Newsletter Mai 2025

Herausgegeben von Bohnet F., Carron B., Eggler M., Varin S., mit der Teilnahme von Bruchez L.


BGer 2C_587/2023 vom 30. Januar 2025

Öffentliche Beschaffungswesen; Interkantonale Vereinbarung vom 15. November 2019 über das öffentliche Beschaffungswesen (IVöB); kantonale Ausführungsbestimmungen; Eignungskriterien; IVöB 2019 ; LCMP/NE

Interkantonale Vereinbarung vom 15. November 2019 über das öffentliche Beschaffungswesen (IVöB) – Hintergrund und Grundsätze (E. 6). Kantonale Ausführungsbestimmungen – Wiederholung der Grundsätze (E. 6.5). Eignungskriterien – Wiederholung der Grundsätze (E. 6.6.2).

Das Bundesgericht hebt Art. 10 LCMP/NE auf, der einen Höchstanteil an Leiharbeitnehmer festlegte, die bei der Ausführung eines öffentlichen Bauauftrags in Neuenburg beschäftigt werden durften. Diese Bestimmung galt zum einen nur für öffentliche Bauaufträge und hatte zum anderen keinen dispositivessen Charakter. Der kantonale Gesetzgeber beabsichtigte, den Einsatz von Leiharbeitnehmern im Rahmen öffentlicher Bauaufträge grundsätzlich und unabhängig von den Merkmalen des betreffenden Auftrags zu beschränken, d. h. auch dann, wenn die zu erbringenden Leistungen keine besondere Erfahrung der eingesetzten Arbeiter erfordern und ein Anbieter sie durch den Einsatz einer grossen Anzahl oder sogar einer Mehrheit von Leiharbeitnehmern zufriedenstellend ausführen könnte.

Die in Art. 10 LCMP/NE festgelegten Beschränkungen können daher nicht als Massnahmen angesehen werden, die objektiv der ordnungsgemässen Ausführung der betreffenden Aufträge dienen. Auf dieser Grundlage kann nicht davon ausgegangen werden, dass diese Norm lediglich Art. 27 AIMP 2019 konkretisiert, indem sie ein Eignungskriterium für das zulässige Personal festlegt, und sie daher als eine im Sinne von Art. 63 Abs. 4 AIMP 2019 gültige kantonale Ausführungsbestimmung anzusehen (E. 6).

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Öffentliche Beschaffungswesen Zur Publikation vorgesehen

Analyse der Rechtsprechung BGer 2C_587/2023

Léonard Bruchez

Avocat, spécialiste FSA en droit de la construction et de l'immobilier

Contrôle abstrait du droit cantonal des marchés publics: la marge de manœuvre laissée aux cantons par l’AIMP 2019 et le droit fédéral – Commentaire de l’arrêt du Tribunal fédéral 2C_587/2023 du 30 janvier 2025

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BGer 4A_357/2024 vom 13. März 2025

Kaufvertrag; Gewährleistung für Mängel; Überprüfung des Werkes nach dessen Lieferung und Mängelrüge; Verzicht auf Geltendmachung der verspäteten Mängelrüge; Art. 197 ff. OR

Gewährleistung für Mängel – Wiederholung der Grundsätze (E. 3.2.1). Überprüfung des Werkes. und Mängelrüge – Wiederholung der Grundsätze (E. 3.2.2–3.2.4). Verzicht auf die Geltendmachung der verspäteten Mängelrüge – Der Unternehmer bzw. Verkäufer kann auf die Geltendmachung der verspäteten Mängelrüge verzichten. Dieser Verzicht kann ausdrücklich oder stillschweigend erfolgen. Die Tatsache, dass der Unternehmer die Mängelrüge zur Kenntnis nimmt, ohne Einwände gegen die Verspätung zu erheben, bedeutet für sich allein nicht, dass er auf die Geltendmachung der Verspätung verzichtet. Die Beweislast für einen Verzicht liegt beim Bauherrn, der sich darauf beruft (E. 3.4.3).

Im vorliegenden Fall hat sich der Verkäufer ausdrücklich und vorbehaltlos zur Mängelbeseitigung verpflichtet. Er hat insbesondere verschiedene Subunternehmer zur Nachbesserung des Werks aufgefordert und gerichtliche Schritte gegen diese eingeleitet. Mit diesem Verhalten hat er stillschweigend auf die Geltendmachung einer verspäteten Mängelrüge verzichtet (E. 3.4.5).

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Kaufvertrag Mängel/Garantie

BGer 4A_496/2024 vom 5. Februar 2025

Kaufvertrag; Rechtsmissbrauch; Immobilienkaufversprechen; Art. 216 ff. OR; 2 ZGB

Rechtsmissbrauch – Wiederholung der Grundsätze (E. 3.2). Immobilienkaufversprechen – Ein 2014 unterzeichnetes Kaufversprechen sah vor, dass der Vertrag erlischt, wenn bis zum 15. Februar 2020 keine Baugenehmigung erteilt wird. Im vorliegenden Fall oblag es dem Käufer, die Baugenehmigung einzuholen. Er konnte jedoch nicht nachweisen, dass die Verkäufer alles getan hätten, um die Erteilung der Baugenehmigung zu verhindern (E. 4.1). Es wurde kein Antrag auf Erteilung einer Baugenehmigung gestellt, und die blosse Behauptung, es sei unzumutbar gewesen, die Unterschriften der Verkäufer einzuholen, und diese hätten zwangsläufig Widerspruch gegen den Antrag auf Erteilung einer Baugenehmigung eingelegt, reicht nicht aus, um ein missbräuchliches Verhalten der Verkäufer zu begründen (E. 4.4).

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Kaufvertrag

BGer 4A_583/2024 vom 21. März 2025

Architektur- Ingenieurvertrag; Vergütung des Architekten; Abschlagszahlungen im Rahmen der Norm SIA 102; allgemeine Geschäftsbedingungen; Kündigung aus wichtigem Grund; Art. 18, 86, 120 ff. OR; 152 ZPO

Vergütung des Architekten – Wiederholung der Grundsätze (E. 2.3). Abschlagszahlungen im Rahmen der Norm SIA 102 – Der Architekt hat gemäss Art. 1.4.4 der Norm SIA 102 (2003) Anspruch auf Akontozahlungen auf sein Honorar (E. 2.4). Daher ist es nicht willkürlich, davon auszugehen, dass die vorliegenden Rechnungen Abschlagszahlungen betrafen. Es obliegt dem Architekten, der sich auf eine Vereinbarung beruft, die eine fortlaufende und endgültige Abrechnung vorsieht, deren Bestehen nachzuweisen, was ihm nicht gelungen ist (E. 2.5).

Allgemeine Geschäftsbedingungen – Wiederholung der Grundsätze (E. 3.4). Im vorliegenden Fall haben die Parteien vereinbart, dass die Forderungen des Architekten erst nach Genehmigung des Bebauungsplans fällig werden. Eine solche individuelle Vereinbarung hat Vorrang vor der Norm SIA 102 (E. 3.5).

Kündigung aus wichtigem Grund – Der Architekt hat keinen wichtigen Grund für eine Kündigung, weil die Bauherren die Sanierung eines Baches abgelehnt haben, obwohl dieser keine konkrete Gefahr für Personen oder Sachen darstellt (E. 4.3).

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Architektur- und Ingenieurvertrag SIA Normen

BGer 4A_476/2024 vom 3. März 2025

Architektur und Ingenieurvertrag; Anrechnung bei mehreren Forderungen; Auslegung eines Vertrags; rechtswidrig beschaffte Beweismittel; Verrechnung; Art. 18, 86, 120 ff. OR; 152 ZPO

Anrechnung bei mehreren Schulden (Art. 86 OR) – Wiederholung der Grundsätze (E. 4.3.2.2). Im vorliegenden Fall ist es nicht willkürlich, die Zahlung des genauen Rechnungsbetrags als Anrechnungserklärung zu betrachten (E. 4.3.2.3).

Auslegung eines Vertrags (Art. 18 OR) – Wiederholung der Grundsätze (E. 5.3.1.2). Im vorliegenden Fall wurde ohne Willkür festgestellt, dass die Parteien keine Vereinbarung über die Zahlung von Anzahlungen für den aus der Gewinnbeteiligung geschuldeten Betrag getroffen hatten. Das spätere Verhalten der Parteien darf bei der objektiven Auslegung einer Vereinbarung nicht berücksichtigt werden: Dies gilt auch für die Ausstellung von Rechnungen über Teilbeträge, die nach Treu und Glauben nicht als Anzahlungen verstanden werden konnten (E. 5.3.1.3). Eine Vertragsänderung hätte zudem schriftlich erfolgen müssen, und es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass dieser Formvorbehalt stillschweigend aufgehoben worden wäre (E. 5.3.2.2).

Rechtswidrig beschaffte Beweismittel (Art. 152 Abs. 2 ZPO) – Wiederholung der Grundsätze. Diese Bestimmung hat keinen Einfluss auf die prozessualen Pflichten der Parteien, relevante Tatsachen zu behaupten oder zu bestreiten. Sie hat somit auch nicht zur Folge, dass eine auf einem unzulässigen Beweismittel beruhende Tatsachenbehauptung nicht berücksichtigt werden kann. Diese Bestimmung bewirkt lediglich, dass das angebotene Beweismittel gegebenenfalls nicht zur Stützung oder zum Beweis der in der Sachverhaltsdarstellung vorgebrachten Behauptungen verwendet werden kann (E. 6.2.2).

Verrechnung (Art. 120 ff. OR) – Wiederholung der Grundsätze. Aus der Verrechnungserklärung oder den Umständen muss hervorgehen, welche Hauptforderung erloschen ist und welche Forderung verrechnet wird. Ist dies unklar, ist die Verrechnungsserklärung unvollständig und daher unwirksam (E. 7.2.2).

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Architektur- und Ingenieurvertrag Allgemeiner Teil OR Verfahren

BGer 5A_102/2024 vom 21. März 2025

Dienstbarkeit; Sicherheiten des nutzniessenden Schenkers; Art. 760-761 ZGB

Sicherheiten des nutzniessenden Schenkers – Gemäss Art. 761 Abs. 1 ZGB können vom Schenker, der sich die Nutzniessung an der geschenkten Sache vorbehalten hat, keine Sicherheit verlangt werden (E. 4.2). Im vorliegenden Fall kann auch nicht von einer Zerstörung der Sache durch den Nutzniesser ausgegangen werden. Vielmehr hat dieser umfangreiche Renovierungsarbeiten durchgeführt, um das Chalet wieder bewohnbar zu machen, nachdem es durch eine Lawine vollständig zerstört worden war. Die blosse Eigentümerin hatte sich darüber nie beschwert (E. 5.2.2). Der Nutzniesser ist zudem berechtigt, vier Container auf dem Grundstück aufzustellen ; dies führt jedenfalls nicht zu einer Gefährdung der Rechte der blossen Eigentümerin (vgl. Art. 760 Abs. 1 ZGB) (E. 6.2.1).

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Dienstbarkeit

BGer 4A_642/2024 vom 6. März 2025

Gutachten; Ausstand des Sachverständigen; Art. 6 EMRK; 29-30 BV; 47, 183 ZPO

Ausstand des Sachverständigen – Wiederholung der Grundsätze (E. 3). Auf einer früheren Baustelle hatte der Sachverständige Mängel an der Arbeit des Unternehmers festgestellt, aber auch, dass dieser seine Verantwortung übernommen und die Mängel behoben hatte. Der Unternehmer legte eine E-Mail des Sachverständigen aus dieser Zeit vor, deren Ton besonders trocken war und in der einige abfällige Äusserungen zu lesen waren, darunter der Vorwurf, « den Kopf in den Sand zu stecken ». Diese E-Mail folgte jedoch auf das unangekündigte Fernbleiben des Unternehmers von einer Sitzung. Das Bundesgericht sieht darin weder ein Zeichen der Abneigung des Sachverständigen noch eine negative und endgültige Meinung desselben über den Unternehmer. Der Grund für den Ausstand wird daher zurückgewiesen (E. 4.3).

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Gutachten Verfahren

BGer 5A_754/2024 vom 18. Februar 2025

Schuldbetreibung; Arrest von Immobilien, die auf den Namen Dritter eingetragen sind; Art. 271 ff., 285 ff. SchKG; 10 VZG

Arrest von Immobilien, die auf den Namen Dritter eingetragen sind – Wiederholung der Grundsätze. Bei der Pfändung oder Arrest von Grundstücken, die auf den Namen eines Dritten eingetragen sind, ist die Voraussetzung der Wahrscheinlichkeit der Unrichtigkeit der Eintragung im Grundbuch gemäss Art. 10 Abs. 1 Ziff. 3 VZG – und damit der Nachweis, dass das Grundstück tatsächlich dem Schuldner gehört – weit auszulegen. Sie ist insbesondere gegeben, wenn der Schuldner die Liegenschaft unter Umständen veräussert hat, die eine Anfechtung der Übertragung gemäss Art. 285 ff. SchKG rechtfertigen, wobei der Gläubiger lediglich die Anfechtbarkeit der Handlung glaubhaft machen muss (E. 4.2). Im vorliegenden Fall kann die Gläubigerbank diesen Nachweis nicht erbringen, obwohl die Grundstücke durch Scheidungsvereinbarung auf die Ex-Ehefrau übertragen worden waren, die Ex-Ehefrau bei der Trennung, (also noch vor der Aufnahme der Schulden gegenüber der Bank), in den Besitz dieser Grundstücke gesetzt worden war und keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sich der Schuldner zu diesem Zeitpunkt bereits in finanziellen Schwierigkeiten befand (E. 6-10).

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SchKG (Schuldbetreibung) Verfahren

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