Newsletter August 2022
Herausgegeben von Bohnet F., Eggler M. und Varin S.
Mit der Unterstützung von Die Kammer der Fachanwälte SAV im Bau- und Immobilienrecht
Herausgegeben von Bohnet F., Eggler M. und Varin S.
Diese neue Newsletter wird monatlich erscheinen und und wurde unter der Schirmherrschaft der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Neuenburg, ihres hubimmobilier (hub-immobilier.ch) und in Zusammenarbeit mit der Kammer der Fachanwälte SAV für Bau- und Immobilienrecht erstellt. Sie steht unter der Verantwortung von Professor François Bohnet sowie von Marcel Eggler, Fachanwalt SAV Bau- und Immobilienrecht, und Simon Varin, Rechtsanwalt und wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Neuenburg.
Auf der Website immodroit.ch finden Sie die Rechtsprechung des Bundesgerichts sowie Textanalysen, die Ihnen helfen, die Entwicklungen in diesen Bereichen besser zu verstehen.
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Mäklervertrag; Mäklerlohn; Art. 412 und 413 OR
Mäklerlohn (Erinnerung an die Prinzipien) – Durch den Mäklervertrag erhält der Mäkler gemäss Art. 412 Abs. 1 OR den Auftrag, gegen eine Vergütung Gelegenheit zum Abschluss eines Vertrages nachzuweisen (Nachweismäkelei) oder den Abschluss eines Vertrages zu vermitteln (Vermittlungsmäkelei). Der Mäklervertrag steht im Allgemeinen unter den Vorschriften über den einfachen Auftrag (Art. 412 Abs. 2 OR).
Ist der Mäkler vertraglich verpflichtet, den Abschluss des Vertrages zu vermitteln, so bestimmt sich der Umfang seiner Pflichten nach der vertraglichen Abrede oder der Natur des Geschäfts. Ohne anderslautende Vereinbarung setzt der Anspruch auf den Mäklerlohn einen Kausalzusammenhang zwischen der Tätigkeit des Mäklers und dem tatsächlichen Zustandekommen des Hauptvertrags bzw. des Zielgeschäfts voraus, wobei ein psychologischer Zusammenhang zwischen den Bemühungen des Mäklers und dem Entschluss des Dritten ausreicht. Der psychologische Zusammenhang kann auch bestehen, wenn zwischenzeitlich die Verhandlungen abgebrochen wurden. Es schadet auch nicht, wenn der Mäkler nicht bis zum Abschluss des Vertrages involviert war oder ein anderer Mäkler eingeschaltet wurde. In einem solchen Fall liegt nur dann kein genügender psychologischer Zusammenhang vor, wenn die Tätigkeit des Mäklers zu keinem Resultat geführt hat, die Verhandlungen definitiv abgebrochen wurden und der Verkaufsabschluss schliesslich auf einer ganz neuen Basis abgeschlossen wurde.
Der Mäkler muss, unter Vorbehalt einer anders lautenden Vereinbarung, beweisen, dass seine Intervention – bei der Vermittlungsmäkelei seine Vermittlung, bei der Nachweismäkelei die Nachweisbemühungen des Mäklers – zum vertraglich definierten Erfolg geführt hat. Nach Art. 413 Abs. 1 OR ist der Mäklerlohn verdient, sobald der Vertrag infolge des Nachweises oder der vereinbarten Vermittlung zustande gekommen ist. Dass typischerweise der Mäklerlohn nur verdient ist, wenn der Vertrag mit dem nachgewiesenen Partner oder durch Vermittlung des Mäklers zustande kommt, schliesst nicht aus, dass Aufwendungsersatz (Art. 413 Abs. 3 OR) oder ein Honorar auch für den Fall des Nichtzustandekommens des Vertrags zugesichert werden kann (E. 3.3.1).
Im vorliegenden Fall wird der Antrag auf Rechnungslegung abgelehnt, da die Beschwerdeführer weder konkret dargelegt haben, welche Originaldokumente sie nicht zurückerhalten hätten, noch einen Zusammenhang zwischen der angeblichen Verletzung der Sorgfaltspflicht durch die Beschwerdegegnerin und dem daraufhin geltend gemachten Anspruch auf Rückerstattung des Honorars hergestellt haben. Die Forderung nach Rückerstattung des Honorars wird ebenfalls zurückgewiesen, da sich der Makler lediglich verpflichtet hatte, einen Käufer für einen Mindestpreis zu finden, eine Aufgabe, die er erfolgreich erfüllt hat. In diesem Fall ist es unerheblich, ob die Beklagte den Maklervertrag erfüllt und das Honorar verdient hat oder mit wem der Makler außer der späteren Käuferin der Immobilie noch verhandelt hat, da feststeht und unbestritten ist, dass die Immobilie dank der Bemühungen des Maklers verkauft wurde (E. 3.3).
Grundstückverkaufvertrag; Arglistige Täuschung, Garantie für die Mängel; Art. 18 und 197 ff OR
Leistungsverweigerungsrecht - Wer bei einem zweiseitigen Vertrag den anderen zur Erfüllung anhalten will, muss nach Art. 82 OR entweder bereits erfüllt haben oder die Erfüllung anbieten, es sei denn, dass er nach dem Inhalt oder der Natur des Vertrags erst später zu erfüllen hat. Art. 82 OR gewährt dem Schuldner eine aufschiebende Einrede mit der Wirkung, dass er die geforderte Leistung bis zur Erbringung oder Anbietung der Gegenleistung zurückhalten darf. Der Gläubiger kann sich begnügen, auf vorbehaltlose Leistung zu klagen. Es obliegt dem Schuldner, die Einrede zu erheben. Ist die Einrede berechtigt, hat der Gläubiger also die Leistung weder erbracht noch angeboten, so schützt das Gericht die Klage in dem Sinne, dass es den Schuldner zur Leistung Zug um Zug, d.h. zu einer aufschiebend bedingten Verpflichtung verurteilt. Der Kläger braucht die Verurteilung des Beklagten zur Leistung Zug um Zug nicht zu verlangen. Das Gericht erlässt ein dahingehendes Urteil auf Einrede des Beklagten nach Art. 82 OR. Das Leistungsverweigerungsrecht gemäss Art. 82 OR ist nicht von Amtes wegen zu berücksichtigen.
Erhebt der Schuldner die Einrede, ist es am Gläubiger zu beweisen, dass er seine eigene Leistung erbracht oder gehörig angeboten hat. Art. 82 OR weicht vom Prinzip ab, wonach den Beweisbelasteten auch die (objektive) Behauptungslast trifft. Der Schuldner hat nämlich zu behaupten, dass der Gläubiger die Leistung weder erbracht noch gehörig angeboten hat, und dieser hat anschliessend zu beweisen, dass er seine Leistung erfüllt oder gehörig angeboten hat. Hingegen führt Art. 82 OR zu keiner Umkehr der Beweislast. Die allgemeine Regel von Art. 8 ZGB gilt: Es obliegt zunächst dem Gläubiger, der seine Forderung durchsetzen will, die Tatsachen zu behaupten und zu beweisen, die den Bestand seiner Forderung feststellen lassen. Der Schuldner, welcher die Einrede des nicht erfüllten Vertrags erhebt, hat den Bestand seiner Gegenforderung zu beweisen. Es obliegt anschliessend dem Gläubiger, die Erfüllung oder das gehörige Angebot seiner eigenen Leistung nachzuweisen, was auch bedeutet, dass er die Folgen der Beweislosigkeit trägt.
Auslegung eines Vertrags (Grundsätze) - (E. 3.1.2); Recht auf Beweis (Erinnerung an die Grundsätze (E. 3.1.3); vorzeitige Beweisführung (E. 3.1.4). Im vorliegenden Fall wurde die Einrede der Nichterfüllung zu Recht erhoben. Denn der Anspruch auf den Restbetrag des Werkpreises, der fällig ist, und der Anspruch auf Nachbesserung, der ebenfalls fällig ist, stehen sich gegenüber. Da sich der Bauunternehmer bisher geweigert hat, die Reparatur durchzuführen, muss der Bauherr dazu verurteilt werden, den Restbetrag des Baupreises im Austausch für den Ersatz der strittigen Rohrleitung zu zahlen (E. 3.3.4 und 3.4). Zudem stellt eine Schlussabrechnung im Sinne von Art. 153 der SIA-Norm 118 keinen Kontokorrentvertrag dar, der gekündigt werden könnte und alle offenen Forderungen aus dem Werkvertrag umfassen würde und die Einrede der Nichterfüllung vereiteln könnte (E. 3.4.1).
Immobilienkaufvertrag; Vertretung; Art. 32 und 33 OR
Voraussetzungen für die Gültigkeit der Vertretung. Nach dem System der Art. 32 ff. OR ist der Vertretene in drei Fällen gebunden, wenn der Vertreter, der den Vertrag abschließt, zu erkennen gibt, dass er im Namen des Vertretenen handelt: (1) wenn der Vertretene dem Vertreter im Innenverhältnis die erforderlichen Vollmachten erteilt hatte (Innenvollmacht; Art. 32 Abs. 1 OR). 1 OR); (2) wenn der Vertretene dem Vertreter keine internen Vollmachten erteilt hat, wenn der Dritte aus dem Verhalten des Vertretenen im Aussenverhältnis auf das Bestehen solcher Vollmachten schliessen konnte (Anscheinsvollmacht; Art. 33 Abs. 3 OR); und (3) wenn der Vertretene dem Vertreter keine internen Vollmachten erteilt hat, wenn der Vertretene den Vertrag ratifiziert hat (Art. 38 Abs. 1 OR). Diese Regeln sind auch anwendbar, wenn der Vertretene eine Aktiengesellschaft ist (E. 4.1).
Im vorliegenden Fall kann das Vorliegen einer Ratifizierung für Sanierungsarbeiten im Zusammenhang mit einer nach dem Verkauf festgestellten Verschmutzung des Grundstücks nicht angenommen werden, wenn der Ansprechpartner, der über eine zeitlich begrenzte und ausdrücklich auf den Abschluss des Kaufvertrags beschränkte Vollmacht verfügte, diese lediglich auf einem Schreiben der Käuferpartei mit seinem Visum versehen hat (E. 6.4).
Grundstückkaufvertrag; Grundlagenirrtum; Art. 24 Abs. 1 Ziff. 4 und 26 OR
Grundlagenirrtum - Ein Vertrag ist für denjenigen unverbindlich, der sich beim Abschluss in einem wesentlichen Irrtum befunden hat (Art. 23 OR). Ein solcher liegt namentlich vor, wenn der Irrtum einen bestimmten Sachverhalt betraf, der vom Irrenden nach Treu und Glauben im Geschäftsverkehr als eine notwendige Grundlage des Vertrages betrachtet wurde (Art. 24 Abs. 1 Ziff. 4 OR). Neben der subjektiven Wesentlichkeit ist erforderlich, dass der zugrunde gelegte Sachverhalt auch objektiv, vom Standpunkt oder nach den Anforderungen des loyalen Geschäftsverkehrs als notwendige Grundlage des Vertrages erscheint. Der Irrtum gemäss Art. 24 Abs. 1 Ziff. 4 OR kann sich zwar auf eine künftige Tatsache beziehen, jedoch nur, wenn diese Tatsache im Zeitpunkt des Vertragsschlusses objektiv als sicher angesehen werden konnte. Voraussetzung ist weiter, dass die Gegenpartei nach Treu und Glauben im Geschäftsverkehr hätte erkennen müssen, dass die Sicherheit des Eintritts des zukünftigen Ereignisses für die andere Partei Vertragsvoraussetzung war. Wie sich schon aus dem Wortlaut von Art. 24 Abs. 1 Ziff. 4 OR ergibt, muss sich die Fehlvorstellung auf einen "bestimmten Sachverhalt" ("sur des faits", "una determinata condizione di fatto") beziehen (zum Ganzen: Urteile 4A_92/2021 vom 14. Oktober 2021 E. 3.1; 4A_217/2014 vom 4. August 2014 E. 2.2).
Objektiv wesentlich ist eine falsche Vorstellung, die notwendigerweise beiden Parteien bewusst oder unbewusst gemeinsam und bei objektiver Betrachtung eine unerlässliche Voraussetzung für den Abschluss des Vertrags gewesen ist (E. 2.1).
Fahrlässigkeit - Aus Art. 26 OR lässt sich ableiten, dass ein Grundlagenirrtum im Sinne von Art. 24 Abs. 1 Ziff. 4 OR auch dann vorliegen kann, wenn der Irrtum auf die Fahrlässigkeit des Irrenden zurückzuführen sein sollte. Durch Fahrlässigkeit wird dem Irrenden eine Berufung auf Grundlagenirrtum demnach grundsätzlich nicht abgeschnitten, sondern sie führt im Allgemeinen nur, aber immerhin, dazu, dass er seiner Gegenseite nach Massgabe von Art. 26 OR Schadenersatz zu leisten hat. Eine Schranke für die Berufung auf Grundlagenirrtum bildet der Grundsatz von Treu und Glauben (Art. 25 Abs. 1 OR), wobei Treu und Glauben bezüglich des Grundlagenirrtums in Art. 24 Abs. 1 Ziff. 4 OR noch zusätzlich betont wird. Kümmert sich etwa eine Partei bei Vertragsschluss nicht um die Klärung einer bestimmten, sich offensichtlich stellenden Frage, kann dies bewirken, dass die Gegenseite daraus nach Treu und Glauben den Schluss ziehen darf, der entsprechende Umstand werde vom Partner nicht als notwendige Grundlage des Vertrags betrachtet.
Im vorliegenden Fall ist es nicht ausreichend, sich drei Jahre vor dem Immobilienverkauf über eine mögliche Nutzungsänderung des verkauften Grundstücks zu informieren; eine gewissenhafte Vertragspartei hätte sich vor der Unterzeichnung des Vertrags bei der Gemeinde über die aktuellen und für den Verkauf relevanten Möglichkeiten der Nutzungsänderung erkundigen müssen, um einen Irrtum zu vermeiden. Unter diesen Umständen muss sich der Käufer die fehlende Abklärung als Fahrlässigkeit anrechnen lassen, und sein Irrtum, dass die Umnutzung einer Scheune ausgeschlossen war, muss auf seine mangelnde Sorgfalt zurückgeführt werden. Es handelt sich also um einen fahrlässigen Irrtum im Sinne von Artikel 26 OR (E. 2.5 und 2.6).
Immobilienkaufvertrag; Wegbedingung der Gewährleistungen; Art. 199 und 200 OR
Haftung der Grundstückverkäufers. Die Haftung des Verkäufers ist bei erwarteten Eigenschaften weniger streng als bei zugesicherten Eigenschaften, da im ersten Fall der Mangel (zumindest) zu einer erheblichen Minderung des beabsichtigten Nutzens oder des (objektiven) Wertes der Sache führen muss. Wie hoch die Anforderungen an die erwartete Qualität sind, hängt vom Inhalt des Vertrags, den Regeln des guten Glaubens und den sonstigen Umständen des konkreten Falles ab. Generell ist der Wert- oder Nutzungsverlust beachtlich, wenn der Käufer den Vertrag nicht oder zu anderen Bedingungen abgeschlossen hätte, wenn er den Mangel gekannt hätte (E. 4.1).
Arglistige Verschweigen. Das "arglistige Verschweigen" im Sinne von Art. 199 OR umfasst Verhaltensweisen der absichtlichen Täuschung und Irreführung. Sie liegt insbesondere vor, wenn der Verkäufer seinen Vertragspartner nicht auf einen Mangel hinweist, obwohl er eine Informationspflicht hat, die sich aus den Regeln des guten Glaubens ergeben kann. Ob eine Informationspflicht besteht, hängt von den Umständen des konkreten Falles ab. Der Verkäufer ist verpflichtet, den Käufer eines Besseren zu belehren, wenn er weiß - oder wissen sollte -, dass der Käufer über die Eigenschaften des Gegenstandes irrt, oder wenn es sich um einen (insbesondere versteckten) Mangel handelt, mit dem der Käufer nach Treu und Glauben nicht rechnen konnte und der für den Käufer von Bedeutung ist. Dies setzt voraus, dass der Verkäufer tatsächlich Kenntnis von dem Mangel hat. Unkenntnis aufgrund von selbst grober Fahrlässigkeit reicht nicht aus. Die Kenntnis muss nicht unbedingt vollständig sein oder sich auf alle Einzelheiten beziehen; es reicht aus, dass der Verkäufer ausreichend über die Ursache, die den Mangel verursacht, orientiert ist, so dass er nach dem Grundsatz von Treu und Glauben verpflichtet ist, den Käufer darüber zu informieren. Der Verkäufer ist von der Pflicht zur Information des Käufers befreit, wenn er in gutem Glauben davon ausgehen kann, dass der Käufer sich selbst informieren wird, dass er den Mangel ohne weiteres, ohne Schwierigkeiten entdecken wird. Das Verschweigen muss absichtlich geschehen; Eventualvorsatz genügt (E. 4.2).
Ein Verstoß gegen Art. 199 OR ist daher nicht auf der Grundlage von Garantien denkbar, die dem Käufer nicht gegeben wurden (E. 6.2).
Werkvertrag; Einbeziehung der SIA-Norm 118 als Allgemeine Vertragsbedingungen; Art. 93 ZPO; SIA 118
Aufnahme der SIA-Norm 118 in den Werkvertrag - Grundsätze. Die Geltung vorformulierter allgemeiner Geschäftsbedingungen, zu denen auch die SIA-Norm 118 zählt wird durch die Ungewöhnlichkeitsregel eingeschränkt. Danach sind von einer global erklärten Zustimmung zu allgemeinen Vertragsbedingungen alle ungewöhnlichen Klauseln ausgenommen, auf deren Vorhandensein die zustimmende Partei nicht gesondert aufmerksam gemacht worden ist. Die Ungewöhnlichkeit beurteilt sich aus der Sicht des Zustimmenden im Zeitpunkt des unter Berücksichtigung des Einzelfalls. Zu berücksichtigen ist unter anderem, ob der Zustimmende geschäfts- und branchenkundig ist: Je weniger geschäfts- oder branchenerfahren er ist, umso eher wird eine Klausel für ihn ungewöhnlich sein. So können branchenübliche Klauseln für einen Branchenfremden ungewöhnlich sein, für einen Branchenkenner demgegenüber nicht. Branchenkenntnis oder Geschäftserfahrung schliesst aber die Ungewöhnlichkeit nicht zwingend aus. Auch für einen Branchenkundigen oder Geschäftserfahrenen kann eine AGB-Klausel unter Umständen ungewöhnlich sein. Die Ungewöhnlichkeitsregel ist ein Instrument der Konsenslehre; sie konkretisiert das Vertrauensprinzip, das den Schutz von Treu und Glauben im Geschäftsverkehr bezweckt und nicht primär darauf abzielt, die schwächere oder unerfahrene Partei vor der stärkeren oder erfahreneren zu schützen (E. 3.1.1).
Die bloße Berufung auf eine negative Tatsache, in diesem Fall die vom Meister angeführte Unerfahrenheit, verpflichtet den Unternehmer nicht dazu, die Erfahrung seines Vertragspartners zu beweisen, da andernfalls die Beweislast umgekehrt würde. Der Bauunternehmer kann sich somit darauf beschränken, die Unerfahrenheit seines Vertragspartners zu bestreiten (Bestreitungslast), was dem Vertragspartner eine Pflicht auferlegt, die Tatsache zu beweisen, aus der er ein Recht ableitet, nämlich die Anwendung der Insolvenzregel zu seinen Gunsten (E. 3.1.5.2).
Der Bauherr beruft sich auf die Aufrechnung mit dem Zahlungsanspruch aufgrund von Mängeln, die mit der mangelhaften Ausführung zusammenhängen. Der Bauunternehmer beruft sich auf die Abnahme der Sache nach der SIA-Norm 118 und die Anerkennung der Schlussabrechnung ohne Mängelanzeige, um den Schadenersatzanspruch im Zusammenhang mit den durch Gerichtsgutachten anerkannten Mängeln zu bestreiten. Das Gericht darf seine Prüfung nicht auf die Ansprüche des Klägers beschränken, sondern muss alle zur Verrechnung geltend gemachten Gegenansprüche prüfen (E. 3.2).
Es ist nicht zu beanstanden, dass die kantonalen Instanzen für die Berechnung des Streitwerts die Streitwerte der geltend gemachten Ansprüche auf Bezahlung des Werks und auf definitive Eintragung des Bauhandwerkerpfandrechts zusammenrechnen, da die Rechtsfragen unterschiedlich sein können, insbesondere was die Einhaltung der 4-Monats-Frist betrifft (E. 5.3).
Werkvertrag; Zurückbehalterecht; Art. 82 OR und 153 SIA-Norm 118
Leistungsverweigerungsrecht - Wer bei einem zweiseitigen Vertrag den anderen zur Erfüllung anhalten will, muss nach Art. 82 OR entweder bereits erfüllt haben oder die Erfüllung anbieten, es sei denn, dass er nach dem Inhalt oder der Natur des Vertrags erst später zu erfüllen hat. Art. 82 OR gewährt dem Schuldner eine aufschiebende Einrede mit der Wirkung, dass er die geforderte Leistung bis zur Erbringung oder Anbietung der Gegenleistung zurückhalten darf. Der Gläubiger kann sich begnügen, auf vorbehaltlose Leistung zu klagen. Es obliegt dem Schuldner, die Einrede zu erheben. Ist die Einrede berechtigt, hat der Gläubiger also die Leistung weder erbracht noch angeboten, so schützt das Gericht die Klage in dem Sinne, dass es den Schuldner zur Leistung Zug um Zug, d.h. zu einer aufschiebend bedingten Verpflichtung verurteilt. Der Kläger braucht die Verurteilung des Beklagten zur Leistung Zug um Zug nicht zu verlangen. Das Gericht erlässt ein dahingehendes Urteil auf Einrede des Beklagten nach Art. 82 OR. Das Leistungsverweigerungsrecht gemäss Art. 82 OR ist nicht von Amtes wegen zu berücksichtigen.
Erhebt der Schuldner die Einrede, ist es am Gläubiger zu beweisen, dass er seine eigene Leistung erbracht oder gehörig angeboten hat. Art. 82 OR weicht vom Prinzip ab, wonach den Beweisbelasteten auch die (objektive) Behauptungslast trifft. Der Schuldner hat nämlich zu behaupten, dass der Gläubiger die Leistung weder erbracht noch gehörig angeboten hat, und dieser hat anschliessend zu beweisen, dass er seine Leistung erfüllt oder gehörig angeboten hat. Hingegen führt Art. 82 OR zu keiner Umkehr der Beweislast. Die allgemeine Regel von Art. 8 ZGB gilt: Es obliegt zunächst dem Gläubiger, der seine Forderung durchsetzen will, die Tatsachen zu behaupten und zu beweisen, die den Bestand seiner Forderung feststellen lassen. Der Schuldner, welcher die Einrede des nicht erfüllten Vertrags erhebt, hat den Bestand seiner Gegenforderung zu beweisen. Es obliegt anschliessend dem Gläubiger, die Erfüllung oder das gehörige Angebot seiner eigenen Leistung nachzuweisen, was auch bedeutet, dass er die Folgen der Beweislosigkeit trägt.
Auslegung eines Vertrags (Grundsätze) - (E. 3.1.2); Recht auf Beweis (Erinnerung an die Grundsätze (E. 3.1.3); vorzeitige Beweisführung (E. 3.1.4). Im vorliegenden Fall wurde die Einrede der Nichterfüllung zu Recht erhoben. Denn der Anspruch auf den Restbetrag des Werkpreises, der fällig ist, und der Anspruch auf Nachbesserung, der ebenfalls fällig ist, stehen sich gegenüber. Da sich der Bauunternehmer bisher geweigert hat, die Reparatur durchzuführen, muss der Bauherr dazu verurteilt werden, den Restbetrag des Baupreises im Austausch für den Ersatz der strittigen Rohrleitung zu zahlen (E. 3.3.4 und 3.4). Zudem stellt eine Schlussabrechnung im Sinne von Art. 153 der SIA-Norm 118 keinen Kontokorrentvertrag dar, der gekündigt werden könnte und alle offenen Forderungen aus dem Werkvertrag umfassen würde und die Einrede der Nichterfüllung vereiteln könnte (E. 3.4.1).
Werkvertrag; Einschluss der SIA-Norm 118 und Verhandlungsgrundsatz; Art. 55 ZPO; 102-107 OR; 153-155 und 190 SIA-Norm 118
Integration der SIA-Norm 118. Die SIA-Norm 118 ist das Regelwerk des privaten Schweizerischen Ingenieur- und Architektenvereins. Nach der Praxis des Bundesgerichts kommt Regelwerken privater Organisationen auch dann nicht die Qualität von Rechtsnormen zu, wenn sie sehr detailliert und ausführlich sind wie beispielsweise die SIA-Norm 118. Das Bundesgericht anerkennt die SIA-Norm 118 nicht als regelbildende Übung und stellt nur darauf ab, wenn die Parteien sie zum Vertragsinhalt erhoben haben. Beruft sich eine Partei auf die SIA-Norm 118, dann hat sie zu behaupten und zu beweisen, dass diese Vertragsbestandteil geworden ist. Es ist nicht willkürlich, die SIA-Norm als notorisch zu bezeichnen (E. 5.2).
Verhandlungsmaxime bei Aufnahme der SIA-Norm 118. Wenn die SIA-Norm 118 in den Vertrag aufgenommen wird, ist es dem Gericht unbenommen, im Rahmen der Rechtsanwendung von Amtes wegen das gesamte Vertragswerk unter Einschluss der global übernommenen SIA-Norm 118 zu würdigen. Ebenso kann das Gericht aus den einzelnen Vertragsbestimmungen Schlüsse mit Bezug auf die vertraglichen Pflichten ziehen, auch wenn die Parteien ihren Anspruch nicht im Einzelnen auf die einschlägigen Vertragsabreden abstützen. Es liegt keine Verletzung des Verhandlungsgrundsatzes vor (E. 5.3.2).
Im vorliegenden Fall durfte die Vorinstanz ohne Verletzung von Bundesrecht die im Werkvertrag explizit enthaltenen Zahlungsfristen für die Berechnung der Verzugszinsen heranziehen und die Frist von Art. 154 der SIA-Norm 118 ausklammern (E. 5.3.3). Die Vorinstanz hat jedoch einen Berechnungsfehler begangen, so dass die Beschwerde teilweise gutgeheissen wird (E. 5.3.4).
Werkvertrag; Werkpreis; Art. 373 OR
Festpreis oder Pauschalpreis (Art. 373 OR) - Der Pauschalpreis gilt, sofern das vom Auftraggeber letztlich verlangte Werk dem bei Vertragsabschluss geplanten Werk entspricht, ohne qualitative oder quantitative Änderungen. Bestellungsänderungen berechtigen zu einer Preiserhöhung, wenn der Unternehmer zusätzliche Leistungen erbringt (E. 4.1). Wenn der Unternehmer eine zusätzliche Vergütung beansprucht, muss er nachweisen, dass er eine Leistung erbracht hat, die nicht in den Gegenstand des Werkvertrags ist und aher nicht durch den für diese Arbeiten festgelegten Pauschalpreis abgedeckt ist. Welche Leistungen ursprünglich vereinbart wurden, lässt sich jedoch nur durch Auslegung des Vertrags ermitteln. Wie die Lehre feinsinnig hervorhebt, können gewisse Ungenauigkeiten dem Unternehmer zugutekommen, sofern die Baubeschreibung vom Auftraggeber stammt (E. 4.2).
Im vorliegenden Fall wartete der Beschwerdeführer Bauherr das Gerichtsverfahren ab, um einzuwenden, dass er die zusätzlichen Arbeiten nie genehmigt habe, da die früheren Vorwürfe als zu vage erachtet worden seien oder andere strittige Punkte betrafen. Somit hatte der Beschwerdeführer zwar die zusätzlichen Arbeiten und insbesondere die Vergütung nicht vorher schriftlich genehmigt, aber er hat diese Arbeiten, die mit der Zustimmung seines Architekten ausgeführt wurden, schliesslich akzeptiert. Somit muss er für die Mehrkosten aufkommen (E. 5.3).
Werkvertrag; Werkvergütung; Art. 374 OR
Dispositiver Charakter von Art. 374 OR – Mangels einer vorherigen Vereinbarung über den Preis des Werkes gibt es keinen Grund, von der allgemeinen und subsidiären Regel des Art. 374 OR abzuweichen, wonach der Preis in diesem Fall nach dem Wert der Arbeit und den Aufwendungen des Unternehmers zu bestimmen ist (E. 2.2).
Obiter dictum – Im vorliegenden Fall wurde der Preis des Werkes, der nach dem Wert der Arbeit und den Aufwendungen des Unternehmers (Art. 374 OR) bestimmt werden sollte, in Wirklichkeit nach den Regietarifen eines Berufsverbandes festgelegt. Dieses Vorgehen war zulässig, da es sich nach Aussage des Sachverständigen um eine übliche Praxis handelte. Es wird darauf hingewiesen, dass man sich nicht mit dem Nachweis einer solchen Übung begnügen dürfe, wenn die einschlägige Gesetzesbestimmung - hier Art. 374 OR - nicht darauf verweist: Eine ausdrückliche oder stillschweigende Einbeziehung durch die Parteien müsse nachgewiesen werden, gegebenenfalls indirekt durch Verweis auf die Übung, die die genannten Tarife einschließt. Da Rüge nicht diesbezüglich erhoben wurde, wird die Beschwerde abgewiesen (E. 2.3).
Haftung des Geschäftsherrn; Verhältnis zwischen Zivilrecht und Strafrecht; Art. 53 und 55 OR
Auslegung von Art. 53 OR - Art. 53 OR ist nicht eindeutig, aber es geht jedoch klar hervor, dass er sich nicht auf die Feststellung des Sachverhalts und die daraus resultierende Rechtswidrigkeit bezieht. Es obliegt somit dem Zivilprozessrecht (früher den Kantonen vorbehalten) zu entscheiden, ob der Zivilrichter an den strafrechtlich festgestellten Sachverhalt gebunden ist oder nicht. Da die ZPO zu diesem Thema schweigt, ist der Zivilrichter nicht an den vom Strafrichter festgestellten Sachverhalt gebunden; er entscheidet nach eigenem Ermessen, ob er den strafrechtlich festgestellten Sachverhalt übernimmt oder nicht, und entscheidet frei über die Rechtswidrigkeit. Allerdings hindert nichts den Zivilrichter daran, die Feststellungen des Strafrichters zu übernehmen, da dieser über umfangreichere Ermittlungsmöglichkeiten verfügt. Wenn der Zivilrichter der Meinung ist, dass er der Meinung des Strafrichters folgen kann, trifft er eine Opportunitätsentscheidung (E. 2.2).
Im vorliegenden Fall hat die Vorinstanz also nicht gegen Art. 53 OR verstossen, indem sie von der Analyse der Strafrichter abwich und der Hilfskraft vorwarf, in einer besonders gefährlichen Situation nicht die notwendigen Schutzmassnahmen getroffen zu haben, um zu verhindern, dass einer der anderen Beteiligten auf das Loch trat, das er gerade mit einer dünnen Isolationsschicht abgedeckt hatte (E. 2.3).
Haftung des Arbeitgebers - Art. 55 OR führt eine spezifische Haftung für das Handeln Dritter ein, die auf einer mutmaßlichen Sorgfaltspflichtverletzung des Arbeitgebers beruht. Der Arbeitgeber, der von den Diensten seiner Hilfskraft profitiert, muss auch die Folgen von deren Versäumnissen tragen (respondeat superior), zumal die betreffende Person häufig kaum über die wirtschaftlichen Mittel verfügt, um den bei der Ausführung ihrer Arbeit entstandenen Schaden zu beheben. Um sich zu exkulpieren, muss der Arbeitgeber beweisen, dass er alle nach den konkreten Umständen gebotene Sorgfalt walten ließ (cura in eligendo, instruendo et custodiendo) oder dass ein sorgfältiges Verhalten den Eintritt des Schadens nicht verhindert hätte. Die Anforderungen an den Arbeitgeber sind hoch; die Zulassung von Entlastungsgründen darf nur restriktiv zugelassen werden. Die erforderliche Sorgfalt steht in einem angemessenen Verhältnis zur Gefährlichkeit der Arbeit der Hilfskraft. Allerdings darf man nicht das Unmögliche verlangen: Man muss sich an das halten, was im täglichen Betrieb eines Unternehmens vernünftigerweise verlangt werden kann (E. 3.2).
Im vorliegenden Fall haben die Waadtländer Richter nicht gegen Bundesrecht verstossen, indem sie die Auffassung vertraten, dass die sehr gefährliche Situation, die durch die Überdeckung des Lochs und das Fehlen einer Absperrung entstanden war, Massnahmen wie die vorgeschriebenen erforderte (die insbesondere darin bestanden, einen der anwesenden Arbeiter um Hilfe zu bitten) auch nur für einen kurzen Moment, da zwei weitere Personen auf demselben Stockwerk arbeiteten (E. 3.3.2).
Die Haftung des Arbeitgebers geht über die klassische Verschuldenshaftung hinaus, und er kann sich nicht auf seine persönliche Situation berufen: Er muss beweisen, dass er alle Maßnahmen ergriffen hat, die durch objektive Kriterien und die konkreten Umstände diktiert wurden. Die Praxis ist bei der Zulassung von Entlastungsmitteln restriktiv, was insbesondere mit der ratio legis von Art. 55 OR und den wirtschaftlichen Überlegungen, die dieser Regel zugrunde liegen, in Verbindung gebracht werden kann (E. 3.5.2).
Bauhandwerkerpfandrecht; Definitive Eintragung; Art. 839 ZGB; 63 ZPO
Der Beschwerdeführer reichte ein Schlichtungsgesuch ein und verlangte die definitive Eintragung des Bauhandwerkerpfandrechts; die Schlichtungsbehörde trat mangels sachlicher Zuständigkeit nicht auf das Gesuch ein. Der Beschwerdeführer stellt daraufhin beim Regionalgericht ein Gesuch um definitive Eintragung des Bauhandwerkerpfandrechts. Das Gericht trat auf das Gesuch nicht ein mit der Begründung, dass nicht das ursprüngliche Gesuch, sondern ein sich davon deutlich unterscheidendes Gesuch eingereicht wurde.
Die Rückdatierung der Rechtshängigkeit im Sinn von Art. 63 Abs. 1 ZPO bei einer vorab unzuständigerweise bei einer Schlichtungsbehörde eingereichten Eingabe beim zuständigen Gericht ist an sich möglich, aber voraussetzt, dass die gleiche Rechtsschrift im Original eingereicht wird, was nicht im vorliegenden Fall, der Fall ist (E. 2-3).
Rückwirkende Rechtshängigkeit bei Bauhandwerkerpfandrechtsverfahren - Der Beschwerdeführer reichte ein Schlichtungsgesuch ein und verlangte die definitive Eintragung des Bauhandwerkerpfandrechts; die Schlichtungsbehörde trat mangels sachlicher Zuständigkeit nicht auf das Gesuch ein. Der Beschwerdeführer stellt daraufhin beim Regionalgericht ein Gesuch um definitive Eintragung des Bauhandwerkerpfandrechts. Das Gericht trat auf das Gesuch nicht ein mit der Begründung, dass nicht das ursprüngliche Gesuch, sondern ein sich davon deutlich unterscheidendes Gesuch eingereicht wurde.
Die Rückdatierung der Rechtshängigkeit im Sinn von Art. 63 Abs. 1 ZPO bei einer vorab unzuständigerweise bei einer Schlichtungsbehörde eingereichten Eingabe beim zuständigen Gericht ist an sich möglich, setzt aber vorraus, dass die gleiche Rechtsschrift im Original eingereicht wird, was im vorliegenden Fall, nicht der Fall ist (E. 2-3).
Das Bundesgericht verweist auf seine Rechtsprechung zu dieser Frage (BGE 145 III 428): Der Rechtsuchende, der sich irrtümlich an die Schlichtungsbehörde gewandt hat, anstatt direkt das Gericht anzurufen, muss das ursprüngliche Gesuch, das bei der falschen Instanz eingereicht worden war, innert Frist nochmals im Original beim zuständigen Gericht einreichen. Das Bundesgericht begründet seine Rechtsprechung damit, dass sich die betroffene Partei gegebenenfalls ein zweites Mal - im Rahmen eines zweiten Schriftenwechsels oder mündlich anlässlich einer Instruktionsverhandlung oder zu Beginn der Hauptverhandlung vor den ersten Parteianträgen - ohne Einschränkung äussern und so die negativen Folgen ihres Versäumnisses weitgehend beheben kann (E. 4).
Bauhandwerkerpfandrecht; Dispositionsgrundsatz ; Verteilung des Pfandbetrages auf die Stockwerkeinheiten; Art. 56 und 58 ZPO; 839 ZGB
Art. 58 Abs. 1 ZPO sieht vor, dass das Gericht einer Partei nicht mehr oder etwas anderes zusprechen darf, als beantragt wurde, und nicht weniger, als von der Gegenpartei anerkannt wurde (ne eat iudex ultra petita partium). Dies ist die wichtigste Konsequenz der Dispositionsmaxime, die der verfahrensrechtliche Ausdruck des Grundsatzes der Privatautonomie ist. Es ist allein Sache der Parteien, zu entscheiden, ob sie einen Prozess einleiten und was sie darin fordern oder anerkennen wollen (E. 3.1).
Der Richter, der mit einer Klage auf Eintragung eines gesetzlichen Baupfandrechts auf dem Stammgrundstück befasst ist, während die Stockwerkanteile bereits belastet sind, ist nach der Dispositionsmaxime nicht berechtigt, das Pfandrecht auf die Stockwerkanteile von Amtes wegen zu verteilen, sondern muss die Klage des Unternehmers abweisen (E. 3.4).
Bauhandwerkerpfandrechts; Verhandlungsgrundsatz, Reformcharakter der Berufung; Art. 55 et 318 ZPO
Verhandlungsgrundsatz, Behauptungs und Bestreitungspflicht ; Verweis auf eine Beilage – Wenn die klagende Partei eines Bauhandwerkerpfandrechts Tagesberichte mit leicht lesbaren handschriftlichen Eintragungen erstellt hat, aus denen hervorgeht, wann und für welches Haus oder Grundstück welche Arbeiten vorgenommen wurden, obliegt es der beklagten Partei, die Arbeiten genau zu bestreiten, was sie im vorliegenden Fall nicht getan hat (E. 2.3.2 und 3.4). Dasselbe gilt bezüglich der Behauptung der viermonatigen Frist für die Eintragung der Hypothek; ein Verweis auf die Unterlagen ist ebenfalls möglich, wenn sie separat begründet, dass die Frist für jedes Gebäude eingehalten wurde (E. 2.4-2.4.3).
Um die Existenz der verschiedenen strittigen Arbeiten zu beweisen, waren mehrere hundert Seiten an Belegen erforderlich, insbesondere mit allen individuellen Aufmaßen. Eine Integration dieser Elemente in die Urkunde hätte deren Umfang massiv erhöht, ohne dem Gericht oder der Gegenpartei mehr Informationen zu liefern, und wäre daher einer echten Leerlaufarbeit gleichgekommen. Im vorliegenden Fall enthält die Urkunde jedoch den Sachverhalt, der behauptet wird, zumindest in groben Zügen, so dass gerade in dem Fall, in dem eine Vielzahl von Einzelinformationen erforderlich ist, die Auslagerung der Informationen in einen Anhang keine Überfrachtung darstellt, sondern im Gegenteil sowohl die Lesbarkeit des Rechtsschriftsatzes als auch den Zugang zu den entsprechenden Informationen erleichtern kann (E. 2.4.4.2).
Reformatorischer Charakter der Berufung - Die Berufungsinstanz entscheidet nach eigenem Ermessen, ob sie eine reformatorische oder kassatorische Entscheidung trifft. Sie kann jedoch nur dann eine reformierende Entscheidung treffen, wenn sie verhandlungsfähig ist. Urteilsfähig ist ein Verfahren, wenn das Gericht über alle Elemente verfügt, um über die Begründetheit oder Unbegründetheit des geltend gemachten Anspruchs zu entscheiden oder einen Nichteintretensentscheid zu fällen. Zudem muss das gesetzlich vorgeschriebene Verfahren ordnungsgemäß durchgeführt worden sein. Die für die Beurteilung des strittigen Anspruchs erforderlichen Tatsachengrundlagen müssen vorhanden sein und die Parteien müssen die Möglichkeit gehabt haben, sich zu allen entscheidungsrelevanten Fragen zu äußern. Es darf kein verfahrenskonform gestellter Beweisantrag zu entscheidungsrelevanten Streitfragen offen bleiben. In den Augen des Gesetzgebers sollte eine Rückverweisung grundsätzlich die Ausnahme sein, da sonst das Verfahren unnötig verlängert würde (E. 4.3.2.1).
Selbst wenn das erstinstanzliche Gericht die Klage wegen eines Behauptungsmangels abgewiesen hat, kann das kantonale Gericht, das die Behauptung der Klägerin für ausreichend hält, die Entscheidung abändern und eine Entscheidung in der Sache treffen.
Werkvertrag; Verzug des Werkeigentümers und vorprozessualen Anwaltskosten; Art. 102 und 107 OR
Verzug - Ist eine Verbindlichkeit fällig, so wird der Schuldner durch Mahnung des Gläubigers in Verzug gesetzt (Art. 102 Abs. 1 OR). Die Mahnung ist eine an den Schuldner gerichtete Erklärung des Gläubigers, die zum Ausdruck bringt, dass er die Leistung ohne Säumnis verlangt. Mit der Mahnung muss die zu erbringende Leistung so genau bezeichnet werden, dass der Schuldner erkennt, was der Gläubiger fordern will. Die Mahnung ist eine empfangsbedürftige Erklärung. Ob im Einzelfall die Anforderungen an die Bestimmtheit und Deutlichkeit erfüllt sind, ist aufgrund der konkreten Umstände durch Auslegung - unter Anwendung des Vertrauensprinzips - zu ermitteln.
Im vorliegenden Fall verletzte die Vorinstanz kein Bundesrecht, indem sie akzeptierte, dass die Klägerin die Wiederaufnahme der Arbeiten und nicht die endgültige Lieferung der Maschinen angemahnt hatte (E. 6.2.3).
Nachfrist und Vergleichsgespräche - Solange der Gläubiger sein Wahlrecht im Sinne von Art. 107 OR nicht getroffen habe, könne er dem Schuldner eine neue Nachfrist ansetzen. Eine generelle Frist, innert der eine erneute Nachfrist anzusetzen wäre, würden Rechtsprechung und Lehre nicht statuieren. Der Gläubiger habe lediglich die Grundsätze von Treu und Glauben einzuhalten. Im vorliegenden Fall vergingen zwischen der ersten und der zweiten Mahnung mehrere Monate. In der Zwischenzeit standen die Parteien weiterhin in Kontakt, jedoch ohne dass der Bauherr ausdrücklich eine Wahl im Sinne von Artikel 107 OR getroffen hatte. In diesen Verhandlungen ist eine implizite Verlängerung der Nachfrist zu sehen, auch wenn diese nicht mit einem konkreten Datum versehen ist und daher keine zusätzlichen Verzögerungswirkungen auslösen kann (E. 6.3).
Vorprozessuale Anwaltskosten - Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung können vorprozessuale Anwaltskosten Bestandteil des Schadens bilden, aber nur wenn sie gerechtfertigt, notwendig und angemessen waren, der Durchsetzung der Schadenersatzforderung dienen und nur soweit, als sie nicht durch die Parteientschädigung gedeckt sind. Die Partei, die den Ersatz vorprozessualer Anwaltskosten einklagt, hat substanziiert darzutun, das heisst die Umstände zu nennen, die dafür sprechen, dass die geltend gemachten Aufwendungen haftpflichtrechtlich als Bestandteil des Schadens zu betrachten sind, mithin gerechtfertigt, notwendig und angemessen waren, der Durchsetzung der Schadenersatzforderung dienen und nicht durch die Parteientschädigung gedeckt sind (E. 9.1).
Wie die Beklagte zu Recht ausführt, werden vorprozessuale Anwaltskosten in der Regel mit der Parteientschädigung entgolten. Dies gilt namentlich im Anwendungsbereich der ZPO. Sie können nur ausnahmsweise separat als Schaden eingeklagt werden (E. 9.2.2).
Im vorliegenden Fall hat die Vorinstanz der Klägerin Anwaltskosten zugesprochen, die zu einem Zeitpunkt angefallen sind, als realistischerweise bereits mit einem möglichen Prozess zu rechnen war, so dass sie von einer falschen Schadensabgrenzung ausging, als sie der Klägerin vorprozessuale Anwaltskosten zusprach (E. 9.2.2 und 9.3).
Totalunternehmenvertrag; Verhandlungsgrundsatz, Substanziierungslast und Bestreitungslast – Verweis auf Beilage; Art. 55 ZPO
Verhandlungsgrundsatz - In einem ersten Schritt hat eine Tatsachenbehauptung nicht alle Einzelheiten zu enthalten. Es genügt, wenn die Tatsachen, die unter die das Begehren stützenden Normen zu subsumieren sind, in einer den Gewohnheiten des Lebens entsprechenden Weise in ihren wesentlichen Zügen oder Umrissen behauptet werden. Immerhin muss die Tatsachenbehauptung so konkret formuliert sein, dass ein substanziiertes Bestreiten möglich ist oder der Gegenbeweis angetreten werden kann (E. 5.2).
Bestreitungen sind so konkret zu halten, dass sich bestimmen lässt, welche einzelnen Behauptungen des Klägers damit bestritten werden. Die Bestreitung muss ihrem Zweck entsprechend so konkret sein, dass die Gegenpartei weiss, welche einzelne Tatsachenbehauptung sie beweisen muss. Der Grad der Substanziierung einer Behauptung beeinflusst insofern den erforderlichen Grad an Substanziierung einer Bestreitung: Je detaillierter einzelne Tatsachen eines gesamten Sachverhalts behauptet werden, desto konkreter muss die Gegenpartei erklären, welche dieser einzelnen Tatsachen sie bestreitet. Je detaillierter mithin ein Parteivortrag ist, desto höher sind die Anforderungen an eine substanziierte Bestreitung. Diese sind zwar tiefer als die Anforderungen an die Substanziierung einer Behauptung; pauschale Bestreitungen reichen indessen nicht aus. Erforderlich ist eine klare Äusserung, dass der Wahrheitsgehalt einer bestimmten und konkreten gegnerischen Behauptung infrage gestellt wird.
Behauptet etwa der Kläger in seinen Rechtsschriften einen geschuldeten Betrag und verweist dafür rechtsgenüglich (dazu gerade unten Erwägung 5.4) auf eine beiliegende Rechnung oder eine detaillierte Abrechnung, kann vom Beklagten verlangt werden, dass er präzise die Positionen der Rechnung oder die Punkte der Abrechnung bezeichnet, die er bestreitet. Andernfalls die Rechnung oder die Abrechnung als nicht hinreichend bestritten und damit als anerkannt gilt.
Verweis auf Beilage - An einen rechtsgenüglichen Verweis auf die Beilage werden somit im Wesentlichen drei Anforderungen gestellt: - Erstens müssen in der Rechtsschrift die Tatsachen in ihren wesentlichen Zügen oder Umrissen behauptet sein (dazu oben Erwägung 5.2). - Zweitens hat der entsprechende Verweis in der Rechtsschrift spezifisch ein bestimmtes Aktenstück zu nennen und aus dem Verweis selbst muss klar werden, welche Teile des Aktenstücks als Parteibehauptung gelten sollen. - Drittens muss die Beilage selbsterklärend sein. Sie hat genau die verlangten (beziehungsweise in der Rechtsschrift bezeichneten) Informationen zu enthalten und es darf kein Interpretationsspielraum bestehen. Sind diese Voraussetzungen nicht gegeben, kann der Verweis nur genügen, wenn zusätzlich in der Rechtsschrift die Beilage derart konkretisiert und erläutert wird, dass die in der Beilage enthaltenen Informationen ohne weiteres zugänglich werden und nicht interpretiert und zusammengesucht werden müssen.
Substantiierung nach der aufgerufenen Rechtsgrundlage - Bei einer Entschädigung nach Aufwand ist der geltend gemachte Aufwand – art. 374 OR - so darzulegen, dass dessen Notwendigkeit und Angemessenheit überprüft werden kann, was nachvollziehbare Angaben zu den erbrachten Arbeiten und die dafür aufgewendeten Arbeitsstunden voraussetzt (Urteil 4A_446/2020 vom 8. März 2021 E. 6.1 mit weiteren Hinweisen). Im vorliegenden Verfahren geht es dagegen nicht um die Einforderung eines Werklohns nach Aufwand durch den Bauunternehmer, sondern um einen Schadenersatzanspruch aus Werkvertrag aufgrund einer Verletzung einer Nebenpflicht (Sorgfaltspflicht) an einem sich im Bau befindlichen Gebäude, wofür der Unternehmer nach den allgemeinen Grundsätzen der Vertragshaftung einzutreten hat (Art. 364 Abs. 1 OR i.V.m. Art. 97 ff. OR; Urteil 4A_273/2017 vom 14. März 2018 E. 3.3.1 mit Hinweisen).
Architektenvertrag; Gutachten; Ausstand; Art. 49 und 50 ZPO
Zuständigkeit für die Ernennung eines Sachverständigen. Die Entscheidung über die Ernennung eines Sachverständigen und die Entscheidung über Ablehnungsgründe, die vor der Ernennung artikuliert wurden, ist eine prozessleitende Verfügung, deren Zuständigkeit an ein Mitglied des Gerichts delegiert werden kann (E. 4.4).
Befangenheit. Die gemeinsame Mitgliedschaft in einer öffentlichen oder privaten Institution, einem Club (Rotary, Lions Club etc.), einem Institut, einem Berufsverband, einer politischen Partei oder einer Religionsgemeinschaft ist nicht per se eine Befangenheit oder Voreingenommenheit, da sonst häufig die Gefahr bestünde, keinen Experten zu finden. Die Zugehörigkeit zu einer Interessengemeinschaft kann jedoch unter Umständen eine Ablehnung rechtfertigen, wenn der ideelle Zweck der Einheit in engem Zusammenhang mit dem Gegenstand des Verfahrens steht. Der Sachverständige wird nicht unbedingt abgelehnt, weil er einer bestimmten Denkschule oder wissenschaftlichen Methode anhängt, auch wenn die Schule oder Methode umstritten ist und sich auf das Ergebnis des Gutachtens auswirken kann. Voraussetzung ist allerdings, dass die Schule oder Methode wissenschaftlich anerkannt ist und nicht offensichtlich veraltet ist oder in Fachkreisen auf breiter Basis abgelehnt wird. Die wissenschaftlichen Auffassungen des Gutachters dürfen nicht ausschliesslich den Standpunkt einer der Parteien schützen und den Eindruck erwecken, dass das Schicksal des Prozesses nicht mehr offen ist (E. 5.2).
Im vorliegenden Fall lassen die Funktionen des zum Sachverständigen ernannten Architekten als Vizepräsident der International Union of Architects (UIA) und als Ehrenmitglied des Schweizerischen Ingenieur- und Architektenvereins (SIA) keinen Anschein von Voreingenommenheitoder Befangenheit erkennen (E. 5.3).