BGer 5A_89/2021 vom 29. August 2022
Stockwerkeigentum; Verteilung der Gerichtskosten in einer StoWe; Vergleich; Berufungsbegründung; Art. 311 ZPO; 712h ZGB; 18 OR
Begründung der Beschwerde – Die Begründung der Beschwerde in Zivilsachen muss in der Beschwerdeschrift selbst enthalten sein. Blosse Verweise auf Ausführungen in anderen Rechtsschriften oder in den Akten genügen den Begründungsanforderungen nicht (BGE 140 III 115 E. 2). Die zahlreichen Hinweise der Beschwerdegegner auf frühere Rechtsschriften bleiben damit unbeachtlich. Es ist in der Rechtsschrift aufzuzeigen, inwiefern der angefochtene Entscheid als fehlerhaft erachtet wird. Dieser Anforderung genügt eine Partei nicht, wenn sie lediglich auf die vor erster Instanz vorgetragenen Vorbringen verweist, sich mit Hinweisen auf frühere Prozesshandlungen zufrieden gibt oder den angefochtenen Entscheid in allgemeiner Weise kritisiert. Die Begründung muss hinreichend genau und eindeutig sein, um von der Berufungsinstanz mühelos verstanden werden zu können. Dies setzt voraus, dass die Partei im Einzelnen die vorinstanzlichen Erwägungen bezeichnet, die sie anficht, und die Aktenstücke nennt, auf denen ihre Kritik beruht (E. 3.1).
Nach Art. 712h ZGB haben die Stockwerkeigentümer an die Lasten des gemeinschaftlichen Eigentums und die Kosten der gemeinschaftlichen Verwaltung Beiträge nach Massgabe ihrer Wertquoten zu leisten (Abs. 1). Solche Lasten und Kosten sind namentlich die Kosten der Verwaltungstätigkeit einschliesslich der Entschädigung des Verwalters (Abs. 2 Ziff. 2). Dienen bestimmte gemeinschaftliche Bauteile, Anlagen oder Einrichtungen einzelnen Stockwerkeinheiten nicht oder nur in ganz geringem Masse, so ist dies bei der Verteilung der Kosten zu berücksichtigen (Abs. 3). In der Lehre ist umstritten, ob es sich bei Prozesskosten wie den hier betroffenen um Kosten der gemeinschaftlichen Verwaltung nach dieser Bestimmung handelt und wie solche Kosten unter den Stockwerkeigentümern zu verlegen sind. Bei Art. 712h Abs. 1 ZGB handelt es sich aber jedenfalls um eine Bestimmung dispositiver Natur, die folglich der Abänderung zugänglich. Vorliegend haben die Parteien die streitbetroffenen Kosten mit Vergleich vom 24. April 2013 einer eigenständigen Regelung zugeführt. Die Beschwerdeführerin bringt sodann nicht vor, es würde an den notwendigen Grundlagen für ein Abweichen von Art. 712h Abs. 1 ZGB fehlen, mithin einer Ermächtigung der Verwaltung zu einem entsprechenden Vorgehen. Damit ist die vergleichsweise getroffene Regelung (vgl. zu dieser sogleich E. 5.6) massgebend und es braucht auf die Tragweite der gesetzlichen Bestimmung zur Kostenverlegung (auch hier) nicht eingegangen zu werden.
Auslegung einer gerichtlichen Vereinbarung – Zu beachten ist vorliegend insbesondere, dass die Vereinbarung von den Parteien und ihren Rechtsvertretern ausgehandelt und unterzeichnet wurde. Es ist deshalb anzunehmen, dass sie die eingesetzten Fachausdrücke in ihrem juristisch technischen Sinn verwendet haben (BGE 131 III 606 E. 4.2; 129 III 702 E. 2.4.1 ; Urteil 5A_530/2012 vom 30. Oktober 2012 E. 3.2.1, in : ZBGR 95/2014 S. 267). Das Ziel, einen Streit oder eine Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis zu beenden, lässt sich regelmässig nur erreichen, wenn sämtliche mit dem Streit oder der Ungewissheit zusammenhängende Fragen geregelt werden. Dieses Anliegen ist bei der Auslegung zu berücksichtigen, auch wenn der Umfang einer vergleichsweisen Beilegung von Streitigkeiten oder Meinungsverschiedenheiten unterschiedlich weit gezogen werden kann. Wenn daher Fragen nicht ausdrücklich geregelt sind, die in engem Zusammenhang mit den vergleichsweise beigelegten Meinungsverschiedenheiten stehen und deren Beantwortung sich zur Beilegung des Streits aufdrängt, darf in der Regel davon ausgegangen werden, dass sie von den Parteien mangels eines ausdrücklichen Vorbehalts nicht vom Vergleich ausgenommen werden sollten. Nach dem mutmasslichen Willen der Parteien rechtfertigt sich daher in der Regel die Annahme, dass solche Fragen sinngemäss im Vergleich beantwortet sind.