Newsletter November 2023

Herausgegeben von Bohnet F., Eggler M. und Varin S.


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BGer 4A_383/2022 vom 25. September 2023

Haftpflicht; Regressklage des Versicherers gegen den Arbeitgeber; faktisches Organ; Art. 72, 73, 75 ATSG; 55 ZGB; 101 und 328 OR

Regressforderung des Versicherers gegen den Arbeitgeber (Art. 75 Abs. 2 ATSG) – Der Arbeitgeber ist gegenüber anderen Haftpflichtigen insofern privilegiert, als er unter bestimmten Voraussetzungen vom Rückgriffsrecht des Versicherers ausgeschlossen ist. Der Versicherer hat nur dann ein Rückgriffsrecht auf den Arbeitgeber einer versicherten Person infolge eines Berufsunfalls, wenn der Arbeitgeber den Berufsunfall vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt hat. Lediglich der Rückgriff der Sozialversicherer auf den Arbeitgeber und damit der Grundsatz der vollständigen Subrogation sind eingeschränkt. Umgekehrt besteht die Haftung des Arbeitgebers gegenüber dem geschädigten Arbeitnehmer nach Art. 328 OR auch bei Fahrlässigkeit, und der geschädigte Arbeitnehmer kann sich für den von den Sozialversicherern nicht gedeckten Direktschaden darauf berufen (E. 1.2–1.3).

Faktisches Organ – Organe einer juristischen Person sind nur diejenigen Personen, die aufgrund des Gesetzes, der Satzung oder der faktischen Organisation an der Willensbildung der Gesellschaft beteiligt und mit rechtlicher oder tatsächlicher Entscheidungsbefugnis ausgestattet sind. Die Tatsache, dass eine Person im technischen Bereich die ihr übertragenen Arbeiten selbstständig ausführt, ändert nichts an der Qualifikation als einfache Hilfskraft (E. 2.1). Das Bestreben, die geschädigte Person zu schützen, mag die Rechtsprechung gelegentlich dazu veranlasst haben, den Begriff des Organs im Sinne von Art. 55 ZGB zu erweitern. Dies sollte jedoch nicht ausschlaggebend sein, sofern der Schutz der geschädigten Person durch eine Pflichtversicherung gewährleistet wird (E. 2.3).

Im vorliegenden Fall lösten ein Lagerleiter und ein Angestellter Gitter zu Reinigungszwecken, woraufhin ein anderer Angestellter stürzte. Laut Bundesgericht ist der Lagerleiter kein faktisches Organ : es handelt sich hier nicht um einen Fall, in dem der obersten Verwaltungsinstanz nur ein allgemeines Aufsichtsrecht eingeräumt wird und die eigentliche Geschäftsführung Dritten übertragen wird. Der Lagerleiter ist eine Hilfsperson, und sein Vorgesetzter hat die gefährliche Situation nicht selbst geschaffen und war daher nicht dafür verantwortlich, die notwendigen Massnahmen zur Entschärfung der Gefahr zu ergreifen (E. 2.4).

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Haftpflicht Versicherungsvertrag

BGer 4A_32/2023 vom 31. August 2023

Haftpflicht; Deliktische Haftung; Behauptungslast; Art. 41 OR; 55 ZPO

Deliktische Haftung (Art. 41 OR) – Wiederholung der Grundsätze und Voraussetzungen (E. 2.1). Im vorliegenden Fall ist die Behauptung, die Beschädigung eines Stromkabels habe die Stromversorgung eines Unternehmens unterbrochen, und der Verweis hinsichtlich des Schadens auf einen noch zu erstellenden Beweisbericht unzureichend. Auf dieser Grundlage konnte keine Beweisführung, weder durch Gutachten noch durch Zeugenaussagen, erfolgen, und die Klage musste abgewiesen werden.

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Haftpflicht Verfahren

BGer 4A_167/2023 vom 26. September 2023

Werkvertrag; Vertragsabschluss und Auslegung; Rechtliches Gehör und Beweis; Art. 18 OR; 29 Abs. 2 BV; 8 ZGB; 152 ZPO

Abschluss und Auslegung eines Vertrags - Erinnerung an die Grundsätze (E. 3.1.1).

Rechtliches Gehör und Recht auf Beweis – Wiederholung der Grundsätze (E. 3.1.2). Im Angebot des Unternehmers enthielt die Position über eine Reinigungsleistung für Abwasseranlagen einen Preis von CHF 580.- und die Menge « 1 », obwohl an anderer Stelle im Angebot 450 Meter Reinigungsleistung genannt wurden und schliesslich 392,2 Meter gereinigt wurden. Da in der Gesamtsumme nur die Summe von CHF 580.- und nicht das Ergebnis von 450x580 berücksichtigt wurde, konnte ein vernünftiger Vertragspartner nach Treu und Glauben schlussfolgern, dass die strittige Position pauschal für CHF 580.- angeboten wurde. Diese Auslegung wurde durch die Ausschreibungsunterlagen bestätigt, die von den Bietern verlangten, einen Gesamtbetrag anzubieten. Somit hätte ein klarer und unmissverständlicher Vorbehalt gemacht werden müssen, wenn ein Bieter darauf hinweisen wollte, dass der eingetragene Frankenbetrag noch mit einer zu definierenden Menge multipliziert werden müsse. Zudem würde der Preis für die Reinigung als überhöht erscheinen, wenn man den Pauschalpreis verneinen müsste (E. 3.3).

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Werkvertrag Öffentliche Beschaffungswesen

BGer 4A_502/2022 und 4A_504/2022 vom 12. September 2023

Mäklervertrag; Abschluss und Auslegung des Vertrags; Gehalt des Maklers; Art. 18 und 413 OR

Abschluss und Auslegung eines Vertrags (Art. 18 OR) – Erinnerung an die Grundsätze (E. 3.1). Der Grundsatz « in dubio contra stipulatorem » ist nur subsidiär auf die Auslegung nach dem Vertrauensprinzip anwendbar (E. 3.1.6).

Lohn des Maklers – Die Regel des Art. 413 Abs. 1 OR über den Anspruch des Maklers auf seinen Lohn hat keinen zwingenden, sondern dispositiven Charakter : Die Parteien können insbesondere vereinbaren, dass die Provision auch dann geschuldet ist, wenn der Hauptvertrag nicht abgeschlossen wird, oder umgekehrt, dass sie nur unter der Bedingung geschuldet ist, dass der Vertrag nicht nur abgeschlossen, sondern auch erfüllt wird. Hinsichtlich der Bedingung, dass der Auftraggeber den Hauptvertrag tatsächlich mit einem Dritten abgeschlossen hat, ist die Äquivalenzregel zu beachten, bei der es sich um eine Auslegungsregel handelt. Nach dieser ist es nicht erforderlich, dass zwischen dem erwarteten Geschäft und dem abgeschlossenen Hauptvertrag rechtliche Identität besteht, sondern es reicht aus, dass zwischen beiden eine wirtschaftliche Äquivalenz besteht. Ist die Tätigkeit des Maklers zudem teilweise erfolgreich, z. B. beim Verkauf von zwei der vier im Maklervertrag vorgesehenen Grundstücke, ist davon auszugehen, dass der Anspruch des Maklers entsprechend dem erzielten Teilerfolg zu kürzen ist (E. 4.1).

Im vorliegenden Fall hatten die Parteien keine verbindliche Spanne für den Verkaufspreis festgelegt, da die entsprechende Klausel nur indikativen Charakter hatte. Der Makler hatte somit Anspruch auf eine Provision, die auf den gesamten Verkaufspreis berechnet wurde, und nicht auf eine reduzierte Provision in Anwendung von Art. 413 OR und des Äquivalenzprinzips, die bei Vorliegen einer gegenteiligen Vertragsklausel nicht anwendbar sind (E. 4.3).

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Mäklervertrag Architektur- und Ingenieurvertrag

BGer 4A_213/2023 vom 9. September 2023

Mäklervertrag; Loyalitätspflicht des Maklers; Art. 398, 412, 415 OR

Treuepflicht des Maklers – Nach Art. 415 OR verliert der Makler, der entgegen der Vereinbarung auch im Interesse der anderen Partei handelt oder entgegen den Regeln von Treu und Glauben auch von dieser Partei ein Vergütungsversprechen erhält, den Anspruch auf Vergütung und Spesenersatz, und zwar ohne dass ein Schaden nachgewiesen werden muss. Diese Bestimmung ist restriktiv auszulegen (vgl. Art. 412 Abs. 2 OR, der auf Art. 398 Abs. 2 OR verweist) (E. 5).

Im vorliegenden Fall wird anerkannt, dass Nebenleistungen des Maklers (Klimaanlage, Sorge um die Erteilung der Baubewilligung), die teilweise ratifizieren, was die Verkäufer bereits geplant hatten, da der Makler die Verkäufer auf dem Laufenden hielt, sowie Leistungen, die sich auf Fragen im Interesse aller Parteien und nicht auf ungeklärte Fragen beziehen, keine Verletzung der Treuepflicht des Maklers darstellen (E. 5.2).

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Mäklervertrag

BGer 5A_86/2023 vom 22. August 2023

Stockwerkeigentum; Exzessive Immissionen; Verhandlungsgrundsatz; Recht auf Beweisführung; Art. 4, 8, 679, 684 ZGB; 55, 152 ZPO

Übermässige Immissionen (Art. 679 und 684 ZGB) – Wiederholung Grundsätze (E. 3.1). Insekten können grundsätzlich eine Immission im Sinne von Art. 684 ZGB darstellen (E. 3.2). Um zu entscheiden, ob eine Einwirkung als übermässig im Sinne von Art. 684 ZGB zu qualifizieren ist, hat das Gericht eine Interessenabwägung vorzunehmen, wobei es sich auf die Wahrnehmung einer durchschnittlichen Person in der gleichen Situation stützt ; es entscheidet nach Recht und Billigkeit (Art. 4 ZGB).

Verhandlungsmaxime (Art. 55 ZPO) – Wiederholung der Grundsätze (E. 5.1). Im vorliegenden Fall erachtet das Bundesgericht angesichts des grossen Ermessensspielraums des Richters die Anforderungen des Kantonsgerichts an die Behauptung, das aus diesem Grund auf eine Beweisaufnahme (Untersuchung der Videos der streitigen Mücken) verzichtet hatte, als unverhältnismässig. Dieses hatte insbesondere angemerkt, dass die betroffenen Nachbarn nicht behauptet hatten, gestochen worden zu sein, und die « riesigen Mückenschwärme », über die sie sich beklagten, nicht ausreichend detailliert beschrieben hatten. Das Bundesgericht betont hingegen, dass aus den Schriftsätzen hervorgeht, dass die Schwärme exzessiv sind, sowie wann (in der Dämmerung) oder in welchen Zeiträumen und unter welchen Bedingungen (mindestens 10°C) die Schwärme auftreten (E. 5.3.2).

Recht auf Beweis (Art. 152 ZPO ; 8 ZGB) – Erinnerung an die Grundsätze (E. 6.2.3). Die betroffenen Nachbarn verlangten ebenfalls ein Gutachten, um die Kausalität zwischen der Anlage von Teichen durch ihren Nachbarn und den festgestellten Mückenschwärmen zu beweisen. Wenn die Vorinstanz Zweifel daran hatte, dass ein solches Gutachten den Kausalitätsnachweis erbringen kann, hätte sie diese Zweifel ausräumen können, indem sie den Gutachter zunächst um die Beantwortung dieser Frage gebeten hätte. Es war jedenfalls nicht Sache der betroffenen Nachbarn, darzulegen, wie ein Gutachten den Nachweis der Kausalität erbringen könnte. Im vorliegenden Fall hatten sie zudem ein Privatgutachten eingereicht, in dem sie behaupteten, dass ein Sachverständiger den strittigen Kausalzusammenhang nachweisen könne (E. 6.2.6).

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Belästigungen Verfahren

BGer 5A_234/2023 vom 18. August 2023

Stockwerkeigentum; Abberufung des Verwalters; Rückwirkung der Rechtshängigkeit; Art. 75, 712m, 712r ZGB; 63 ZPO

Abberufung des Verwalters – Wiederholung der Grundsätze (Art. 712r CC). Wenn die Wohnungseigentümerversammlung die Abberufung des Verwalters unter Missachtung wichtiger Gründe ablehnt, kann jeder Wohnungseigentümer innerhalb eines Monats die gerichtliche Abberufung beantragen. Während für die Anfechtung von Beschlüssen der Versammlung der Stockwerkeigentümer (Art. 712m Abs. 2 ZGB in Verbindung mit Art. 75 ZGB) das vereinfachte oder ordentliche Verfahren gilt, ist für die Abberufungsklage nach Art. 712r Abs. 2 ZGB das summarische Verfahren anwendbar, wodurch sich ein Schlichtungsverfahren erübrigt. Die Verwirkungsfrist nach Art. 712r Abs. 2 ZGB kann grundsätzlich nicht durch die Einreichung eines Schlichtungsgesuchs gewahrt werden (E. 2.1).

Rückwirkung der Rechtshängigkeit (Art. 63 ZPO) – Erinnerung an die Grundsätze. Im vorliegenden Fall gab es weder einen Unzulässigkeitsentscheid, noch einen Rückzug aus einem Verfahren, noch wurde das Originalschriftstück bei der richtigen Behörde hinterlegt, so dass die Möglichkeit von Art. 63 ZPO nicht in Frage kam (E. 2.2.2.2).

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Stockwerkeigentum Verfahren

BGer 1C_124/2023 vom 1. September 2023

Dienstbarkeit; Eintragung und Auslegung einer Dienstbarkeit; Art. 731 ff. ZGB

Eintragung und Auslegung einer Dienstbarkeit (Art. 731 ff. ZGB) – Wiederholung der Grundsätze. Art. 732 Abs. 2 ZGB verlangt, dass die Dienstbarkeit auf einem Plan eingetragen wird, sofern es nicht möglich ist, sie im Lichte der im Titel gegebenen Beschreibung mit ausreichender Genauigkeit zu bestimmen. Wenn die Ausübung der Dienstbarkeit auf einen Teil des belasteten Grundstücks beschränkt ist, muss der Vertrag noch die Grundlage der Dienstbarkeit angeben, entweder durch einen Plan eines Geometers oder durch jedes andere ausreichende Mittel, wie einen privaten Plan oder eine Beschreibung durch Worte (E. 2.2).

Im vorliegenden Fall beschränkt sich die Eintragung der vorliegenden Dienstbarkeit im Grundbuch auf die Angabe des Bestehens eines Wegerechts, ohne weitere Angaben zu dessen Verlauf. Der notarielle Kaufvertrag, der die Dienstbarkeit begründet, ist nicht viel genauer und ermöglicht es höchstens, die betroffenen Parzellen vor der Flurbereinigung zu bestimmen. Unter diesen Umständen musste die Klassifizierungskommission der Meliorationsgenossenschaft die Grundlage der strittigen Wegdienstbarkeit in einem Plan im Rahmen der neuen Eigentumsverhältnisse und Dienstbarkeiten präzisieren. Strittig ist der Verlauf der Dienstbarkeit, da der Eigentümer des herrschenden Grundstücks die derzeitige Nutzung beibehalten möchte, die auf einer Parzelle ausgeübt wird, die nicht vom ursprünglichen Vertrag betroffen ist. Nach der Rechtsprechung kommt eine Auslegung anhand der Art und Weise, wie die Dienstbarkeit über lange Zeit friedlich und in gutem Glauben ausgeübt wurde, nur dann in Betracht, wenn der Begründungsakt es nicht erlaubt, Inhalt und Umfang der Dienstbarkeit zu präzisieren. Das Bundesgericht stellt jedoch fest, dass sich die Grundlage der Dienstbarkeit nicht auf die Parzellen erstreckte, auf denen der Durchgang derzeit ausgeübt wurde. Die Rekurskommission war daher nicht willkürlich, als sie nicht auf dieses dritte Auslegungsmittel, das subsidiär zu den beiden anderen ist, zurückgriff, um die Bemessungsgrundlage der Dienstbarkeit zu bestimmen (E. 2.3).

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Dienstbarkeit

BGer 2C_105/2023 vom 7. September 2023

Gebäudeversicherung; Untersuchungsgrundsatz; Oberflächen-überflutung; St. Galler Kantonsrecht

Untersuchungsgrundsatz – Der Untersuchungsgrundsatz begründet auch in Verfahren, die durch einen Antrag der Parteien eingeleitet werden, eine Klärungspflicht der Behörden. Im vorliegenden Fall ging es darum, die Ursache eines Wasserschadens zu klären. Dazu ist der Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit in der Regel als ausreichend anzusehen, da der Nachweis der Ursache in einem solchen Fall kaum je durch den Ausschluss jeder anderen, auch entfernten Möglichkeit erbracht werden kann (E. 4.1.3).

Im vorliegenden Fall kann zwar nicht völlig ausgeschlossen werden, dass sich ein momentaner Wasserlauf an der Oberfläche oder im Untergrund gebildet und zum Schaden geführt hat. Jedoch erscheint ein Wasserschaden infolge einer Sättigung des Bodens, also durch Imprägnierung, weitaus plausibler. Da es keine Hinweise auf eine Überflutung durch Abschwemmung gibt und solche Ereignisse nur in seltenen Einzelfällen vorkommen, besteht keine über das Expertenprotokoll von drei Tagen nach dem Schadenereignis hinausgehende Untersuchungspflicht bezüglich einer so unwahrscheinlichen Schadensursache (E. 4.1.4).

Oberflächenüberschwemmungen – Die in verschiedenen Kantonen geltende Regelung, wonach sich die öffentlich–rechtliche Gebäudeversicherung bei Überschwemmungs–/Hochwasserschäden auf Fälle beschränkt, in denen der Schaden direkt verursacht wurde, d. h. auf Fälle, in denen das Wasser ebenerdig oder oberirdisch eingedrungen ist, ist akzeptabel. Eine solche Auslegung erleichtert die Abgrenzung gegenüber Schäden, die nicht auf eine natürliche Einwirkung von außergewöhnlicher Intensität, sondern auf eine kontinuierliche Einwirkung zurückzuführen sind. Zudem werden nach der St. Galler Praxis ausnahmsweise auch Schäden übernommen, die unterirdisch entstanden sind, aber chronologisch erkennbar durch ein Naturereignis verursacht wurden (E. 5).

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Versicherungsvertrag Verfahren

BGE 149 II 433, BGer 2C_856/2021 vom 27. September 2023

Bäuerliches Bodenrecht; Verjährung bei Widerruf der Erwerbsbewilligung und Berichtigung des Grundbuchs; Art. 71 Abs. 2, 72 Abs. 3 BGBB

Verjährung bei Widerruf der Erwerbsbewilligung (Art. 71 Abs. 2 BGBB) und Berichtigung des Grundbuchs (Art. 72 Abs. 3 BGBB) – Die vorstehenden Bestimmungen und die darin enthaltenen zehnjährigen Verjährungsfristen müssen koordiniert und voneinander unterschieden werden. Nach eingehender Auslegung unterscheidet das Bundesgericht zum einen zwischen nichtigen Handlungen, bei denen es sich um verbotene oder genehmigungspflichtige Handlungen handelt. Die Nichtigkeit betrifft Handlungen, für die die erforderliche Genehmigung verweigert wurde : die Verweigerung ist die Folge der Feststellung, dass das fragliche Rechtsgeschäft gegen das bäuerliche Bodenrecht verstösst, und diese Verweigerung macht sie nichtig. Unter diesen Umständen gilt die Frist von Art. 72 Abs. 3 BGBB. Andererseits, wenn die Genehmigung erteilt wurde, ist die Rechtshandlung nicht nichtig. Die Bewilligung kann dann nur unter den Voraussetzungen von Art. 71 BGBB widerrufen werden, d.h. wenn sie durch falsche Angaben erlangt wurde. Der Grund für den Widerruf ist nicht eine nichtige Handlung, sondern die erteilten falschen Informationen. In diesem Fall gilt die Frist von Art. 71 Abs. 2 BGBB (E. 4.5).

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Bäuerliches Bodenrecht Zur Publikation vorgesehen

BGer 5A_464/2023 vom 31. August 2023

Schuldbetreibung und Konkurs; SchKG-Klage bei der Verwertung einer Immobilie; Regeln für die Veröffentlichung von Auktionsbedingungen; Nichtigkeit von Massnahmen der Betreibungsämter; Art. 132a, 143a, 156 SchKG; 50 VZG; 261 OR

SchKG–Klage bei der Verwertung einer Immobilie – Nach Art. 132a Abs. 1 SchKG, der auf die Verwertung von Immobilien anwendbar ist (Art. 143a und 156 Abs. 1 SchKG), kann die Verwertung nur durch eine Klage gegen den Zuschlag angefochten werden. Die geltend gemachten Beschwerdepunkte können dem Betreibungsrecht oder dem materiellen Recht entstammen. Der Weg der Klage und Beschwerde an die Aufsichtsbehörden steht nicht nur gegen Mängel offen, die bei den Vorgängen der Zwangsverwertung selbst begangen wurden, sondern auch gegen solche, die im Vorbereitungsverfahren, wie es in Art. 25 ff. ORFI definiert ist, begangen wurden. Der behauptete Mangel kann sich beispielsweise auf unzureichende oder unrichtige Angaben in der Veröffentlichung der Auktion oder der Verkaufsbedingungen beziehen. Er kann sich auch auf rechtswidrige oder sittenwidrige Machenschaften beziehen, die das Ergebnis der Auktion verändern (E. 3.1.1 mit Kasuistik).

Regeln für die Veröffentlichung von Auktionsbedingungen – Wiederholung der Grundsätze (E. 3.1.2).

Nichtigkeit von Massnahmen der Betreibungsämter – Im vorliegenden Fall wurde in den Verkaufsbedingungen nicht auf eine – rechtmässige oder unrechtmässige – Besetzung der Parzelle hingewiesen. Diese Auslassung führt nicht zur Ungültigkeit des Zuschlags, da diese Erwähnung weder das öffentliche Interesse noch das Interesse Dritter schützen sollte. Unter der Annahme, dass der Mietvertrag gültig ist, wären die Mieter in dieser Hinsicht durch Art. 261 Abs. 1 OR (vgl. auch Art. 50 VZGI) geschützt, der vorsieht, dass die Rechte und Pflichten aus dem Mietvertrag mit dem Eigentum an der Sache auf den Erwerber übergehen (E. 3.2).

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SchKG (Schuldbetreibung) Kaufvertrag Verfahren

BGer 5A_34/2023 vom 22. August 2023

Schuldbetreibung und Konkurs; Erste und zweite Schätzung einer Liegenschaft; Art. 17, 99 SchKG; Art. 183 ff. ZPO

Erste und zweite Schätzung einer Liegenschaft – Nachdem das Betreibungsamt das Verwertungsbegehren dem Schuldner und gegebenenfalls dem Dritteigentümer des Grundpfandes mitgeteilt hat, ordnet es die Schätzung des Pfandobjektes an. Das Ergebnis der Schätzung präjudiziert in keiner Weise das weitere Verwertungsverfahren, insbesondere nicht den (zukünftigen) Zuschlagspreis (E. 2.3.1). Die Schätzung des Betreibungsamtes kann Gegenstand einer Beschwerde nach Art. 17 SchKG sein, wenn sie den gesetzlichen Anforderungen nicht genügt. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn der Betreibungsbeamte keine echte Schätzung vorgenommen hat, sondern sich nur auf den Steuerwert der Liegenschaft gestützt hat. Der Aufsichtsbehörde ist es hingegen untersagt, die Schätzung als solche zu überprüfen.

Darüber hinaus kann jede Partei innerhalb der Beschwerdefrist bei der Aufsichtsbehörde eine erneute Schätzung durch Sachverständige verlangen. Dieser Antrag muss nicht begründet werden. Die Anordnung einer Neuschätzung durch die Aufsichtsbehörde ist nicht als Beschwerdeentscheidung, sondern als eine andere amtliche Tätigkeit eines Vollzugsorgans zu betrachten. Es handelt sich nicht um ein gerichtliches Gutachten im Sinne von Art. 183 ff. ZPO (E. 2.3.2). Es ist mit dem Sinn und Zweck der Regelung vereinbar, dass das Gericht die Neuschätzung an das Betreibungsamt delegiert (E. 2.3.3).

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SchKG (Schuldbetreibung) Verfahren

BGer 5A_233/2022 vom 31. August 2023

Schuldbetreibung und Konkurs; Widerrufsklage; Rückerstattung; Art. 288, 291 SchKG

Widerrufsklage (Art. 288 SchKG) – Wiederholung der Grundsätze (E. 3.2). Schädigung der Gläubiger – (E. 4.3). Schädigungsabsicht – (E. 5). Für den Dritten erkennbare Schädigungsabsicht – (E. 6). Die angefochtene Handlung schadet den Gläubigern oder einigen von ihnen, wenn sie das Ergebnis der Zwangsverwertung oder den Anteil der Gläubiger an diesem Ergebnis schmälert oder ihre Position im Zwangsverwertungsverfahren auf andere Weise verschlechtert. Andererseits ist die Handlung selbst bei einer gleichwertigen Gegenleistung dennoch anfechtbar, wenn der Schuldner sich zum Ziel gesetzt hat, auf Kosten der Gläubiger über seine letzten Vermögenswerte verfügen zu können (E. 4.3).

Im vorliegenden Fall wird anerkannt, dass ein Teil des Verkaufspreises einer Liegenschaft an einen Dritten ging, der sich nicht darauf hätte berufen können, dass ihm die Liegenschaften gemäss Art. 219 Abs. 1 SchKG verpfändet worden waren und ihm der Verkaufserlös nach der Befriedigung des erstrangigen Pfandgläubigers in erster Linie zustand. Dieser Dritte wurde somit zum Nachteil der Gläubiger begünstigt (E. 4.3). Zudem ist die Absicht, die Gläubiger zu schädigen, gegeben (E. 5.2) und war erkennbar (E. 6.3).

Rückerstattung (Art. 291 SchKG) – Erinnerung an die Grundsätze (E. 7.1). Der Widerrufsbeklagte muss auch die Früchte und Einkünfte zurückerstatten, die er aus dem erworbenen Gut, dessen Rechtsgeschäft für ungültig erklärt wurde, gezogen hat. Er kann jedoch notwendige Ausgaben, die er im Zusammenhang mit der Sache hatte, in Rechnung stellen, und er muss grundsätzlich für wertsteigernde Investitionen entschädigt werden (E. 7.3.3).

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SchKG (Schuldbetreibung)

BGer 5A_295/2023 vom 15. August 2023

Schuldbetreibung und Konkurs; Rechtsöffnungsverfahren; Betreibung gegen einen Bürgen; Zwangsverwertung durch den Pfandgläubiger und Erlöschen des Pfandrechts; Pfandausfallschein; Sonderliquidation der verpfändeten Liegenschaft; treuhänderische Übergabe eines Schuldbriefs; Art. 82, 230 SchKG; 816 ZGB

Rechtsöffnungsverfahren (Art. 82 SchKG) – (E. 5.1.1). Betreibung gegen einen Bürgen – (E. 5.1.2). Zwangsverwertung durch den Pfandgläubiger und Erlöschen des Pfandrechts – (E. 5.2.2.1). Bescheinigung über die Unzulänglichkeit des Pfandrechts – (E. 5.2.2.2). Sonderliquidation der verpfändeten Liegenschaft – (E. 5.3).

Treuhänderische Übergabe eines Schuldbriefs – Wenn die Parteien in einem Treuhandvertrag vereinbaren, dass der Schuldbrief dem Gläubiger treuhänderisch zur Sicherung des Eigentums übergeben wird, liegt keine Novation der gesicherten Forderung vor ; die in den Schuldbrief aufgenommene Forderung tritt neben die gesicherte Forderung, um deren Eintreibung zu erleichtern. Man unterscheidet zwischen der abstrakten Forderung, die durch das Grundpfandrecht gesichert ist, und der kausalen Forderung (oder gesicherten Forderung oder auch Grundforderung), die aus dem Grundverhältnis, in der Regel einem Darlehensvertrag, resultiert. Diese beiden Forderungen sind voneinander unabhängig. Die abstrakte und grundpfandrechtlich gesicherte Forderung muss Gegenstand einer Betreibung auf Grundpfandverwertung sein, während die Kausalforderung Gegenstand einer ordentlichen Betreibung sein muss (E. 5.2.1).

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SchKG (Schuldbetreibung) Verfahren
Alle Links für Rechtspraktiker finden Sie unter www.droitNE.ch

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