Newsletter Mai 2024

Herausgegeben von Bohnet F., Carron B., Eggler M. und Varin S., mit der Teilnahme von Borghi X.


Les inscriptions sont ouvertes !

Le 23e Séminaire sur le droit du bail se déroulera à Neuchâtel, en deux éditions identiques, les

Les thèmes ci-après seront abordés :

  • Les délais en droit du bail - 20 ans après, M. François Bohnet, avocat, professeur à l'Université de Neuchâtel
  • Actualités cantonales par les avocat·e·s spécialistes FSA droit du bail, Me Isabelle Salomé Daïna,  Me Sarah Perrier, Me Maud Volper, Me Damien Tournaire, Me Clémence Morard-Purro, Me Magalie Wyssen, Me Loris Magistrini
  • L'enrichissement illégitime en droit du bail, M. Blaise Carron, avocat, professeur à l'Université de Neuchâtel
  • L'usage de la chose louée, M. Pierre Stastny, avocat, juriste à l'Asloca, Genève
  • L'organisation judiciaire et la réalisation des droits en matière de bail, Mme Patricia Dietschy, professeure à l’Université de Lausanne, juge suppléante au Tribunal cantonal vaudois
  • Protection des données dans le domaine du bail à loyer, Mme Marie-Laure Percassi, avocate, collaboratrice scientifique à l'Université de Neuchâtel
  • La liquidation des rapports de bail à loyer : la théorie au service de la pratique, Mme Aurélie Gandoy, avocate, chargée de cours à l'Université de Fribourg
  • Le parlement durcit le droit du bail... et le peuple vote !
    Débat politique
    animé par M. Yves-Alain Cornu, journaliste à la RTS, avec M. Christian Dandrès, Conseiller national, avocat, juriste auprès de l'Asloca, Genève et M. Olivier Feller, Conseiller national, Directeur de la chambre vaudoise immobilière (CVI), Secrétaire général de la Fédération romande immobilière (FRI), Lausanne
  • ...et la traditionnelle présentation à trois voix de la jurisprudence des deux dernières années

Detailliertes Programm und Anmeldung

BGer 4A_243/2022 vom 26. Februar 2024

Architektur- und Ingenieurvertrag; Gesamtarchitektenvertrag; Honorar; letzte Kostenschätzung; Art. 404 OR; SIA-Norm 102

Gesamtarchitektenvertrag – Der Vertrag im vorliegenden Fall bezieht sich auf Planungs- und Bauleitungsleistungen. Es handelt sich um einen gemischten Vertrag, der je nach den Leistungen des Architekten entweder den Regeln des Auftrags oder denen des Werkvertrags unterliegt. Unabhängig davon, welche Leistung betrachtet wird, gelten für die Kündigung des Gesamtarchitektenvertrags die Regeln des Auftrags (Art. 404 OR). Im vorliegenden Fall haben die Parteien stillschweigend vereinbart, die SIA-Norm 102 in den Vertrag aufzunehmen (E. 3).

Honorar – Im vorliegenden Fall kündigten die Auftraggeber den Vertrag in einem Zeitpunkt, in dem die Arbeiten bereits begonnen hatten. Es ist unbestritten, dass die Berechnung des Honorars nach den Kosten des Bauwerks im Sinne von Art. 7 SIA-Norm 102 erfolgen muss (E. 4). Einer der Parameter der Formel für die Berechnung des Honorars sind die « aufwandbestimmende Baukosten », exklusive Mehrwertsteuer, im Sinne von Art. 7.2 der SIA-Norm 102. Wird das Projekt, wie im vorliegenden Fall, nicht realisiert, so wird das Honorar für die erbrachten Leistungen auf der Grundlage der letzten Kostenschätzung berechnet.

Letzte Kostenschätzung – Zu den Grundleistungen des Architekten nach der SIA-Norm 102 gehören die Kostenschätzung im Stadium des Vorprojekts (Art. 4.31), der genauere Kostenvoranschlag im Stadium des Bauprojekts (Art. 4.32) und die Revision der Kostenermittlung aufgrund der Angebote und Vergleich mit dem Kostenvoranschlag im Stadium der Ausschreibung (Art. 4.41). Im vorliegenden Fall erstellte der Beschwerdeführer erst in der Phase des Ausführungsprojektes des Bauwerks, im Dezember 2007, eine Kostenschätzung und erst nach Eingang der Angebote im Juli 2008 einen Kostenvoranschlag. Die vom Gesamtarchitekten gelieferten Informationen über die Baukosten sind von grosser Bedeutung, da sie die nachfolgenden Entscheidungen des Auftraggebers beeinflussen. Wenn also die Vergütung des Architekten aufgrund der vorzeitigen Beendigung des Auftrags von den geschätzten Kosten des Bauwerks abhängt, kann der Auftraggeber in gutem Glauben davon ausgehen, dass nur die Kosten der Arbeiten, die er nach der jüngsten Schätzung zu übernehmen bereit ist, als Grundlage für die Berechnung des Honorars dienen werden. In ähnlicher Weise werden bei einer Projektänderung die zum Zeitpunkt der Änderung bereits ausgeführten Leistungen des Architekten gemäss Art. 7 SIA-Norm 102 nach den ursprünglich geschätzten Kosten des Bauwerks vergütet, während für künftige Leistungen die Kosten des Bauwerks nach der Änderung, gegebenenfalls nach dem neuen Kostenvoranschlag, massgeblich sind.

Im vorliegenden Fall akzeptierten die Auftraggeber die ihnen im Juli 2008 vorgelegte Schätzung, die sich auf Gesamtkosten von CHF 1'325’165.- bezog, nicht, da sie das Projekt sofort reduzierten, so dass die Kosten, die der Honorarberechnung zugrunde lagen, CHF 640’771.- betrugen. Folglich stellte der Kostenvoranschlag vom 4. Juli 2008 nicht die letzte Kostenschätzung im Sinne von Art. 7.5.6 SIA-Norm 102 dar. Es ist somit korrekt, einen Betrag von CHF 700'000.- zu berücksichtigen, der vom Architekten selbst am 19. Dezember 2007, also nach der Gesamtkostenschätzung vom 15. Dezember 2007, als für das Honorar massgebliche Kosten angegeben wurde.

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Architektur- und Ingenieurvertrag SIA Normen Werkpreis

Analyse der Rechtsprechung BGer 4A_243/2022

Xavier Borghi

Avocat, spécialiste FSA en droit de la construction et de l'immobilier, docteur en ingénierie civile

Honoraires de l’architecte d’après le coût de l’ouvrage

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BGer 4A_423/2023 und 4A_425/2023 vom 7. Februar 2024

Haftpflicht; Verschuldenshaftung; Rechtswidrigkeit; Misswirtschaft; Art. 41 OR; 163 ff. StGB

Verschuldenshaftung / Rechtswidrigkeit (Art. 41 OR) – Die Rechtswidrigkeit eines Schadens im Sinne von Art. 41 Abs. 1 OR wird bejaht, wenn er gegen eine allgemeine Rechtspflicht verstösst, d.h. entweder ein absolutes Recht der geschädigten Person verletzt (Erfolgsunrecht) oder durch die Verletzung einer einschlägigen Schutznorm einen reinen Vermögensschaden verursacht (Verhaltensunrecht). Eine reine Vermögensschädigung ist nur dann rechtswidrig, wenn sie aus der Verletzung einer Verhaltensnorm resultiert, die vor solchen Schädigungen schützen soll. Solche Normen können sich aus der gesamten Schweizer Rechtsordnung ergeben, unabhängig davon, ob es sich um Privat-, Verwaltungs- oder Strafrecht handelt, ob sie geschriebenes oder ungeschriebenes Recht darstellen oder ob sie aus dem Bundesrecht oder dem kantonalen Recht stammen. Die Verbrechen oder Vergehen im Konkurs und in der Schuldbetreibung der Art. 163 ff. StGB sind keine Schutznormen im Sinne von Art. 41 Abs. 1 OR (E. 4.3).

Im vorliegenden Fall erlaubt die strafrechtliche Verurteilung des Geschäftsführers einer Baufirma wegen Misswirtschaft (Art. 165 StGB) dem Bauherrn nicht, gestützt auf Art. 41 OR Schadenersatz zu verlangen (E. 4.4-4.5).

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Haftpflicht Strafrecht

BGer 4A_406/2023 vom 5. März 2024

Kaufvertrag; Grundlagenirrtum; Bebaubarkeit des Grundstücks; Art. 23-24 OR

Grundlagenirrtum (Art. 23 und 24 Abs. 1 Ziff. 4 OR) – Wiederholung der Grundsätze (E. 5.1). Der Irrtum nach Art. 24 Abs. 1 Ziff. 4 OR kann sich auf eine zukünftige Tatsache beziehen, aber nur, wenn diese Tatsache zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses objektiv als sicher angesehen werden konnte. Zudem muss die Gegenpartei im Geschäftsverkehr nach Treu und Glauben erkennen müssen, dass die Gewissheit des Eintritts des zukünftigen Ereignisses für die sich im Irrtum befindende Partei eine Vertragsbedingung war (E. 7.1).

Im vorliegenden Fall erwarb der Käufer 2019 eine Parzelle, die sich in einer Bauzone (Weilerzone) befand. Im Jahr 2020 wurde die Parzelle der Nichtbauzone zugewiesen, woraufhin der Käufer versuchte, den Vertrag wegen eines Grundlagenirrtums anzufechten. Es wird eingeräumt, dass der BR bereits 2010 gefordert hatte, dass die kantonale Praxis zu kleinen Siedlungen dahingehend geändert werden müsse, dass Weilerzonen der Nichtbauzone zugewiesen werden müssten. Ebenso hatte das BGer die kantonale Praxis in diesem Punkt als RPG-widrig beurteilt. Nichtsdestotrotz war die Parzelle zum Zeitpunkt des Immobilienverkaufs in der Bauzone platziert, so dass im Rahmen des Zivilverfahrens über einen Grundlagenirrtum keine Vorprüfung bezüglich einer allfälligen Erteilung einer Baubewilligung zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses vorzunehmen ist (E. 6.3).

Der obige Kontext impliziert jedoch, dass der Käufer nicht davon ausgehen konnte, dass er noch Monate oder gar Jahre lang eine Baubewilligung für sein Projekt erhalten würde. Entscheidend ist vielmehr die zukünftige Entwicklung, die der Käufer zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses voraussehen musste. Es ist daher Sache des Käufers, das Risiko der vorhersehbaren Nutzungsänderung zu tragen, die nach dem Verkauf eingetreten ist (E. 7.3).

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Allgemeiner Teil OR

BGer 4A_283/2023 vom 12. März 2024

Schenkung; Haftung des Bevollmächtigten; Schenkung einer Immobilie; Gesellschaftsvertrag; Schaden, späteres hypothetisches Ereignis; Art. 97, 242, 398 Abs. 2 OR

Haftung des Beauftragten (Art. 97 und 398 Abs. 2 OR) – Wiederholung der Grundsätze (E. 3.1.3). Schadensbegriff – Wiederholung der Grundsätze (E. 3.1.4).

Späteres hypothetisches Ereignis – Die Frage, ob ein Schädiger zu seiner Entlastung einwenden kann, dass der behauptete Schaden unabhängig von seinem Verhalten aufgrund späterer hypothetischer Ereignisse ohnehin eingetreten wäre, ist in der Lehre umstritten und wird in der Rechtsprechung nicht einheitlich behandelt. Im Allgemeinen ist das BGer der Ansicht, dass hypothetische spätere Ereignisse bei der Berechnung des Schadens berücksichtigt werden müssen, sei es aufgrund ausdrücklicher gesetzlicher Bestimmungen oder direkt auf der Grundlage des allgemeinen Schadensbegriffs (E. 3.1.3).

Im vorliegenden Fall beauftragen zwei Eheleute einen Anwalt mit der Prüfung eines « Gesellschafts- und Schenkungsvertrags », in dem der Ehemann das Eigentum an einigen seiner Immobilien an seine Ehefrau überträgt. Der Vertrag wird in öffentlicher Form vor einem Notar im Kanton Aargau abgeschlossen. Die Ehefrau erhält die Übertragung des Eigentums an den Immobilien im Kanton Aargau, jedoch nicht an den Immobilien im Kanton Zürich, da die Beurkundung fehlt. In der Folge lassen sich die Parteien scheiden und der Ehemann macht einen Grundlagenirrtum über den Vertrag geltend. Mehrere Jahre später schlossen die Eheleute mehrere Vereinbarungen ab, in denen sie den « Gesellschafts- und Schenkungsvertrag » entschädigungslos und rückwirkend aufhoben. Die Ehefrau behauptete, ihr sei ein Schaden entstanden, weil der Anwalt, der den Vertrag geprüft hatte, seine Sorgfaltspflicht verletzt habe. Da ein späteres hypothetisches Ereignis – der Abschluss des Aufhebungsvertrags – die gleiche Vermögensminderung wie eine mögliche Pflichtverletzung des Anwalts zur Folge gehabt hätte und das zweite Ereignis in den Verantwortungsbereich der Auftraggeberin fällt, haftet der Anwalt nach Ansicht des BGer mangels Schaden nicht (E. 3.2.2). Zudem scheitert die Ehefrau am Beweis, dass sie die Zürcher Liegenschaften nicht rückübertragen hätte, wenn sie aufgrund des « Gesellschafts- und Schenkungsvertrags » im Grundbuch hätte eingetragen werden können (E. 3.3.3).

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Schenkung Schaden Allgemeiner Teil OR

BGer 4A_329/2023 vom 26. Februar 2024

Werkvertrag; Übertragung des Vertrags; Auslegung des Vertrags; Art. 18, 363 ff. OR

Vertragsübertragung – Die Vertragsübertragung bewirkt, dass das gesamte Vertragsverhältnis mit allen damit verbundenen Rechten und Pflichten von einer Vertragspartei auf einen Dritten übergeht, der an ihre Stelle tritt. Es handelt sich um einen innominierten Vertrag sui generis, der nicht der einfachen Kombination aus Forderungsabtretung und Schuldübernahme entspricht. Nach dem Grundsatz der Formfreiheit ist die Vertragsübertragung an keine bestimmte Form gebunden. Sie kann nicht ohne die Zustimmung des Schuldners vereinbart werden : sie setzt die Zustimmung aller Beteiligten voraus. Ein unbeschränkter Vertragsübergang liegt vor, wenn die eintretende Partei auch für die Zeit vor dem Übergang an die Stelle der austretenden Partei tritt ; sie übernimmt somit alle Verpflichtungen und erwirbt alle Rechte, die seit dem Abschluss des bereits bestehenden Vertrags entstanden sind. Eine begrenzte Übertragung liegt hingegen vor, wenn die eintretende Partei die austretende Partei nur für die Zukunft, d. h. für die Zeit nach der Übertragung, ersetzt (E. 5.1).

Vertragsauslegung – Wiederholung der Grundsätze. Nach der Rechtsprechung ist bei Zweifeln über den Willen der Parteien hinsichtlich der unbegrenzten oder begrenzten Natur der Vertragsübertragung auf das mutmaßliche Interesse des neuen Vertragspartners an der Übertragung abzustellen (E. 5.2). Grundsätzlich ist Gegenstand des Werkvertrags das Arbeitsergebnis und nicht die Arbeit als solche. Die Erfüllung der versprochenen Leistung erfolgt zum Zeitpunkt der Lieferung und ist daher nicht zeitlich gestreckt. Bei einem Dauerschuldverhältnis liegt das Interesse des neuen Vertragspartners in der Regel darin, eine begrenzte Übertragung zu vereinbaren, um zu vermeiden, dass er etwaige Risiken aus einer früheren Situation tragen muss. Der Werkvertrag setzt ihn keinen solchen Risiken aus, jedenfalls nicht, wenn wie im vorliegenden Fall keine Sukzessivlieferungen erfolgen. Im vorliegenden Fall haben die neuen Käufer im Übergabevertrag eine neue Frist für die Lieferung des Bauwerks festgelegt, so dass sie ein Interesse daran hatten, das Recht auf Schadenersatz zu behalten, wenn diese Frist nicht eingehalten würde. Es ist daher festzuhalten, dass eine unbeschränkte Vertragsübertragung stattgefunden hat (E. 6.3).

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Werkvertrag Allgemeiner Teil OR

BGer 5A_835/2023 vom 20. Februar 2024

Eigentum / Besitz; Postulationsfähigkeit des Anwalts; Rechtsschutz in klaren Fällen; Vindikation und Ausweisung; Art. 12 lit. c BGFA; 257 ZPO; 30e BVG; 66, 68 VZG

Postulationsfähigkeit des Anwalts (Art. 12 Bst. c BGFA) – Wiederholung der Grundsätze (E. 3.1.1). Im Falle eines Wechsels der Anwaltskanzlei durch einen mitarbeitenden Anwalt hat das Bundesgericht entschieden, dass die Kenntnis des Anwalts aufgrund seiner vorherigen Anstellung von einem Dossier, das von seinem neuen Arbeitgeber bearbeitet wird, das entscheidende Element darstellt, um das Vorliegen eines konkreten Interessenkonflikts, der vermieden werden muss, zu bejahen (E. 3.1.2). Im vorliegenden Fall gelang es den Beschwerdeführern nicht, den Nachweis zu erbringen, dass die betroffene Mitarbeiterin das Dossier an ihrem vorherigen Arbeitsplatz kannte (E. 3.2 bis 3.4).

Rechtsschutz in klaren Fällen (Art. 257 ZPO) – Wiederholung der Grundsätze (E. 4.1). Vindikation und Ausweisung – Eigentümer, die das Eigentum an einer Liegenschaft durch Zuschlag des Betreibungsamtes erlangt hatten und als solche im GB eingetragen wurden, konnten im Klarfallverfahren auf eine Eigentumsklage einleiten und die Ausweisung von früheren Bewohnern verlangen. Der Eintrag einer Veräusserungsbeschränkung nach Art. 30e BVG war zum Zeitpunkt der Übertragung gelöscht worden (Art. 66 und 68 VZG), so dass sich die bisherigen Bewohner sich nicht darauf berufen konnten. Wenn ein Mietvertrag bestanden hätte, wäre dieser im Zwangsvollstreckungsverfahren zweifellos erwähnt worden, so dass die Besetzer es versäumen, einen solchen Vertrag glaubhaft zu machen. In diesem Fall hätten sie das Lastenverzeichnis anfechten müssen, das keinen Hinweis auf einen Mietvertrag enthielt (E. 4.2 bis 4.4).

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Eigentum/Besitz Verfahren SchKG (Schuldbetreibung)

BGer 5A_695/2023 vom 27. März 2024

Stockwerkeigentum; Nichtigkeit oder Anfechtbarkeit eines Beschlusses der Stockwerkeigentümergemeinschaft; Verteilung der gemeinsamen Kosten und Lasten; Art. 75, 712h, 712m ZGB

Nichtigkeit oder Anfechtbarkeit eines Beschlusses der Stockwerkeigentümergemeinschaft – Wiederholung der Grundsätze (E. 3.7). Verteilung der gemeinsamen Kosten und Lasten (Art. 712h ZGB) – Beschlüsse im Zusammenhang mit der Verteilung der gemeinsamen Kosten und Lasten sind typischerweise anfechtbare Beschlüsse (E. 3.7).

Im vorliegenden Fall fasste die Versammlung 2015 den Beschluss, den Parkplatz zu sanieren, ohne nähere Angaben zur Verteilung der Kosten für diese Sanierung zu machen. Die Verwaltung stellte Rechnungen aus und nahm dabei eine Aufteilung nach Quoten vor. Mit Beschluss vom 3. Juli 2018 entschieden sich die Stockwerkeigentümer dafür, den Verteilungsschlüssel zu ändern und ihn auf der Grundlage der Anzahl der von jedem Stockwerkeigentümer gehaltenen Parkplätze zu berechnen. Ein solcher Beschluss ist nicht nichtig : gemäss Art. 712h Abs. 3 ZGB ist dies bei der Kostenverteilung zu berücksichtigen, wenn bestimmte Gemeinschaftseinrichtungen von bestimmten Stockwerkeinheiten nicht oder nur in sehr geringem Umfang genutzt werden. Diese Bestimmung, deren Grundsatz in das Reglement der Stockwerkeigentümergemeinschaft übernommen wurde, sieht den Grundsatz der Verteilung nach Quoten nur für Kosten vor, die im gleichen Interesse aller Stockwerkeigentümer liegen, was bei der vorliegenden Garage offensichtlich nicht der Fall ist (E 3.7).

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Stockwerkeigentum

BGer 5A_574/2023 vom 28. Februar 2024

Bauhandwerkerpfandrecht; Frist für die Eintragung eines gesetzlichen Pfandrechts; Abschluss der Arbeiten; mehrere Verträge; Art. 839 Abs. 2 ZGB; 368 Abs. 2 OR

Genehmigung zum Erwerb eines landwirtschaftlichen Grundstücks (Art. 61 ff. BGBB) – Wiederholung der Grundsätze (E. 4.1.1). Selbstbewirtschaftung (Art. 9 BGBB) – Wiederholung der Grundsätze (E. 4.1.1 und 4.1.3). In einem Grundsatzurteil (BGE 140 II 233) entschied das BGer, dass eine juristische Person im Sinne des BGBB persönlich bewirtschaften kann, wenn das Mitglied oder der/die Gesellschafter mit Mehrheitsbeteiligung die Voraussetzungen für die Anerkennung als persönlich bewirtschaftende Person erfüllt/en oder mindestens die Mehrheit dieser Personen im Betrieb mitarbeiten. Darüber hinaus muss der Inhaber der Mehrheitsbeteiligung über den Betrieb, der das Hauptvermögen der juristischen Person darstellt, so verfügen können, dass er ihn als Arbeitsinstrument nutzen kann, als wäre er direkter Eigentümer. Juristische Personen werden jedoch nur mit Zurückhaltung als persönliche Betriebsinhaber anerkannt. Diese Grundsätze gelten mutatis mutandis auch für landwirtschaftliche Grundstücke (E. 4.1.2).

Im vorliegenden Fall lehnte die Vorinstanz die Erwerbsbewilligung mit der Begründung ab, das Ziel der juristischen Person sei es gewesen, ein Grundstück zu kaufen, das möglicherweise ausgezont werden könne, weshalb die Bodenspekulation als Motiv für den Erwerb der Parzelle erscheine. Ein solches Argument ist jedoch nicht relevant, um zu definieren, ob die juristische Person als persönliche Betreiberin im Sinne von Art. 9 BGBB qualifiziert werden kann. Im Übrigen darf dieser Aspekt grundsätzlich nicht einmal berücksichtigt werden, wenn ein Gesuch um Bewilligung zum Erwerb eines Grundstücks oder eines landwirtschaftlichen Betriebs aus wichtigem Grund nach Art. 64 BGBB abgelehnt wird (E. 4.4). Im vorliegenden Fall verfügt der Alleinaktionär der Gesellschaft über eine Vergangenheit im Zusammenhang mit dem Obstbau, über Kenntnisse in diesem Bereich sowie über zwei ausländische Diplome, die vom Staatssekretariat für Bildung als einem Fähigkeitszeugnis gleichwertig eingestuft wurden. Es ist nicht ersichtlich, dass er einer anderen Tätigkeit nachgeht, so dass er die Zeit hat, sich seinem Vorhaben zu widmen, auf dem begehrten Grundstück Obstbäume zu pflanzen. Daher sollte ihm die Genehmigung erteilt werden, wobei es möglich ist, die Genehmigung mit Auflagen und Bedingungen zu versehen oder sie sogar zu widerrufen, wenn die Gesellschaft falsche Informationen geliefert hat. Die Tatsache, dass die Gesellschaft erst in zehn Jahren ein Einkommen aus der Apfelproduktion erzielen wird, ist irrelevant und könnte sogar den Willen zur langfristigen persönlichen Nutzung demonstrieren (E. 4.5).

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Bauhandwerkerpfandrecht Verfahren

BGE 150 II 168, BGer 2C_317/2023 vom 1. März 2024

Bäuerliches Bodenrecht; Genehmigung zum Erwerb eines Grundstücks oder eines landwirtschaftlichen Betriebs; Eigenbetrieb einer juristischen Person; Art. 9, 61 ff. BGBB

Genehmigung zum Erwerb eines landwirtschaftlichen Grundstücks (Art. 61 ff. BGBB) – Wiederholung der Grundsätze (E. 4.1.1). Selbstbewirtschaftung (Art. 9 BGBB) – Wiederholung der Grundsätze (E. 4.1.1 und 4.1.3). In einem Grundsatzurteil (BGE 140 II 233) entschied das BGer, dass eine juristische Person im Sinne des BGBB persönlich bewirtschaften kann, wenn das Mitglied oder der Gesellschafter mit Mehrheitsbeteiligung die Voraussetzungen für die Anerkennung als persönlich bewirtschaftende Person erfüllt oder mindestens die Mehrheit dieser Personen im Betrieb mitarbeitet. Darüber hinaus muss der Inhaber der Mehrheitsbeteiligung über den Betrieb, der das Hauptvermögen der juristischen Person darstellt, so verfügen können, dass er ihn als Arbeitsinstrument nutzen kann, als wäre er direkter Eigentümer. Juristische Personen werden jedoch nur mit Zurückhaltung als persönliche Betriebsinhaber anerkannt. Diese Grundsätze gelten mutatis mutandis auch für landwirtschaftliche Grundstücke (E. 4.1.2).

Im vorliegenden Fall lehnte die Vorinstanz die Erwerbsbewilligung mit der Begründung ab, das Ziel der juristischen Person sei es gewesen, ein Grundstück zu kaufen, das möglicherweise ausgezont werden könne, weshalb die Bodenspekulation als Motiv für den Erwerb der Parzelle erscheine. Ein solches Argument ist jedoch nicht relevant, um zu definieren, ob die juristische Person als persönliche Betreiberin im Sinne von Art. 9 BGBB qualifiziert werden kann. Im Übrigen darf dieser Aspekt grundsätzlich nicht einmal berücksichtigt werden, wenn ein Gesuch um Bewilligung zum Erwerb eines Grundstücks oder eines landwirtschaftlichen Betriebs aus wichtigem Grund nach Art. 64 BGBB abgelehnt wird (E. 4.4). Im vorliegenden Fall verfügt der Alleinaktionär der Gesellschaft über eine Vergangenheit im Zusammenhang mit dem Obstbau, über Kenntnisse in diesem Bereich sowie über zwei ausländische Diplome, die vom Staatssekretariat für Bildung als einem Fähigkeitszeugnis gleichwertig eingestuft wurden. Es ist nicht ersichtlich, dass er einer anderen Tätigkeit nachgeht, so dass er die Zeit hat, sich seinem Vorhaben zu widmen, auf dem begehrten Grundstück Obstbäume zu pflanzen. Daher sollte ihm die Genehmigung erteilt werden, wobei es möglich ist, die Genehmigung mit Auflagen und Bedingungen zu versehen oder sie sogar zu widerrufen, wenn das Unternehmen falsche Informationen geliefert hat. Die Tatsache, dass das Unternehmen erst in zehn Jahren ein Einkommen aus der Apfelproduktion erzielen wird, ist irrelevant und könnte sogar den Willen zur langfristigen persönlichen Nutzung demonstrieren (E. 4.5).

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Bäuerliches Bodenrecht Zur Publikation vorgesehen

BGer 2D_1/2024 vom 1. März 2024

Öffentliche Beschaffungswesen; Ungewöhnlich niedriges Angebot; Art. 42 RMP/GE

Ungewöhnlich niedriges Angebot – Nach der Rechtsprechung steht es den Bietern grundsätzlich frei, die Preise ihrer Angebote zu kalkulieren. Ein Angebot mit einem ungewöhnlich niedrigen Preis, gegebenenfalls auch unterhalb der Selbstkosten, stellt daher in der Regel kein unzulässiges Verfahren an sich dar, sofern der Bieter die Eignungskriterien und die gesetzlichen Voraussetzungen für den Zugang zum Verfahren erfüllt, was die Vergabebehörde im Zweifelsfall durch Einholung von Präzisierungen überprüfen kann. Stellt sich aufgrund dieser Präzisierungen heraus, dass das Angebot Mängel hinsichtlich der Fähigkeit des Bieters aufweist, den öffentlichen Auftrag auszuführen oder die festgelegten gesetzlichen Bedingungen zu erfüllen, wird es aufgrund dieser Mängel ausgeschlossen oder schlechter bewertet, nicht aber aufgrund des ungewöhnlich niedrigen Preises. Art. 42 Abs. 1 Bst. e RMP/GE erlaubt nicht nur den Ausschluss eines Bieters, wenn dieser sein ungewöhnlich niedriges Angebot nicht begründet, sondern auch, wenn die gegebenen Begründungen nicht ausreichend überzeugend sind (E. 3.3).

Im vorliegenden Fall wich das Angebot des Bieters um mehr als 38 % vom Durchschnitt der eingegangenen Angebote ab und stellte somit ein ungewöhnlich niedriges Angebot dar. Bezüglich der angegebenen Verfügbarkeitsrate seines Projektteams (Ingenieur und Projektleiter mit einem Beschäftigungsgrad von 40 %), zu der die Vergabebehörde ihn befragte, bezog sich der Bieter ausdrücklich auf Lösungen, die er in seinem Angebot nicht berücksichtigt hatte, ohne jedoch zu erklären, auf Kosten welcher anderen Aufgaben oder Tätigkeiten er zusätzliche Ressourcen einsetzen könnte, ohne sein finanzielles Gleichgewicht zu gefährden. Darüber hinaus warf auch das Fehlen von Zeichnungsstunden in der Vorentwurfsphase im strittigen Angebot Zweifel an dessen Seriosität auf. Folglich hat die Vergabebehörde weder ihren Ermessensspielraum missbraucht noch gegen Art. 42 Abs. 1 Bst. e RMP/GE verstoßen, als sie davon ausging, dass die vom Bieter gegebenen Antworten nicht ausreichten, um den ungewöhnlich niedrigen Preis zu erklären, und dass dies einen Ausschluss des Angebots rechtfertigte (E. 3.6).

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Öffentliche Beschaffungswesen

BGer 5A_643/2023 vom 14. März 2024

SchKG; öffentliche Versteigerung; Beschwerde gegen die Verwertung; Begriff des Bestandteils und des Zubehörs eines Grundstücks; Art. 132a SchKG; 642 ff. ZGB

Öffentliche Versteigerung / Beschwerde gegen die Verwertung – Bei der Beschwerde nach Art. 132a SchKG können nur Mängel gerügt werden, die während der Versteigerung selbst begangen wurden. Richtet sich die Rüge nicht gegen die Versteigerung als solche oder den Zuschlag, sondern gegen das Vorbereitungsverfahren, muss der Beschwerdeführer den beanstandeten Mangel spätestens unmittelbar vor Beginn der Versteigerung rügen und zudem unter Berufung auf den beanstandeten Mangel die Verschiebung der Versteigerung verlangen (E. 5.4).

Begriff des Bestandteils und Zubehör einer Immobilie (Art. 642 ff. ZGB) – Wiederholung der Grundsätze (E. 5.6). Im vorliegenden Fall wurde im Rahmen der Versteigerung eines landwirtschaftlichen Anwesens die Melkanlage weder in der Schätzung noch im Lastenverzeichnis als Zubehör oder Bestandteil aufgeführt. Da das Lastenverzeichnis nicht angefochten wurde und der Schuldner nicht zur Versteigerung erschien, kann sich der Schuldner im Rahmen der Beschwerde nach Art. 132a SchKG nicht mehr über dieses Versäumnis beschweren (E. 5.6).

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SchKG (Schuldbetreibung) Kaufvertrag Bäuerliches Bodenrecht Verfahren

BGer 7B_744/2024 vom 14. Februar 2024

Strafrecht; farhlässige schwere Körperverletzung; Garantenstellung; Sorgfaltspflicht; Kausalität; Art. 125 StGB; aBauAV

Fahrlässige schwere Körperverletzung – Wiederholung der Grundsätze (E. 4.1 bis 4.2.4).

Garantenstellung – Im vorliegenden Fall war der Bauleiter mit der Leitung und Überwachung einer Renovierungsbaustelle betraut. In dieser Funktion war er für die Einhaltung der Regeln der Baukunst verantwortlich und haftete sowohl für das Tun als auch für eine Unterlassung als Garant für die Sicherheit auf der Baustelle zum Zeitpunkt des Geschehens (E. 4.4.1). Er wusste, dass der Arbeitseinsatz eines Kunstrestaurators unmittelbar bevorstand, weshalb es keine Rolle spielte, dass er den genauen Tag des Einsatzes nicht kannte. Die Tatsache, ob die gefährdeten Personen in einem rechtlichen Unterordnungsverhältnis zu ihm stehen, spielt keine Rolle ; die gleiche Verpflichtung besteht auch gegenüber Dritten (E. 4.4.2).

Sorgfaltspflicht – Indem der Bauleiter es unterliess, die in Art. 8 Abs. 2 lit. d aBauAV vorgesehenen Sicherheitsmassnahmen einzurichten, bzw. nicht dafür sorgte, dass sie eingerichtet wurden, hat er nicht die Aufmerksamkeit und die Anstrengungen unternommen, die von ihm erwartet werden konnten. Das Vorhandensein eines quer über den Eingang eines Raumes genagelten Holzbretts entspricht nicht diesen Anforderungen und ist daher unzureichend (E. 4.5.3).

Kausalität – Im vorliegenden Fall ist es weder überraschend noch aussergewöhnlich, dass der Kunstrestaurator den Raum betrat, obwohl das Holzbrett diagonal zum Eingang befestigt war. Ein solches Verhalten ist nicht geeignet, den Kausalzusammenhang zu unterbrechen (E. 4.6.3).

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Strafrecht

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