Newsletter Juni 2025
Herausgegeben von Bohnet F., Carron B., Eggler M., Varin S., mit der Teilnahme von Rüttimann P.
Mit der Unterstützung von Die Kammer der Fachanwälte SAV im Bau- und Immobilienrecht
Herausgegeben von Bohnet F., Carron B., Eggler M., Varin S., mit der Teilnahme von Rüttimann P.
Werkvertrag; Mängelhaftung; Verjährung der Mängelansprüche; Art. 135 ff. OR; Art. 180 SIA-Norm 118
Mängelhaftung – Wiederholung der Grundsätze (E. 3.1.1). Verjährung – Gemäss Art. 180 der Norm SIA 118 verjähren die Mängelansprüche des Bestellers fünf Jahre nach Abnahme des Werkes. Für die Unterbrechung der Verjährung der Mängelansprüche gelten die allgemeinen Bestimmungen von Art. 135 ff. OR g. Vom Unternehmer während der Verjährungsfrist durchgeführte Nachbesserungen unterbrechen die Verjährung und setzen eine neue Frist gleicher Dauer in Gang. Erkennt der Unternehmer seine Haftung nur für bestimmte Ansprüche aus der Mängelhaftung an, so hat dies keine Unterbrechung der Verjährung der übrigen Ansprüche zur Folge. Hat er seine Haftung für einen sekundären Mangel anerkannt, so hat diese Anerkennung keine Auswirkungen auf einen primären Mangel, den der Unternehmer nicht kannte. Die Frage, ob die Verjährung unterbrochen wurde, ist für jeden Mangel einzeln zu beurteilen. Die Verjährung kann bereits eintreten, bevor der Mangel von den Parteien festgestellt wurde (E. 3.1.2).
Im vorliegenden Fall wurden die sekundären Mängel (Risse in der Wand und Feuchtigkeitsschäden) während der Verjährungsfrist behoben. Der primäre Mangel (mangelhafte Konstruktion der Fassade) wurde den Parteien erst nach Ablauf dieser Frist bekannt. Das Ganze kann nicht als einziger Mangel angesehen werden, da die sekundären Mängel nicht nur eine einfache Verschlimmerung des ursprünglichen Mangels darstellen : Die Risse in der Fassade und die Feuchtigkeitsschäden haben zwar ihren Ursprung in den Mängeln der Wand, wären aber ohne das Eintreten weiterer Umstände nicht entstanden. Die Behebung der sekundären Mängel gilt daher nicht als Anerkennung des primären Mangels, der somit verjährt ist (E. 3.2.2).
Avocat spécialiste FSA droit de la construction et de l’immobilier, M.B.L.-HSG, LL.M., Mangeat Avocats Sàrl
Werkvertrag; Rechtliches Gehör und unzureichende Begründung; Auslegung eines Vertrags; Vertragsänderung; Art. 18 OR; 95 SIA-Norm 118
Auslegung eines Vertrags (Art. 18 OR) – Wiederholung der Grundsätze (E. 4.4). Im Rahmen einer objektiven Vertragsauslegung ist es nicht ausreichend, sich auf eine kurze Beschreibung aller Optionen in der vertraglichen Übersicht zu beschränken, sondern es ist auch die detailliertere Darstellung der Optionen in der weiter unten im Vertrag enthaltenen ausführlichen Darstellung zu berücksichtigen (E. 4.6.4).
Mehrleistungen (Art. 95 Abs. 3 SIA-Norm 118) – Der Unternehmer, der eine zusätzliche Vergütung für Mehrleistungen verlangt, muss nachweisen, welche Massnahmen und Leistungen erforderlich waren und welche konkreten Kosten dadurch entstanden sind. Im vorliegenden Fall hat der Unternehmer nicht angegeben, an welchen Tagen die Arbeiter für welche konkreten zusätzlichen Massnahmen hätten eingesetzt werden müssen, um den durch die Überschwemmungen verursachten Rückstand aufzuholen (E. 6.2).
Immobiliarversicherungsvertrag; natürliche und adäquate Kausalität; Auslegung des Versicherungsvertrags und der Allgemeinen Geschäftsbedingungen; Art. 33 VVG; 18 OR
Natürliche und adäquate Kausalität – Im vorliegenden Fall wurde die Stützmauer des Nachbarn nach einem Unwetter so wieder aufgebaut, dass sie auf das versicherte Grundstück überragte. Der Eigentümer des versicherten Grundstücks macht weder geltend noch beweist er, dass die schlechte Lage der wiederaufgebauten Mauer auf den Schaden selbst zurückzuführen ist. Die natürliche und adäquate Kausalität fehlt hinsichtlich des Flächenverlusts der versicherten Parzelle (E. 5.1-5.2).
Auslegung des Versicherungsvertrags und der Allgemeinen Bedingungen – Wiederholung der Grundsätze. Hinsichtlich der Auslegung des in vorformulierten Klauseln vorgesehenen versicherten Risikos präzisiert Art. 33 VVG, dass der Versicherer, sofern nichts anderes vereinbart ist, für alle Ereignisse haftet, die den Charakter des Risikos aufweisen, gegen dessen Folgen die Versicherung abgeschlossen wurde, es sei denn, der Vertrag schliesst bestimmte Ereignisse in präziser und unmissverständlicher Weise aus (E. 6.2.2-6.2.3).
Miteigentum; Nutzungs- und Verwaltungsordnung; einzelne Verwaltungsakte und Bauarbeiten; Bestellung eines Verwalters; Art. 647 ff. ZGB
Nutzungs- und Verwaltungsordnung (Art. 647 Abs. 1 ZGB) – Wiederholung der Grundsätze (E. 3.2). Einzelne Verwaltungshandlungen und Bauarbeiten (Art. 647a ff. ZGB) – Wiederholung der Grundsätze. Die Beschlüsse der Miteigentümer stellen keine synallagmatischen Verträge dar, sondern multilaterale Rechtsgeschäfte, die zu verbindlichen Entscheidungen in Angelegenheiten der Miteigentümergemeinschaft führen sollen; sie sind nur gegenüber den Mitgliedern der Personengemeinschaft wirksam (E. 3.3).
Bestellung eines Verwalters (Art. 647b ZGB) – Die Bestellung eines Verwalters gilt als wichtige Verwaltungshandlung, sofern sich seine Befugnisse nicht auf laufende Verwaltungshandlungen beschränken. Sie kann mit Zustimmung der Mehrheit der Miteigentümer, die gleichzeitig den grössten Teil der Sache vertreten, beschlossen werden (E. 3.3). Im vorliegenden Fall war eine Klausel in einem Erbvertrag, die die Verwaltung des Vermögens bis zur Teilung der Sache einer Gesellschaft übertrug, nicht so zu verstehen, dass sie eine Änderung durch einen Beschluss der qualifizierten Mehrheit vor der Teilung des Miteigentums ausschloss (E. 6).
Dienstbarkeit; Nichtausübung einer Dienstbarkeit; Verzicht auf eine Dienstbarkeit; Wegfall des Zwecks einer Dienstbarkeit; Art. 661, 734, 736, 737 ZGB
Am wenigsten schädliche Ausübung einer Dienstbarkeit (Art. 737 ZGB) – Wiederholung der Grundsätze (E. 6.1). Nichtausübung einer Dienstbarkeit – Die blosse Nichtausübung einer Dienstbarkeit während längerer Zeit kann nicht als stillschweigender Verzicht ausgelegt werden (E. 5.1.1). Aus der Nichtnutzung der Dienstbarkeit lässt sich auch nicht auf den Wegfall ihres Zweckes und damit auf ihre Löschung im Sinne von Art. 736 Abs. 1 ZGB schliessen. Die Nichtnutzung kann höchstens ein Indiz für den Wegfall des Verwendungszwecks sein. Ebenso kann sich der Eigentümer nicht auf die Ersitzung des belasteten Grundstücks (usucapio libertatis) berufen : Art. 661 ZGB ist nicht analog anwendbar (E. 5.1.2).
Im vorliegenden Fall wird der Eigentümer des belasteten Grundstücks verpflichtet, die von ihm auf dem Wegrechtsgrundstück errichteten Anlagen zu entfernen. Die Tatsache, dass dieses Recht von den Eigentümern des berechtigten Grundstücks während vier Jahrzehnten nicht ausgeübt wurde, ist unerheblich, zumal das berechtigte Grundstück in dieser Zeit unbebaut war und die konfessorische Klage unmittelbar nach dessen Bebauung erhoben wurde. Der Eigentümer des belasteten Grundstücks weist auch nicht nach, dass er beim Errichten der Anlagen eine Zustimmung der damaligen Eigentümer des berechtigten Grundstücks erhalten hätte, die einem stillschweigenden Verzicht auf die Dienstbarkeit gleichkäme (E. 5.2 und 5.3).
Bauhandwerkerpfandrecht; Forderung des Unternehmers und Anzahlung; Plausibilität der Forderung; Forderung auf Rückzahlung der Sicherheit; Art. 837, 839 ZGB
Forderung des Unternehmers und Anzahlungen – Wiederholung der Grundsätze (E. 3.3.2). Wahrscheinlichkeit der Forderung – Wiederholung der Grundsätze. Bei unklarer oder unsicherer Rechtslage ist die vorläufige Eintragung des Bauhandwerkerpfandrechts zuzulassen und die Entscheidung dem ordentlichen Gericht zu überlassen (E. 3.3.3).
Forderung auf Rückgewährung der Sicherheit – Es ist nicht willkürlich, eine Forderung des Bauunternehmers auf Rückgewährung einer vom Bauherrn in Anspruch genommenen Erfüllungsgarantie, die er ihm gestellt hatte, selbst unter dem Gesichtspunkt der Wahrscheinlichkeit (vorläufige Eintragung) vom Pfandbetrag abzuziehen. Die Tatsache, dass die für die ausgeführten Arbeiten erhaltenen Zahlungen um den Betrag der in Anspruch genommenen Sicherheit gekürzt werden können, ändert daran nichts. Nur Forderungen, die der Unternehmer als Gegenleistung für Bauarbeiten erworben hat, die einen Mehrwert für das Baugrundstück bringen können, können mit einem Pfandrecht belastet werden. Der betreffende Rückzahlungsanspruch ist ein vom Werkpreis unabhängiger und davon getrennter Anspruch ; die (gesetzliche) Abtretung dieses Anspruchs an den Bauunternehmer begründet keinen Anspruch, der in ein Bauhandwerkerpfandrecht einbezogen werden kann (E. 3.4).
Eigentum/Besitz; Eintragung in das Grundbuch nach einer Erbschaft; Art. 559 ZGB; 65 GBV
Eintragung im Grundbuch nach einer Erbfolge (Art. 65 GBV) – Wird das Eigentum vor der Eintragung im Grundbuch erworben, besteht der Nachweis des Eigentumsübergangs im Erbfall in einer Bescheinigung, dass die gesetzlichen und eingesetzten Erben als alleinige Erben des Erblassers im Sinne von Art. 559 Abs. 1 ZGB anerkannt sind (E. 3.3.1). Der Nachweis gemäss Art. 65 GBV kann auch durch eine ausländische Bescheinigung erbracht werden, sofern diese den Anforderungen des IPRG an die Anerkennung ausländischer Entscheidungen entspricht und das ausländische Dokument inhaltlich dem schweizerischen Erbschein gleichwertig ist (E. 3.3.2). Dies ist im vorliegenden Fall bei einem notariell beurkundeten Ehegatten-Erbvertrag und einem Erbverzichtsvertrag nicht der Fall, da das deutsche Recht eine dem schweizerischen Erbschein vergleichbare Bescheinigung kennt (E. 3.3.3–3.4.2)
Eigentum/Besitz; materielle Enteignung; Nichteinzonung und Auszonung; Art. 26 BV; 5 RPG
Materielle Enteignung (Art. 26 BV ; 5 RPG) – Wiederholung der Grundsätze (E. 3.2.1). Ein- und Auszonung – Wiederholung der Grundsätze (E. 3.2.2). Im vorliegenden Fall befindet sich das Grundstück in der Bauzone, ist jedoch seit 2004 nicht bebaubar, da die Gemeinde keinen Quartierplan erlassen hat, der Voraussetzung für eine bauliche Nutzung wäre. Unter diesen Umständen hat die Gemeinde das Grundstück nicht an sich der Bauzone nicht zugewiesen; das Ausbleiben des Quartierplans innerhalb der vom Regierungsrat gesetzten Frist stellt weder eine Auszonung noch eine vorübergehende Eigentumsbeschränkung dar. Vielmehr handelt es sich um eine Verzögerung, die allenfalls ein rechtswidriges Verhalten darstellen und eine Staatshaftung begründen könnte. Eine Entschädigung wegen materieller Enteignung kann daher nicht zugesprochen werden (E. 3.4).
Schuldbetreibung; Verwertung beschlagnahmter Gegenstände gestützt auf andere Gesetze; Art. 44 SchKG
Verwertung beschlagnahmter Gegenstände gestützt auf andere Gesetze (Art. 44 SchKG) – Wiederholung der Grundsätze (E. 3.2.3). Im vorliegenden Fall erklärte sich die Staatsanwaltschaft bereit, die Grundbuchsperre im Falle der Verwertung der Liegenschaft aufzuheben und im Gegenzug einen Teil des Verwertungserlöses zu beschlagnahmen. Dies wurde als Verzicht auf den Vorrang der strafrechtlichen Verwertung im Sinne von Art. 44 SchKG gewertet. In diesem Zusammenhang ist die Mitteilung einer Schätzung der Liegenschaft durch das Betreibungsamt vor der Steigerung mit Art. 44 SchKG vereinbar (E. 3.2.5).
Gutachten; Ausstand des Gerichtsexperten; Art. 47, 183 ZPO
Ausstand des Gerichtsexperten – Wiederholung der Grundsätze (E. 3.1). Im vorliegenden Fall besteht der Anschein der Befangenheit, da der gerichtliche Sachverständige es unterlassen hat, eine Partei zur ersten Begutachtungssitzung beizuziehen, und zudem eine unfreundlich formulierte E- Mail verfasst hat, in der – zumindest aus Sicht der betroffenen Partei – der Eindruck entsteht, gewisse Handlungen (namentlich die Vornahme von Messungen in Abwesenheit einer Partei) müssten so schnell wie möglich erfolgen, während andere (wie die Kontaktaufnahme mit derselben Partei) so langsam wie nötig vorgenommen werden sollten (E. 3.2).
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