen für die Einführung der Schutzmassnahme wurden somit eingehalten.
Öffentliches Interesse (Art. 20 Abs. 1 GSchG und Art. 36 Abs. 2 BV) – Der Ertrag der Quelle könnte bei einer durchschnittlichen Schüttung von 110 Litern pro Minute den Bedarf einer Bevölkerung von bis zu 500 Personen decken. Angesichts der Versorgung von elf Gebäuden und mindestens elf Haushalten steht zudem fest, dass es sich nicht um eine einfache private häusliche Nutzung von Trinkwasser handelt. Unter diesen Umständen besteht ein öffentliches Interesse an der Einschränkung des Eigentums. Die Tatsache, dass das fragliche Quellenrecht privater Natur ist, spielt dabei keine Rolle (E. 6).
Verhältnismässigkeit (Art. 36 Abs. 3 BV) – Unter diesem Gesichtspunkt bestätigt das BGer zunächst das Verbot von Ackerkulturen in einem Teil der Zone S2, das als Konkretisierung von Anhang 4 Ziff. 222 Abs. 1 Bst. d GSchV erscheint, der generell (zusätzlich zu den ausdrücklich genannten) Aktivitäten verbietet, die die Trinkwasserversorgung gefährden (E. 7.2). Schliesslich hält das BGer im Rahmen der Interessenabwägung fest, dass die von den Nutzungsbeschränkungen betroffenen Flächen im Vergleich zu den gesamten Betriebsflächen der Eigentümer der landwirtschaftlichen Grundstücke nicht ins Gewicht fallen, zumal einige der betroffenen Flächen bereits heute als Naturwiesen genutzt werden. Darüber hinaus sind Ausnahmegenehmigungen für das Verbot der Verwendung von Flüssigdünger denkbar. Dass kein alternativer Standort für die Wassergewinnung geprüft wurde, kann den Behörden nicht zum Vorwurf gemacht werden, da für die Wassergewinnung aus der Artquelle eine Grunddienstbarkeit besteht. Die Tatsache, dass ein alternativer Standort die Interessen anderer Privatpersonen nur in geringerem Masse beeinträchtigt, hat insbesondere angesichts der bestehenden Dienstbarkeit nicht zur Folge, dass sich die Interessenabwägung als bundesrechtswidrig erweist (E. 7.4).