Newsletter September 2022
Herausgegeben von Bohnet F., Eggler M. und Varin S., mit der Teilnahme von Fiechter J.-R.
Mit der Unterstützung von Die Kammer der Fachanwälte SAV im Bau- und Immobilienrecht
Herausgegeben von Bohnet F., Eggler M. und Varin S., mit der Teilnahme von Fiechter J.-R.
2e édition 2022
1050 pages, relié
CHF 268.– (+2,5% TVA)
ISBN 978-2-9701616-0-8
Parution fin septembre 2022
Vous pouvez le commander en cliquant ici.
Werkvertrag; Regiearbeiten; Verhandlungsmaxime; Fälligkeit des Preises; Art. 363 OR; 55 ZPO; 155 ss und 164 SIA-Norm
Verhandlungsmaxime (art. 55 ZPO) – Behauptungs und Bestreitungslast ; Verweis auf eine Beilage.
Der Verweis auf Ausmassurkunden und Pläne genügt der Substanziierungslast wenn daraus ohne weiteres nachvollziehbar ist, was als Parteibehauptung gilt und wie die Forderung zustande gekommen ist und was genau von der Gegenpartei bestritten werden muss. Angesichts der Komplexität der Streitsache und der Vielzahl von Leistungen ist der Verweis auf Beilagen im Interesse der Lesbarkeit gar sinnvoll (E. 4.3.1 und 4.3.2).
In einem solchen Fall ist es nicht zu beanstanden, dass die Vorinstanz von einem feststehenden Sachverhalt ausging und keine Beweise bezüglich der Forderungen, welche die Beschwerdeführerin nur pauschal bestritten hat, abnahm (E. 4.3.3). Dasselbe gilt für die Berechnungen und die Nachvollziehbarkeit der Forderungen der Beschwerdeführerin : Die blosse pauschale Bestreitung, dass diese Berechnungen nicht nachvollziehbar seien, ist ungenügend (E. 4.3.4).
Regiearbeiten – Regiearbeiten sind nach der Fachsprache der Berufsleute Arbeiten, die nach Aufwand vergütet werden und von einem Pauschalpreis oder einer Vergütung nach Ausmass und Einheitspreisen nicht erfasst werden (vgl. Art. 44 SIA-Norm 118). Dessen ungeachtet sind sie Teil des Werkvertrags und damit von der grundsätzlichen Vergütungspflicht erfasst (Art. 363 OR). Nach den Branchenusanzen erstellt der Unternehmer für die einzelnen Regiearbeiten Zeitrapporte, welche er der Bauherrschaft zur Gegenzeichnung vorlegt, und die mit der Gegenzeichnung eine tatsächliche Vermutung für den darin ausgewiesenen Aufwand begründen. Der nicht unterzeichnete Regierapport lässt daher nach diesen Usanzen nicht die Vergütungspflicht des Bestellers entfallen, sondern beschlägt ausschliesslich die Beweisführungslast des Unternehmers. Andernfalls würde die Vergütungspflicht für Regiearbeiten als solche in die Willkür der Bestellerin gestellt, je nachdem ob sie bereit ist, die Rapporte zu unterzeichnen oder nicht. In diesem Verständnis aber wäre die Klausel als Knebelungsvertrag oder « contrat léonin » sittenwidrig und damit nichtig (E. 5.1).
Form der Regierapporte – Wenn der Werkvertrag die schriftliche Form für Regiearbeiten vorbehält, diese Arbeiten aber entgegen dem Vertrag nicht schriftlich in Auftrag gegeben wurden und der Meister oder sein Vertreter die meisten Berichte dennoch fast vorbehaltlos unterschrieben hat, ist davon auszugehen, dass der Meister stillschweigend auf die Einhaltung der schriftlichen Form verzichtet hat, noch dazu, wenn es keinen Hinweis darauf gibt, dass er den Vorbehalt der schriftlichen Form aufrechterhalten wollte (E. 5.3 und 6.4).
Vermutung – Wenn ein Regiebericht vom Bauherrn unterzeichnet wird, besteht eine natürliche Vermutung hinsichtlich der Richtigkeit des Inhalts des Rapports, da es ihm obliegt, die Richtigkeit des Rapports bei ihrer Unterzeichnung zu überprüfen. Der Bauherr kann die Notwendigkeit, einen Spezialisten (Gipser usw.) zu beauftragen, nicht mehr in Frage stellen, wenn er den Regierapport für dessen Einsatz vorbehaltlos unterzeichnet hat. Die gleiche Vermutung gilt auch, wenn dem Meister nach Ablauf der vertraglich vereinbarten Frist verspätet Regierapporte vorgelegt werden, er aber die Regiearbeiten mit seiner Unterschrift bestätigt. Unter dem Gesichtspunkt der Behauptungslast reicht eine grobe Darstellung der Regiearbeiten aus, zumindest bis die Vermutung der Richtigkeit der Regieberichte widerlegt ist (E. 6.2 und 6.4).
Darüber hinaus besteht die Vermutung der Richtigkeit auch für Rapporte, die der Heer nicht unterschrieben, aber bezahlt und in seiner eigenen Schlussabrechnung erwähnt hat ; in diesem Fall ist davon auszugehen, dass er sie im Nachhinein anerkannt hat (E. 6.3.1 und 6.4). Darüber hinaus reichen auch einfache, auf den Regieberichten verfasste Vorbehalte allein nicht aus, um die Vermutung der Richtigkeit der Berichte, die unterzeichnet wurden, in Frage zu stellen, zumindest was das Prinzip der Ausführung der in diesen Berichten erwähnten Arbeiten betrifft. Zumindest müsste der Auftraggeber eine fundierte Erklärung zu den in den Berichten aufgeführten Vorbehalten abgeben (E. 6.3.2 und 6.4).
Fälligkeit des Werklohns – Wenn die SIA-Norm Anwendung findet und der Auftraggeber mit sofortiger Wirkung auf die Fertigstellung der Arbeiten verzichtet und diese von Dritten fertigstellen lässt, führt dies zur Auslösung der Monatsfrist, um eine gemeinsame Prüfung des Werks zu verlangen (Art. 158 Abs. 2 SIA 118) und, wenn eine solche Prüfung nicht stattfindet, die Abnahme und Annahme des Werks zu verlangen (Art. 164 Abs. 1 SIA 118). Nach Ablauf der zweijährigen Gewährleistungsfrist kann sich der Bauherr zudem nicht mehr auf das Fehlen einer Bank- oder Versicherungsgarantie berufen, um die Fälligkeit der Restforderung zu verhindern. Dasselbe gilt für seine Weigerung, die Schlussabrechnung zu unterzeichnen (E. 7).
Mäklervertrag; Abschluss des Vertrags durch konkludentes Verhalten; Vertretung; Art. 32, 33, 38 und 412 OR
Form und Abschluss eines Maklervertrags – Sofern nichts anderes vereinbart wurde, unterliegt der Abschluss eines Maklervertrags keinen Formvorschriften. Er kann sich aus ausdrücklichen Erklärungen der Parteien ergeben oder auch konkludent erfolgen. Ob ein Maklervertrag durch schlüssige Handlungen wirksam geschlossen wurde, hängt von den Umständen ab, aus denen sich ableiten lässt, dass sich die Parteien über die wesentlichen Punkte des Vertrags geeinigt haben, insbesondere darüber, dass sich der Auftraggeber dem Makler gegenüber verpflichtet hat, ihm ein Gehalt zu zahlen. Zurückhaltung ist geboten, wenn es darum geht, den Abschluss eines solchen Vertrags durch konkludentes Verhalten anzunehmen. Die bloße Tatsache, dass der Auftraggeber den Makler handeln lässt, führt nicht zwangsläufig zur Annahme eines Vertragsschlusses durch konkludentes Verhalten. Der Auftraggeber muss die Tätigkeit des Maklers wissentlich dulden, ohne sich ihr zu widersetzen, oder sie stillschweigend in einer anderen Form akzeptieren. Außerdem muss die Tätigkeit des Maklers aufgrund ihrer Dauer oder ihres Umfangs so eindeutig und charakteristisch sein, dass das Fehlen eines Widerspruchs als Wille zum Abschluss eines Maklervertrags interpretiert werden kann. Die Auslegung des Willens der Parteien erfolgt nach den allgemeinen Grundsätzen (E. 5.1).
Im vorliegenden Fall ist die Übersendung eines schriftlichen Vertrags kurz vor dem Verkauf ein Indiz dafür, dass der Vertrag nicht schon vorher durch konkludentes Verhalten zustande gekommen ist (E. 5.2). Dasselbe gilt für die Tatsache, dass der Makler und die Verkäuferin vor dem Tag, an dem der Verkauf vereinbart wurde, nie direkten Kontakt hatten (E. 5.3).
Vertretung (Art. 32 OR) – Erinnerung an die Grundsätze (E. 6.1).
Ein Makler, der die tatsächliche Eigentümerin während der zehnmonatigen Verhandlungen nie kontaktiert hat, weder um die Position einer Vermittlungsfirma zu klären, noch um sich selbst einen Maklervertrag zu sichern, obwohl er zugibt, die genaue Beziehung zwischen der Eigentümerin und dem Vermittler nicht zu kennen, kann nicht davon ausgehen, dass der Vermittler als Vertreter handelt, der befugt ist, einen Maklervertrag im Namen der Eigentümerin abzuschliessen, insbesondere wenn der Vermittler nie den Willen bekundet hat, einen solchen Vertrag abzuschliessen (E. 6.2 und 6.3.1).
Da die vermittelnde Gesellschaft zudem nicht zu erkennen gab, dass sie einen Maklervertrag zwischen der Verkäuferin und der Klägerin abschliessen wollte, stellt sich die Frage der Anwendung von OR 33 und 38 schlichtweg nicht (E. 6.3.2-6.3.4).
Vorweggenommene Beweiswürdigung – Im oben erwähnten Zusammenhang durfte die Vorinstanz die Zeugenaussagen der Vertreter der Käuferin und des Notars, die den Beweis für das Vorliegen eines mündlichen Vertrags erbringen sollten, ablehnen (E. 7).
Bauhandwerkerpfandrecht; Beweismass und Substanziierung; Art. 837 ff und 961 Abs. 3 ZGB; 55 ZPO; 98 BGG
Eintretensvoraussetzungen – Entscheide im Zusammenhang mit der vorläufigen Eintragung von Bauhandwerkerpfandrechten gelten als vorsorgliche Massnahmen im Sinne von Art. 98 BGG. Die Beschwerdeführerin kann vor Bundesgericht daher nur die Verletzung verfassungsmässiger Rechte rügen (E. 2).
Hinreichende Glaubhaftmachung der Berechtigung des Handwerkers – Das Gericht bewilligt die Vormerkung der vorläufigen Eintragung des Bauhandwerkerpfandrechts, nachdem der Ansprecher seine Berechtigung glaubhaft gemacht hat (Art. 961 Abs. 3 ZGB). Für die Angelegenheit gilt das summarische Verfahren (Art. 249 Bst. d Ziff. 5 ZPO). An die Glaubhaftmachung, wie sie Art. 961 Abs. 3 ZGB verlangt, werden weniger strenge Anforderungen gestellt, als es diesem Beweismass sonst entspricht (BGE 137 III 563 E. 3.3 mit Hinweisen). Aufgrund der besonderen Interessenlage darf die vorläufige Eintragung eines Bauhandwerkerpfandrechts nur verweigert werden, wenn der Bestand des Pfandrechts als ausgeschlossen erscheint oder höchst unwahrscheinlich ist ; im Zweifelsfall, bei unklarer oder unsicherer Rechtslage, ist die vorläufige Eintragung zu bewilligen und die Entscheidung dem ordentlichen Richter zu überlassen.
Bestreitung der funktionalen Einheit zwischen dem Nachtrag betreffend die Erstellung eines Balkons und dem ursprünglichen Werkvertrag angesichts der Vorgaben des Werkvertragsrechts und gestützt auf die eingereichten Unterlagen für den einheitlichen Fristenlauf des Pfandrechts. Die Bestreitung einzelner Positionen muss noch möglich sein (E 3.4.2).
Beweismass und Verhandlungsmaxime - Sodann täuscht sich die Beschwerdeführerin, wenn sie die Anforderungen an die Glaubhaftmachung im Sinne von Art. 961 Abs. 3 ZGB mit den Anforderungen an die Tatsachenbehauptung und -substanziierung gleichsetzt bzw. meint, mit dem reduzierten Beweismass der Glaubhaftmachung, insbesondere der Glaubhaftmachung im Sinne von Art. 961 Abs. 3 ZGB, seien im Summarverfahren auch die Behauptungs- und Substanziierungsanforderungen herabgesetzt.[…] Das Beweismass ist eine Regel, die sich in erster Linie an das Gericht richtet. Das ist der Massstab, nach dem das Gericht beurteilt, ob eine streitige rechtserhebliche Tatsache aufgrund der dazu offerierten Beweismittel mit Blick auf die verlangte Rechtsfolge als wahr zu unterstellen ist. Auch wenn es sich für diese Unterstellung (aufgrund einer gesetzlichen Vorgabe wie Art. 961 Abs. 3 ZGB) mit der blossen Glaubhaftmachung begnügt, muss sich das Gericht zunächst Gewissheit darüber verschaffen können, zu welchen Tatsachen es Beweise abzunehmen hat. Das Gericht in diese Lage zu versetzen, ist – jedenfalls unter der Herrschaft des Verhandlungsgrundsatzes (Art. 55 Abs. 1 ZPO) – die Aufgabe der Parteien : mit der Tatsachenbehauptung und -substanziierung haben sie es in der Hand, eine bestimmte Tatsache als streitig gelten zu lassen und damit zum Gegenstand des Beweises zu machen (Art. 150 ZPO). Gelingt es einer Partei nicht, eine bestrittene Tatsache hinreichend zu substanziieren, so erübrigt sich eine Beweisabnahme, weil diesfalls die gegnerische Tatsachenbehauptung als anerkannt gelten muss.
Bauhandwerkerpfandrecht; Verwirkungsfrist; Art. 839 ZGB; 98 BGG
Nichteintreten auf die Beschwerde – Da es um eine vorsorgliche Massnahme geht, sind indes nur Verfassungsrügen möglich (Art. 98 BV).
Verwirkungsfrist – Innerhalb der viermonatigen Verwirkungsfrist muss das Pfandrecht wenigstens vorläufig mittels einer Vormerkung im Grundbuch eingetragen sein (Art. 839 Abs. 2 ZGB ; BGE 137 III 563 E. 3.3 ; zuletzt Urteil 5A_395/2020 vom 16. März 2021 E. 2).
Mit dem erstinstanzlichen Entscheid ist keine Eintragung erfolgt und im Zeitpunkt der Einreichung der Berufung war die Verwirkungsfrist bereits abgelaufen und hätte eine Eintragung unabhängig von der Frage der materiellen Berechtigung des Pfandrechtes nicht mehr erfolgen können. Allfällig darauf zurückzuführender und in widerrechtlicher Weise zugefügter Schaden wäre mit einer Staatshaftungsklage geltend zu machen.
Dienstbarkeit; Wegberechtigung; nebensächliche Verpflichtungen; Art. 730 ZGB; 20 OR
Nebenpflicht bei Dienstbarkeiten – Entgegen der Meinung der Beschwerdeführerin kann offenbleiben, ob die Verpflichtung des Eigentümers des Grundstücks Nr. yyy, einen Weg zu erstellen (s. Sachverhalt Bst. A.b), im Sinn von Art. 730 Abs. 2 ZGB nebensächlich ist. Das Bundesgericht braucht sich auch nicht zu den diesbezüglichen Sachverhaltsrügen der Beschwerdeführerin zu äussern. Auch die Beschwerdeführerin räumt ein, dass der am 31. Juli 1989 begründeten Verpflichtung zur Erstellung des Weges im heutigen Streit gar keine praktische Bedeutung mehr zukommt, verweist sie doch ausdrücklich darauf, dass die vom Beschwerdegegner für sein Bauprojekt beanspruchte Fläche unbestrittenermassen so befestigt ist, dass sie befahren werden kann. Selbst wenn der Beschwerdeführerin darin beizupflichten wäre, dass die Verpflichtung zur Erstellung des Weges (anders als diejenige zu dessen Unterhalt) nicht nebensächlich ist und deshalb nicht mit der Grunddienstbarkeit verbunden sein kann (Art. 730 Abs. 2 ZGB), stünde der Bestand des Fuss-, Fahrweg- und Durchleitungsrechts nur dann in Frage, wenn die (ursprünglichen) Vertragsparteien die Errichtung der Grunddienstbarkeit objektiv erkennbar auch davon abhängig gemacht hätten, dass der belastete Grundeigentümer den Weg tatsächlich erstellt, wenn nach dem mutmasslichen Willen der Vertragsparteien (s. dazu Art. 738 Abs. 2 ZGB und Urteil 5A_28/2021 vom 31. März 2022 E. 3.4.3 mit Hinweisen) also davon auszugehen wäre, dass diese das Fuss-, Fahrweg- und Durchleitungsrecht ohne die Verpflichtung zur Erstellung des Weges nicht gewollt hätten (Art. 20 Abs. 2 OR i.V.m. Art. 7 ZGB ; s. zur Teilnichtigkeit etwa das Urteil 4A_450/2018 vom 3. April 2019 E. 3.3.1 mit Hinweisen). Eine derartige Verknüpfung von obligatorischer und dinglicher Verpflichtung macht die Beschwerdeführerin nicht geltend, noch behauptet sie, solcherlei schon im kantonalen Verfahren vorgebracht zu haben und damit nicht gehört worden zu sein. Bloss implizit zu unterstellen, dass mit der (angeblich) unzulässigen Realobligation ohne Weiteres auch dem Fuss, Fahrweg- und Durchleitungsrecht der Boden entzogen sei, genügt nicht. Erwiese sich die Verpflichtung zur Erstellung einer befestigten Strassenfläche – der Beschwerdeführerin folgend – als unzulässig im Sinne von Art. 730 Abs. 2 ZGB, so wäre nach dem Gesagten jedenfalls nur die Ausgestaltung dieser Verpflichtung als Realobligation gescheitert. Im Ergebnis verletzt die Vorinstanz somit kein Bundesrecht, wenn sie vom Bestand der Grunddienstbarkeit ausgeht.
Dienstbarkeit; Ablösung durch Gericht; Art. 736-738 ZGB
Gerichtliche Ablösung der Dienstbarkeit wegen Interessenverlust – Erste Voraussetzung der Anwendbarkeit von Art. 736 ZGB ist mithin nach dem zwingenden Wortlaut dieser Bestimmung, dass neue Tatsachen eingetreten sind, seitdem die bei der Errichtung der Servitut beteiligten Parteien die gegenseitigen Rechte und Pflichten der Eigentümer des berechtigten und des belasteten Grundstücks begründet haben. Ob das Interesse im Sinn von Art. 736 Abs. 1 ZGB verloren gegangen ist, beurteilt sich nach Massgabe des Grundsatzes der Identität der Dienstbarkeit. Dieser besagt, dass eine Dienstbarkeit nicht zu einem andern Zweck aufrechterhalten werden darf als jenem, zu dem sie errichtet worden ist. Die rein theoretische Möglichkeit einer künftigen Veränderung der Verhältnisse genügt nicht, um die Aufrechterhaltung der Dienstbarkeit zu rechtfertigen. Will der Eigentümer des belasteten Grundstücks die Löschung gestützt auf Art. 736 Abs. 1 ZGB gerichtlich durchsetzen, so hat er darzutun, dass die Dienstbarkeit für das herrschende Grundstück jeglichen Nutzen verloren hat.
Umfangsermittlung der Dienstbarkeit – Für die Ermittlung von Inhalt und Umfang einer Dienstbarkeit gibt Art. 738 ZGB eine Stufenordnung vor. Ausgangspunkt ist der Grundbucheintrag. Soweit sich Rechte und Pflichten aus dem Eintrag deutlich ergeben, ist dieser für den Inhalt der Dienstbarkeit massgebend (Art. 738 Abs. 1 ZGB). Nur wenn der Wortlaut des Grundbucheintrags unklar ist, darf im Rahmen dieses Eintrags auf den Erwerbsgrund zurückgegriffen werden (Art. 738 Abs. 2 ZGB), das heisst auf den Begründungsakt, der als Beleg beim Grundbuchamt aufbewahrt wird Soweit die Auslegung des Grunddienstbarkeitsvertrags in Frage steht, gelten grundsätzlich die allgemeinen obligationenrechtlichen Regeln der Vertragsauslegung Diese allgemeinen Auslegungsgrundsätze gelten vorbehaltlos unter den ursprünglichen Vertragsparteien, im Verhältnis zu Dritten dagegen nur mit einer Einschränkung, die sich aus dem öffentlichen Glauben des Grundbuchs (Art. 973 ZGB) ergibt, zu dem auch der Dienstbarkeitsvertrag gehört. Bei der Auslegung des Dienstbarkeitsvertrags können gegenüber den Eigentümern, die an der Errichtung der Dienstbarkeit nicht beteiligt waren und im Vertrauen auf das Grundbuch das dingliche Recht erworben haben, individuelle persönliche Umstände und Motive nicht berücksichtigt werden, die für die Willensbildung der ursprünglichen Vertragsparteien bestimmend waren, aus dem Dienstbarkeitsvertrag selber aber nicht hervorgehen und für einen unbeteiligten Dritten normalerweise auch nicht erkennbar sind. Soweit die Rechte und Pflichten Dritter in Frage stehen, ist die Auslegung des Erwerbstitels mithin an die Schranken gebunden, die sich aus dem Eintrag ergeben, denn der gutgläubige Dritte wird im Vertrauen auf die Richtigkeit des Eintrages geschützt. Die Dienstbarkeit hat denjenigen Inhalt und Umfang, den sie haben muss, um ihren Zweck mit der geringst möglichen Beschränkung des Eigentums am dienenden Grundstück bestmöglich zu erreichen.
Mit anderen Worten sei für am Vertragsschluss nicht beteiligte Dritte – und das treffe vorliegend auf die Parteien dieses Verfahrens zu – nur der im Vertrag genannte Zweck für die Errichtung der Dienstbarkeiten und damit auch der Grunddienstbarkeit ersichtlich. Unter den Parteien massgeblicher Inhalt des Dienstbarkeitsvertrags sei damit bezüglich des ursprünglichen Zwecks der Dienstbarkeit die Erreichung der Bebaubarkeit der Grundstücke. Mit dem Erlass der revidierten Bau- und Zonenordnung der Gemeinde U. im Jahr 1985 sei dieser Zweck dahingefallen, denn ab diesem Zeitpunkt sei es nicht mehr nötig gewesen, durch die Baurechtsbeschränkungen auf im Sinn von § 234 (a) PBG noch fehlende oder in Änderung begriffene planungsrechtliche Festlegungen Rücksicht zu nehmen. Im Ergebnis habe das Bezirksgericht daher zu Recht in Gutheissung der Klage festgestellt, dass die streitgegenständliche Dienstbarkeit für die Grundstücke der Beklagten alles Interesse verloren habe.
Öffentliche Beschaffungswesen; Verbot der Vergabe von Unteraufträgen; Veröffentlichung der Verwaltungssanktionen; Recht auf rechtliches Gehör; zur Publikation vorgesehen; Art. 13, 27, 29 Abs. 2, und 36 BV
Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV) - Die einfache Verletzung einer in der Ausschreibung vorgesehenen Anforderung genügt, um es der Vergabebehörde zu ermöglichen, die gesetzlich vorgesehenen Verwaltungssanktionen zu ergreifen. Die kantonalen Gerichte konnten somit darauf verzichten, ohne den Anspruch des Zuschlagsempfängers auf rechtliches Gehör zu verletzen, zusätzliche Untersuchungen zu den angeblichen Verzögerungen anderer Handwerker durchzuführen (E. 2. 3). Sie konnten ebenfalls darauf verzichten, zu untersuchen, ob der Einsatz eines nicht bewilligten Unternehmens für die Entsorgung von asbesthaltigen Bauabfällen die Arbeiter auf der Baustelle tatsächlich gefährdet hatte, oder auch darauf verzichten, dem Zuschlagsempfänger Gelegenheit zu geben, zu beweisen, dass die Demontage der Fenster und deren Lagerung in Eimern fachgerecht durchgeführt worden war (E. 2.4).
Schwerwiegender Verstoss gegen Ausschreibungsgrundsätze - Im öffentlichen Vergaberecht ist es bei der Beurteilung eines Verstosses gegen das Untervergabe-Verbot weniger von Bedeutung, ob der Vertreter des Bauherrn die Anwesenheit von Arbeitnehmern dritter Unternehmen auf der Baustelle stillschweigend akzeptiert hat oder eine nachträgliche Genehmigung vorliegt. Entscheidend ist vielmehr die Frage, ob die formellen Meldepflichten im Lichte der Grundsätze der Gleichbehandlung sämtlicher Bieter und des wirksamen und fairen Wettbewerbs eingehalten wurden und die Ansprüche aus Arbeits- und Sozialversicherungsvorschriften durch sämtliche Bieter, einschliesslich der Subunternehmer gewährleistet waren. Dieses Versäumnis führte hier nicht nur zur Marktverzerrung und zur Gefährdung der Qualitätskontrolle in der Bauausführung, sondern hinderte insbesondere auch die Vergabebehörde daran, zu überprüfen, ob der Subunternehmer die gesetzlichen Verpflichtungen und die Ausschreibungsunterlagen eingehalten hat und gilt deshalb als schwerwiegender Verstoss (E. 3.4).
Sanktion verletzt die Wirtschaftsfreiheit (Art. 27 und 36 BV) - Erinnerung an die Grundsätze (E. 4.2). Die Veröffentlichung einer Sanktion im Amtsblatt und auf der Website der Vergabehörde verstösst nicht gegen die Wirtschaftsfreiheit. Die Veröffentlichung einer Sanktion kann abschreckend und generalpräventiv wirken, manchmal sogar stärker als die Sanktion selbst, da Erstere, wie im vorliegenden Fall, Auftraggeber und Konkurrenten sowie die Öffentlichkeit im Allgemeinen über das Fehlverhalten bestimmter Konkurrenten informiert, welches sonst unbekannt bleiben würde (E. 4).
Sanktion verletzt Schutz der Privatsphäre (Art. 13 und 36 BV) - Schutz der Privatsphäre, Allgemeine Grundsätze (E. 5.2); die Bekanntgabe einer Sanktion über das Amtsblatt und eine Internetseite führt zu einem Eingriff in die Garantie des Schutzes der Privatsphäre des Zuschlagsempfängers, wodurch geprüft werden muss, ob die Voraussetzungen von Art. 36 BV erfüllt sind (E. 5.3.1). Die Veröffentlichung von Sanktionen im Bereich des öffentlichen Beschaffungswesens beruht auf einer formell-gesetzlichen Grundlage im Kanton Tessin und entspricht einem öffentlichen Interesse (E. 5.3.2).
In Bezug auf die Verhältnismässigkeit der Sanktion hält das Bundesgericht fest, dass die Veröffentlichung auf einer Internetseite lediglich auf den Zeitraum beschränkt ist, in dem der betroffene Zuschlagsempfänger effektiv von den kantonalen öffentlichen Aufträgen ausgeschlossen wird. Bei der Veröffentlichung im Amtsblatt ist der Eingriff schwerwiegender. Obwohl dort ebenfalls die Dauer des Ausschlusses angegeben wird, bleibt das Amtsblatt im Archiv der Website des Kantons Tessin verfügbar und kann auch Jahre später frei eingesehen werden, insbesondere seitdem es vollständig digitalisiert und in die vom Bund verwaltete zentrale Plattform (www.amtsblattportal.ch) aufgenommen wurde. Unter diesen Umständen ist festzuhalten, dass ein tatsächliches Risiko besteht, dass die Nachteile und irreversiblen Folgen der Veröffentlichung weit über die Nichtberücksichtigung des Unternehmens im Rahmen einer öffentlichen Ausschreibung hinausgehen. Das Risiko der Rufschädigung ist umso höher, wenn man bedenkt, dass die Bekanntmachung des Ausschlusses nicht nur für die Auftraggeber und die Aufsichts- und Kontrollbehörden notwendig ist, sondern auch für die Bieter selbst, im Rahmen der Vorabbewertung in Bezug auf Konsortien und Unteraufträge. Folglich ist das Interesse des Zuschlagsempfängers am Schutz seines Rufes höher zu gewichten als das Interesse, das mit der Veröffentlichung der Sanktion im Amtsblatt verfolgt wird, womit diese nicht als verhältnismässig gelten kann und aufgehoben werden muss (E. 5.3.3 und 5.3.5).