BGer 4A_207/2024 vom 5. Februar 2025
Werkvertrag; Vorrang für die Nachbesserung des Bauwerks; gerichtliches und privates Gutachten; neues Recht für Gutachten; Art. 169 SIA-Norm 118; 168, 177, 407f ZPO
Vorrang für die Nachbesserung des Werks (Art. 169 Norm SIA 118) – Wiederholung der Grundsätze. Hat der Unternehmer die Mängelbeseitigung von vornherein abgelehnt oder ist seine Unfähigkeit zur Mängelbeseitigung offensichtlich, kann der Bauherr die Rechte gemäss Art. 169 Abs. 1 Ziff. 1 bis 3 der Norm SIA 118 geltend machen, ohne eine Frist für die Nachbesserung setzen zu müssen (E. 4.1).
Im vorliegenden Fall wurden die Mängel dem Unternehmer zwei Monate vor der Lieferung angezeigt, woraufhin dieser nichts unternahm, sondern die Mängel relativierte oder sogar bestritt. Unter diesen Umständen konnte der Bauherr daraus eine Weigerung zur Mängelbeseitigung ableiten (E. 4.3).
Gerichtliches Gutachten und privates Gutachten – Wiederholung der Grundsätze (E. 5.2.1–5.2.3). Im vorliegenden Fall hat die Vorinstanz dem privaten Gutachten den Vorzug gegeben, mit der einzigen Begründung, dass der private Sachverständige über eine gleichwertige Ausbildung wie der gerichtliche Sachverständige verfügte. Zumindest hätte sie, unter der Annahme, dass das private Gutachten Zweifel an der empfohlenen Lösung aufkommen liess, den gerichtlichen Sachverständigen zu diesem speziellen Punkt befragen und gemäss Art. 188 Abs. 2 ZPO eine Ergänzung des Gutachtens einholen müssen (E. 5.2.4).
Neues Recht für Gutachten – Der Bundesgesetzgeber hat Art. 177 ZPO geändert, der am 1. Januar 2025 in Kraft getreten ist und das private Gutachten als Beweismittel (Art. 168 ZPO) anerkennt. Die Neuerung ist auf hängige Verfahren sofort anwendbar (Art. 407f ZPO). Die Situation erscheint paradox : Einerseits wird das Berufungsurteil aufgehoben, weil die Vorinstanz das private Gutachten nicht als Beweismittel hätte würdigen dürfen ; andererseits muss das private Gutachten im neuen Berufungsverfahren dennoch als Beweismittel gewürdigt werden (E. 5.2.3).