BGer 2D_14/2024 vom 19. Mai 2025

Öffentliche Beschaffungswesen; Abschluss und Gültigkeit eines vorzeitig abgeschlossenen Vertrags; primärer und sekundärer Rechtsschutz; Schadenersatz; art. 42, 58 IVöB; 20 OR

Vorzeitiger Vertragsabschluss – Gemäss Art. 42 IVöB kann der Vertrag mit dem erfolgreichen Anbieter nach Ablauf der Beschwerdefrist gegen den Vergabeverfügung abgeschlossen werden, sofern nicht einer gegen den Vergabeverfügung erhobenen Beschwerde aufschiebende Wirkung zuerkannt wurde. Es ist somit eine Wartefrist von einigen Tagen erforderlich, um festzustellen, ob eine Beschwerde eingereicht wurde und ob diese aufschiebende Wirkung hat. Im vorliegenden Fall stellt der Vertragsabschluss am Morgen des ersten Tages nach Ablauf der Beschwerdefrist einen offensichtlichen Verstoss gegen Art. 42 Abs. 1 IVöB dar (E. 5.3.1).

Primärer und sekundärer Rechtsschutz der Anbieter (Art. 58 IVöB) – Wiederholung der Grundsätze (E. 5.4.1). Gültigkeit eines vorzeitig abgeschlossenen Vertrags – Der vorzeitige Vertragsabschluss stellt grundsätzlich keinen Nichtigkeitsgrund dar, der jedoch insbesondere bei strafrechtlich relevantem Verhalten nicht ausgeschlossen werden kann (E. 6.2.2). Ebenso stellt der vorzeitige Vertragsabschluss nicht automatisch dessen Gültigkeit in Frage. Ein bereits erfüllter Vertrag kann praktisch nicht mehr angefochten werden (E. 6.3.2). Im vorliegenden Fall war es willkürlich, nur einen eventuellen sekundären Rechtsschutz (Feststellung der Rechtswidrigkeit und eventueller Schadenersatz) in Betracht zu ziehen ; die Sache wird an die Vorinstanz zurückgewiesen, damit diese prüft, ob ein primärer Schutz möglich ist (abgeschlossenen Vertrag nichtig oder anfechtbar). Dies hängt weitgehend davon ab, ob der Vertrag bereits vollständig erfüllt wurde und, falls nicht, ob er in verschiedene Phasen unterteilt werden kann (E. 8.1).

Schadenersatz bei vorzeitigem Vertragsabschluss – Im Gegensatz zum Fall des Art. 58 Abs. 4 IVöB ist der Schadenersatzanspruch bei vorzeitigem Vertragsabschluss grundsätzlich nicht auf die notwendigen Aufwendungen beschränkt, die der Anbieter im Rahmen der Vorbereitung und Abgabe seines Angebots getätigt hat. In Fällen, in denen die Vergabestelle neben einer fehlerhaften Entscheidung auch eine rechtswidrige und schädigende Handlung begangen hat, kann Schadenersatz nach dem anwendbaren Haftungsrecht geltend gemacht werden (E. 8.2).

Öffentliche Beschaffungswesen

Öffentliche Beschaffungswesen

Allgemeiner Teil OR

Allgemeiner Teil OR

Zur Publikation vorgesehen

Zur Publikation vorgesehen

Analyse

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Analyse des Urteils BGer 2D_14/2024

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